Meine Vulcan Alternative

Ich habe mich mal hingesetzt und geschaut ob ich so was Ähnliches wie die Vulcan konstruieren kann. Besser gesagt: eine Rakete mit Aerojet GEM 63 XL Boostern, zwei BE-4 in der ersten Stufe und zwei RL-10 in der zweiten. ULA hat sicher ihre Gründe für ihr Design. Das hat sicher auch wirtschaftliche Gründe. Ich kann an der Stelle nur über das technische Optimum schreiben, und zwar, damit wir auf einem Level sind unter folgenden Randbedingungen:

  • RL10C: 106 kN Schub, spezifischer Impuls 4451 m/s
  • BE-4: 2400 kN Boden, 2525 kN Vakuumschub, spezifischer Impuls: 3477 m/s
  • Voll/Leermasse erste Stufe: 17
  • Voll/Leermasse zweite Stufe: 10

Die Größe der Oberstufe

Eie Masse der oberen Stufe ist bei gegebenem Schub vor allem bei der kleinsten Version wichtig, weil diese keine Startunterstützung hat. Ich habe für beide Stufen eine Gesamtmasse von 405 t festgelegt, das lässt bei 480 t Startschub noch Platz für die Nutzlastspitze und trotzdem resultiert eine gängige Startbeschleunigung von mindestens 12 m/s. Im ersten Schritt habe ich für eine Standard GTO-Bahn (185 x 35.800 km, 27 Grad Bahnneigung) die Nutzlast errechnet, wenn man die Oberstufe systematisch in der Masse variiert.

Man sieht: Ws gibt bei 30 bis 45 t Startgewicht ein Niveau, das sich nur um wenige Hundert Kilo ändert. Als Vergleich habe ich für die beiden kleinsten Version auch eine Stufe mit nur einem RL-10 modelliert. (SEC: Single Engine Centaur) Es liegt nur wenig schlechter, das ändert sich bei steigender Masse aber rapide, wie man schon bei 35 t sieht. Jenseits 55 t Stufenmasse sinkt die Nutzlast auch bei zwei Triebwerken rapide ab und die Verluste steigen an.

Startmasse erste Stufe Startmasse zweite Stufe Nutzlast GTO Verluste
375 t 30 t 9.500 kg 1.346 m/s
375 t 30 t SEC 8.900 kg 1.524 m/s
370 t 35 t 9.700 kg 1.405 m/s
370 t 35 t SEC 8.000 kg 1.918 m/s
365 t 40 t 10.000 kg 1.345 m/s
360 t 45 t 9.500 kg 1.531 m/s
355 t 50 t 8.800 kg 1.697 m/s
350 t 55 t 7.600 kg 2.107 m/s
345 t 60 t 6.800 kg 2.398 m/s
340 t 65 t 4.800 kg 3.065 m/s

Die optimalste Stufe für die kleinste Version wäre also eine mit 40 t Startmasse. Doch wie sieht es bei den größeren Versionen aus? Ich würde von meinem Gespür her sagen, das sich das Optimum in Richtung schwerere Stufen verschiebt. Da aber die kleinste Variante am häufigsten eingesetzt werden wird – schon diese hat über 9 t Nutzlast, also mehr als eine Atlas 551 – habe ich mich auf die Stufen mit maximal 45 t Treibstoff beschränkt:

Startmasse erste Stufe Startmasse zweite Stufe Nutzlast GTO Verluste
375 t 30 t 16.200 kg 1.238 m/s
375 t 30 t SEC 16.000 kg 1.310 m/s
370 t 35 t 16.600 kg 1.318 m/s
370 t 35 t SEC 16.100 kg 1.408 m/s
365 t 40 t 16.700 kg 1.441 m/s
360 t 45 t 16.200 kg 1.508 m/s

Siehe da: in beiden Fällen liegt das Optimum bei der 40 t Stufe. Aus wirtschaftlichen Gründen wäre die SEC-Variante mit 30 t Stufenmasse auch eine Alternative. Man verliert bei der Rakete (30 t Stufe) ohne Booster 600 kg und bei der großen Variante 200 kg im Vergleich zur DEC-Version, verglichen mit der 40 t Stufe beträgt der Verlust 1.100 und 700 kg. Da die Triebwerke der teuerste Teil der Rakete sind, kann es durchaus sinnvoll sein, auf eines zu verzichten, wenn der Gesamtträger billiger wird, vor allem wenn selbst die kleinste Variante in der Nutzlast bei Einzelstarts viel zu hoch liegt.

Im Folgenden habe ich aber mit 40 t Stufe und zwei RL-10 weitergerechnet. Die Oberstufenmasse spielt für die folgende Betrachtung auch nur noch eine geringe Rolle.

Treibstoff weglassen

So würde man auf Deutsch die Technik des Propellant Offloadings beschreiben. Bei Feststofftriebwerken ist sie Standard, schließlich muss ihr Impuls auf die Nutzlast angepasst werden und die kann unterschiedlich schwer sein. Bei Stufen mit flüssigen Treibstoffen kenne ich den Einsatz nur bei der Ariane 4. Die erste Stufe fasste nach Verlängerung mehr Treibstoff, aber die Triebwerke waren unverändert, sodass man mit vollen Tanks gar nicht mehr abheben konnte.

Bei LOX/Kerosin, das gilt aber auch für Hydrazine/NTO sind die Treibstoffe so dicht, das ein Tank nur 1/70 seines Inhalts wiegt – wenn wir von großen Tanks reden, und das ist hier gegeben. LOX/Methan ist in der Dichte etwas kleiner und man benötigt auch noch Druckgas, um das Volumen auszufüllen. Ich habe so mit 1/50 der Treibstoffmasse als Tankmasse gerechnet und im Folgenden bei der Version mit sechs Boostern eine erneute Simulation durchgeführt.

Doch wie viel Treibstoff soll man weglassen? Ich habe als Kriterium ganz einfach genommen, das wenn die Booster nach 94 s ausgebrannt sind, die Startbeschleunigung immer noch 12 m/s beträgt. Bei 5050 kN Schub der beiden BE-4 (man ist nun schon im Vakuum) sind dies 420 t Masse. 20 t für Nutzlastspitze und 40 t für die Oberstufe abgezogen, ist man bei 360 t die die erste Stufe zu diesem Zeitpunkt wiegen darf.

In den 94 s konsumieren die BE-4 136 t Treibstoff. Die kommen noch hinzu, Damit dürfte die erste Stufe beim Start 556 t wiegen. Das sind 190 t mehr als in der Basisversion. Diese 190 t verteilen sich auf 186 t Treibstoff und 4 t Leermasse. Das ist das Maximum. Für die 40 t schwere Oberstufe und sechs Booster (an der größten Version muss sich ja die Dimensionierung orientieren) habe ich die Nutzlast für verschiedene Zuladungen berechnet:

Startmasse erste Stufe Leermasse erste Stufe Nutzlast GTO Verluste
556 t 25,5 t 21.300 kg 1.470 m/s
496 t 24,3 t 21.100 kg 1.274 m/s
436 t 23,1 t 20.300 kg 1.139 m/s
400 t 22,2 t 19.200 kg 1.148 m/s
365 t (Basisversion) 21,5 t 16.700 kg 1.441 m/s

Dem ist gegenzurechnen, was die erhöhte Trockenmasse der ersten Stufe an Nutzlast bei der kleinsten Version kostet. Da sich nur die Trockenmasse der ersten Stufe ändert habe ich mir es gespart alle Zwischenversionen durchzurechnen und nur die größte Version berechnet: Hier sinkt die Nutzlast um eine ganze Tonne von 10 auf 9 t ab. Man kann annehmen, dass der Zusammenhang linear ist, also ein Verlust von 200 bis 300 kg pro Zwischenstufe.

In der Praxis muss man abwägen. Relativ sicher ist die Zuladung von wenig Treibstoff (400 t), das alleine bringt 2,5 t bei der Version mit sechs Boostern, kostet aber nur 200 kg Nutzlast bei der kleinsten Version. Für weitere 1.100 kg Nutzlast bei sechs Boostern gibt es weitere 200 kg Verlust bei der kleinsten Version und für weitere 800 kg Nutzlast bei sechs Boostern kommt man auf 300 kg Verlust bei der kleinsten Version. Die Variante mit 556 t Startmasse ist in jedem Falle von Nachteil.

So halte ich das Optimum für sechs Boostern die 496 t Startmasse. Da es in der Praxis ja noch die Zwischenversionen mit zwei, drei und vier Boostern gibt, würde ich aber eher eine Nummer kleiner gehen, denn auch diese können das Optimum nicht nutzen. Die Treibstoffzuladung lässt auch eine Anpassung der Startmasse zu. Das Tankvolumen gibt es ja. Bei 450 t Startmasse wie bei der Vulcan kann man dann ein endgültiges Datenblatt für alle Versionen (null, zwei, drei, vier, sechs Booster) erstellen:

Booster Nutzlast GTO
Keine 10.100 kg
Zwei 14.300 kg
Drei 16.000 kg
Vier 17.300 kg
Sechs 19.700 kg

Fazit

In der Summe habe ich dann doch ein ähnliches Konzept wie die Vulcan hinbekommen – bei der sind es 418 t Treibstoff in der ersten Stufe, bei mir 431 t – eine vernachlässigbare Differenz. Und das ohne Absicht! Der große Unterschied liegt in der Oberstufe. Nach meinen Berechnungen ist eine kleinere Oberstufe vor allem für die Version ohne Booster besser – die 15 t mehr Treibstoff bei der „echten“ Vulkan dürften eben auch 1 bis 1,5 t Mehrgewicht bei der Trockenmasse entsprechen und die gehen eben von jeder Nutzlast ab, ohne das die größere Stufe (zumindest bei der Version mit keinen oder nur zwei Boostern) auch mehr Nutzlast bringt, im Gegenteil sie kostet meiner Berechnung nach Nutzlast auch bei sechs Boostern. Meine Version liegt auch bei sechs Boostern in der Nutzlast vorn.

Ich habe daraufhin nochmals das Diagramm genau abgemessen und das Volumen bestimmt und komme bei der „langen“ Centaur der Heavy auf ein Maximalvolumen von 60,4 t Treibstoff – bei 90 % Zuladung entspricht das ziemlich genau der Treibstoffangabe für die Centaur, die sich dann auf die verlängerte Version bezieht (mit vier RL10). Bei der kürzeren Version wären es dann 40,3 t Treibstoff.

Allerdings kann ich dann die geringe Nutzlast nicht verstehen, vielmehr sollte sie dann ähnlich, wie bei meiner Modellierung liegen. Die naheliegendste Begründung die auch zu den vergleichsweise geringen GEO-Massen passt ist eine relativ hohe Trockenmasse, der letzten stufe, die dann eigentlich keine Centaur mehr ist – diese Stufe war durch ihr Konzept der innendruckstabilisierten Tanks immer eine Stufe mit sehr geringer Trockenmasse – die SEC Centaur wiegt 2243 kg trocken, die Ariane 5 ECA bei kleinerer Treibstoffzuladung dagegen 3.300 kg (nach Zündung). Ich hoffe nur das nicht ULA wie Arianespace Blei als Werkstoff für Tanks entdeckt hat …

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