Der Solarradweg von Erftstadt
Auf das folgende wurde ich durch die Satire „Der reale Irrsinn der Woche“ von Extra 3 aufmerksam. In Erftstadt hat man 90 m eines Radweges mit speziellen Solarmodulen belegt. Dieser Weg ist nun wieder außer Betrieb, lieferte aber nur 148 kWh Strom bei Kosten von 150.000 €.
Ich fand schon die Idee blödsinnig, Solarmodule in die Fahrbahn zu legen. Das ist zum einen viel teurer, weil man sie schützen muss und der Schutz kostet nicht nur Geld, sondern senkt auch die Effizienz ab. Vor allem aber gehen sie natürlich so schneller kaputt.
Trotzdem waren die Lobeshymnen vor Inbetriebnahme groß:
- Liefert 16.000 kWh Strom pro Jahr (Extra 3: 12.000 kWh/Jahr)
- Kann sich selbst abtauen.
- Reliefstruktur verhindert Verschmutzung.
- Sensoren könnten vor Glatteis warnen oder Verkehrsströme messen (beim Einsatz auf Straßen)
- Struktur verhindert Aquaplaning und absorbiert Schall
Das gipfelt dann sogar in einem Vergleich mit dem ersten Schritt auf dem Mond.
Die Geschichte des Wegs ist dann schnell umrissen. Eröffnet im November 2018 durch die Forschungsministerin Svenja Schulze, wurde die Anlage nach einem Schwellbrand im April 2019 abgeschaltet. Solmove die Firma, die diese Technologie im obigen Beitrag durch ihren Gründer so eloquent anpries, sollte dann reparieren, tat dies aber nicht und so wurde der Radweg erst gesperrt und dann wieder abgebaut.
Okay, das ist eine typische Story eines Unternehmens das nach dem Verkauf nichts mehr für den Kunden tut, ihm aber viel Geld abgeluxt hat. Wobei ich das für nicht besonders ratsam halte, wenn man wie der Gründer erst vor Fernsehkameras Interviews gibt und dann die Kunden im Regen stehen lässt. Kann man sich als neu gegründetes Unternehmen eigentlich nicht leisten. Ich wage zu prophezeien, dass dies der einzige Auftrag für Solmove von seitens der öffentlichen Hand bleiben wird.
Was mich viel mehr beschäftigt ist, dass ich das ganze Unternehmen so sinnlos finde.
Klar wir haben enorm viel Fläche auf den Straßen. Nimmt man nur die Straßen außerorts, so sind es 231.000 km. Bei einer Regelbreite von 4,0 m pro Spur und mindestens zwei Spuren pro Straße sind das 1.848 km². Dazu kämen nochmal 413.000 km in den Gemeinden. In der Nutzung dieser Fläche für Solarzellen liegt meienr Ansicht ein enormes Potenzial. Aber warum muss man die Module in die Fahrbahn verlegen? Das hat doch gleich mehrere Nachteile:
- Sie müssen vor dem Verkehr geschützt werden.
- In Höhe der Fahrbahn ist der Winkel zur Sonne ungünstig, die Verschattungsgefahr hoch.
- Es kommt durch die mechanische Beanspruchung zum erhöhten Ausfall von Modulen.
- Das Montieren und Auswechseln bei einem Defekt ist teurer.
- Die Straße muss für die Maßnahmen gesperrt werden.
- Die Module sind so Ingesamt teurer.
Stattdessen würde ich über der Straße eine Konstruktion wie einen Carport bauen, also ein Dach auf Stützen, auf denen man dann die Module montieren kann. Das ist dann die gleiche Situation wie bei einem Flachdach, man braucht keinen speziellen Schutz, die Module sind leicht zugänglich für Servicearbeiten und man muss nicht wie beim Solarradweg in Erftstadt bei einem Defekt den ganzen Weg sperren.
Meine Gegenrechnung
Ich möchte mal eine Gegenrechnung für den Fahrradweg von Erftstadt machen. Hier die bekannten Daten dieses Fahrradwegs;
- 90 m Länge
- 200 Solarmodule
- 12.000 kWh Ertrag pro Jahr (auch 16.000 werden genannt)
- 150.000 € Kosten
Fangen wir mal an mit dem Vergleich mit meiner Solaranlage. Die kostete mit 23 Modulen 11.500 €, hochgerechnet auf 200 Module wären das also 100.000 €. Die Montage als Weg ist also deutlich teurer. Demgegenüber ist der Ertrag deutlich geringer. Der Langzeitertrag meiner Anlage sollte 5.600 kWh/Jahr betragen (Mittel über 20 Jahre), im ersten Jahr liegt er deutlich höher, 3 Monate vor dem Jahresdatum schon bei über 5.300 kWh. Auf 200 Module hochgerechnet, kommt man so auf 48.000 kWh nicht nur 6.000 oder 16.000 – es sind also durch die Bodenmontage deutliche Verluste von 66-80 % zu erwarten. Die 148 kWh im Winter sind sogar noch deutlich weniger. Klar im Winter liefert eine Anlage weniger Strom. Aber in 4 Monaten sollten es mehr als 148 kWh sein, selbst meine achtmal kleinere Anlage liefet in einem der schlechten Monate wie November oder Dezember mindestens 200 kWh.
Nun die Gegenrechnung: Wir montieren über die Anlage einfach einen Carport. Einen einfachen bekommt man bei Lidl für 499.- bei einer Länge von 5 m, Durchfahrtsbreite von 3,5 m und 2,23 m Höhe. Auf dem Dach kann man dann die Solarzellen montieren. Für 90 m Weglänge benötigt man 18 dieser Carports.
Jeder hat eine Dachfläche von 17,5 m², alle zusammen eine von 315 m². Bei einer Flächennutzung von 50 % und 30 Grad Winkel hat man eine Fläche von 202 m² für Solarmodule, das sind wegen des Abstands zur Verhinderung der gegenseitigen Abschattung nur 126 Module. Wenn der Winkel flacher wird, sinkt zwar der Ertrag pro Modul, aber man kann sie näher zusammenrücken. Im Extremfall kommt man wie beim Weg dann auf 0 Grad Winkel (horizontal) dann muss man aber keinen Abstand lassen.
Für den konkreten Weg sehe ich Google Maps eine fast korrekte Ost-West Ausrichtung. Die optimale Aufstellung (Ertrag pro Modul) sehe ich da in zwei Reihen montiert mit der langen Seite zum Wegrand. Zu dicht (drei reihen wären geometrisch möglich) sollte es nicht sein, dann kommt man für Montagen nur schwer an die Module heran. (Allerdings ist diese Montage auf Giebeldächern auch Standard). Ich habe nun zwei Szenarien untersucht:
- Drei Reihen flach (Winkel 0 Grad) je 56 Module in der Länge (89,6 m)
- Zwei reihen schräg (Winkel 15 Grad) je 56 Module in der Länge.
Die Berechnung erfolgte für eine Ausrichtung von 15 Grad in Ost-West Richtung wie beim echten Weg mit PVGIS. Das errechnet bei 15 Grad Neigung 1025 kWh/kwP Jahr und bei 0 Grad Neigung 916 kWh/kwP. Daraus ergeben sich folgende Eckdaten:
- Zwei Reihen: Kosten für Solaranlage: 84.000 €, Ertrag: 49.244 kwh/Jahr
- Drei Reihen: Kosten für Solaranlage: 56.000 €, Ertrag: 36.736 kwh/Jahr
Dazu käme noch der Carport (ohne Montage) von 9.000 €. Rechnet man für die Carportmontage und Verankerung im Boden weitere 9.000 Euro so komme ich auf folgende Eckdaten:
Zwei Reihen, 112 Module | Drei Reihen, 168 Module | Solarmove Lösung, 200 Module | |
---|---|---|---|
Gesamtkosten: | 74.000 € | 102.000 € | 150.000 € |
Jahresleistung (Jahr 1) | 36.736 kWh | 49.244 kWh | 16.000 (9.000) kWh |
Leistung nach 20 Jahren | 632.750 kWh | 985.860 kWh | 320.000 (180.000 kWh) |
Kosten pro kWh | 11,7 ct | 10,4 ct | 46,9 / 83,3 ct |
Eine Abnahme der Leistung wurde nicht berücksichtigt, sie sollte den Langzeitertrag um 10 % mindern. Ich tat dies bewusst, da ich diese für die Solmove Lösung durch das Verkratzen des Glases, als deutlich höher ansehe und sie Lösung so schlechter aussieht. Vielleicht sind die 12.000 kWh Ertrag, die neben 16.000 genannt werde,n auch dann der gemittelte Langzeitertrag (Verlust von 25 % Leistung).
Klar wird, das die Solarmove Lösung bezogen auf die Module gar nicht mal so viel teurer ist, aber extrem ineffizient.
Ich sehe aber eine Chance darin, und zwar das man daraus lernt und die öffentliche Hand sich mal überlegt ob man nicht Straßen generell außerorts, wo sich niemand an der Beschattung stört, mit Solarzellen zu überziehen. Bei genormten Straßenbreiten könnte man ein System entwickeln, passend für die Breite von zwei Spuren, bei denn man dann einfach die Straßen aus vielen dieser genormten Tunnel überzieht und darauf die Solarzellen montiert. Für verschiedene Straßenbreiten kann man ja dann einige Standardbreiten vorsehen. In das System kann man gleich die späteren Montagevorrichtungen integrieren also Befestigungen für die Paneele (am besten in verschiedenen Winkeln, je nach Verlauf der Straße) sowie Durchbrüche im Dach mit Leitungen, wenn man diese nicht gleich integriert. Dann müsste eine solche Konstruktion doch eigentlich relativ preisgünstig umsetzbar sein, denn ein Kostenfaktor bei einer Solaranlage ist eben auch die Montage. Wie schon gesagt: Fläche haben wir genug. Alleine die 1.848 km“ Fläche würden im Worstcase (Flächennutzung 1:2, 45 Grad Winkel Ausrichtung der Module nach Süden, 15 Grad zur Horizontale) 991 kWh/kwP bringen, das wären bei der Fläche 183 Mrd. kWh/Jahr. Zum Vergleich: Die Gesamtstromerzeugung beträgt zur Zeit 639 Mrd Kwh.
Kleiner Nebeneffekt: Die Abdeckung sorgt dafür, das die Straßen weitestgehend regenfrei und schneefrei sind. Aquaplaning und gefrierende Nässe wären so stark reduziert, ähnlich wie die Blendung der Autofahrer durch die tief stehende Sonne reduziert ist.
In den Gemeinden wäre das prinzipiell auch möglich, die Frage ist, ob es dort gewünscht ist (Abschattung, bei Bäumen auch Verlust von Niederschlagswasser) und daneben senken die Gebäude die ja dicht am Straßenrand sinkt den Ertrag deutlich ab. Ich würde also drauf tippen, das es eher etwas für die Straßen jenseits einer Bebauung ist.
[Edit 20.1.2010]
Ich habe das Projekt ja primär unter (energie)wirtschaftlichen Aspekten gesehen. Wie man der Presse entnimmt ist das aber auch ein Vorzeigeprojekt der neu gegründeten Firma Solmove und ihres Inhabers und Gründers Donald Müller-Judex. Dabei sollen natürlich auch Erfahrungen mit der Technologie in der Praxis gesammelt werden. Um so unverständlicher ist für mich, warum die Firma dann nicht die Schäden repariert. Nachdem sie dies sechs Monate lang trotz mehrfacher Aufforderung nicht tat streitet man sich jetzt vor Gericht. Ich vermute Solmove wollte weiteres Geld dafür sehen und Erftstadt wollte nicht zahlen. Doch selbst wenn dem so ist, und Solmove juristisch recht haben sollte, sieht es eben so aus, das der Weg nach einem halben Jahr kaputt ist, in dem halben Jahr kaum Strom liefert, was die Technologie disqualifiziert. Wäre der Weg repariert worden, und wäre einige Jahre störungsfrei gelaufen, hätte Strom geliefert so sähe die Sache anders aus. So hat sich Solmove einen Bärendienst damit getan nicht zu reparieren, denn wer investiert schon solche Summen in einen Weg der nach wenigen Monaten defekt ist? Die Technologie ist damit als untauglich zu bewerten und ehrlich gesagt ich würde auch nicht bei einem Anbieter kaufen der nicht repariert. Klar sind die Bedingungen unter Wind und Wetter andere als im Labor und es fällt eher was aus, doch um die Technik zu verbessern ist die Teststrecke ja da und wenn man dann praktisch jede „Garantie“ verweigert dann spricht das deutlich gegen die Firma.
Lieber Bernd, leider funktioniert das sicher nicht, denn:
1. Wo kommen wir denn hin, wenn wir das einfach so machen würden?
2. Ist das mit dem europäischen Recht überhaupt vereinbar?
3. Es muß europaweit ausgeschrieben werden!
4. Wenn umweltfreundlich dann soll es ruhig etwas kosten.
5. Eine Behörde muß immer möglichst viel Geld ausgeben und den größten Blödsinn finanzieren,
hauptsache es ist medienwirksam und kann von einem Politiker eröffnet werden.
Soviel zur „Staatlichen Seite“
Jetzt zur Bürgerlichen:
Bürgerinitiative gegen die Bebauung von Straßenrandgebieten!
Bürgerinitiative gegen Verschandelung der Landschaft!
Bürgerinitiative gegen die Blendung der Autofahrer!
Bürgerinitiative gegen was auch immer…
Und jetzt (vielleicht etwas ernsthafter):
Wenn man eine Straße auf diese Weise überdacht, kann doch die Witterung immer noch Einfluß auf
die Straße nehmen (z.B. Schneefall oder -verwehungen)? Aber einen Schneepflug dort dann noch einsetzen?
Bei einem Unfall, können dann noch schwere Rettungsfahrzeuge noch operieren?
Löschfahrzeuge, Abschleppfahrzeuge und eventuell auch Kräne?
Fazit:
Wenn das verkehrssicher sein soll, kann man die Kosten dafür wahrscheinlich verdoppeln.
Der Radweg war halt ein Werbegag für ein „junges aufstrebendes Unternehmen“ das unbedingt noch
einen Politiker als Zugpferd brauchte.
Als größere Lösung für mehr Straßen ist das wohl nichts, Dein Ansatz zeigt wenigstens in die richtige Richtung, bedeutet aber viel mehr Aufwand und Denkarbeit.
Da haut die Behörde halt lieber 150 000 Euro zum Solarfenster raus.
Meint Ralf mit Z
Oha, einige meiner Behauptungen hast Du ja schon im Artikel beschrieben.
Die habe ich wohl beim Lesen nicht registriert.
Sorry dafür
Ralf mit Z
In den USA gab es was ähnliches, und es wurde in diesem Video auseinandergenommen: https://www.youtube.com/watch?v=H901KdXgHs4
Also ich fände das gelungen als Radfahrer alle 100 m einen Unterstand für Regenschauern zu haben. Alleine das ist schon wert, die Solarzellen nicht in die Fahrbahn zu verlegen. Darüber sollte man mal ernsthaft nachdenken. Sinn machen würde das aber eher bei separaten Fahrradwegen, und die sind selten.
Grundsätzlich eine gute Idee.
Das K.O. Kriterium ist allerdings Anpralllast, die einen statischen Nachweis erfordert.
Kommt ein Fahrzeug von der Fahrbahn ab und fährt gegen eine Stütze, dann kann die ganze Konstruktion zwischen den nächsten unversehrten Stützen zusammenbrechen.
Man müsste dann Betonstützen nehmen, was die Sache verteuert und für die Unfallfahrer dann erst recht tödlich sein kann.
Für Radwege, Fusswege und Rad/Fusswege würde es Sinn ergeben.
Anprallasten sind hier kein Problem.
Der Schutz gegen Niederschläge wäre willkommen.
Zusätzlich könnte man den Strom (scheint zwar keine Sonne, aber die Anlage wäre ja mit dem Stromnetz verbunden) zur Beleuchtung nutzen. Zonenweise Steuerung der Beleuchtung mit Infrarotsensoren würde den Energieaufwand verringern, da wäre auch lokale Speicherung mit kleinen Akkus möglich.
Zudem macht es auch bei Überlandstrecken das Radfahren attraktiver, was wiederum CO2 spart.
In der Praxis wird man das ohnehin nicht überall machen (können).
Aber es ist wie mit dem Energiemix auch. Viele verschiedene Massnahmen machen dann, wie das „Kleinvieh“ auch „Mist“
An Lärmschutzwänden für Strassen bieten sich Solarzellen bei günstiger Lage auch an und haben dort den Vorteil einer weniger aufwändigen Anbindung ans Netz, da meist siedlungsnah.
Parkplätze innerorts oder an Autobahnen mit Solardächern bringen auch Mehrfachnutzen, da die ohnehin benötigten Ladestationen gleich mitversorgt werden können. Anprallast und Verkehrssicherheit sind hier kein Problem. Man denke an die tausende Pärkplätze vor Aldi Lidl Baummarkt und Co.