Direkter Aufstieg, Parkbahn oder Off-Perigee?

In meinem heutigen Grundlagenartikel will ich mich mit den Möglichkeiten beschäftigen eine GTO-Bahn oder einen GEO zu erreichen. Eine weitere Option, den supersynchronen Orbit habe ich schon mal besprochen.

Zuerst mal eine Begriffserklärung:

Direkter Aufstieg

Die Rakete erreicht den GTO beim Start. Also eine Bahn mit einem Perigäum, das stabil ist (meist oberhalb 180 km, aber stark vom Raketentyp abhängig, es können auch über 500 km sein) und einem Apogäum in 35.800 km Höhe. Technisch von Bedeutung ist, dass die letzte Stufe dafür nur einmal zünden muss, was deren Konstruktion vereinfacht. Ariane 1-5 haben bisher nur direkte Aufstiege absolviert, auch wenn die bei der Ariane 5 G eingesetzte EPS-Oberstufe wiederzündbar ist. Praktisch haben direkte Aufstiege nur eine Bedeutung beim Start vom CSG aus, da dieses so äquatornah ist, das man im direkten Aufstieg schon eine GTO-Bahn mit einer niedrigen Inklination erhält.

Da man die Inklination abbauen muss und diese ohne weitere Maßnahmen in etwa der geografischen Breite des Startorts entspricht, ist der direkte Aufstieg nur für äquatornahe Startplätze ideal, also dem CSG. Theoretisch wäre noch die mobile Startplattform von Sea Launch und das Alcanthara Space Center noch dazu zu zählen.

Parkbahn

Für Starts von Weltraumbahnhöfen die nördlicher liegen wie von Cape Kennedy aus, Baikonur oder den chinesischen und japanischen Startzentren hat sich die Parkbahnmethode eingebürgert. Dabei wird eine Bahn eingeschlagen, die zuerst in einen niedrigen stabilen Erdorbit führt. Das ist ebenfalls einer mit einem stabilen Perigäum. Das Apogäum kann aber je nach genauer Mission etwas höher liegen. Bei der Delta 2 brannte die Delta-Oberstufe aus und hinterließ die Oberstufe in einem leicht elliptischen Erdorbit. Wenn der Äquator überquert wird, je nach Lager des Startsortes nach 10 bis 20 Minuten Freiflugphase zündet die Oberstufe erneut und erreicht einen GTO.

Off-Perigee

Eine seltene Methode, soweit ich weiß nur bei Titan 3C Starts vorgekommen ist der Start off-Perigee. Damit ist gemeint, das der GTO kein stabiles Perigäum hat. Als Folge würde der Satellit beim ersten Durchlaufen des Perigäums verglühen, doch dazu kommt es nicht. Denn beim Erreichen des Apogäums wird die Bahn zirkularisiert. Diese Methode wird nur beim direkten Befördern in den GEO eingesetzt. Das ist bis heute bei militärischen Nutzlasten der Fall. Kommerzielle Starts nutzen dazu einen eigenen Antrieb und sind auf eine stabile Übergangsbahn angewiesen, weil das Inbetriebnehmen des Satelliten länger dauert, als die wenigen Stunden die man bis zum Erreichen des Apogäums hat.

Technisches

Technologisch benötigt man für den direkten Aufstieg nur eine Zündung. Also muss auch die letzte Stufe nur eine Zündung durchführen. Wenn die Treibstoffe nicht selbst entzündlich sind, erleichtert das die Konstruktion. Arianes Oberstufe mit dem HM-7 Oberstufe setzt eine Feststoffkartusche ein, die entzündet mit ihrem heißen Gas de Treibstoffe und liefert das Startgas für die Turbinen zur Treibstoffförderung. Andere nur einmal einsetzbare Methoden sind selbst entzündliche Vorläufe in den Treibstoffleitungen.

Bedeutender ist zumindest bei Off-Perigee Bahnen die Flugzeit. In den 10 bis 20 Minuten in einer Parkbahn kann nur wenig Treibstoff verdampfen, aber in den 5 Stunden bis zum Erreichen des Perigäums schon. Da aber die Transtage als letzte Stufe der Titan 3C nur lagerfähige Treibstoffe einsetzt, spielt dies auch keine Rolle, für den Transport durch Centaur, DCSS oder ULPM ist aber eine Isolation nötig.

Performance

Es gibt zwei Aspekte zu berücksichtigen. Der unmittelbare Vorteil der Parkbahn ist das wir zwei Geschwindigkeitsvektoren haben, die sich addieren. Der erste aus der Parkbahn hat eine Bahnneigung, die etwas kleiner als die des Startorts ist, da die Rakete schon nach Start südwärts fliegt und während die die Orbitalgeschwindigkeit erreicht so die Bahnneigung abnimmt. Beim Start von Cape Kennedy aus sind das typisch etwa 27 bis 28 Grad. Die Wiederzündung am Äquator addiert einen Geschwindigkeitsvektor mit der Bahnneigung von 0 Grad. Die resultierende Bahnneigung ist dann geringer, typisch beim Start vom CCAF aus 21 Grad. Da man diese Bahnneigung abbauen muss, um einen GEO mit Null Grad zu erreichen, ist dies von Vorteil. Das macht bei 6 Grad Unterschied alleine 120 m/s aus.

Bei der Parkbahn kommt aber auch noch hinzu, das das Perigäum stabil sein muss. Das ist zwar auch beim direkten Aufstieg der Fall, aber da muss eine Geschwindigkeit von rund 10,25 km/s erreicht werden. Schon mit 7,8 km/s hat man aber die Geschwindigkeit für eine niedrige Erdumlaufbahn erreicht. Sobald diese erreicht wird, steigt das Perigäum aus kinetischen Gründen automatisch an. Das heißt, bei einem direkten Aufstieg muss bis zu diesem Bahnabschnitt die Umlaufbahn nicht stabil sein. Bei einer Ariane 5 ES liegt das Perigäum dann noch in -420 km Höhe, während es bei der GTO-Bahn auf 450 km steigt. Würde man zuerst eine stabile Bahn anstreben, so reduziert das die Nutzlast um 582 kg, das sind rund 6,7 %. Im Prinzip ist der direkte Aufstieg die Nutzung des Off-Pergiee Prinzips. Der Nutzen ist um so höher, je länger die Brennzeit der Oberstufe ist, also je schubschwacher sie ist.

Bei OFF-Perigee kommt noch etwas hinzu. Der GEO hat eine Bahnneigung von Null Grad. Dazu wird im Apogäum die Restbahnneigung abgebaut. Gleichzeitig das Perigäum angehoben. Der Anteil, der auf die Winkelanpassung entfällt, ist um so kleiner je höher die Geschwindigkeitsdifferenz zum GEO ist und diese ist um so größer, je niedriger das Perigäum liegt. Bei der Titan 3C habe ich dies einmal ausgerechnet. Ohne Maßnahmen würde das Perigäum in 41 km Höhe liegen, ganz niedrig kann es wegen des in allen Stufen relativ hohen Schubs nicht sein, doch das bringt immer noch 48 kg. Das sind immerhin 3 % der nominellen GEO-Nutzlast von 1.600 kg.

Im GTO angekommen ist die Inklination aber auch bei Parkbahnen nicht gleich Null. Da sich inzwischen durch die Marktführerschaft von Arianespace der GTO mit niedriger Bahnneigung als Standard eingebürgert hat (äquivalent einem dV von 1500 m/s zum GEO) geben viele Launch Service Provider ihre Nutzlast für einen Parkorbit mit demselben dV an, meist einem supersynchronen Orbit, da das Verändern der Bahnneigung in einem LEO viel zu energieaufwendig ist. Bei der Atlas 401 sind das 4.750 zu 3.460 kg, beim größten Modell Atlas 551 8900 zu 6880 kg (normaler GTO mit dV 1800 m/s, 15009 m/s GTO). Also 28 % bzw. 23 % weniger. Ich vermute auch die Differenz der Website bei SpaceX mit 8300 kg GTO und dem des Chefs für Trägerraketen Koenigsmann vorgetragen beim IAF, also vor Fachpublikum von 6.500 kg beruht auf diesem Umstand. Auch dies sind 22 % weniger.

4 thoughts on “Direkter Aufstieg, Parkbahn oder Off-Perigee?

  1. Wie ist das eigentlich bei sonnensynchronen Umlaufbahnen? Die brauchen ja eine Inklination größer als 90 Grad, starten also gegen die Erdrotation. Ist es für die von Vorteil, polnah zu starten?

      1. Das ist interessant. Ich verstehe aber die Ursache nicht. Im Grundlagenartikel über Orbits hatte ich gelesen, dass man bei Winkeln über 90 Grad Energie zuführen muss:
        https://bernd-leitenberger.de/orbits.shtml
        (Abschnitt: „Die Hilfe der Erde, und ihre Nachteile“)

        Das hatte ich so verstanden, dass diese Energie auch aus dem Abbau der Rotationsgeschwindigkeit resultiert, die ja vom Breitengrad abhängt. Daher mein Gedanke des Starts nahe der Pole.

        Wie errechnet sich dann der Energie- bzw. Geschwindigkeitsbedarf für retrograde Orbits?

        1. Wenn man genau nach Norden startet hat man, egal von welchem Ort man aus startet 0 Gewinn durch die Erdrotation die ja von Westen nach Osten erfolgt. Wenn man nun nach Westen startet muss man Energie aufwenden und die ist natürlich auch immer gleich groß, egal von wo man aus startet.

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