Der 29.ste Februar und der Kalender
Eigentlich wollte ich den Blog schon gestern schreiben, doch ich kam nicht dazu. Wie auch immer, ich denke er ist auch ganz nützlich außerhalb des Schalttages. Es geht um den Kalender, bzw. wie man zu unserem heutigen Kalender kam. Das Thema ist natürlich komplex, hat doch praktisch jede Kultur einen Kalender entwickelt, und ich bin weit davon weg in dem Thema Experte zu sein, aber ein paar Grundlagen kann ich doch vermitteln.
Kalender in jeder Form sind ja eine künstliche Einteilung der Zeit. Natürlicherweise gibt es nur drei Vorgaben, von denen zwei Bedeutung für das tägliche Leben haben:
- Der Tag , also eine Erdumdrehung legt die Zeiten fest in denen man etwas tun kann oder eben nicht.
- Das Jahr also einer Sonnenumrundung der Erde legt in vielen Regionen fest, wann man aussähen und ernten kann.
- Der Monat, also eine Mondumrundung entspricht dem visuellen Verlauf des Mondes um die Erde, verbunden mit Phasenwechseln.
Das Jahr ist mit 365 Tagen ziemlich lang und so haben alle Kulturen noch ein kürzeres Zeitmaß zwischen Tag und Jahr eingeführt und das war der Monat. Der Name klingt nicht nur nach Mond, er leitet sich direkt davon ab. Der Mond umrundet die Erde in 27.322 Tagen. In allen Kulturen ist der Monat aber länger. Man orientiert sich nicht nach der Umlaufperiode des Mondes (siderischer Monat), sondern den Mondphasen (synodischer Monat). Der synodische Monat ist 29,53 Tage lang. Der Unterschied liegt darin, das Erde und Mond sich drehen. Nach einem Tag hat sich der Mond in der Bahn etwas weiter gedreht, das heißt die Erde muss sich noch etwas weiter drehen (das dauert rund 53 Minuten) damit er für einen Beobachter wieder an derselben Position am Himmel steht, das gilt auch für die leicht zu bestimmenden Zeitpunkte des Aufgehens und Untergangs. Wer mal Lust hat, kann das selber beobachten – jeden Tag geht der Mond etwa eine Stunde später auf bzw. ist an einem bestimmten Punkt am Himmel eine Stunde später. Das summiert sich über eine Bahnperiode eben zu eineinhalb Extratagen. Dazu kommt, und das ist auffälliger, das der Mond ja nach Stellung von Erde und Sonne Phasen zeigt, also in einem Monat einen Zyklus von Vollmond zu Neumond und wieder zu Vollmond durchläuft. Auch dieser folgt dem synodischen Monat. Der siderische Monat gibt dagegen die Periode wieder, in der Erde und Mond relativ zu einem Fixpunkt wie den Sternen die gleiche Position haben. Während die siderische Periode bei allen anderen Himmelskörpern außer Sonne und Mond die wichtigere ist, spielte sie bei der Kalenderfindung keine Rolle, denn ohne Teleskop ist das beim Mond relativ schwer zu beobachten, weil der Mond die Umgebung überstrahlt. Wichtiger aber noch: da die Mondachse zum Erdäquator um 5,2 Grad geneigt ist steht der Mond für einen Beobachter nicht nach 27,32 Tagen wieder bei denselben Sternen, sondern man sieht durch den schrägen Blickwinkel andere Sterne.
Die Phasen sind auffällig. Auch wenn es für einen Laien schwer ist, zu sagen ob an einem Tag Vollmond ist oder es schon ein Tag danach (oder davor ist), so gibt es noch ein zweites Indiz für diesen Tag – an diesem Tag sind Sonne und Mond auf entgegengesetzten Seiten der Erde, d.h. der Mond und Sonne sind nie gleichzeitig zu sehen. Der Mond geht am anderen Horizont auf, wenn die Sonne untergeht und umgekehrt und das ist leicht beobachtbar.
Etwas schwerer ist es mit dem Jahr. Die Position der Sonne relativ zu den Sternen ist nur bei einer Sonnenfinsternis beobachtbar und da haben die Leute meistens anderes zu tun. Allerdings variiert innerhalb eines Jahres der Verlauf der Sonne über das Firmament, und damit auch der Punkt wo sie am Horizont auf oder untergeht,also ihn schneidet. Viele Kulturen bauten daher Einrichtungen, um diesen Zeitpunkt zu bestimmen. Stonehenge diente dazu, ebenso Maja Tempel. Das Prinzip: Man benötigt zwei Fixpunkte der dritte Punkt ist der Beobachter. Nur an einem Tag ist die Sonne vom Beobachter dann nur in Verlängerung der beiden Fixpunkte zu sehen. Geht bei Stonehenge die Sonne also zwischen zwei Steinen auf oder unter oder fällt das Licht in einem Mayatempel durch einen schmalen Spalt direkt auf eine Markierung an der entgegengesetzten Wand, dann ist der Tag gekommen. Ihn kann man nutzen um einen anderen Kalender zu korrigieren z.B. Extratage einzuführen. Genutzt wurden als Fixtage meist die Sommer- oder Wintersonnenwende. Oft wird ja gesagt, man habe diesen Aufwand getrieben, um den Aussaatzeitpunkt zu finden. Ich bezweifele dies. Zum einen würde man dann die Tag- und Nachtgleiche am 21.3. nehmen. Die Sommersonnenwende ist zu spät und um die Wintersonnenwende macht man garantiert keine Landwirtschaft. Zum anderen ist die Abhängigkeit der Landwirtschaft von den Jahreszeiten, die ja immer als Argument angeführt wird, gerade in den Zivilisationen wie als erste hoch entwickelt waren viel geringer als man denkt. In Mesopotamien waren drei Ernten pro Jahr möglich, relativ unabhängig vom Wetter. Selbst bei uns wo die Jahreszeiten viel stärker ausgeprägt sind geht es einfacher. So treiben bestimmte Pflanzen relativ zuverlässig zu einem bestimmten Zeitpunkt aus. Bei uns wird seit Jahrzehnten z.B. die Apfelblüte also so ein Biomarker protokolliert. Auf entsprechenden Karten kann man nicht nur sehen wie die in Deutschland von Tag zu Tag nach Norden fortschreitet, sondern auch, wie sie durch die Klimaerwärmung immer früher kommt.
So hatten viele frühe Kulturen auch keinen Kalender auf Basis des Sonnenjahres, sondern einen auf Basis des Mondjahres. Da in ein Jahr nicht ohne Rest zwölf oder gar dreizehn Mondmonate passen, laufen diese Kalender auseinander. Reine Mondkalender, die abwechselnd 29 und 30 Tage haben, sind selten, der islamische Kalender ist aber so einer. Ramadan fällt daher fast jedes Jahr in einen anderen Monat da ein Kalander aus je 6 Monaten mit 29 und 30 Tagen um 11 Tage zu kurz ist. Verbreiteter waren die Lunarsoalren Kalender also Kalender, die Mond und Sonne zusammenbrachten. Das ging entweder über einen sehr langen gemeinsamen Zyklus, so sind 19 Sonnenjahre in etwa genauso lang wie 235 Mondmonate oder man schob einfach zum Jahresende Schalttage ein.
Das heutige Kalendersystem, der solare Kalender ist damals nicht so populär gewesen, aber es war in Ägypten verbreitet denn die Ägypter waren von den Jahreszeiten abhängig. Schon mehrere Tausend Jahre vor Christus bauten sie das Nilometer, eine Messvorrichtung in einem Tempel an der Grenze zu Nubien, dem heutigen Sudan. Deutete sich die Nilflut an, so wurden Boten mit einer Prognose zum Pharao geschickt, damit der diese offiziell einläuten konnte, denn er war ja Gottkönig. Der Nil überschwemmte nicht nur die Felder, sorgte also für Wasser er lies auch fruchtbaren Schlamm zurück und war so für die Fruchtbarkeit wichtig. Später bekamen die Ägypter heraus, das dies ein periodisches Ereignis war, die Nilflut hat ihre Ursachen in der Frühjahrsschmelze in Äthiopien. Daraufhin entwickelten sie ein Kalendersystem, das auf astronomischen Beobachtungen basierte und eben die 365 Tage mit einem Schalttag alle vier Jahre umfasste. Die Beobachtungen betrafen übrigens nicht die Sonne, sondern die Auf- und Untergänge von markanten Sternen. So war Sirius dann nachts sichtbar, wenn die Nilflut zu erwarten war.
Julius Cäsar weilt in Ägypten, wo ihn Kleopatra bezirzte. Sie versuchte ihn aber auch mit der ägyptischen Kultur zu beeindrucken, militärisch hätte das Land ja keine Chance gegen Rom und seine Expansionsgelüste gehabt. Und den Kalender hat Julius Cäsar übernommen. Vorher hatte Rom einen lunarsolaren Kalender mit 355 Tagen, dem alle zwei Jahre Schaltmonate von 22 bis 23 Tagen Länge eingefügt wurden. Der julianische Kalender hat 365 Tage und alle vier Jahre einen Schalttag, eben den 29 Februar. Ihm zu Ehren wurde ein Monat in Juli umbenannt. Die Priester haben die Regel aber falsch verstanden und führten einen Schalttag alle drei und nicht alle vier Jahre ein. Das hat Augustus korrigiert und dreimal den Schalttag ausfallen lassen, weshalb man auch nach ihm einen Monat benannte.
Damit wäre die Story fast komplett erzählt, leider ist das Jahr aber 365,2422 Tage lang und nicht 365,25. Pro Jahr entsteht so eine Differenz von 11 Minuten, die zu einem Tag alle 128 Jahre zu viel führt. Das fiel zuerst nicht auf, aber über die Jahrhunderte summiert sich das auf und es fiel auf bei der Berechnung von Ostern. Das ist ja astronomisch definiert und rutsche im Jahr immer weiter nach vorne. So hat Papst Gregor der VI die bisher letzte Kalenderreform angestoßen, indem er 1582 die Regel abänderte: nun entfiel jedes Jahrhundert ein Schalttag, und zwar immer dann, wenn ein neues Jahrhundert beginnt. Das hätte die Abweichung auf 3,4 Minuten reduziert, nun aber nicht vorrückend, sondern nacheilend. So wäre alle 423 Jahre wieder ein Schalttag nötig. Als zweite Maßnahme gibt es so bei auf 400 teilbaren Jahrhunderten (so auch im Jahr 2000) trotzdem einen Schalttag. Der Kalender geht nun so genau, dass man erst nach etwa 7200 Jahren einen Schalttag weglassen muss. Der gregorianische Kalender wurde daher auch relativ zügig nicht nur von katholischen Regionen übernommen. Allerdings mögen andere Kirchen gar nicht, wenn man ihnen den Kalender vorschreibt, so blieb die orthodoxe Kirche beim julianischen Kalender, ebenso einige Schweizer, bei denen daher jetzt durch das Corona Virus Fasching ausfällt – bei uns längst vorbei, steht der dort erst an. Denn eine der Folgen des julianischen Kalenders war, dass bis zum Jahr 1582 der Kalender um 10 Tage gegenüber dem Sonnenjahr vorging. So wurden kurzerhand festgelegt, das auf den 4.10.1592 gleich der 15.10.1582 folgte. Wer die Änderung nicht mitmachte, musste nicht nur mit den 10 Tagen mehr leben, nein das wurde auch noch laufend mehr. So fand die russische Novemberrevolution im Oktober im gregorianischen Kalender statt, und nachdem Russland den Kalender übernahm, feiern sie die Novemberrevolution auch heute immer im Oktober.
Der julianische Kalender ist übrigens immer noch in Verwendung: Bahnelemente von Himmelskörpern, die ja sich periodisch wiederholen, werden im julianischen Datum angegeben, wobei hier ein Jahrhundert 36525 Tage hat.
Immerhin ein Trost füe alle – die komplexe Schaltregel müssen sich die meisten Blogleser nicht merken, weil der nächste ausgefallene Schalttag erst 2100 ist. Das dürften die meisten Blogleser nicht mehr erleben.
Auf den Blog kam ich durchs Radio, wo die auf dem Schalttag schon die ganze Woche herumkauten. Weil die Moderatorin meinte, man bekäme so einen „Samstag“ geschenkt, habe ich mir mal den Kalender für 2020 angesehen, wenn dieser Schalttag nicht da wäre, dann muss man in Gedanken immer einen Tag abziehen, also wenn ein bestimmter Termin auf einen Freitag fällt, dann wäre es ohne Schalttag der Donnerstag und siehe da – es gibt positive und negative Folgen. Der 1. Mai rutscht auf einen Freitag, also ein schöner Brückentag. In katholischen Bezirken, in denen man Christi Himmelfahrt feiert, ist der Einfluss aber eher negativ – das rutscht so von Freitag auf Samstag. Ebenso rutscht der dritte Oktober auf den Samstag und der 26.12 ist auch am Samstag. Nur wenig tröstlich ist, dass dann der 6.1.2021 ein Freitag ist. In der Summe hat der Schalttag den Arbeitnehmern, die samstags nicht arbeiten müssen, also zwei freie Tage gekostet, wo Himmelfahrt Feiertag ist, sogar drei und dafür zwei verlängerte Wochenenden beschert, wenn man den Freitag nutzt. Ansonsten läge der am Donnerstag und man müsste den Brückentag freinehmen. Allerdings ist das eben kein weiterer freier Tag, sondern nur ein günstiger gelegener freier Tag.
Meine negative Beeinflussung durch das Schaltjahr: Ich muß 100 Tage statt 99 Tage warten um nach Neujahr Geburtstag zu feiern 😉
Und die Zeitung Welt gibt den Römern (oder einem?) die Schuld an dem Schalttag.
Kuriose IT-Geschichte aus den 1970’ ger Jahren zu diesem Thema. Wenn man unter UNIX die Abfrage „cal 9 1752„ eingibt erhält man diese seltsame Ausgabe :
Auf den Mittwoch den 02.09.1752 folgt der Donnerstag der 14.09.1752.
Da die Zeit für UNIX erst Anfang 1970 begann, fiel offenbar lange niemandem auf, dass „cal “ diesen Fehler hatte. Bis dahin gab es Tausende von Exemplaren von „cal“, von denen viele nur binär waren. Es war zu spät, um sie alle zu reparieren.
Mitte 1975 trafen sich einige hochrangige AT & T-Beamte mit dem Papst Paul VI, und einigten sich auf eine Lösung dieses Problems.
Man durchsuchte die Geschichtsbücher und fand heraus, dass in dem genannten Zeitraum von 11 Tagen glücklicherweise nichts von Geschichtlicher Relevanz passiert war.
Der Kalender wurde rückwirkend geändert, um den September 1752 an die UNIX-Realität anzupassen. Da der Kalender durch Rückwärtszählung vom 14. September 1752 geändert wurde , war keines der darauf folgenden Daten betroffen. Die Daten davor wurden alle um 12 Tage verschoben. Entsprechend wurde auch die Manpage für „cal“ korrigiert.