Bernd Leitenbergers Blog

Was ist riskanter – die Landung auf dem Mars oder dem Mond?

Auf diese Frage bin ich gekommen, nachdem innerhalb weniger Monate zwei Lander auf dem Mond abgestürzt sind – erst im April der israelische Lander Beresheet und nun der Lander der indischen Raumsonde Chandrayaan 1. Zeit der Frage nachzugehen und mal die vergangenen Unglücke Revue passieren zu lassen.

Die Bilanz

In der folgenden Aufstellung habe ich alle Missionen aufgeführt, die erfolgreich zu dem Himmelskörper gestartet sind bzw. wenn sie zuerst in eine Umlaufbahn einschwenkten, bis dahin kamen. Dann aber bei der Landung verloren gingen. Bemannte Landungen habe ich ausgelassen.

Gelungene Landungen beim Mond:

Das sind 14 Missionen

Gescheiterte Landungen auf dem Mond:

Das sind 11 Missionen

Gelungene Landungen auf dem Mars:

Das sind 9 Missionen

Gescheiterte Landungen auf dem Mars

Das sind 6 Missionen

Bei drei Missionen will ich noch etwas erklären. Luna 4 fehlt, weil die Sonde schon nach dem Start den Mond verfehlte und es keine Möglichkeit zur Kurskorrektur gab. Das zählt bei mir als „gar nicht Mond erreicht“ genauso, wie die zahlreichen Lunasonden die im Erdorbit strandeten.

Luna 23 landete, aber kam wohl auf einer Unebenheit zur Ruhe. Bodenproben konnten so nicht genommen werden. Sie liegt nach LRO Aufnahmen auf der Seite. Sie ist grenzwertig, da die Landung an sich gelungen ist. Andererseits war die Landegeschwindigkeit viel zu hoch und schon die Landung erfolgte schräg. Bei einer korrekten Landung wäre sie aufrecht gelandet.

Mars 3 landete und begann ein Bild zu senden. Fiel dann aber aus. Die Ursache ist bis heute ungeklärt. Da die Sonde nach ihrer Landung aber anfing zu senden sehe ich sie prinzipiell als erfolgreich an.

Nehmen wir die reine Statistik, so scheiterten 11/25 = 44,4 % und 6/15 Missionen zum Mars, das sind 40 %. Also fast der gleiche Prozentsatz. Wenn man es ganz genau nimmt, ist es -nur nach der Statistik – etwas riskanter auf dem Mond zu landen.

Was ist riskanter?

Beide Himmelskörper unterscheiden sich gravierend und damit auch die Landemethoden. Der Mond hat keine Atmosphäre, der Mars eine dünne Atmosphäre. Steuerungstechnisch sieht die Mondlandung einfacher aus. Denn es gibt weniger Einflussparameter, eigentlich nur die Mondgravitation. Die Vorgehensweise ist daher bei allen Landungen in etwa die gleiche, egal ob aus einem Orbit heraus oder einer Umlaufbahn. Es wird zuerst die Geschwindigkeit zu einem großen Teil vernichtet. Dieser Teil der Bahn ist so gewählt das auch bei Abweichungen im Schub oder in der Starthöhe der Brennschluss in sicherer Höhe stattfindet, typisch einige Kilometer. Bei Luna 20 rettete dies die Mission, denn der Brennschluss fand erst in 760 anstatt geplanter 2450 m Höhe statt. Die restliche Geschwindigkeit, typisch einige hundert Meter pro Sekunde, wird dann mit variablem Schub vernichtet, bis man mit konstanter Geschwindigkeit landet.

Beim Mars ist es komplizierter. Es gibt eine Phase mit einer Abbremsung durch die Atmosphäre. Hier ist, wie bei jedem Wiedereintritt wichtig in welchem Winkel die Sonde eintritt. Bei Mars 2 war er zu steil und die Sonde schlug auf, bevor sie ihren Fallschirm aktivieren konnte.

Später aktiviert die Sonde in einigen Kilometern Höhe den Fallschirm, der anders als auf der Erde bei Überschallgeschwindigkeit entfaltet wird. Die Entwicklung des Fallschirms machte oft bei amerikanischen Sonden Probleme, da der Fallschirm sich nicht stabil öffnete, Leinen verhedderten sich oder er einriss. Ein Fallschirm alleine aber reicht nicht aus. Die Atmosphäre ist am Boden so dicht wie bei uns in rund 30 km Höhe. Für den Endabstieg gibt es verschiedene Lösungen – Airbags, die die Restenergie aufnehmen, Landung mit Raketentriebwerken oder in Kombination mit verformbaren Material, das die Restenergie aufnimmt.

Zumindest wenn man die Variante mit Raketenantrieb wählt, gibt es auch Parallelen – anstatt das man ein Raketentriebwerk in einer bestimmten Höhe startet, löst man einen Fallschirm aus. Und es schließt sich ab einer Mindesthöhe eine Phase an, in welcher der Schub nach Höhe und Geschwindigkeit geregelt wird, sodass man mit geringer Geschwindigkeit landet.

Zumindest früher – für heute kann man das nicht anführen – kommt noch die Geografie hinzu. Während es kein Problem ist aus einem niedrigen Mondorbit Stellen mit hoher Auflösung identifizieren, in denen eine Landung sicher ist. Im Allgemeinen gibt es davon weniger auf dem Mond als auf dem Mars, da es kein Wetter gibt, das Krater zudeckt und Felsen abschleift. Beim Mars ist es so, das die ersten Orbiter keine Auflösung hatten die Landeplätze so hochauflösend zu erfassen. Entsprechend unterscheiden sich die Aufnahmen der Landegebiete von Viking und Pathfinder deutlich von den späteren – man sieht zahlreiche Steine und auch größere Felsbrocken, teilweise nur wenige Meter vom Lander entfernt – wäre er dort gelandet, so wäre er umgekippt. Die folgenden Landeplätze sind dagegen weitestgehend frei von Gestein.

Was die letzten drei, allesamt gescheiterten Landeversuche vereint ist das sie nach einer langen Periode stattfanden in der alle Landungen klappten. Bei Schiaparelli war es eine fehlerhaft programmierte Software, verbunden mit einem starken Schütteln beim Abstieg, dass die Messvorrichtung für die Ausrichtung überforderte. Ich sehe deutliche Parallelen zum Fehlstart der ersten Ariane 5. Offenbar ist robuste Softwareentwicklung bei der ESA nicht üblich. Gelernt scheint man nichts daraus zu haben, denn kürzlich scheiterte schon der zweite Test des Fallschirmsystems für die nächste Landung, das natürlich auch nicht so arbeitet wie die bisherigen, nämlich mit einem Fallschirm, sondern mit zweien- liebe ESA, vielleicht probiert ihr für die erste gelungene Landung mal ein bewährtes Design aus, bevor ihr was Neues entwickelt. Bei den anderen beiden Fehlschlägen ist die genaue Ursache noch unbekannt, doch ich will den Artikel mal nutzen, um die bisherigen Fehlschläge zu erläutern:

Die bisherigen Fehlversuche

Was die neuesten Fehlschläge eint, ist das sie die ersten der jeweiligen Agentur waren. Mein Vorschlag ist es vielleicht bei den ersten Versuchen mal die Methoden zu übernehmen die bisher erfolgreich waren. Denn technisch ist die Landung auf dem Mond und Mars ohne große Finessen schaffbar. Die Lunas und Surveyors landeten ohne Bordcomputer, nur mit einer Feedbacksteuerung (hohe Geschwindigkeit – hoher Schub, niedrige Geschwindigkeit – niedriger Schub). Bei Viking war der Bordcomputer ebenfalls nicht besonders leistungsfähig und die Methode gekoppelt an die Höhe. Diese Methode scheint besser zu sein, als Computerprogramme, zumindest wenn sie wie beim MPL oder Schiaparelli keinerlei Plausibilitätsprüfung machen und damit erst die Katastrophe verursachen.

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