Könnten alle, besonders aber die CDU. Ich schließe mit diesem Blog an den letzten über das Thüringen-Debakel an. Die Situation war ja bis vor einigen Tagen, die das Kemmerich seinen Abschied als Ministerpräsident genommen hat, aber noch geschäftsführend im Amt bleiben muss. Irgendjemand muss ja verantwortlich sein. Aber eine echte Regierung mit Ministern gibt es nicht.
Bei der CDU hat die Verweigerung des thüringischen Landesverbandes der Bundes-CDU zum Rückzug von AKK geführt und mittlerweile gibt es vier Bewerber um das freiwerdende Amt und Markus Söder mahnt schon mal an, das die CSU beim Kanzlerkandidat auch noch mitredet – wie ich schon Anfang des Jahres angedeutet habe.
Doch auch Thüringen – mancher wird das ja nicht mal als vollwertiges Bundesland ansehen – braucht eine Regierung. Das grundsätzliche Problem ist ja nicht gelöst: Ramelow hat keine Mehrheit, braucht also Stimmen der Opposition, um gewählt zu werden. Die CDU als zweitgrößte Oppositionspartei will aber nicht. Auch wenn sie die anderen Anweisungen der Bundes CDU ignorierte, hält sie an dem Ausschluss der Zusammenarbeit mit den Linken fest. Gut es gäbe noch die fünf Hansel der FDP die man in die Regierung holen könnte, aber selbst das wäre dann nur eine hauchdünne und nicht beständige Mehrheit. Ramelow will nach mehreren Durchgängen in denen er nicht gewählt wurde, nun die Gewissheit haben, das er gewählt wird und zwar mit einer Mehrheit ohne die AfD (das die ihn wählen, kann er nicht verhindern, er kann aber dann darauf verweisen, das er auch ohne die AfD eine Mehrheit hätte). Dies ist verständlich. Der Kurs wäre dann, das diese Regierung baldmöglichst Neuwahlen anstrebt, schlussendlich hat sie keine stabile Mehrheit. Dafür bin ich auch. Doch wegen der CDU geht das nicht, die verweigert sich Neuwahlen.
Nun hat die Linke einen genialen Schachzug gemacht: wenn Ramelow für die CDU nicht tragbar ist, dann soll eben Lieberknecht, bis 2013 Ministerpräsidentin den Interimschef machen. Sie kommt ja von der CDU und dürfte so kaum abzulehnen sein. Bedingung ist eben, dass es Neuwahlen gibt, denn die CDU hat selbst mit FDP zu wenige Stimmen.
Ich halte das für genial. Zum einen ist so die CDU ausmanövriert mit ihrem Dogma der Nicht-Zusammenarbeit. Daneben dürfte sie ein Interesse haben den Ministerpräsidenten zu stellen. Aber sie hat auch keine Mehrheit und muss daher Neuwahlen zustimmen, außer sie will jede Abstimmung im Parlament verlieren.
Es ist auch genial, weil die Ergebnisse einer Neuwahl prognostizierbar sind. Die CDU schnitt ja schon durch die Kemmerich-Wahl in den Umfragen danach schlecht ab. Das Theater danach hat ihr noch mehr geschadet. Vor allem aber verstehen die meisten dieses Dogma nicht. Im Osten kommt man an den Linken schwer vorbei. Das ist ein Punkt. In diesem Landtag hätte es nach der Stimmverteilung nur eine Regierung mit Linken oder AFD gegeben, selbst wenn sich FDP, Grüne und SPD mit der CDU zusammengetan hätten. Da ein Dogma hochzuhalten und das Land so praktisch unregierbar zu machen, verstehen viele nicht. Vor allem hat Ramelow ja fünf Jahre lang regiert. Thüringen ging es in der Zeit nicht schlechter als vorher unter der CDU. Ich denke das ist wie bei uns in BW, wo die CDU 2011 als Kretschmann zum Ministerpräsident gewählt wurde, den Untergang des Landes vorhergesagt hat. Vier Jahre später hat sie nochmals an Stimmen verloren und ist inzwischen als Juniorpartner mit Kretschmann in der Regierung. Untergegangen ist BW nicht und ich denke die Politik von Ramelow hat genauso viel mit Linker Politik zu tun, wie die von Kretschmann mit Grüner Politik.
Ramelow hat also beweisen das er kein dogmatischer Linker ist der nun alles verstaatlicht. Die Linke hat auch bei der letzten Wahl 2,8 Prozent hinzugewonnen, die CDU aber 11,8 Prozent verloren. Wenn man als Wahlverlierer so ein Dogma beibehält dann lebt man nicht in der Realität. Vor allem wundere ich mich über das Bild das CDU-Abgeordnete von Ramelow zeichnen: ungeachtet seiner Arbeit bezeichnen sie ihn als „Sozialist“. Dabei stammt er nicht mal aus der DDR, sondern aus Hessen, dort gibt es eher wenige Sozialisten aber viele Kapitalisten.
Die CDU will daher auch keine Neuwahlen weil sich die Wähler, dann wohl zu Recht fragen ob sie eine Partei wählen sollen, die sich gar nicht die Mühe macht, mit anderen Parteien zu verhandeln, selbst wenn anders keine stabile Regierung möglich ist, sondern dogmatisch an Abgrenzungen festhält. Was passiert, wenn es nächstes Mal wieder so eine Situation gibt? Lindner hat sicher seinen Satz „es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ inzwischen bitter bereut. Aber wie man sieht, ist die CDU heute nicht viel anders gesinnt. In einer Zeit, in der die großen Partien schrumpfen und es immer mehr Parteien gibt, generell Verbotszonen zu definieren, ist nicht nur weltfremd sondern, sondern liefert nur Steilvorlagen für extremistische Bewegungen wie die AfD.
Anders sieht es bei den Linken aus. Die sind im Aufwind. Ramelow steht als Opfer einer CDU-FDP-AfD Intrige da und mit dem Schachzug, werden sie noch mehr Wählerstimmen gewinnen, denn sie zeigen etwas was man heute fast nicht mehr sieht: sie denken an das Land und nicht an ihre Parteipolitik oder ihre Posten. In kleinerem Maße profitieren auch Grüne und SPD von dem Debakel, sodass, wenn sich die Meinung nicht dreht, es dann für eine stabile Mehrheit reichen würde. Dass die Ergebnisse für die AfD sich kaum verändert haben verwundert nicht. Wer eine Partei wählt, dessen Spitzenkandidat Björn Höcke man nach einem Gerichtsurteil als „Faschisten“ bezeichnen darf, der ist Sachargumenten nicht zugänglich.
Ich komme noch zum Argument, dass dieses Parlament demokratisch gewählt wurde und es ja keine Lösung sein könne so lange zu wählen, bis das Ergebnis „stimmt“. Ja das ist richtig. Aber es ist auch richtig, das die Parteien keine Regierung hinbekommen. Die Wahl war am 27.10.2019, das war schon bis zur Wahl von Ramelow drei Monate her. Drei Monate, in denen man versucht hat, eine Mehrheit zustande zu bekommen. Wenn das nicht geht, weil eine Partei sich verweigert, dann denke ich, sind Neuwahlen das letzte Mittel und ich sehe keine andere Lösung. Das ein Parlament die ganze Legislaturperiode durchhalten muss ist kein Gesetz. Ich habe auf Bundesebene zweimal erlebt, dass dem nicht so war. 1982 wechselte die FDP die Fronten und so wurde Kohl Bundeskanzler. Der hätte nun ja die restlichen zwei Jahre regieren können, hat aber Neuwahlen angestrebt, weil er sich bessere Chancen bei Vogel anstatt Helmut Schmidt als Gegenkandidat versprach mit einem Misstrauensvotum, bei dem die eigene Partei gegen ihn stimmte – Sorry aber das halte ich für viel verwerflicher. Schröder hatte eine stabile Mehrheit, verlor nach Harz IV aber jede Landtagswahl und stellte daher diese Politik 2005 zur Wahl, ebenfalls durch ein Misstrauensvotum. Neuwahlen sind kein Allheilmittel, aber wenn die Situation so verfahren ist, wie sie ist, dann halte ich sie für legitim.
Alternativ kann die CDU ihr Dogma aufgeben. CDU und Linke hätten zusammen die absolute Mehrheit, das wäre dann sogar nur eine Zwei anstatt Drei Parteien Koalition. Dann käme man um Neuwahlen herum. Doch da dies nicht so kommt, denke ich soll der Wähler entscheiden, ob er eine CDU wählen will, die nur mit ihren Lieblingspartnern koalieren will.
12 Stunden später
Den Beitrag bis hierher habe ich am 18.2 bis um 18:30 geschrieben. Ich wollte ihn am morgen eigentlich nur noch durchlesen und Rechtschreibfehler korrigieren. Dann bin ich ins Schwimmen gegangen und hörte in den Nachrichten, das er schon wieder veraltet ist. Da unterbreitet Ramelow und die Linken ein Angebot das heute Seltenheitswert hat, nämlich eines bei dem nicht die eigenen Interessen, sondern die Sorgen um das Land im Vordergrund stehen. Eine Haltung die heute selten geworden ist. Bei der CDU scheint sie völlig unbekannt zu sein. Denn der reicht es nicht, das sie so als 11,8 Prozent Partei den Ministerpräsident stellen kann. Sie will nicht nur eine Übergangregierung bis zu den Neuwahlen (dann wahrscheinlich im Mai) stellen, sondern gleich eine vollwertige Regierung die auch den Haushalt für 2021 aufstellen soll, also praktisch die Nachfolgeregierung in ihrer Handlungsfreiheit beschränken kann. Das Ziel ist offensichtlich: So wären Neuwahlen erst ein halbes Jahr später also im November. Man könnte also zum einen mit einem kleinen Regierungsbonus glänzen und die „dummen“ Wähler hätten ein halbes Jahr Zeit die Angelegenheit zu vergessen. Leute gehts noch? Mit 21,7 Prozent und 21 von 90 Sitzen ist die CDU weit von einer Mehrheit entfernt. Die hatte zwar auch Links-SPD-Grün mit 42 Sitzen nicht, aber da gab es die reelle Chance, dass man den einen oder anderen in der Opposition überzeugen konnte. Es gab ja nach der Wahl von Kemmerich eine Vertrauensabstimmung in der CDU-Fraktion, wo zwei von 14 nicht für Möhrung stimmten. Also als ein monolithischer Block steht die CDU nicht da. Zudem reicht es bei Abstimmungen ja auch einfach, sich zu enthalten oder nicht anwesend zu sein, damit eine Regierung ohne Mehrheit trotzdem beschlussfähig ist. Aber eine Regierung ohne Linke (das Verbietet ja ihr Dogma) hat selbst mit SPD, Grüne und FDP nur 39 Stimmen. Daneben dürfte fraglich sein, ob man vier Partien unter einen Hut bekommt und Grüne und SPD das mitmachen schließlich wollen sie ja nach der Wahl wieder mit den Linken koalieren und es sich nicht verscherzen. Was die Thüringen-CDU bei diesem Vorschlag geritten hat? Ich weiß es nicht. Ich stelle nur fest, dass zum einen mein letzter Blog-Titel zutrifft: Land of Confusion, wobei Mike Mohring sehr gut die rolle von Ronald Reagan in dem Video zum Genesis Song einnehmen könnte. Zudem scheinen in Thüringen psychedelische Drogen bei der CDU weit verbreitet zu sein. Anders kann ich mir solche Vorschläge nicht erklären. Von der Unverschämtheit, wenn man Wahlverlierer ist eine vollwertige Regierung zu stellen, mal ganz abgesehen. Also ehrlich: wenn schon Minderheitsregierung, dann lassen wir alles wie es ist. Es ist dann ziemlich egal ob Kemmerich mit 5 Stimmen oder die CDU unter Lieberknecht mit 21 Stimmen die Regierung bildet. Beides ist weit von einer Mehrheit entfernt, bei der CDU liegt die Versuchung sogar nahe, mit Hilfe der AfD (22 Stimmen) zu regieren, denn in der Abgrenzung zu der tut man sich dort offensichtlich nicht so schwer, dabei ist die thüringische AfD noch rechter als der Bundesdurchschnitt mit Höcke als „Flügel“-Gallionsfigur.
Einen Tag später
Kaum hatte ich den Artikel veröffentlicht, gab es die nächste Meldung. Fr. Lieberknecht will gar nicht Ministerpräsidentin einer Regierung werden, wie sie der CDU vorschwebt, sondern nur der mit den Linken vereinbarten Übergangsregierung, die baldige Neuwahlen anstrebt. Offensichtlich hat die CDU sie gar nicht gefragt, anders als es die Linken vor ihrem Vorstoß taten. Mehr noch. Sie empfiehlt der CDU Ramelow zu wählen. Anscheinend scheint sie in der thüringischen CDU die einzige vernünftige zu sein. Denn Mike Mohring will weder Neuwahlen – das Ergebnis dürfte nach den Umfragen desaströs sein, was ich auch nach dem verhalten absolut gerechtfertigt finde, noch will er von dem Parteitagsbeschluss des Zusammenarbeitverbots mit der Linken abrücken. Komisch, als die Bundes-CDU sagte er sollte nicht für Kemmerich stimmen, hat er sich ja da auch darüber hinweg gesetzt. Mir ist so allmählich klar, warum die CDU 11,8 Prozent unter Mohring verloren hat …