Tanks und die Abmessung einer Rakete
Das heutige Thema ist nicht neu. Niels hat es schon mal mathematisch genau hier im Blog diskutiert. Doch da ich nicht Mathematik studiere, denke ich ist ein praktischer Ansatz vielleicht eine gute Ergänzung. Es geht um Tanks, und da sie das meiste Volumen einer Rakete ausmachen, die Form einer Rakete. Raketen können unterschiedliche Formen haben, von eher gedrungen wie die Jupiter, bis hin zu sehr schlank wie die Falcon 9, Scout oder SLV. Wenn ich mal die Feststoffraketen (eben Scout und SLV) ausklammere, weil bei ihnen andere Konstruktionsprinzipien zur Anwendung kommen, werden die meisten Raketen in ihrer Größe von den Tanks bestimmt. Bei einer ersten Stufe machen sie problemlos 4/5 der Länge aus. Bei oberen Stufen wegen der kleineren Tanks und auch wegen der längeren Triebwerken (durch die längeren Expansionsdüsen) natürlich weniger.
Tanks und ihre Form
Lange Zeit war es so das bei neuen Trägern die Gesamtlänge (mit Oberstufen und Nutzlastverkleidung) etwa das 10 bis 12-fache das Basisdurchmessers betrug. Beispiele dafür sind die Saturn V, Titan II, Atlas Centaur oder Ariane 1. Wenn die Rakete verlängert wurde, so verschiebt sich das natürlich, da der Basisdurchmesser gleich bleibt.
Im Wesentlichen wird dieses Verhältnis von den Tanks bestimmt. Zeit das einmal zu beleuchten. Die Wandstärke eines Tanks kann man nach der Kesselformel berechnen. Die Kesselformel gilt für Druckgastanks, doch sie gilt auch für Tanks für Flüssigkeiten. Zum einen üben die Flüssigkeiten auch einen Druck aus – Kerosin und Sauerstoff haben eine Dichte leicht unterhalb und oberhalb von Wasser – und eine 10 m hohe Wasserschicht übt einen Druck von 1 bar aus. Zum Zweiten stehen die Tanks auch unter Druck. Sie werden nicht zu 100 % gefüllt und das restliche Volumen wird mit Druckgas gefüllt, das bei Tankentleerung ergänzt wird. Es wird immer ein leichter Überdruck aufrechterhalten auch bei ohne Innendruck stabilen Tanks. Er liegt bei etwa 0,5 bis 3 Bar Überdruck.
Die Kesselformel zeigt das es einen linearen Zusammenhang gibt zwischen den folgenden Größen
- Tankdruck
- Materialkonstante (Elastizitätsmodul)
- Durchmesser
Daraus ergibt sich, dass ein Tank bei gegebenem Druck und Materialkonstante immer einen bestimmten Prozentsatz des Inhalts wiegt. Denn bei doppeltem Durchmesser wird auch die Wandstärke doppelt so hoch, zusammen mit der Oberfläche, die im Quadrat ansteigt, ergibt sich eine Steigerung des Gewichts des Tanks in der dritten Potenz, analog wie das Innenvolumen, in der dritten Potenz ansteigt. Natürlich gibt es bei ganz dünnen Wandstärken noch andere Einflussgrößen, die dann beherrschend werden. Doch bei Tanks mit einem Durchmesser von 1 m und mehr, wovon wir jetzt reden, spielen diese keine Rolle.
Die Kesselformel unterscheidet zwei Fälle. Das eine ist die Zylinderwand und der Zweite ist der Abschluss, ein Kugelschnitt, im einfachsten Fall eine Halbkugel. Bei gegebenen anderen Größen ist bei einem Tank in Kugelform immer die Wandstärke halb so groß wie bei einem Zylinder.
Daraus ergibt sich als Folgerung, das der optimalste Tank ein Kugeltank ist, wie er z.B. auch für Erdgas für Lagerung und Transport genutzt wird. In der Raketentechnik ist eher jedoch seltener. Er findet Anwendung bei Satelliten und teilweise bei Oberstufen, wie der EPS in dieser Abbildung zu sehen. Der einzige Einsatz bei einer Großrakete ist bei der N-1 bei der alle ersten drei Stufen Kugeltanks hatten.
Der offensichtlichste Nachteil von Kugeltanks ist, das man sie schlecht stapeln kann. Die N-1 zeigt das; man musste die Kugeltanks durch ein Gitterrohrgerüst verbinden. Ebenso findet man sie nur deswegen bei Oberstufen, weil man so die Kugeltanks in einem Ring um das Triebwerk herum anordnen kann. Bei Satelliten, wo er sich sowieso innerhalb es Satellitenkörpers befindet, ist die Form auch kein Nachteil.
Wenn der Durchmesser der Oberstufe gleich bleibt wie bei der Basisstufe, ist ihre Treibstoffzuladung bei Kugeltanks gering. Eine Kugel hat nur 2/3 des Volumens eines Zylinders mit demselben Durchmesser und derselben Höhe. Dann muss man sie zwar auch noch außen mit einer Hülle umgeben doch die ist klein. In Russland verwendet man dagegen ringförmige Tanks bei Oberstufen.
So ist der Zylinder mit einem Abschluss eines Kugelschnitts die heute gängigste Form. Doch welches ist die optimale Form. Ein Zylinder kann lang und mit geringem Durchmesser sein wie eine Makkaroni, oder kurz und mit größtem Durchmesser wie ein Damespielstein sein. Welches ist die optimale Form. Nun es ist die mit der bei einem gegebenem Volumen minimalen Oberfläche. Das Ist ein Problem einer Fragestellung, die mir noch in der Schule unterkam und damals „Minimum-Maximum Problem“ hieß, und läuft im Wesentlichen auf die Ableitung der Formeln für Volumen und Oberfläche eines Zylinders heraus. Ich präsentiere nur das Ergebnis: Der Zylinder mit der kleinsten Oberfläche bei gegebenem Volumen hat eine Länge, die dem zweifachen Durchmesser entspricht. Ein Zylinder mit 1 m Durchmesser wäre also 2 m lang wenn er das beste Verhältnis von Oberfläche zu Volumen haben soll.
Treibstoffe und ihre Dichte
Nun benötigt man aber zwei Treibstoffe. Und die haben zum einen meist nicht die gleiche Dichte, sondern auch ein vorgegebenes Mischungsverhältnis. So sind Tanks üblicherweise nicht gleich groß. Eine Ausnahme ist die Kombination NTO mit MMH oder der 50:50 Mischung von Hydrazin und UDMH. Bei einem Verhältnis von 1,6 zu 1, einem auch üblichen Verhältnis, sind beide Tanks genau gleich groß. Das nutzt man bei Satelliten aus, doch auch bei der Titan II und Ariane 1 waren die Erststufentanks aus diesem Grunde gleich groß. Bei anderen Treibstoffen ist das nicht gegeben. Ich habe mal für gängige Mischungsverhältnisse hier die relativen Volumina aufgeführt, bei der Oxidator (LOX, NTO) immer auf 1 gesetzt wurde:
Kombination | Mischungsverhältnis | Oxidator | Treibstoff |
---|---|---|---|
LOX/Kerosin (Nebenstrom) | 2,3 | 1 | 0,63 |
LOX/Kerosin (Hauptstrom) | 2,6 | 1 | 0,43 |
LOX/Methan | 3.5 | 1 | 1,28 |
LOX/LH2 | 5 | 1 | 3,35 |
LOX/LH2 | 6 | 1 | 2,80 |
NTO/Hydrazin | 1,34 | 1 | 1,07 |
NTO/UDMH | 1,86 | 1 | 1 |
NTO/Aerozin-50 | 1,6 | 1 | 1 |
NTO/MMH | 1,64 | 1 | 1 |
Salpetersäure/UDMH | 3 | 1 | 2 |
Man sieht das man bei den Kombinationen der lagerfähigen Treibstoffe durchaus Mischungsverhältnis findet bei denen die Tanks nahezu gleich groß sind. Diese liegen zwar nicht am Optimum (1,2 bei NTO/UDMH, 1,8 bei NTO/MMH und 2,3 bei NTO/UDMH) aber der spezifische Impuls ist nahezu gleich hoch. Bei der älteren Kombination Salpetersäure UDMH ergeben sich auch als Vorteil genau doppelt so gro0e Tanks.
Man wird in der Praxis daher einen der beiden Tanks auf die ideale Größe auslegen. Der andere ist dann kürzer oder länger. Bei Wasserstoff ist es in der Regel der Wasserstofftank, da er eine erheblich höheres Volumen hat. Ich nehme mal als Beispiel die Atlas D. Die Atlas hatte ein Tankvolumen von 70.870 l für den flüssigen Sauerstoff und 44.093 l für Kerosin. Bei der Atlas D wurden 34.900 kg Kerosin und 78.900 kg LOX geladen. Es handelt sich um einen Integraltank, der oben aber einen abnehmenden Durchmesser hat. Würde man 3,04 m Durchmesser nutzen (der Durchmesser beträgt 3,048 m, doch die Tanks haben natürlich noch eine Wandstärke so wäre der LOX-Tank bei Zylinderform 9,73 m lang und der Kerosintank 6,07 m. Mit Triebwerken, Tankabschluss und Stufenabschluss war dann die Atlas 21,4 m lang. In diesem Falle ist der Kerosintank ziemlich genau zweimal so lang, wie er breit ist – man sieht also man hat das obige Kriterium angewandt – wobei man berücksichtigen muss, dass man aus nachvollziehbaren Argumenten immer „gerade“ Zahlen haben will. Bei der Atlas war dies ein Durchmesser von 10 Fuss = 304,8 cm.
Zumindest früher, wegen der begrenzten Informationen kann ich zu aktuellen Trägern nichts sagen, hat man auch eine Eigenschaft ausgenutzt: Wie erwähnt übt der Tankinhalt auch einen Druck aus. Doch anders als bei einem Gas ist er nicht überall gleich. Er ist vielmehr unten durch die höhere Flüssigkeitsschicht höher als oben. Bei der Atlas aber auch Saturn V Erststufentanks, wurde die Wandstärke daher variiert. Sie war unten am höchsten, und nahm nach oben hin ab. Beim ersten Teststart für Mercury brach daher die Struktur in diesem Bereich. Als Folge erhielten die Atlas dann verstärkte Tanks.
Folgerungen
Aus den absoluten Volumina, die man benötigt ergibt, sich auch eine Folge: hinsichtlich Volumina und Stufenhöhe ist die Kombination eines Treibstoffs mit hoher Dichte und LOX/LH2 besonders attraktiv. Das ergibt sich aus zwei Gründen. Zum einen ist es aus physikalischen Gründen so, das es günstiger ist mit Wasserstoff als Treibstoff die Oberstufe größer auszulegen, als wenn man die Kombination der Erststufe verwendet. Bei der Atlas hatte z.B. die Agena 6,8 t Masse, die Centaur 15,8 t. Zum Zweiten ergibt sich aus der niedrigen Dichte, die etwa dreimal niedriger als bei LOX/Kerosin ist, das die Oberstufe nicht so viel kleiner ist als die Erststufe. Das bedeutet auch, dass man den Durchmesser der Erststufe beibehalten kann und die Fertigungsanlagen dieser verwenden kann, ohne eine zu ungünstige Tankform (extrem kurze Tanks) zu erhalten. Bei der ersten Version der Atlas Centaur war so die Atlas 19,81 m lang und die Centaur 9,10 m, also knapp halb so lang, sie wog aber nur ein Achtel der Atlas.
Umgekehrt: Setzt man auf eine LOX/LH2 Stufe eine zweite LOX/LH2 Stufe, so erhält man relativ ungünstige Tankabmessungen wenn man den Durchmesser beibehält. Man kann dies deutlich bei diesem Schnittbild der Oberstufen von Ariane 4 und den beiden kryogenen Oberstufen für Ariane 5 sehen. Nur selten findet man den Fall, das man den optimalen, niedrigen Durchmesser beibehält. So bei der Atlas V. Dann hat man eine Nutzlastverkleidung, die entweder bei der 4 m Version einen höheren Durchmesser hat oder im Falle der 500-er Version dann die ganze Stufe umhüllt.
Die Kesselformel nutzt nur die Zugfestigkeit, idR die Streckgrenze. Das E-Modul ist relevant bei der Knickfestigkeit.
die häufigste bodenform ist der klöpperboden oder der 2:1 Boden in ASME Raum, da er etwas kompakter baut und vor allem die gleiche Wandstärke aufweist (Kugeln sind wie erwähnt effizienter und haben gerade mal die halbe Wandstärke). zusätzlich ist dort der stabilste Teil die kalotte, der innere, weniger gekrümmte Teil. daher ist es kein Problem dort mannlöcher oder große Treibstoffleitungen anzubringen.
Ist denn nicht auch die Logistik eine Randbedingung? Z.B. Eisenbahntransport.
Der Artikel beschäftigt sich mit der Physik, nicht den Limitationen, die ja auch davon abhängen wo man startet.