Zeit mal für einen, diesmal kurzen Blog über die Neuigkeiten von SpaceX. Im Juli gab es wieder einige Neuigkeiten. Zuerst gab es eine Explosion auf dem Testgelände für das Experimentvehikel für das Starship, den Starhopper. Explosionen gehören inzwischen, nachdem sie im April eine schon geflogene Crew Dragon gesprengt haben, wohl zum Alltag. Es gab schon als man die Bergung der ersten Stufe mal mit solchen Starts/Landungen (Grashopper) erprobte eine Explosion, daneben die beiden Fehlstarts, und wenn ich mich richtig erinnere, gabs auch insgesamt zwei Triebwerksexplosionen. Von alldem erfährt man nicht viel wenn es nicht, wie die Fehlstarts beim Kennedy Space Center öffentlich ist, sondern alles spielt sich in SpaceX eigenem Gelände ab und nur die Nachbarn bekommen das mit. Wie viele andere Vorfälle, die nicht gleich in einer Explosion enden es gibt, kann man da nur raten.
Ganz so schlimm scheint der Vorfall auch nicht gewesen zu sein denn inzwischen hat der Starhopper seinen ersten Test ohne Leine absolviert und immerhin 20 m abgehoben.
Inzwischen hat die Firma auch eingereicht, was sie bei der Startrampe 39A anbauen möchte für den Start des Starships und aus den Unterlagen entnimmt man, das die Startanlage für 24 Starts pro Jahr ausgelegt ist. Ist für heutige Verhältnisse viel, aber die Größe war in den Sechzigern durchaus zu erreichen, als Starts noch schneller abliefen. Schlussendlich ist die Rakete ja wiederverwendbar und die Vorbereitungszeit so verkürzt. Als man das Space Shuttle plante, sollte es auch bis zu 24-mal von einer Startrampe aus starten.
Allerdings frage ich mich wie das nun mit den suborbitalen Flügen zum Preis eines „Business Class“ Tickets wird. Müssen die ganzen Kunden dann zum Cape fahren, wenn sie eigentlich von New York aus starten wollen? Und ist ein Flug alle 14 Tage für Reisende nicht eine etwas niedrige Frequenz? Da ist man mit dem Flugzeug schneller, ja bei nicht ganz so langen Strecken wäre auch das Schiff eine Alternative. Ich glaube mit maximal 24 Flügen pro Jahr – nicht viel mehr als heute, wobei die meisten ja auch heute vom Cape aus stattfinden, wird es schwer die Marskolonisierung zu finanzieren.
Immerhin die Pressemitteilung hat mich an SpaceX eigenen Weltraumbahnhof erinnert. Die Tests des Starships finden ja derzeit dort statt, aber von angesetzten normalen Starts hört man nichts mehr. Inzwischen ist auch klar, dass man von dort aus das Starship starten will, es also nie Falcon 9 Starts geben wird. Immerhin verdoppelt das dann die mögliche Startrate. Dessen erste kommerzielle Starts sind nach dem 20 m Hopser nun für 2022 geplant. Ich denke man wird bei SpaceX nun schon keine Raketen mehr bauen, denn die geschätzten 60 Starts bis dahin (dann wird das Starship ja alle Falcons ersetzen) kann man bei 100-maliger Wiederverwendung einer Falcon 9 FT mit einer Stufe durchführen.
Ich hoffe bis dahin weiß man auch, wie die Rakete ausseiht, denn das ändert sich ja dauernd. Ich habe im Juli gar nicht mehr nachgeschaut aber die letzte Ziffer waren wohl 100 t Nutzlast in den LEO und 20 t in den GTO. Geplant waren mal 250 t.
Das letzte Thema hat mich als Chemiker etwas irritiert. SpaceX hat mittlerweile die Ursache für die Explosion. Es war flüssiges Stickstofftetroxid (NTO), das durch ein Leck in eine Leitung geriet und als das Ventil für die Zündung geöffnet wurde dann wieder in den Tank geriet. Das soll das Ventil aus Titan zur Explosion gebracht haben.
Na ja, hat bei mir Stirnrunzeln ausgelöst. Titan ist ein Nebengruppenelement. Es ist zwar vom chemischen Potenzial her ein unedles Metall, von der Elektronegativität her noch unedler als Zink, aber es wird durch eine dünne Oxidschicht geschützt, die es vor weiterer Korrosion stört. Das kennt man auch von anderen Metallen, so Aluminium oder Nickel. Ich habe in mein Standardwerk für Chemie geschaut und das bestätigt es. Reines Titan ist ein korrosionsfester Werkstoff, selbst Königswasser, das immerhin Gold auflösen kann, greift es nicht an. Titan wird daher auch in der Raumfahrtindustrie eingesetzt, gerade für Treibstofftanks die auch NTO aufnehmen. Es wurde 1965 von der Air Force in die Kategorie 1, der höchsten für Werkstoffe aufgenommen. Sprich das Material ist ein hervorragender Werkstoff für die Belange der Raumfahrt, wenn man den Preis für das Material zahlen kann.
Aber es kommt auf die Bedingungen an. In meinem Standardwerk steht auch, das man Titan entzünden kann, wenn man reinen Sauerstoff unter 25 Bar Druck einsetzt. Dann kommt es zu einem Phänomen, das man auch von Aluminium kennt: Das Metall schmilzt und das Oxid löst sich im Metall und die frische Oberfläche kann weiter verbrennen. Als im Falklandkrieg eine Exocet-Rakete die Sheffield traf, trat dasselbe bei den Hochbauten aus Aluminium ein: der Raketentreibstoff entzündete das Aluminium und es verbrannte. Das Schiff musste, obwohl nicht unter der Wasseroberfläche getroffen aufgegeben werden.
Es gibt nun mehrere Möglichkeiten zur Erklärung: Entweder sind die Bedingungen im Tank so extrem, das eine solche Reaktion vorkommen kann, also extrem hoher Druck. Oder die Erklärung ist falsch, entweder, weil die wahre Ursache für SpaceX peinlich ist oder es gab eine Verwechslung bei der Übermittlung der Ursache – hätte man das NTO in einen Hydrazintank gebracht oder umgekehrt, so wäre natürlich durch die sofort einsetzende Verbrennung der Druck rapide angestiegen und der Tank explodiert. Alternativ kann man aus der Pressemitteilung heraushören, das wohl das Titanventil für den Fehler verursachte ist, aber selbst nicht brannte, sondern vielmehr das NTO sich zersetzte. Wenn dies geschieht, wird Sauerstoff und Stickstoff frei. Das steigert den Druck und es wird Energie frei, die weiteres NTO zersetzen kann.
Vielleicht kann Peter Stock als „Vollchemiker“ hier was dazu beitragen, denn ich als Lebensmittelchemiker habe anorganische Chemie nur im Grundstudium gehabt und die Nebengruppenelemente kamen da auch etwas kurz weg. Mir ist Titan trotzdem in Erinnerung geblieben. Wir hatten in einem Praktikum eine „technische Analyse“. Da bekam man keine vorbereitete Probenmischung, sondern ein technisches Produkt, in dem man drei Elemente oder Verbindungen bestimmen musste. Das war nie ganz einfach, doch ein Kommilitone mühte sich mit seiner Analyse enorm lange ab. Er bekam die Probe nicht mal gelöst, was die Grundvoraussetzung für die Analyse ist. Egal was er probierte, selbst mit Königswasser konnte er sie nicht in Lösung bekommen. Da man mit dem Assistenten, der die Probe ausgab, nicht diskutieren konnte, wandte er sich direkt an den Professor, der ging zum Assistenten diskutierte kurz und der Kollege bekam eine neue Analyse. Später erfuhr er, was er bekommen hatte: Schlacke, die Titan enthielt. Immerhin, wenn SpaceX selbst sonst als „sicher“ eingestufte Materialien zur Explosion bringt, dann können wir uns bei der Firma noch auf einige Überraschungen gefasst machen. In meiner Wette liege ich ganz gut, bis 1.8.2019 gab es neun Starts von SpaceX das sind hochgerechnet aufs Jahr weniger als 16 und damit weniger als 2018. Klar die Wette ist einseitig, aber da SpaceX schon vor Jahren angekündigt hat jedes Jahr mehr zu starten, nun ja auch eine wiederverwendbare Rakete hat, mit der das noch schneller geht und zu den Kunden auch noch Hunderte von Starts für Starlink hinzukommen, bald ja mit dem Starship mehr Nutzlastkapazität hat als alle anderen Trägerraketen der Welt zusammen, dann wird man ja wohl annehmen können, das sie 2019 wenigstens die Startrate von 2018 hinbekommen.