Bernd Leitenbergers Blog

Inhaltlich insolvent

Es rumort in der CDU. Nachdem sich Merz ja schon vor einigen Wochen in Stellung gebracht hat und meint die Regierungsarbeit wäre „grottenschlecht“. Nun regt sich weiterer Widerstand. In BW gab es am letzten Wochenende gleich zwei Wortmeldungen. Die CDU-Spitzenkandidatin für die nächste Wahl Eisenmann hält die CDU für altbacken und langweillig. «Die CDU scheut zunehmend Haltung einzunehmen, gibt zu wenig Orientierung und wirkt in Kampagnen oft altbacken und langweilig“. Die Art der Beliebigkeit, jeden Kompromiss einzugehen, werde nicht in die Zukunft führen. Man müsse wieder wissen, für was die CDU stehe, für was sie kämpfe. Die Partei müsse inhaltliches Profil gewinnen und wieder Antworten auf Sorgen der Bürger geben. Die CDU müsse auch an ihrem Erscheinungsbild arbeiten – Eisenmann kritisierte eine Tendenz, arrogant und überheblich und verkrampft rüberzukommen.

Ins gleiche Horn bläst der CDU-Fraktionsvorsitzende Reinhart:

Für die großen Fragen unserer Zeit habe die CDU „keine Antennen und keine Agenda mehr“, so Reinhart. Die Schubladen seien leer, betont er in einem Schreiben, das dem SWR vorliegt. Es gelinge der CDU demnach kaum noch, „die eigenen Formeln und Überschriften mit erkennbarer Politik zu füllen“.

Die Partei habe weder Entwürfe für die Gesellschaft, noch für sich selbst: „Die CDU ist inhaltlich insolvent.“ Es sei Zeit „für ein Sanierungsprogramm“. Man müsse etwa wieder mehr über Wirtschaft und über Wettbewerbsfähigkeit sprechen. Die soziale Marktwirtschaft brauche ein Update, das Steuersystem eine Rundumerneuerung.“

Während Merz wieder zurückrudert und auf dem Bundesparteitag zur Geschlossenheit aufgerufen. Entsprechend harmonisch ging es jetzt ja auch zu. Zeit mal das zu kommentieren, wobei ich dann noch den Videoblog von Rezo miteinbeziehe, der ja AKK so wenig gefallen hat, das sie meinte man müsste für Blogger so etwas wie Zensur einführen.

Das war ein Punkt neben vielen, weshalb ich AKK für unqualifiziert halte, überhaupt ein Amt auszuüben. Wer meint Kritiker mit Zensur den Mund verbieten zu wollen, nicht fähig ist sich im Kabinett über Vorstöße wie den Bundeswehreinsatz in Syrien abzusprechen und erst sagt, dass man nicht Mitglied des Kabinetts sein will und dann eben doch Verteidigungsministerin wird erfüllt nicht meine Vorstellungen an Integrität, Zuverlässigkeit und demokratischem Grundverständnis. Vor allem für was steht sie denn? Bei ihrer Einführungsrede vor dem Bundesparteitag war dauernd nur von „Zukunft“ die Rede, aber was sie machen will – Fehlanzeige. Wie sie Ministerpräsidentin des Saarlandes werden konnte, ist mir ein Rätsel, doch die haben ja auch Lavontaine gewählt.

Das gilt aber genauso für Merz. Wer abwechselnd gegen die Regierung poltert und dann wieder zurückrudert, sollte am Stammtisch bleiben und kein Amt bekleiden. Zudem habe ich Zweifel, dass er die Interessen der Bürger vertritt, wenn er im Aufsichtsrat von Black Rock sitzt und eine halbe Million Euro pro Jahr verdient. Man sieht das ja schon bei der Klientelpartei FDP bei denen die Abgeordnete so illustre Berufe wie Arzt, Jurist, Immobilienberater oder Wirtschaftsberater haben, also in der Regel Selbstständige mit hohem Einkommen und die seit Jahren nur die Interessen dieser Bevölkerungsgruppe vertreten. Erst am Sonntag war die Generalsekretärin in Berlin direkt, wo sie verklausuliert sagte, warum ihre Partei gegen einen Mindestlohn ist, der fürs Leben ohne staatliche Zuschüsse reicht. „Dieser (hohe) Mindestlohn würde verhindern, dass die Benachteiligten eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben“. Sprich, es gibt Leute deren Arbeit ist keine 12 Euro/Stunde wert.

Interessanterweise scheinen sich die Ansprüche der Wähler verschoben zu haben. Bei Schröder hat man sich ja schon über Armani-Anzüge aufgeregt, obwohl er die problemlos mit seinem Kanzlergehalt finanzieren konnte. Der Bundeskanzler verdient zwar nicht so viel wie ein Aufsichtsrat bei Black Rock, aber auch 283.000 €/Jahr (auch wenn es zu Schröders Zeiten weniger war). Trotzdem meinte man damals, alleine deswegen das er sich was leistet, habe er die Interessen der „kleinen Leute“ verraten, während man bei Merz wohl schon a priori davon ausgehen kann, dass er das nicht tut, wie seine Äußerungen zu privaten Vermögensvorsorge durch Aktienfonds zeigen. Denn wer kein Geld dafür übrig hat, kann auch nicht vorsorgen.

Die CDU glänzt in meinen Augen vor allem durch Untätigkeit und Führungsschwäche. Fangen wir mal mit dem Ersten an. Es gibt ja eine Reihe von Problemen in Deutschland. Ich fange mal mit zwei Problemen, an die Dauerprobleme sind und typisch deutsche Probleme. Das eine ist die Abgrenzung des Föderalismus von dem Bund. Historisch bedingt haben die Länder bei uns viel Macht. Sie entscheiden über die Polizei, das Bildungswesen, Bauvorschriften etc. Heute haben wir es aber mit einer vernetzten Welt zu tun und die beschränkt sich nicht nur auf Deutschland. Ein Paradebeispiel ist die Cyberkriminalität. Server stehen im Ausland, wechseln oft auch den Standort und Webseiten und das Darknet sind weltweit verfügbar. Ähnlich ist es bei der Terrorismusbekämpfung. Jedes Bundesland hat seinen eigenen „Geheimdienst“, zusätzlich zu dem Bundesnachrichtendienst. Nach dem Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt wurde ja bekannt, dass der Attentäter in Nordrhein Westfalen unter Überwachung stand, doch nach dem Wechsel nach Berlin waren die Behörden nicht mehr zuständig und die Berliner erfuhren nichts davon. Bei uns aber ist Polizeiarbeit Landessache. Das kann auch so bleiben. Aber dann sollte man die Tatsachen, die man besser überregional regelt, wie eben Terrorismusbekämpfung, Cyberkriminalität, aber auch die Verfolgung von bundes- oder weltweit agierenden Unternehmen, auf die Bundesebene verlagern. Die kann ja im Gegenzug für die einzelnen Bereiche wieder Landeszentren einrichten, die dann für alle Bundesländer verantwortlich sind und dann bekommt eben jedes größere Land ein solches Zentrum. Bei diesen Bereichen ist das nicht nur sinnvoll, sondern die einzige Lösung, oder will jedes Polizeipräsidium ihre eigene Cybercrime Abteilung errichten?

Auch Bildung ist Landessache und das soll sie auch bleiben. Da aber die Menschen immer mobiler werden und so auch Schulen und Hochschulen wechseln bzw. woanders arbeiten als sie studiert haben ist es längst überfällig, die Bildungsabschlüsse zu standardisieren. Wenn schon Satiremagazine sich lustig über das Abitur in NRW und Berlin machen, dann weiß man, was im Argen liegt. Es muss doch möglich sein einen Katalog aufzustellen, was jeder Bildungsabschluss an Inhalten vermittelt bekommen muss. Ebenso welchen Standard Prüfungen erfüllen müssen. Extrembeispiele: Die Abiaufgaben kommen in einem Bundesland vom Lehrer selbst, behandeln also nur das, was er durchgekauft hat und wenn er schlau ist, nimmt er gerade die Fragen vorher genau durch und das Zentralabitur, wo auch die Lehrer erst eine Stunde vor der Prüfung die Umschläge öffnen. Das kann man auch für die Hochschulen weiterziehen. Wobei ja schon heute es das Problem gibt, das die Studienfächer nicht zu den beiden Abschlüssen Bachelor und Master passen. Als er bei der FH Esslingen (heute Hochschule Esslingen) der Bachelor eingeführt wurde, musste das Studium abspecken, da das Bachelorstudium 6 Semester dauert, der Diplom-Studiengang aber 8. Ein Praxissemester wurde gestrichen und die Diplomarbeit als ein Fach eingestuft, was verglichen mit dem Zeitaufwand natürlich eine Herabstufung bedeutet. Umgekehrt habe ich an der Dualen Hochschule unterrichtet und weiß das die Studenten dort, weil das Studium wirklich nur 6 Semester dauert, aber die Hälfte der Zeit auf ein Praxisstudium in einem Betrieb, entfällt nie und nimmer auf die Zeiten kommen, die für die einzelnen Kurse eines Bachelors vorgesehen sind. Das wird dann so gelöst, das auf jede Unterrichtsstunde 1,4 Stunden für das Studium Zuhause angesetzt sind – dafür haben die Studenten aber keine Zeit. Das wäre also auch die Gelegenheit die Bildungsabschlüsse in den Ländern mehr anzugleichen.

Zweites deutsches Dauerproblem: Vorschriften und Bürokratie. Seit es die BRD gibt, wahrscheinlich aber schon seit dem Kaiserreich, ist es so das jede Regierung neue Vorschriften einführt. Aber die Alten werden nicht abgeschafft. Es wird immer komplizierter. Ein Hemmnis für den Bau sind z.B. 15.000 Bauvorschriften – 1990 waren es noch 5.000, was auch schon zu viel ist. Das macht alles nur kompliziert und teuer. Nicht neu bei den Bauunternehmern, sondern auch den Bauämtern. Nun überlegt man für den Bau von mehr sozialen Wohnungen einige Vorschriften außer Kraft zu setzen. Warum nur dafür? Wenn man sie nicht braucht, dann kann man sie ganz abschaffen denn Menschen sind Menschen und Mieter von Sozialwohnungen sind nicht Menschen zweiter Klasse. Es muss eine Abwägung geben zwilchen Nutzen und Aufwand.

Man könnte das bei fast jeder Regelung weiterführen, dem Schilderwald der immer schlimmer wird oder der Steuererklärung. Seit letztem Jahr muss ich als Selbstständiger mit geringem Einkommen ein weiteres Formular ausfüllen (Anlage EUR), die Formulierungen verstehe ich nicht und es steht nichts anderes drin als die Summe der einnahmen und Ausgaben. Als ich letztes Jahr eine Rücklage angab, dafür gab es ja eine eigene Zeile im Formular, erfuhr ich von Finanzamt, das ich dazu eine Bilanz erstellen müsste, aber das Formular EUR muss ja deswegen ausfüllen, weil ich nur eine Einnahme/Überschussrechnung durchführen muss (EUR: Einnahme-Überschussrechnung). Also wie immer bei den Finanzen voll logisch. Dazu gehören auch solche Steuerlücken wie die die diese Cum Ex Geschäfte möglich machten oder der Mehrwertsteuerbetrug innerhalb der EU, indem man Waren hin und her verschiebt und sich die Mehrwertsteuer erstatten lässt, obwohl man nie welche bezahlt hat. Auch das ist ein Beispiel, das es in vielen Bereichen schon national nicht mehr geht. Dieser obige Betrug geht nur, weil nicht Staat A für Staat B die Mehrwertsteuer einziehen will oder darf. Man muss dazu nicht mal die Sätze innerhalb Europas angleichen, sondern nur zusammenarbeiten. Merz hat ja mal seine „Steuererklärung auf dem Bierdeckel“ ins Spiel gebracht. Das scheint sowieso das einzige zu sein, was er jemals politisch fertiggebracht hat. Die Entrümpelung des Steuerrechts, dessen viele Spezialvorschriften ja sowieso nur denen nutzen die diese ausnutzen können und das sind in der Regel nicht Arbeitnehmer und kleine Selbstständige, sondern die, mit höherem und hohen Einkommen, wäre längst überfällig. Aber da nun Merz Black Rock vertritt und damit gerade einen Konzern, der von diesem Steuerdickicht profitiert, ist nicht damit zu rechnen. Zumindest habe ich in den letzten Jahren nix mehr davon gehört.

Finanzgesetzgebung ist zudem völlig unlogisch. So haben wir zwei Mehrwertsteuersätze, 7 % für Dinge, die man braucht wie Lebensmittel aber auch einige Toilettenartikel und 19 % für den Rest. Doch nicht systematisch. Auf Bücher gibt es 7 % MWSt, auf E-Books bis jetzt 19 % (soll nun angeglichen werden). Besonders paradox wird es bei der Gastronomie. Wer Fast-Food kauft, hat die Wahl, ob er es im Lokal isst oder mitnimmt. Neben der Plastikproblematik ist Letzteres auch für den Betreiber des Lokals günstiger: Essen, das serviert wird oder vor Ort verzehrt wird, wird mit 19 % besteuert, dasselbe Essen, das mitgenommen wird, zählt als Lebensmittel mit 7 % Steuersatz. Besonders die FDP hat sich in den letzten Jahrzehnten hervorgetan im Rahmen ihrer Dauerforderung nach niedrigeren Steuern die Systematik zu durchlöchern, indem sie für einzelne Branchen Sonderreglungen einführte, wie 2009 die Hotelsteuer.

Inzwischen hat sich das Verordnungsdickicht zu einem echten Hemmnis entwickelt. Einige Beispiele, die mir spontan in den Sinn kommen: Es gibt 40 Mrd. an Rückstellungen im Bundeshaushalt und in BW weitere 2 Mrd. im Landeshaushalt für Investitionen, die nicht abgerufen wurden. Ein Hauptgrund: die Kommunen haben nicht das Personal für die Planung eben, weil so viele Vorschriften erfüllt werden müssen. Ein Windkraftbetreiber hat 2011 einen Antrag gestellt für eine Anlage. Genehmigt wurde er noch nicht, aber er ist inzwischen ungültig, weil die Schutzfrist abgelaufen ist – nun muss er einen Neuen stellen, weil sich inzwischen die Gesetzeslage geändert hat. Analoges gilt für den Pannenflughafen BER: er verzögert sich auch deswegen, weil er noch nicht fertig ist, inzwischen aber neue Vorschriften für den Brandschutz von Neubauten gelten und da er noch nicht in Betrieb ist, muss er diese erfüllen, was die Fertigstellung weiter verzögert.

Die Regierung tut nichts um das zu verbessern, sondern führt immer weitere bürokratische Hürden ein. So im Klimapaket, das ja eigentlich die Umstellung auf umweltfreundliche Energien voranbringen sollte für Windkraftanlagen einen Mindestabstand von 1000 m zur nächsten „Siedlung“. Eine Siedlung sind nach diesem Gesetz übrigens 5 Häuser. Das eigene Umweltministerium mahnt an, dass wenn man noch die sowieso gesperrten Gebiete wie Biotope hinzunimmt, man praktisch keine Fläche mehr hat, auf der Windkraftanlagen nach dieser Verordnung mehr aufgestellt werden dürfen. Entsprechend hat die Branche schon durch vorherige Auflagen in den letzten zwei Jahren 40.000 Arbeitsplätze verloren, doppelt so viele, wie vom Braunkohleausstieg betroffen sind – nur gibt es die eben in zig kleinen Firmen und nicht wenigen großen halbstaatlichen Konzernen.

Okay, nun bin ich schon auf Seite 3 und ich denke ich mache morgen mit dem zweiten Hauptpunkt weiter: Nichtstun und Volkspartei der Großkonzerne.

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