Nachtragende und leichtgläubige Wähler
Die SPD ist in der Krise und das nicht erst seit jetzt. Bei der letzten Landtagswahl in Thüringen wurde sie nur noch einstellig. Seit über einem Jahrzehnt geht es bergab. Hier mal am Beispiel der Bundestagsergebnisse:
Man sieht nach einem niedrigen Start eine Zunahme bis Ende der Sechziger Jahre. Dann eine Stabilisierung über die nächsten Jahrzehnte zwischen 35 und 45 Prozent. Zwei Ereignisse sind dabei bemerkenswert. Das eine ist der Einzug der Grünen ins Parlament 1983 und die Wiedervereinigung mit Auftreten der PDS (heute die Linke) 1990. Beide Partien sind im politischen Spektrum eher links angesiedelt, auch wenn die Grünen inzwischen mehr in die Mitte angekommen sind, und nagten somit an dem Wählerreservoir, auf das die SPD zugreifen kann.
Die Zeiten, wo eine Partei über 40 % der Stimmen erreichen kann, sind vorbei, nicht nur für die SPD sondern auch CDU. Bei mittlerweile sechs Partien im Bundestag und rund 20 anderen, die zur Wahl antreten, ist das kaum noch möglich. Das klappte noch als es drei oder vier Parteien waren. So ist auch die CDU mittlerweile auf 30 bis 35 % abgesackt. Doch bei der SPD ist der Abstieg besonders dramatisch. Seit drei Wahlen krebselt sie um 20 bis 25 % herum. Nach den aktuellen Umfragen wäre sie derzeit sogar unter 20 Prozent.
Was sind die Uhrsachen dafür? Eine Erklärung ist, dass die SPD-Stammwählerschaft der SPD immer noch übel nimmt, das Schnöder Harz IV beschlossen hat. Ich meine das kann es alleine nicht sein. Zum einen ist das nun mehr als ein Jahrzehnt her. Kohl hat sich viel mehr geleistet. In den Jahren seiner Regierung sank die Arbeitslosigkeit kaum. Die Deutsche Einheit wurde mit einer Verdopplung der Bundesschulden (die vorher in 40 Jahren aufliefen) in nur acht Jahren finanziert. Harz IV ist nicht populär, ist aber auch dafür mitverantwortlich das seit der Einführung 2003 die Arbeitslosigkeit kontinuierlich gesunken ist. Nicht zuletzt hat Schnöder ja, nachdem er 2004/2005 reihenweise Landtagswahlen verloren hatte, vorzeitige Neuwahlen angesetzt um die Reformen vom Wähler bestätigen zu lassen. Wie man an den Ergebnissen sieht, hat er damals 34,2 % bekommen, also 10 % mehr als die SPD danach, die sich ja von ihm distanziert hat. Die CDU hat die Reformen auch nie zurückgenommen. Im Gegenteil: Alles, was den Leuten an Harz-IV so aufstößt, wurde danach von der CDU/FDP Regierung beschlossen. So die Sanktionen die letzte Woche vom Bundesverfassungsgericht kassiert wurden: 2011 von der CDU/FDP Koalition eingeführt. Trotzdem hat die SPD von der CDU/FDP Koalition nicht profitiert. Obwohl ich noch mit Grausen an diese Zeit zurückdenke, beide Parteien waren sich nicht einig und es kam nichts richtig vorwärts außer die Steuervergünstigungsgesetze der FDP, die gleich am Anfang beschlossen wurden. Aber nach vier Jahren CDU/FDP bekam die SPD nur wenig mehr Zuspruch. Sie konnte von dem Verdruss über die Regierung nicht profitieren. Selbst bei der FSP sind die Wähler vergesslicher. Nachdem sie 2013 zu Recht aus dem Parlament flog, ist sie 2017 wieder drin und das sogar mit einem guten Ergebnis. Dabei ist die Partei immer noch die gleiche wie damals. Das Parteiprogramm ist seit etwa 20 Jahren das gleiche: weniger Sozialstaat, weniger Steuern (vor allem für die, die viel Steuern zahlen). So ziemlich alles, was bei der letzten und aktuellen großen Koalition für Arbeitnehmer herauskam, wie Mindestlohn oder Mindestrente stammt von der SPD. Die CDU glänzt dagegen mehr durch die Fokussierung auf Sicherheit und Erhaltung von Industrien, die nicht wettbewerbsfähig sind. Das gipfelt derzeit in der Auseinandersetzung um die Grundrente. Obwohl im Koalitionsvertrag eine Prüfung der Bedürftigkeit vorgesehen ist, bestand die SPD ja lange Zeit auf einer Rente ohne Bedürftigkeitsprüfung, was bei Millionen von Rentnern die 35 Jahre lang eingezahlt haben den Zuschuss verzehnfacht hätte, denn die Zahl, derer die 35 Jahre lang einzahlen und trotzdem nicht auf die Grundsicherung kommen, ist nicht so riesig. Das klingt schon nach Verzweiflung und das ist es auch. Die SPD kann machen was sie will, sie legt nicht zu. Der deutsche Wähler straft immer den Koalitionspartner von Merkel ab, die als Teflonkanzlerin glänzt. An ihr bleibt nichts kleben, und weil sie fast nie zu irgend etwas sagt, nimmt man ihr völlig verrückte Aktionen anderer Regierungsmitglieder wie Maut, Ankerzentren, Bundeswehr Einsatz in Syrien etc. nicht übel. Aber zwischen 2009 und 2013 hat sich die SPD in der Opposition nicht erholt.
Inzwischen gibt es bei der anstehenden Wahl zum Parteivorsitzenden-Duo ja auch eines das aus der großen Koalition aussteigen will. Nur sehe ich nicht was das bringen soll. Wenn man die Regierung aufkündigt, hat diese keine Mehrheit mehr und es müsste entweder eine neue geben (z.B. die zuerst als „Jamaikakoalition“ verfolgte aus CDU-Grüne-FDP) oder Neuwahlen. In beiden Fällen würde ich annehmen, dass die Wähler dafür die SPD verantwortlich machen würden. Wobei ich angesichts des derzeitigen „Klimapäckchens“ und der nach wie vor bestehenden Forderungen der FDP nach weniger Sozialstaat (in den letzten Jahren gab es ja eher mehr Sozialstaat) kaum glaube, dass man zu einer Jamaikakoalition kommt. Schon 2017 scheiterten ja die Gespräche.
Diese Kandidatensuche für den Parteivorsitz über Monate zeigt auch ein anderes Problem: Die SPD hat keine Führungspersönlichkeiten mehr. Es gibt nicht mehr die herausragenden Leute, die man als Kanzlerkandidat präsentieren kann und die, die sie hatten, haben sie verschlissen, alle paar Jahre ein neuer Parteivorsitzender. Gut das Problem hat die CDU auch zum Teil, da Merkel aktiv verhindert hat, dass jemand zu mächtig wird. Aber da rückt die zweite Reihe nun langsam auf, nachdem sie selbst den Parteivorsitz abgegeben hat. Aber monatelang nur einen Parteivorsitzenden zu suchen, das ist niemanden vermittelbar.
Anders läuft es bei der CDU. Da wird einfach jemand von Merkel zum Parteivorsitzenden bestimmt, egal ob es das Geschick eines Elefanten im Prozellanladens hat oder nicht. Ich kann mich nicht entsinnen, dass ein anderer Politiker sich in so kurzer Zeit so viele Fettnäpfchen und Affronts geleistet hat wie Annegret Kramp-Karrenbauer.
Während die Wähler bei der SPD sehr nachtragend sind, sind sie bei uns und woanders bei anderen Politikern sehr vergesslich. Die AFD glanzt im Bundestag durch Pöbeleien und Lügen, hat eine Parteispendenaffäre am Hals (mit dem Geld wurden unter anderem „Likes“ gekauft – armseliger geht’s es kaum noch) und trotzdem erzielen Leute wie Höcke, bei denen nicht mal seine Parteigenossen sagen können ob ein Zitat von ihm oder aus „Mein Kampf“ stammt Wahlerfolge. In England sieht es gut für Boris Johnson aus, der mit Lügen die Brexit-Abstimmung beeinflusst hat, in seiner kurzen Amtszeit wenig getan hat einen neuen Vertrag auszuhandeln und sich Aktionen wie das Ausschließen von Abgeordneten und Beurlauben des Parlaments leistete. In den USA ist seit 3 Jahren Trump Präsident, der fortwährend lügt, offen seine narzisstische Natur zelebriert (alles was er macht, ist besser als alles was es vorher von den letzten 40+ Präsidenten gab) aber nicht gerade durch intelligentes Handeln auffällt. Derzeit versuchen die Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren zu erreichen, dürften damit aber im Senat, der eine Republikanermehrheit hat, scheitern. Ich kann mich noch an Bill Clinton erinnern, wo man auch ein Amtsenthebungsverfahren anstrebte. Damals, weil er log, weil er eine sexuelle Affäre mit Monica Lewinski ableugnete. Trump lügt am Stück, es geht nicht um etwas mehr oder weniger privates wie Oralsex mit einer Praktikantin, sondern Innen- und Außenpolitik und er schadet dem Land, z.B. mit dem Handelskrieg mit China. Aber das reicht nicht aus ihn, des Amtes zu entheben. Ich bin mal gespannt ob die Republikaner mit ihm in die Wahl für die zweite Amtszeit gehen und wenn ja, wie die dann auffällt. Ich habe dann noch überlegt, ob ich etwas zum neuen ukrainischen Präsidenten schreiben soll, der Schauspieler ist und vorher einen Präsidenten spielte. Aber das ist ja eigentlich nichts Neues mehr, denn einen Schauspieler der einen Präsidenten nur spielt haben die USA schon vor 30 Jahren gehabt.
Die Zeiten haben sich verändert. Aber nicht zum Besseren.
„Wer hat uns verraten, Sozialdemokraten…“
Der Spruch ist ja in den vergangenen Jahren soviel ich weiss wieder populär gemacht worden. Links neigt man ja gerne zur Selbstdemotage….
Vor allem Jungwähler fühlen sich durch die Sozen nicht mehr vertreten und wählen aktuell lieber grün. (Welche ja vor einigen Monaten in Umfragen tatsächlich Chancen hatte zur Kanzlerpartei zu werden.)