Die Saturn und N-1 – Unterschiede in der Sicherheitsphilosophie

Ich habe mal eine Anzeige gesehen, in der man einen Metallkugelschreiber und einen abgekauten, kurzen Bleistift sah. Darunter stand sinngemäß, dass die NASA Unsummen für einen Kugelschreiber ausgab, der auch in der Schwerelosigkeit schreiben konnte und Russland das Problem mit einem Bleistift löste.

Ich treffe immer wieder auf die Meinung. Die russische Technik sei zwar veraltet, schwer, aber solide und unverwüstlich. Es sei eben eine andere Herangehensweise an die Probleme, die der Weltraum an die Technik stellt. Dafür würde auch die Benutzung des Bleistifts stehen.

Ich will diese unterschiedlichen Herangehensweisen an der N-1 demonstrieren, aber auch einige andere Dinge erwähnen und nicht zuletzt sagen, warum ich die russische Lösung in vielen Fällen für keine Lösung halte.

Fangen wir mal mit dem obigen Vergleich an. Das Problem ist, das er einem eine Schlussfolgerung aufdrängt, aber man nicht die Fragestellung weiß. Die NASA wollte einen Kugelschreiber, damit die Astronauten schreiben konnten und es musste ein Kugelschreiber sein, weil normales Papier im Weltraum einige Nachteile hat. Es ist zu dünn, nimmt Feuchtigkeit auf und fängt an sich zu wellen. Die Handbücher bestanden aus beschichtetem Papier. Das kann man aber nicht mit Bleistiften beschriften. Mal davon abgesehen, dass man die auch nachspitzen muss. Dann hat man ein neues Problem, das man lösen muss.

Russland hat eigentlich nicht das Problem gelöst, es hat es umgangen, indem es eben doch Papier oder besser Karton genommen hat, der ist dick genug, dass er nicht wellt. Und das ist die Art wie Russland in den Sechzigern und Siebzigern (wie es heute ist weiß man leider mangels aktueller Projekte nicht) Probleme „löste“. Man umging sie. Raumsonden und Satelliten – beginnend von Sputnik 1, enthielt die elektronische Ausrüstung in einem druckdichten Kompartiment, gefüllt mit Stickstoff, den ein Ventilator umwälzte. Man setzte sich mit dem Problem des Vakuums also nicht auseinander, entwickelte keine Kunststoffe, die die Temperaturen standhielten und nicht ausgasten oder eine Temperaturregulation, die auch im Vakuum und in der Schwerelosigkeit funktionierten, sondern man schuf erdähnliche Bedingungen. Das verschaffte vor allem einen Zeitvorteil. Die USA brauchten Jahre und etliche Fehlversuche, bis sie ein Kamerasystem hatten, das im Vakuum einen Film belichten und entwickeln konnte. Russland nutzt bei Luna 3 einen Prozess der zwar unter Schwerelosigkeit arbeitet aber nicht im Vakuum, damit konnte die Sonde schon 1959 erste Aufnahmen der Mondrückseite machen – wenn auch in bescheidener Qualität.

Auf der anderen Seite: die meisten dieser so konzipieren Sonden fielen trotzdem aus, einige sogar deswegen weil diese Abteilung Gas verlor und dann überhitzte. US-Sonden waren in der Summe zuverlässiger, weil man die weltraumtaugliche Hardware natürlich extensiv unter Weltraumbedingungen testen musste. Das konnten sich die Russen sparen.

Kommen wir zu den Trägerraketen. Da sehen wir schon bei der R-7 einen Unterschied. Zum einen natürlich die vielen Brennkammern. Aber das reichte nicht. Alle Triebwerke waren starr eingebaut. Ein kardanisch aufgehängtes Triebwerk ist deutlich aufwendiger. Man muss Aktoren bauen, um es zu schwenken. Damals meist pneumatisch, wobei die Pneumatik von einer Hydraulik getrieben wurde, die als Antrieb die Treibstoffe selbst nutzte die nach Passage der Turbopumpe hohen Druck hatten. Kardanisch aufgehängte Triebwerke haben dann noch das Problem, das die Turbopumpen schnell bewegliche Rotoren haben. Sie wirken wie ein Kreisel, und wenn die Turbopumpe mit dem Triebwerk gedreht wird, induziert das ein unerwünschtes Drehmoment. Alles Probleme, die man lösen muss. Russland umging es, indem zu den 20 Hauptbrennkammern in Block A-D noch 12 Steuertriebwerke mit kleinem Schub kamen, die drehbar waren, aber ohne Turbopumpen, rein druckgefördert. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Als die Sojus 2.1v das NK-33 Triebwerk bekam wurde dieses wieder starr eingebaut. Nun musste man ein zusätzliches Triebwerk einbauen, das die Drehungen durchführt. Man entschied sich für das RD-0110, das in der dritten Stufe der Sojus eingesetzt wurde. Eine Lösung, aber man hat zwei Triebwerke, obwohl man nur eines bräuchte und damit ein höheres Risiko.

Als Russland im Laufe der Sechziger dann im Schub reduzierbare Triebwerke entwickelt nutzte man deren Fähigkeit für Richtungsänderungen baute sie aber immer noch fest ein. So umgesetzt bei der Proton. Das nächste Problem, das es zu lösen galt, war die Zündung einer Stufe in der Schwerelosigkeit. Dann hat man nämlich das Problem, das sich die Treibstoffe von der Wand lösen und es kann vorkommen, dass der Fluss zu den Triebwerken abreist und sie sich abschalten. Das Problem trat erstmals auf als man Oberstufen einsetzte, die erste war Block E bei der Wostok/Luna. Wie löste man es? Nun, wenn man nicht weiß wie man in der Schwerelosigkeit Stufen zündet, dann startet man sie gar nicht erst in der Schwerelosigkeit. Bei allen frühen russischen Raketen wurde die Oberstufe gezündet, kurz bevor die Unterstufe Brennschluss hat. Damit diese nicht explodiert ist die Oberstufe über einen Gitterrohradapter verbunden, durch den die Gase entweichen können. Das ist eine Lösung, wenngleich man so die Unterstufe nie ganz ausbrennen lassen kann und so Leistung verschenkt. Die USA setzten es bei der Titan II auch ein, doch das war eine ICBM, bei der die Brennzeit anders als bei einer Trägerrakete minimal ist. Sie sollte nie einen Orbit erreichen. Problem gelöst? Nein umschifft. Denn wenn man das Problem löst, dann kann man eine Stufe auch mehrfach zünden und das ist nötig für bestimmte Missionen. Die Kosmos B-1 hatte daher nur die Fähigkeit elliptische Umlaufbahnen zu erreichen. Für eine höhere kreisförmige Umlaufbahn hätte man nach dem Ausbrennen der Ersten und Zünden der zweiten Stufe eine Freiflugphase benötigt. Bei der Wostok nahm aufgrund der Tatsache und der dadurch nötigen Aufstiegsbahn die Nutzlast für höhere Umlaufbahnen dramatisch ab und Raumsonden hatten da man keine Parkbahn und nach Vermessen dieser Korrekturen durchgeben konnte eine höhere Bahnungenauigkeit, die dazu führte, dass Luna 1 den Mond verpasste.

Langfristig benötigte man aber die Fähigkeit. Für planetare Umlaufbahnen war sie unumgänglich, ebenso für höhere Kreisbahnen oder, wenn man das Apogäum nicht genau 180 Grad vom Startort entfernt haben wollte.

Für die Kosmos C kam man auf die erste Lösung. Die zweite Stufe hatte zwei Zündphasen. Dazwischen liefen die ganze Zeit kleine Triebwerke, die genügend Schub entwickelten, dass der Treibstoff am Tankboden blieb. Das verbraucht allerdings unnötigen Treibstoff. Für längere Freiflugphasen wie sie für die Molnija Satelliten und Raumsonden nötig waren (typisch 10 bis 30 Minuten Freiflugphase) kam man bei der Molnija-Version auf die folgende Idee: Oberstufe und Satellit gelangen zusammen in den Orbit. Das Gespann darf also nie schwerer als die Nutzlast der dreistufigen Sojus sein. Am Zielpunkt angekommen zündet ein Feststoffantrieb, der die Treibstoffe sammelt und dann das Haupttriebwerk. Es war nur eine Zündung möglich und das rächte sich. Denn das System, dass die Stufe bis dahin stabilisierte, damit sie bei der Zündung nicht falsch ausgerichtet ist, war eine Fehlkonstruktion und so schaltete die Stufe nach der Zündung bald wieder ab und die Nutzlast strandete in einem Erdorbit. Ein zweiter Versuch war nicht möglich.

Erst seit Einführung der Fregat / Breeze M hat Russland wiederzündbare Oberstufen. Alle diese „einfachen“ Lösungen entpuppten sich so in der Praxis nicht als einfach, sondern fehleranfällig,

Nach diesem allgemeinen Teil nun zur N-1. Natürlich sind grundsätzliche Unterschiede zur Saturn V im Design zu erkennen, doch darum geht es nicht in diesem Beitrag. Es ging um die allgemeine Sicherheitsphilosophie. Die war bei Wernher von Braun: testen, testen, testen. Eine ausgereifte Rakete war ihm wichtiger als ein Zeitplan. Selbst im Krieg vergingen zwischen dem ersten erfolgreichen Testflug einer A-4 und ihrem Einsatz zwei Jahre. Koroljow sah das lockerer. Soweit ich gehört habe, hat er sich nie besonders für die Sicherheitsaspekte interessiert. Es gab als inoffizielle Vorgabe, das es zwei reibungslose unbemannte Tests geben musste, bevor man bemann startet. Bei der N-1 hätte das bedeutet, dass wenn die nächsten beiden Tests gelungen wären, man bemannt gestartet wäre. Und das mit einer Rakete, die bei den vorherigen vier Flügen nicht mal zur Zündung der zweiten Stufe kam. Umgekehrt war der zweite Flug der Redstone im Mercuryprogramm MR-2 nicht reibungslos. Die Redstone, eine erprobte Rakete funktionierte, aber verbrauchte den Treibstoff zu schnell. Das löste das Sicherheitssystem aus, das einen vorzeitigen Brennschluss vermutete und es beschleunigte die Kapsel noch mehr, sodass sie weit vom Zielgebiet landete. Die einfachste Lösung wäre es gewesen, den Zeitgeber für die Auslösung des Fluchtturms anzupassen (was man auch machte). Trotzdem wollte von Braun einen weiteren Testflug in dem er die Teile die diesen Schubüberschuss verursachten durch andere ausgetauscht hatte und bekam ihn auch – die anderen Verantwortlichen im Mercuryprogramm hielten ihn für überflüssig stellten keine echte Kapsel und nannten in MR-BD. BD für Booster Development.

Man sieht: beide Chefs hatten sehr unterschiedliche Vorstellungen von Sicherheit. Das merkt man auch bei den Philosophien der Rakete.

Triebwerke

Der wohl sicherheitstechnisch kritischste Teil der Rakete sind die Triebwerke. Daher widmete von Braun ihnen auch große Aufmerksamkeit. Das F-1 war moderner als das H-1, aber es verwandte dieselben Konstruktionsprinzipien wie frühere US-Triebwerke. Das Hauptstromverfahren, das sicherlich zumindest theoretisch bekannt war, wurde nicht eingesetzt und die technischen Werte waren moderat. Von den technischen Werten waren schon die ersten NK-Triebwerke besser. Sei es spezifischer Impuls oder Schub/Gewichtsverhältnis. Aber sie wurden extensiv getestet. Es gab insgesamt 2.771 Zündungen, davon 1.110 über die volle Brenndauer mit einer Gesamtdauer von 239.124 s. Sechs Triebwerke wurden jeweils über 5.000 Sekunden lang betrieben. Zweimal wurden aus der normalen Produktion zwei Triebwerke herausgegriffen und auf ihre volle Lebensdauer von 2.250 s und zwanzig Zündungen getestet. Zusammen mit den Akzeptanztests hatten die Triebwerke nach dem letzten Flug 1.280.527 s Betriebsdauer in 3.248 Zündungen akkumuliert. Davon entfielen nur rund 10.000 s auf die 13 Flüge.

Diese Bilanz konnten die NK-Triebwerke nicht aufweisen. Es waren hier 832 Tests mit 86.000 s. Die Zeitdauer und die Testzahl sind beeindruckend, wenn auch nicht so hoch wie beim F-1. Zum Vergleich, das Vulcain absolvierte 280 Tests mit 86000 Sekunden. Die Testzahl ist dabei der wichtigere Parameter, da das Vulcain mehr als fünfmal länger arbeiten muss, als ein NK. Nicht ignorieren kann man die Triebwerksanzahl. Das Vulcain braucht viel weniger Tests, weil es nur ein Triebwerk ist. Paradoxerweise: je mehr Triebwerke eine Rakete hat, desto zuverlässiger muss eines sein, da ein Ausfall meist zu einem Missionsverlust führt. Man würde also erwarten das bei 30 Triebwerken die NK-Triebwerke stärker getestet wurden als die F-1 und das ist nicht der Fall.

Ein Rätsel für mich ist die Qualitätskontrolle. Die ersten NK-Triebwerke waren ohne Überholung nur einmal zündbar (das waren auch die F-1, doch man konnte sie ja nach jeder Zündung mit einem neuen Startsystem ausstatten). Die F-1 wurden trotzdem vor jedem Start viermal gezündet, mit zusammen 495 s Brennzeit, (später maximal 165 s lang betrieben) – einzeln, zusammen, in der Stufe eingebaut. Bei den NK-Triebwerken baute man jeweils eine Charge von sechs Triebwerken. Davon nahm man zwei heraus und testete diese. Bestanden diese den Test, so wurden die anderen eingebaut, wenn nicht wurden sie verschrottet. Jedes Mal, wenn ich das schreibe, muss ich in Gedanken den Kopf schütteln. So was funktioniert nur bei systematischen Fehlern, nicht bei zufällig verteilten Fehlern.

Sicherheitsphilosophie

Beide Träger hatten in den ersten Stufen eine „Engine-out“ Kapazität. In der Beziehung war die N-1 sogar besser. Bei ihr dürfte schon beim Start ein Triebwerk ausfallen, bei der Saturn V erst nach 30 Sekunden. Zudem hatte die N-1 diese Fähigkeit bei den ersten drei Stufen, die Saturn V nur bei den ersten zwei. Allerdings hatte die N-1 auch fünf Stufen. Das Handling war aber unterschiedlich. Bei der Saturn V wegen der schwenkbaren Triebwerke wurden diese schräg gestellt, um die Asymmetrie auszugleichen. Bei der N-1 mit fest eingebauten Triebwerken muste man das zugehörige entgegengesetzte ebenfalls Triebwerk abschalten.

Doch das ist nur ein Aspekt. Man muss auch gewährleisten, dass der Ausfall keine Folgen hat. Im Extremfall kann ein Triebwerk explodieren und so die Nachbartriebwerke beschädigen, wie bei der N-1 mehrmals passiert. Die N-1 verlies sich auf das Sicherheitssystem Koord. Das F-1 hatte in den Leitungen unterhalb der Turbopumpe Schalter. Es waren drei mit leicht unterschiedlichen Auslöseschwellen einige Bar unterhalb des Nenndrucks. Sobald der Nennschub erreicht war, wurden sie hineingedrückt und damit aktiv. Sank er dann ab so gab es, sobald zwei Schalter umsprangen an die IU ein Signal (bei der Saturn IB wurden die Triebwerke sogar selbst abgeschaltet), die dann Aktionen traf. Denn wie schon geschrieben – erst nach 30 Sekunden dürfte ein Triebwerk gefahrlos ausfallen musste die Steuerung eine Entscheidung treffen – Fluchtturm auslösen, Rakete aufs Meer steuern, Triebwerk abschalten. Kord bei der N-1 hatte auf den ersten Blick eine ähnliche Aufgabe, nur das es hier fünf Parameter pro Triebwerk waren. Doch KORD war mit der Aufgabe auch überfordert. Die IU der Saturn V musste 5 Signale von 5 Triebwerken verarbeiten, KORD 150 von 30 Triebwerken. Was mich wundert – und das hat nichts damit zu tun, das die erste Stufe der N-1 nie als Ganzes getestet zu tun, ist das man keinerlei Vorbereitungen traf, das ein Triebwerk das explodiert nicht die anderen beschäftigt – so was gab es bei den F-1 auch nicht, aber da hatte man ja den Fokus darauf gerichtet, dass ein Ausfall gar nicht erst vorkommt.

Ich schreibe eigentlich nur über die erste Stufe, weil man die oberen Stufen ja nie in Aktion sah. Sie sind aber auch unkritischer, weil dann die Atmosphäre passiert ist. Man kann dann alle Triebwerke abschalten, das Raumschiff abtrennen und landen. So wurden auch die J-2 weitaus weniger intensiv getestet als die F-1.

In meinem neuen Buch, in dem auch die N-1 ein Kapitel von 60 Seiten Umfang bekommen hat, benutzte ich die Formulierung, das das russische Mondprogramm „mit der heißen Nadel gestrickt“ war. Und das trifft es. Recherchiert man, so findet man so viele Versäumnisse, Wagnisse. Nur mal als Ergänzung: Am Mond angekommen sollte ein Astronaut über die Oberfläche der Sojus zum Mondlander klettern, dort dann einsteigen und zusammen mit der letzten Stufe Block D landen. Die reichte aber nicht für die komplette Landung aus, sondern war in geringer Höhe ausgebrannt und nun wurde sie abgetrennt und das Mondlandertriebwerk gezündet. Also ich möchte das nicht machen. Nach dem Rückstart wäre der Kosmonaut erneut ausgestiegen über den Mondlander zur Sojus geklettert, zusammen mit den Gesteinsproben und dort wieder eingestiegen – aus Gewichtsgründen gab es keinen Kopplungstunnel zwischen Sojus und Mondlander. Wenn das in einem Science-Fiction Film erschienen wäre, es wäre zu abenteuerlich gewesen, doch so war es geplant, einfach, weil die N-1 nicht die Nutzlast hatte, die die Saturn hatte und man Gewicht einsparen musste.

Fazit

In der Summe finden wir das Wernher von Braun der Sicherheit großen Rahmen einräumte. Bei den ersten Raketen, A-4, Redstone, Jupiter vor allem durch Zuverlässigkeit, also intensive Erprobung. Das ist das Level, das heute zahlreiche russische Raketen haben – einfach durch die lange Einsatzhistorie. Betrachtet man die ersten Jahre, so sieht das deutlich anders aus. Die Saturn, gebaut für bemannte Einsätze wurde dagegen so konstruiert, dass sie von Anfang an möglichst sicher war. Das geschah durch Redundanz – die hatte die N-1 bis auf den Ausfall ganzer Triebwerke nicht, daher habe ich es hier auch komplett weggelassen – intensive Prüfungen und zumindest bei den Triebwerken konservative Betriebsparameter. Dafür waren die stufen sehr leichtgewichtig, auch besser als die der N-1.

9 thoughts on “Die Saturn und N-1 – Unterschiede in der Sicherheitsphilosophie

  1. Spekulationen „was wäre wenn“ sind natürlich heute müssig, aber was wäre, wenn der ursprüngliche Plan Koroljews von 1960 umgesetzt worde wäre, und man zunächst eine N-11 Rakete mit 8 NK-15 Triebwerken als Startstufe entwickelt hätte? Ich begaupte nicht, dass die Russen so das Mondrennen gewonnen hätten, aber zumindest hätte man die Konfiguration der N-1 sowie das NK-15 Triebwerk im Flug testen, und Probleme damit erkennen können, lange bevor dies in Realität der Fall war. Aber das Politbüro wollte möglichst viele Süppchen am Kochen halten, und bevorzugte die Entwicklung der Proton, die rein nichts gemeinsam mit der N-1 hatte.

    Auf der anderen Seite: was wäre, wenn die Mercury BD Mission bemannt gewesen wäre, und die USA dem Flug Gagarins zuvorgekommen wären? Hätte man so auf das Apollo- Programm verzichtet, da man die Russen ja geschlagen hätte, und spätestens mit Gemini endgültig abhängen könnte?
    Ein politisch wichtiger Aspekt kommt hier zum Tragen, den ich bei den Jubiläumsfeierlichkeiten kaum je thematisiert gefunden habe: Genau 100 Jahre nach dem Bürgerkrieg waren die USA immer noch ein gespaltenes Land, und viele im Norden dachten von den Südstaatlern bloss als rassistische Hillbillies, während viele im Süden sich beklagten, die Yankees behandelten sie weiterhin wie eine besiegte Nation.
    Dass viele der Schlüsselzentren des Apollo- Programms sich im Süden befanden, war wohl kein Zufall, sondern sollte wohl dazu beitragen, derartige Vorurteile abzubauen.
    Leider sind heute diese Unterschiede wieder am Zunehmen.

  2. Zu dieser Kuli-Geschichte am Anfang sollte man auch wissen, dass die so nicht stimmt. Fisher entwickelte den Space Pen aus eigenem Antrieb, und die Nasa kaufte ihn später (zu einem normalen Preis; die Nasa übernahm nicht die Entwicklungskosten); bis dahin verwendete man auch bei der Nasa Bleistifte. Und: Auch die Sowjets kauften den Space Pen für ihre bemannten Missionen, denn Bleistifte waren dann doch gar nicht so unproblematisch. Abgebrochene Bleistiftspitzen sah man als mögliche Problemquellen für die Elektrik an, das Anspitzen der Bleistifte war auch nicht so sauber möglich, wie man sich das gewünscht hätte.

    1. Um dies in den Kontext zu bringen: Bei der Entwicklung der N-1 war es die Vorgabe, Zeit und Kosten zu sparen, um jeden Preis. Mit bekanntem Resultat: 4 Fehlstarts aus 4 Versuchen.
      Das Apollo- Programm hat gezeigt, dass man mit genügend Mitteln eine Rakete entwickeln kann, die 100% zuverlässig funktioniert, aber auch, dass eine Organisation, die über unbegrenzte Gelder verfügen kann, über längere Frist träge und ineffizient wird.
      Btw, auch die Sowjets waren sich der Probleme und möglicher Gefahren durch Graphit und Holzsplitter in der Schwerelosigkeit bewusst, und verwendeten Wachsmalstifte.

      1. Russland hat bei der N-1 gezeigt das man mit genügend Mitteln auch eine unzuverlässige Rakete bei denselben Nachteilen in der Organisation schaffen kann. Rechnet man die Angaben Russlands von Rubel in Dollar um so kommt man auf Ausgaben von 4,8 – 7,2 Mrd Dollar, die obere Ziffer entspricht der Saturn V, aber bei dieser mit 15 Einsätzen und höherer Nutzlast.

        1. Angaben über sowjetische Preise in Rubel zum offiziellen Wechselkurs sind allgemein sehr mit Vorsicht zu geniessen. Sowjetische Rubel waren bunt bedrucktes Papier, mehr nicht. Und das Geld wurde ja nicht ausgegeben, sondern wanderte von einer Schatulle des sowjetischen Staates in eine andere.

        2. Aber dass das sowjetische Weltraumprogramm völlig deorganisiert war, da muss man Ihnen beipflichten. Jeder „Chefkonstrukteur“ hatte sein Lieblingsprojekt, ähnlich wie in den USA heute jeder Internet-Milliardär seine Weltraumambitionen hat.
          Demgegenüber war das Apollo-Programm Planwirtschaft in Reinkultur: Die ganze Kapitalismus-Ideologie wurde über Bord geworfen, alles wurde in Huntsville entschieden, ohne Vergleichsfliegen oder sonstige Wettbewerbe; und jeder wusste, was er zu tun hatte. Selbst wenn Boeing und Douglas im Markt der zivilen Verkehrsflugzeuge erbitterte Konkurrenten waren, für die Saturn V mussten sie zuammenarbeiten.

      2. Ich glaube, dass Problem der ineffizient werdenden Organisation bei der NASA hat viel damit zu tun, dass am Anfang für das Apolloprogramm viele Institute und Anlagen aufgebaut wurde und als später die Mittel gekürzt wurden diese Institute und Anlagen aber weiterbestanden. Wie so oft wurde dann aber zuerst bei den Arbeitern und Ingenieuren gekürzt und weniger in der Verwaltung, also entwickelte sich ein Wasserkopf. Das ist leider bei vielen solcher Organisationen zu sehen. Steigen dann später die Mittel wieder an werden trotzdem auch wieder Stellen in der Verwaltung geschaffen, obwohl diese ja eigentlich ausreichte um die vorher deutlich größere Organisation zu verwalten. Ein Auf- und Ab an Mitteln macht die Sache also noch schlimmer.

        Dann kommt natürlich dazu, dass die ganzen chronisch unterfinanzierten Entwicklungsabteilungen irgendwelche Powerpoint-Projekte erstellen, zu deren wirklicher Entwicklung allerdings die Mittel fehlen.

  3. Ein weiterer wichtiger Vorteil der USA war Geographie: Cape Canaveral liegt direkt am Meer, und man kann irgendwo in den USA riesige Raketenstufen bauen, und sie dann dorthin verschiffen. Die Saturn V hätte 3x grösser sein müssen, damit sie nicht mehr durch die Schleusen des Panama-Kanals gepasst hätte.

    Anders in Baikonur. Per Eisenbahn, Flugzeug oder LKW ist es unmöglich, eine 200t schwere Raketenstufe mit 16m Durchmesser dorthin zu transportieren. Somit musste diese vor Ort, in der unwirtlichen Steppe Kasachstans zusammengebaut werden.

    Wernher von Braun wusste sehr wohl, weshalb er genau diesen Stunt vorschlug, um die Sowjets auf dem falschen Fuss zu erwischen.

  4. Gemeinsamer Flug zum Mond ??? ( Extrem gekürzt)

    Was die meisten heute nicht wissen, es bestand eine kleine Möglichkeit das USA und Sowjetunion gemeinsam zum Mond fliegen, wurde zumindest auf höchster Ebene gesprochen. Praktisch wäre aber so ein Flug aus unterschiedlichen Gründen kaum möglich, zu groß waren die Gegensätze der beiden Länder.

    Am 20. Januar 1961 sendet US-Präsident John F. Kennedy in seiner Antrittsrede das Signal an die Sowjetunion: „Lassen Sie uns gemeinsam die Sterne erkunden …“ Bald weist er seinen wissenschaftlichen Berater an, Vorschläge für eine Zusammenarbeit mit der Sowjetunion auf dem Gebiet der Weltraumforschung vorzubereiten. Am 13. Februar schickte Kennedy persönlich ein Telegramm nach Chruschtschow, in dem er ihm zum Start der sowjetischen automatischen Station zur Venus gratulierte. Und Chruschtschow antwortet ihm zwei Tage später und erwähnt die Vorschläge von Kennedy in seiner Antrittsrede.

    Am 14. Februar ernennt J. Kennedy James Webb, einen politisch erfahrenen und energischen Anwalt, zum NASA-Chef. Im Laufe mehrerer Wochen traf sich J. Webb mehrmals mit dem Präsidenten und bestand auf einer deutlichen Beschleunigung und Erweiterung des NASA-Programms. „Die Sowjets haben gezeigt, wie effektiv die Erforschung des Weltraums als Symbol für wissenschaftlichen Fortschritt und als Ergänzung zur Außenpolitik sein kann“, forderte er den Präsidenten auf. „Wir können das verlorene Prestige nicht wiederherstellen, ohne die Fähigkeiten der vorhandenen Trägerraketen zu erhöhen.“ Zu diesem Zeitpunkt zögerte Kennedy noch in Bezug auf die künftige Raumfahrtpolitik und hatte die finanziellen Anträge der NASA noch nicht genehmigt. Die Agentur wurde vom Space Research Council der US Academy of Sciences unterstützt. Der Vorsitzende des Rates Lloyd Berkner, ein langjähriger Freund von J. Webb, sandte am 31. März 1961 einen Brief an ihn und den Präsidentenberater für Wissenschaft J. Wizner mit der Position des Rates: „Wissenschaftlich gesehen scheint es keinen Raum für Meinungsverschiedenheiten über die Rolle des Menschen bei der Erforschung von Mond und Planeten zu geben. Die menschliche Beteiligung an ihnen wird sehr bedeutsam, wenn sich herausstellt, dass es möglich ist, ihn in sie einzubeziehen.“

    Kennedy denkt weiter nach, aber die Ereignisse haben seine Zeit zum Nachdenken stark verkürzt: Am 12. April 1961 absolvierte Juri Gagarin triumphierend den ersten Raumflug der Welt.

    In einer Glückwunschbotschaft an Chruschtschow im Zusammenhang mit dem ersten bemannten Flug von Juri Gagarin wird Kennedy schreiben: „Ich wünsche mir aufrichtig, dass unsere Länder in ihrem fortwährenden Wissen über den Weltraum zum Wohle der gesamten Menschheit zusammenarbeiten können.“ Diesem Vorschlag ging ein seriöses, gut durchdachtes Dokument voraus, das in der Woche des Starts von Gagarin erstellt wurde:

    „Als ersten Schritt in Richtung einer uneingeschränkten Zusammenarbeit könnten die USA und die UdSSR beschließen, eine kleine Gruppe (etwa drei Personen) für wissenschaftliche Zwecke auf dem Mond zu landen und sie dann auf die Erde zurückzubringen.“

    Am 29. April schrieb Wernher von Braun eine Notiz an L. Johnson, in der er versuchte, die Fragen zu beantworten, die Präsident Kennedy im Memorandum vom 20. April 1961 aufgeworfen hatte. Die Notiz kam etwas spät: Der Vizepräsident hat dem Präsidenten bereits einen vorläufigen Bericht vorgelegt. V. von Braun bewertete die vorhandenen sowjetischen Trägerraketen und kam zu dem Schluss, dass sie ausreichen, um ein Raumschiff mit einer Besatzung (d. H. Mehr als einer Person) in die erdnahe Umlaufbahn zu bringen, aber sie werden keine Nutzlast in den Weltraum starten können, um auf dem Mond zu landen und zur Erde zurückzukehren. Zu den Chancen der Amerikaner im Weltraumrennen sagte er Folgendes:

    „Wir haben eine große Chance, die Sowjets bei der ersten Landung der Besatzung auf dem Mond zu schlagen (natürlich auch bei der Rückkehr). Tatsache ist, dass zur Erzielung einer solchen Leistung ein zehnfacher Leistungssprung des Trägers im Vergleich zu vorhandenen Raketen erforderlich ist. Obwohl wir heute nicht über die notwendige Rakete verfügen, ist es unwahrscheinlich, dass die Sowjetunion eine hat.“

    Am 16. Mai übergab J. Wisner dem Präsidenten einen analytischen Vermerk über die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der Sowjetunion im Weltraum. In dem Dokument wurde vorgeschlagen, auf Regierungsebene die Haltung des Kremls zur Idee der Weltraumkooperation zu untersuchen: „Wir sollten die Möglichkeit der Zusammenarbeit bei ehrgeizigeren Projekten im Zusammenhang mit der bemannten Erforschung des Mondes und der Erforschung des Planeten nicht aus unserer Liste der Vorschläge ausschließen.“ Kennedy bat sofort Außenminister Dean Rusk, mit dem Außenminister der UdSSR, A. A. Gromyko, zu sprechen. In der Antwort von Gromyko vom 20. Mai hieß es, eine solche Zusammenarbeit sei ohne Fortschritte auf dem Gebiet der Abrüstung undenkbar. Dann nutzte J. Kennedy über seinen Bruder, Justizminister Robert Kennedy, der freundschaftliche Beziehungen zu dem GRU-Offizier G. N. Bolschakow aufbaute, der unter dem Deckmantel des Kulturattachés der Botschaft der UdSSR arbeitete, diesen inoffiziellen Kanal. Am 21. Mai traf sich Robert Kennedy mit G. N. Bolschakow. Drei Tage lang gab es keine Antwort.

    Präsident Kennedy proklamierte das Mondprogramm als das Ziel der Nation bei einem gemeinsamen Treffen der beiden Kammern des US-Kongresses am 25. Mai 1961 (genau zwei Jahre sind seit dem Beginn seiner Idee bei der NASA vergangen). Trotz der regelmäßigen ernsthaften Spannungen in den Beziehungen zwischen der UdSSR und den USA hat das Thema Weltraumkooperation immer in den Köpfen von N.S. Chruschtschow und J.F. Kennedy gelebt. Noch im März 1962 fanden im UN-Gebäude in New York Verhandlungen über eine mögliche Zusammenarbeit im Bereich der Weltraumaktivitäten zwischen der sowjetischen und der amerikanischen Delegation statt. Der erste wurde von Akademiker Anatoly Blagonrawow geleitet, der zweite vom stellvertretenden Leiter der NASA, Hugh Dryden.

    Und bereits im September 1963 erwog die Kennedy-Regierung die Idee, das Apollo-Projekt von einem Wettbewerbsinstrument in ein Mittel der Zusammenarbeit umzuwandeln. Der Assistent des US-Präsidenten für nationale Sicherheit, McGeorge Bundy, riet Kennedy, der UdSSR technische und politische (!) Zusammenarbeit im Weltraum anzubieten: „Meiner Meinung nach ist die zentrale Frage, ob wir mit den Sowjets konkurrieren oder zusammenarbeiten werden, um einen Mann auf dem Mond zu landen…“

    Am 20. September 1963 sagte Kennedy auf der UN-Generalversammlung unverblümt und bezog sich auf die Idee einer gemeinsamen US-sowjetischen Expedition zum Mond: „Warum sollte der erste bemannte Flug zum Mond eine Frage des zwischenstaatlichen Wettbewerbs sein?“

    Kennedys Vorschlag fand in der UdSSR keine Antwort und stieß in den USA auf gemischte Reaktionen.
    Am 12. November 1963 wies Präsident Kennedy im Nationalen Sicherheitsmemorandum Nr. 271 den NASA-Direktor J. Webb an, „persönlich die Initiative und die Hauptverantwortung innerhalb der Regierung für die Entwicklung eines unabhängigen Weltraumkooperationsprogramms mit der Sowjetunion zu übernehmen“. Das Programm, sagte Kennedy, würde „Vorschläge für eine gemeinsame Mondlandung“ enthalten. Der Bericht sollte bis zum 15. Dezember 1963 eingereicht werden.

    Am 16. November 1963 besuchte Präsident Kennedy Cape Canaveral, inspizierte die Weltrauminfrastruktur und begann eine dreitägige politische Tour in San Antonio, hielt dort eine Rede, die größtenteils dem Apollo-Programm gewidmet war, und flog am Abend nach Dallas, wo er zum Opfer eines Mörders wurde. Weniger als ein Jahr später wurde Chruschtschow von den Hardliner verdrängt, an die Macht kam L. Breschnew. Die sowjetisch-amerikanische Zusammenarbeit beim Mondprogramm wurde jedoch einige Zeit weiter diskutiert und endete 1975 mit einen gemeinsamen Apollo-Sojus Flug.

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