Bernd Leitenbergers Blog

Vega Varianten

Bedingt durch den Fehlstart der Vega in diesem Sommer wird sich der Jungfernflug der neuen Version Vega C wohl noch etwas verzögern. Die Vega C setzt eine neue erste und zweite Stufe ein. Die erste Stufe wird auch bei der Ariane 6 als Booster eingesetzt und 142 anstatt 88 t Treibstoff. Die Zweite, Zefiro 40 36 anstatt 24 Treibstoff. Die Vega C wird 2.250 kg in einen 500 km hohen sonnensynchronen Orbit befördern.

Die Vega soll weiter entwickelt werden. Die italienische Raumfahrtagentur ASI plant schon seit 2012 eine Oberstufe mit der Kombination Methan / LOX, die die letzte Feststoffoberstufe und das AVUM ersetzen soll. Ich halte nichts davon. Zum einen ist das eine typische Art wie Raumfahrtagenturen Dinge handhaben – es muss dauernd etwas neues entwickelt werden anstatt das man eine unkomplizierte Lösung findet. Dazu gehört auch der bei der Ministeratskonferenz beschlossene „Space Rider“, ein Analogon zum X-37B. Das der Transport und Rückführung von Nutzlasten in den Orbit nicht kommerziell sinnvoll ist, bewies schon das Space Shuttle, bei dem es zu gerade mal zwei Einsätzen kam – LDEF und Eureca. Dabei waren diese noch subventioniert. Das das US-Militär das X-37B einsetzt beweist auch nicht das Gegenteil. Denn zum einen weiß man nicht was das Vehikel eigentlich tut und zum anderen hat das Militär genügend Geld um es in völlig bescheuerte Projekte zu stecken, ich sage nur: SDI. Zum Zweiten sehe ich wenig Performancegewinn in der neuen Oberstufe, verglichen für den Aufwand, denn bedingt durch die unteren Stufen wird die Oberstufe kräftig durchgerüttelt, was deren Trockenmasse deutlich erhöhen dürfte. Ich will hier mal meine Alternativen aufzeigen, die einfacher und ich denke auch billiger sind.

Zuerst aber noch eine Bemerkung zur Vega C. Ursprünglich war nur eine neue erste Stufe geplant, erst später kam der Zefiro 40 hinzu. Warum ist mir ein Rätsel, denn ich habe beide Varianten modelliert: Die neue Stufe liefert nicht mehr Nutzlast. Meine Simulation ist etwas vereinfachend, liefert aber bis auf wenige Prozent die genaue Nutzlast. Bei der Vega z. B. 141 kg mehr bei 2.000 kg Gesamtmasse im Orbit. Diesen Fehler von 6,5 % habe ich im folgenden Angaben abgezogen. Für die Vega C mit dem alten Antrieb (Zefiro 23) errechne ich 2.200 kg in den Orbit, die Angabe mit Zefiro 40 von Arianespace ist 2.250 kg und ich errechne (mit den Freiflugphasen des Users Manuals) sogar nur 2.100 kg.

Booster

Die naheliegendste Lösung ist es die zweite und dritte Stufe als Booster zu nehmen. Geometrisch wären viele Konfigurationen möglich, da bis zu sechs Booster an die erste Stufe passen, und man dann die Stufen noch mischen kann. Ich habe mich nur auf vier beschränkt:

Mehr als vier Booster sind möglich, dann müsste man aber mehr am Stratum machen. Dann würde nämlich ein Booster zwischen Startturm und Vega stehen, das heißt, die Rakete müsste man weiter weg rücken. Booster haben den Vorteil, das sie sonst an der Konstruktion der Rakete nichts ändern. Die Vega wird am Startplatz zusammengebaut, da gibt es in einem heranfahrbaren Montaggebäude definierte Zugangsebenen, die natürlich auf Höhe der Stufen sind. Booster würde man gleich am Anfang unten anbringen und sie benötigen keine Änderungen an der Konstruktion. Ein Risiko ist noch das der Nabelschnurmast beim Start durch die Flammen beschädigt wird. Doch auch dies kann man lösen. Bei Ariane 3 wurden die Booster erst gezündet, wenn die Rakete schon abgehoben hatte und den Turm passiert hatte. Bis auf die Konfiguration mit vier Z40 Boostern hat die Vega aber genügend Schub, um auch ohne gezündete Booster abzuheben.

Ein weiterer Vorteil ist, dass beide Boostertypen kürzer brennen als die Erststufe (92,9 und 119,6 s zu 135,7 s). Sie werden daher vor deren Brennschluss abgeworfen und erzeugen so keine Beschleunigungsspitze. Sie liegt bei 52,3 m/s im ungünstigsten Fall, die Vega C kommt auf 58,4 m/s und die Vega sogar auf 91,3 m/s. Bei den beiden letzten Typen jeweils bei Brennschluss der dritten Stufe. Diese Beschleunigungsspitze am Schluss sinkt, da die Nutzlast immer schwerer wird. Bei den Boostern kann bei vier Z40 Boostern die Beschleunigungsspitze dagegen bei deren Brennschluss auftreten.

Hier die Nutzlasten:

Nutzlast für einen 700 km 86,5 ° SSO Orbit
Rakete Nutzlast [kg]
Vega 1.500 kg
Vega C 2.200 kg
Vega C + zwei Z9A 2.900 kg
Vega C + vier Z9A 3.300 kg
Vega C + zwei Z40 4.100 kg
Vega C + vier Z40 5.300 kg

Man sieht: schon zwei Booster bringen viel, vier im Verhältnis dazu nicht viel mehr. Ein produktionstechnischer Vorteil wäre, dass so mehr dieser Stufen gefertigt werden, und damit sinkt der Preis pro Stufe – auch bei der normalen Vega. So soll es ja auch bei der neuen ersten Stufe sein: obwohl sie wesentlich größer als die Alte ist wird sie gleich viel kosten, weil sie auch bei der Ariane 6 eingesetzt wird und man so auf eine höhere Stückzahl kommt.

Mit den Boostern hätte man nicht nur die Möglichkeit die Vega für schwerere Nutzlasten zu nutzen, sie könnte auch die Sojus für erdnahe Missionen ersetzen. Die Sojus hat eine Nutzlast von rund 4.400 kg in diese Bahn. Die Version mit zwei Z40 Boostern könnte auch 2 t in einen GTO transportieren.

Stufen verdoppeln

Eine zweite Möglichkeit, die bei schubstarken Feststoffraketen besteht, ist es, die Stufen doppelt einzusetzen. Dies wurde bei der Athena II/III und Start/Start-1 angewandt. Das geht, weil Feststoffstufen kurze Brennzeiten und hohen Schub haben. Die Zefiro 40 liefert einen Schub von maximal 1304 kN, bei einer Masse von unter 60 t für die Restrakete und bei der Zefiro 9A sind es 317 kN bei etwa 15 t Restmasse.

Man setzt dann die zweite bzw. dritte Stufe doppelt ein, die Rakete verlängert sich entsprechend. Als Vorteil kann durch die längere Brennzeit der Gesamtrakete, die bei der Vega nötige Freiflugphase entfallen, diese kostet Nutzlast ist aber unabdingbar, wenn das AVUM in einer stabilen Höhe zünden soll. Als Nachteil ginge das nicht ohne Änderungen an dem Startturm, der entsprechend verlängert werden müsste. Hier die Nutzlasten:

Nutzlast für einen 700 km 86,5 ° SSO Orbit
Rakete Nutzlast [kg]
Vega 1.500 kg
Vega C 2.200 kg
Vega C + zweiter Z9A 2.850 kg
Vega C + zweiter Z40 2.350 kg

Wie schon beim Ersetzen des Z23 durch den Z40 sieht man, dass der Zefiro 40 wenig mehr bringt. Im Verhältnis Voll-/Leermasse war der Zefiro 23 einfach günstiger. Ein zweiter Zefiro 9A steigert aber die Nutzlast um rund 600 kg, das sind etwa 30 % mehr, und obwohl man nur eine Stufe mehr braucht, ist das günstiger als zwei Zefiro 9A als Booster anzubauen, die fast die gleiche Nutzlast erbringen

Mini Vega

Angedacht war mal eine Mini Vega, das war eine Vega ohne erste Stufe. Man hätte aber das AVUM umkonstruieren müssen, denn bei der Standard-Vega wäre es mit 500 kg Trockenmasse viel zu schwer, wenn die Nutzlast absinkt. Ohne erste Stufe fällt etwa zwei Drittel der Masse weg entsprechend sinkt die Gesamtmass in einen Orbit die bei der Vega bei 2000 kg lag auf 600 bis 700 kg ab, und wenn man dann noch 500 kg für das AVUM abzieht, bleibt praktisch nichts mehr übrig.

Nimmt man das Stufenverdoppeln aber als Basis, so kann man folgende zwei Raketen konstruieren:

Z40 – Z40 – Z10 – AVUM

Z40 – Z10 – Z10 – AVUM

Ich habe diesmal das leichtere AVUM der Vega genommen (das der Vega C wiegt 200 kg mehr, da auch größere Treibstofftanks verbaut sind). Reizvoll an der ersten Variante ist, das bis auf die unterste Stufe alles stimmt, auch von den Bauhöhen her. Man müsste also nur ein Podest bauen, das die Höhendifferenz zwilchen P120C und Z40 (5,1 m) überbrückt. So was setzte die NASA ein, als sie die Saturn IB von den Startrampen der Saturn V aus startete. Bei der zweiten Variante sind mehr Änderungen nötig, weil hier eine Z40 durch eine 4 m kürzere Z10 ersetzt wird.

Nutzlast für einen 700 km 86,5 ° SSO Orbit
Rakete Nutzlast [kg]
Vega 1.500 kg
Vega C 2.200 kg
Mini Vega C (Z40-Z40-Z10-AVUM) 200 kg
Mini Vega C (Z40-Z10-Z10-AVUM) 180 kg

Die Nutzlast ist minimal, was schlicht und einfach daran liegt, dass das AVUM trocken 494 kg wiegt. Würde man die Trockenmasse um 200 kg senken, so würde die Nutzlast um 200 kg ansteigen. Etwas günstiger sieht es aus, wenn es keine sonnensynchrone Bahn ist und sie etwas tiefer liegt, für 400 km Höhe, ausreichend für viele Kleinsatelliten und eine äquatoriale Bahn errechne ich 420 kg (zwei Z10) und 700 kg (zwei Z40) – immer noch ein deutlicher Verlust gegenüber der Vega C/E, die bei dieser Bahn auf deutlich über 3 t kommen müsste, aber wenn die Nutzlast klein genug ist, vielleicht eine Alternative. Allerdings gibt es für so leichte Nutzlasten schon genügend Träger auf dem Markt und die dürften günstiger sein. Eine Mini-Vega macht meiner Meinung nach eher sinn, wenn man eine weitere, feste Oberstufe von 1-2 t Masse einführt )z.B. Star 37 oder Star 48) und diese nach dem AVUM zündet, das heißt das AVUM justiert die Bahn so, das die gewünschte Zielbahn mit dem fest stehenden Impuls der Oberstufe erreicht wird. Dass die letzte Stufe ungeregelt ist, ist nichts Neues, bei kleinen Raketen geht es nicht anders, sonst ist die Nutzlast praktisch gleich Null. Die Scout und Diamant arbeiteten so, heute tut es die Epsilon. Dann würde man das AVUM in die dritte Stufe (Z-9A) integrieren und das Triebwerk mit Treibstoffvorräten einsparen. Ich denke das spart auch noch 100 bis 150 kg Gewicht ein. Die sowieso im AVUM vorhandenen kleinen Triebwerke, die bei der Vega die Rollachsenregelung und Dreiachsenregelung durchführen, reichen für kleine Nachjustagen der Bahn völlig aus und diese haben auch einen eigenen Treibstoffvorrat.

Was leider nicht klappt, ist es, die Treibstoffvorräte des AVUM zu vergrößern. Das sieht auf den ersten Blick wie eine Lösung aus, doch das AVUM ist viel zu schubschwach. Bei der normalen Vega wird es bei fast Orbitalgeschwindigkeit (es fehlen nur 200 m/s) abgetrennt und die kann es leicht aufbringen, danach ist der Schub weitestgehend bedeutungslos. Hier muss es aber über 1 km/s aufbringen und während der langen Brennzeit fällt die Nutzlast, die vorher von den beiden anderen Stufen auf eine suborbitale Bahn mit einem hohen Apogäum gebracht werden, muss.

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