Bernd Leitenbergers Blog

Das gestrichene Weltwunder

Es gibt ja die berühmte Liste der sieben Weltwunder. In der ursprünglichen Liste von Herodot waren noch die Mauern von Babylon enthalten. In der heutigen Liste die auf Antipatros zurückgeht fehlen sie. Herodot schrieb seine Liste 450 v. Chr. Antipatros lebte im 2 Jahrhundert vor Christus. Der Grund für die Streichung – die Mauern waren zerfallen. Sie wurden durch den Leuchtturm von Alexandria ersetzt, den es in der ersten Liste nicht geben kann, da Alexandria erst durch Alexander den Großen um 330 v. Chr. gegründet wurde.

Anders als andere Weltwunder von denen es gar keine Reste mehr gibt, wie dem Koloss von Rhodos oder den Hängenden Gärten – die muss es ja im 2 Jahrhundert noch gegeben haben – gibt es aber noch die Fundamente der Mauern und ich bin beim Surfen drüber gestoßen und sie sind echt riesig!

Die deutsche Wikipedia nennt 17,5 bis 30 m Breite und 25 bis 30 m Höhe. Auf der Mauerkrone gab es einen 12 m breiten Fahrweg, der ausreichte, um zwei Vierspänner nebeneinander fahren zu lassen um schnell Truppen heranzuschaffen – 12 m das ist die Breite von drei Spuren auf einer Autobahn! Leider steht der Wikipedia-Artikel auf der Qualitätssicherungsseite, in der englischsprachigen Wikipedia fand ich diese Skizze, aber leider keine genauen Angaben zu den Stadtmauern. Die FU-Berlin bestätigt aber eine Länge von 18 km und eine Höhe von 30 m.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht das verbaute Volumen zu berechnen. Hier die Daten die ich fand:

Nimmt man die Skizze mit Maßstab, so dürften die Außenmauer rechts etwa 7 km lang sein. 11 km entfallen also auf die Innenmauern. Von den 11 km entfallen etwa ein Sechtel auf die Ufermauern mit dünneren Wänden.

Der große Unterschied zwischen Fahrwegbreite und Mauerbreite von 12 und 27 bis 30 m deutet darauf hin, das die Mauern sich nach oben hin verjüngten. Nimmt man oben eine Mauerbreite von 1 m an, so bilden die Mauer im Querschnitt ein Trapez mit einer Höhe von 30 m, einer Basisbreite von 27 bis 30 m und einer Breite der kürzesten Seite von 14 m. Das entspricht einer Fläche von 615 m² bei 27 m Stärke und 330 m² bei den Innenmauern sowie 171 m² bei den Ufermauern. Beieht sich die obere Breite des Fahrwegs von 12 m dagegen auf die Innenmauern, so dürften diese kaum angeschrägt sein.

Multipliziert diese Querschnittsfläche mit den Längen von 7 km, 9,1 km und 1,9 km ergibt das ein Volumen von 4,3 Millionen m³, 3 Millionen m³ und 0,32 Millionen m³, zusammen also rund 8 Millionen m³ Volumen oder mehr als das dreifache Volumen der Cheops-Pyramide (2,583 Millionen m³). In der Größe sind die Mauern also wirklich beeindruckend und ein Weltwunder. Wären die Mauer nicht angeschrägt, so wären es sogar 10,4 Millionen m³, wenn man jeweils den Mittelwert der Breiten nimmt. Das ist nur die Maur selbst. Dazu kommen Türme, die genauso breit waren, noch etwas höher und sehr eng beieinander staden. Also ein enorm verbautes Volumen.

Die äußere Mauer wurde unter Nabū-kudurrÄ«-uá¹£ur II, allgemein in der griechischen Schreibweise als Nebukadnezar II bekannt erreichtet. Er regierte 43 Jahre, also genügend Zeit sie zu bauen. Wahrscheinlich ging es aber viel schneller. Denn sie war ein Abwehrmonument gegen die Meder. Die aber zum Ende der Regierungszeit Nebukadnzears keine Rolle mehr spielen. Unter ihm wurde auch der in der Bibel erwähnte Marduktempel „Turm zu Babel“ errichtet der eine Grundfläche von 92 x 92 m hatte und etwa 91 m hoch – wenn auch nach oben verjüngend, ist das auch in etwa das Volumen einer Pyramide.

Von beiden Bauwerken ist nichts mehr übrig. Der Marduktempel – Marduk war der Stadtgott und damit oberste Gottheit, war schon unter Alexander nicht mehr nutzbar. 10.000 Männer brauchten zwei Monate um ihn abzutragen, denn Alexander wollte ihn neu aufbauen lassen. Der Grund: die Bauweise. Die Mauern bestanden aus einer Außenschicht aus getrockneten Lehmziegeln. Auch der Tempel bestand aus getrockneten Lehmziegeln. Dazwischen wurde bei den Mauern mit Erde und Geröll aufgefüllt, die gestampft wurde. Nur an wenigen Stellen, wie dem Ischtar Tor wurden gebrannte und zur Zierde auch glasierte Lehmziegel verwendet. Das ergibt sich zum einen aus der enormen Größe der Mauern, vor allem aber dadurch, das es in Mesopotamien kaum Holz gibt, mit dem man Brennöfen betreiben könnte – keine Ausnahme, schon in den ältesten Pyramiden findet man aus dem Libanon importierte Zederholzstämme, den Ägypten hatte als Flusstal dasselbe Problem. Verfugt wurde mit Bitumenmörtel, aus Erdöl gewonnen, bei den Ufermauern wurde auch mit Bitumen gegen die Feuchtigkeit isoliert. Trotzdem drang Wasser ein, und die Ziegel zerfielen, die Mauer stürzten ein, bzw. die Tempel verfielen. Die Mauern bzw. Tempel waren so ein dauernder Sanierungsfall, ähnlich wie heute unsere Kathedralen, aber in viel schlimmeren Ausmaß. Heutige Experten schätzen die Lebensdauer eines solchen Ziegels auf einige Jahrzehnte. Solange wie unter Nebukadnezar das Reich blühte, war die Instandhaltung kein Problem, aber sonst schon.

Die Mauern erfüllten ihren Zweck. Die Perser belagerten die Stadt, konnten die Mauern aber nicht überwinden. Aber sie konnten die Stadt aushungern. Babylon war zu dieser Zeit eine der größten Metropolen ihrer Zeit mit rund 200.000 Einwohnern, die versorgt werden mussten. Der Verfall dürfte nach Eroberung durch Kyros begonnen haben, denn als persische Provinz dürfte viel der Steuereinnahmen nach Persepolis als Tribut gewandert sein. 200 Jahre später war der Tempel – als religiöses Heiligtum und in dem Gesamtvolumen deutlich kleiner als die Mauern – schon zerfallen, immerhin müssen die Mauern um 450 v.Ch. so intakt gewesen sein, um als Weltwunder in die Liste von Herodot einzuziehen.

Was mich bei der Recherche erstaunt ist der Gigantismus. In Rom, danach die größte stadt der Antike, gibt es auch zwei Stadtmauern: die ältere serivanische Mauer, in etwa zur gleichen Zeit wie die babylonische Mauer gebaut: 4 m breit, 10 m hoch und die aurelianische Mauer in der späten Kaiserzeit nach 275 n. Chr. errichtet. Sie ist mit 6 m Höhe und 3,5 m Breite noch kleiner. Vor allem die Breite erstaunt mich. Selbst wenn das Material weicher ist als Stein (wobei die meisten Steinmauern ja auch nur außen aus Stein bestehen) benötigt man doch keine 17 bis 30 m Breite. Das ist um ein vielfaches breiter als ein Rammbock lang ist und man kann sich kaum denken, das dieser dann sich tagelang durch das Mauerwerk arbeiten können, ohne das die Stadtbewohner Gegenmaßnahmen treffen. Das Heranführen von Streitkräften mit Streitwagen sehe ich auch nicht als notwendig. Zum einen kann man von den Mauern ja lange bevor die feindlichen Truppen an der Mauer sind ihr Herannahen sehen und man kann Truppen auch durch die Stadt heranführen. So riesig ist die Stadt nicht, maximal 2 km von einer Seite zur anderen. Das müsste in einer halben Stunde zu schaffen sein. Ebenso ist die Höhe von bis zu 30 m enorm hoch. Wahrscheinlich um Belagungstürme abwehren zu können. Griechische Belagerungstürme, allerdings etwa 300 Jahre jünger waren bis zu 41 m hoch, also noch höher als die Mauern. Gegen sie würde eine Abschrägung mehr schützen als die Höhe, denn bei 14 m Breite am Ende und 28 m Basisbreite muss der Turm 7 m überbrücken, um an die Mauer zu kommen. Allerdings zeigen die gängigen Abbildungen keine abgeschrägte Mauer. Eine Abschrägung wäre aber auch aus statischen Gründen sinnvoll.

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