Gestern hat die Koalition wieder mal ein 7 Milliarden Euro teures Programm zur Förderung von alternativen, regenerativen Energien beschlossen. Ziel diesmal: „grünen“ Wasserstoff zu fördern. Fangen wir mal mit dem einfachsten an, warum „grüner Wasserstoff“?
Nun damit ist nicht die Eigenfarbe des Wasserstoffs gemeint. Wasserstoff ist sowohl als Gas wie auch Flüssigkeit farblos. Es ist die Gewinnung „Grün“ soll suggerieren, das er ökologisch gewonnen wird, also aus regenerativen Quellen. Den Wasserstoff, den man heute einsetzt, egal ob als Raketentreibstoff, für Wasserstoffautos oder als Reduktionsmittel in der chemischen Industrie, wird aus Erdgas (Methan) gewonnen. Mithin stammt auch er aus einem fossilen Kohlenstoffreservoir, auch wenn er selbst beim Verbrennen kein Kohlendioxid erzeugt, so wird doch das Methan teilweise oder ganz oxidiert um Wasserstoff zu gewinnen und wird letztendlich so auch Kohlendioxid erzeugt. Das gilt auch für Brennstoffzellen, die als Heizung vorgeschlagen werden und Methan nutzen.
„Grüner“ Wasserstoff (ab jetzt lasse ich das „grün“ weg) wird durch die Elektrolyse von Wasser gewonnen. Da haben wir schon die ersten beiden Nachteile dieses Wasserstoffs: Die Elektrolyse hat einen Wirkungsgrad von 40 bis 70 % und benötigt elektrischen Strom, dessen Herstellung relativ teuer ist. 2 Milliarden des Paketes gehen daher auch darauf, große Pilotanlagen in Nordafrika wie Marokko zu bauen, mit denen der Wasserstoff direkt vor Ort gewonnen werden kann. Das erspart wenigstens die Kosten und den Aufwand fürs Netz. Trotz alledem – Strom aus Windkraft oder Fotovoltaik ist immer noch teurer als Strom aus fossilen Quellen, selbst wenn man ihn heute für 7 ct/kWh erzeugen kann. Dazu noch ein Wirkungsgrad von 40 bis 70 %, da würde die Energie die z.B. vergleichbar der von 1 l Heizöl (38 MJ) etwa 1,05 bis 1,84 € alleine in der Produktion kosten. Doch damit ist es nicht getan. Wasserstoff muss auch transportiert werden. Versuche ihn dauerhaft flüssig zu halten gab es, aber der Energieverbrauch ist, weil er nur bei -253°C und nur in einem engen Intervall von 6 °C flüssig ist sehr hoch. Daher wird er heute als Gas transportiert, dann eben unter hohem Druck. Doch das verbraucht auch Energie. Anders als Erdgas kann man Wasserstoff nicht durch Druck bei „normalen“ Temperaturen verflüssigen, und so als Flüssiggas transportieren und selbst als Gas hat er bei Atommasse 2 nur ein Achtel der Dichte von Methan. In einen Behälter, der für einen bestimmten Druck ausgelegt ist, passt also nur ein Achtel der Menge. Würde man den Wasserstoff lokal erzeugen und ins Leitungsnetz für Erdgas einspeisen so würde dieser Anteil der Transportkosten wegfallen. Für Schiffe habe ich den Anteil nicht gefunden, aber da Wasserstoff ja als Treibstoff für Autos angedacht wird, für den Transport per Lastwagen und da fallen 20 % des Energiegehaltes als Transportkosten an. Im Auto schließlich nutzt man die Umkehrung der Elektrolyse, die Brennstoffzelle um Strom zu gewinnen, der dann mit Elektromotoren die Räder antreibt auch diese Technologie hat einen Wirkungsgrad von 50 bis 60 %, das heißt, in Bewegungsenergie wird noch ein Viertel bis ein Drittel der Primärenergie umgesetzt, die man in die Wasserstoffgewinnung hineingesteckt hat – das ist in etwa die Bilanz eines Verbrennnermotors, nur ist der Treibstoff schon in der Herstellung viel teurer: beim Benzin entfallen alleine 65,47ct auf Mineralölsteuer, bei Diesel 47,04 ct, dazu kommt noch die Mehrwertsteuer, rechnet man die ab, so verbleiben für Spritgewinnung und Gewinne bei einem derzeitigen Benzinpreis von 1,07 €/l nur noch knapp 25 ct. Wasserstoff wäre aber selbst im günstigsten Fall viermal teurer bei der Produktion und ob der Staat dann auf alle Steuern verzichtet?
Etwas günstiger sieht es aus wenn man den Wasserstoff verbrennt. Die Wärmeproduktion ist ja ein Thema, das bei der Diskussion um Kohlendioxidemissionen etwas herabfällt. Man kann Wasserstoff direkt verbrennen, als Ersatz für Erdgas. Dann würden keine Transportkosten für Lastwagen anfallen, ich nehme an Schiffe wären günstiger und es gibt wie beim Erdgas natürlich noch die Möglichkeit Pipelines zu verlegen – länger als wie für Nordstream 2 ist die Distanz zu Nordafrika auch nicht. Dann hätte man nur den Verlust bei der Gewinnung, trotzdem einen recht teuren Verbrennungsträger. In einem Fernsehbericht wurde auch erwähnt, das man mit Wasserstoff die Kohle bei der Eisengewinnung ersetzen will. Da horchte ich als Chemiker auf. Klar prinzipiell ist Wasserstoff ein Reduktionsmittel wie Kohlenstoff. Aber es gibt doch deutliche Unterschiede. Die liegen schon beim Aggregatzustand. Die Kohle ist fest, Wasserstoff ist gasförmig, man benötigt also ein geschlossenes System, bei dem man den Wasserstoff oben im Hochturm wieder abfängt, Wasserdampf als Reaktionsproduktion auskondensiert und wieder einsetzt. Kohle wird zudem verbrannt und ihre Verbrennungstemperatur hält die Reaktion am Laufen, bei Wasserstoff muss man extern heizen. Während die Endprodukte der Verbrennung von Kohle, Kohlendioxid und Kohlenmonoxid nur wenig mit dem Eisen reagieren, tut dies das Wasser sehr wohl. Daneben kann sich Wasserstoff im Eisen lösen, ähnlich wie dies der Kohlenstoff tut. Das ist heute schon ein Problem: Sie führt zur Versprödung von Metallen und hat sogar einen eigenen Namen „Wasserstoffversprödung“. Sie tritt beim Schweißen mit Wasserstoff sowie natürlich beim direkten Kontakt auf wie bei Rohrleitungen. Zwar ist viel Kohlenstoff in Eisen auch nicht erwünscht – Stahl ist kohlenstoffarm, aber er ist bei Weitem nicht so störend, wie der Wasserstoff der nur Nachteile hat (kohlenstofffreies Eisen ist unpraktisch weich, stark kohlenstoffhaltiges Eisen sehr hart, aber unelastisch wie Gusseisen, so strebt man für ein Metall das zwar hart aber in Grenzen auch Belastungen nachgibt man denke an biegsame Degen oder Karosserien, die zwar eine Beule bekommen, aber nicht brechen, kleine Kohlenstoffgehalt im Stahl an). Bislang gibt es nur eine experimentelle Hütte, die direkt durch Strom aus Wasserkraft gewonnenen Wasserstoff in Schweden einsetzt, das geht, weil die örtlichen Eisenerze besonders sauerstoffarm sind. Ansonsten nutzt man ein Mischverfahren, bei dem man Kohlenmonoxid als zusätzliches Reduktionsmittel zum Wasserstoff hinzunimmt.
Ich sehe die Zukunft daher eher in der Methanisierung. Dabei wird eine Kohlenstoffquelle, das kann auch Kohlendioxid sein, mit Wasserstoff zu Methan reduziert, man kann den Prozess aber auch weiterführen und höhere Kohlenwasserstoffe produzieren. Das bekannteste Verfahren, die Fischer-Tropsch Synthese wurde schon im Zweiten Weltkrieg von Deutschland zur Produktion von Kraftstoffen fürs Militär aus heimsicher Kohle eingesetzt, später lange Zeit von Südafrika um das Embargo zu umgehen. Diese Verfahren werden schon großindustriell beherrscht und erreichen bei großen Anlagen bis zu 80 % Wirkungsgrad, bezogen auf den Energiegehalt des Wasserstoffs.
Methan oder höhere Kohlenwasserstoffe haben deutliche Vorteile:
- Sie sind viel leichter transportierbar. Methan ist leicht verflüssigbar, selbst im gasförmigen Zustand ist die Dichte achtmal höher und es kommt nicht zur Versprödung von Leitungen. Bezogen auf den Energiegehalt ist der Vorteil geringer, er liegt dann bei etwa dem 2,5-fachen des gleichen Volumens Wasserstoff.
- Methan als Hauptbestandteil des Erdgases kann auf eine vorhandene Infrastruktur für das Erdgasnetz aufbauen, sowohl bei der Verteilung wie auch Nutzung für Heizung und Prozesse.
- Für ein Kraftfahrzeug von Bedeutung: Methan kann auf zwei Arten genutzt werden. Man kann es direkt verbrennen, hat dann praktisch dieselbe Situation wie bei einem Ottomotor, nur mit etwa 20 % mehr Energie bezogen auf ein Kilogramm Treibstoff (aber selbst bei Flüssiggas viel größerem Volumen). Alternativ kann man auch die Brennstoffzellentechnik einsetzen, jedoch nicht direkt. Zuerst muss man aus Methan wieder Wasserstoff gewinnen, indem man praktisch den Prozess der Methanerzeugung umkehrt. Dafür benötigt man für den Reformator hohe Temperaturen und berücksichtigt man den Wirkungsgrad dann steht diese Methode nicht mehr viel besser dran als die direkte Verbrennung.
- Methan kann man viel besser lagern – wichtig, wenn in Zukunft es viel Strom aus Fotovoltaik im Sommer gibt, man aber im Winter vor allem Energie fürs Heizen braucht.
Trotz alledem kann Methan eine regenerative Energiequelle sein, wenn die Kohlenstoffquelle Kohlendioxid ist. Das müsste dann allerdings aus der Atmosphäre stammen und auch erst hoch konzentriert werden. Die Idee spukt herum, eine Wasserstoffgewinnungsanlage neben ein Kohlekraftwerk zu setzen und dann Folgendes zu machen:
- Die Kohle wird zu Kohlendioxid verbrannt, sie liefert Strom und Prozesswärme.
- Der Strom wird genutzt, um aus Wasser Wasserstoff zu gewinnen.
- Die Prozesswärme ird genutzt um einen Teil der Energie für den Sabatierprozess zu stellen, der aus Kohlendioxid und Wasserstoff Methan und Wasser bildet.
- In der Summe hat man dann aus Kohle und Wasser Methan und Sauerstoff gebildet.
Man hat so aber nur die Kohle zu Methan „veredelt“ – sprich Methan hat fast den doppelten Brennwert von Steinkohle durch den energiereichen Wasserstoff im Molekül, aber nach wie vor ist die Kohle ein fossiler Brennstoff.
Für mich ist dieses Klimapaket ein weiterer Ausdruck wie verhaftet die heutige Regierung den bestehenden Strukturen ist. Denn es fokussiert sich ja auf den Verkehr. Ich betrachte die Sache als Naturwissenschaftler, und aus wissenschaftlicher Sicht ist der heutige Individualverkehr eine extrem schlechte Problemlösung. Man bewegt 1 – 2 Tonnen Masse um 100 bis 200 kg Nutzlast (bei 1-2 Personen pro Wagen) zu befördern. Meine Lösung wäre es das Geld, das man der Automobilindustrie gibt oder in solche Klimapakete steckt in einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs steckt, aber auch den Fahrradverkehr sicherer und besser zu machen. Selbst den Transport von Gütern könnte man wieder für den Großteil der Strecke auf die Bahn verlagern. Wer trotzdem individuell reisen will, für den würde bei attraktiven Angeboten eines öffentlichen Netzes für den Fernverkehr auch ein Elektrofahrzeug mit einer geringen Reichweite reichen.
Für den Energieverbrauch für Wärmeerzeugung und Prozesse braucht man sicherlich Speicher. Schlussendlich ist der unterschiedlich – die meisten Fabriken arbeiten nachts und an Samstagen / Feiertagen nicht, der Heizbedarf ist jahreszeitlich schwankend. Allerdings wird bei einem wirtschaftlichen Strommix der meiste Strom (aus regenerativen Quellen) von der Windkraft kommen, einfach weil das billiger als Fotovoltaik ist. Gerade Windkraft gibt es aber im Weiter, wenn man Energie fürs Heizen braucht, und die Tage kürzer sind, (kleinerer Ertrag durch die Fotovoltaik) aber mehr. Wasserstoff könnte in dem Konzept durchaus sinnvoll sein, aber als eine Nischenlösung als Kurzzeitspeicher zum Überbrücken der Überproduktion, wenn die Nachfrage sinkt (nachts, samstags, sonntags) oder gerade viel Wind herrscht. Man wird dann eine Strommenge in Wasserstoff umwandeln die, der gesamten Strom über einige Stunde oder eines Teils davon über einige Tage entspricht, aber es wird nicht so viel sein wie man für Heizung und Verkehr brauchen würde, wenn man Wasserstoff einsetzt.
Das Verhalten der Politik ist verständlich, aber es ist nicht zielführend. Verständlich, weil sie sich nicht ohne Hintergedanken Ziele für 2040 setzt. Wären es Ziele für 2025, dann müsste man jetzt was tun. Politik ist heute nur noch an kurzzeitigen Erfolgen interessiert und verspielt so Optionen für die Zukunft. Nehmen wir nur mal die Automobilindustrie. Die Zahl der Beschäftigten in dieser Industrie legitimiert fast alle Maßnahmen. So 2009 die Abwrackprämie, die weitestgehend unwirksam war – nur wurde ein Kauf vorgezogen und die meisten Prämien strichen ausländische Marken ein. Dann die Verschonung beim Dieselskandal, weil ja immer gesagt wurde, wenn man bei uns ebenso wie in den USA Schaden zahlen würde, die Industrie pleitegehen würde und nun eine erneute Prämie, zu der schon existenten Prämie für Elektroautos obendrauf. Nur hat die Automobilindustrie in Deutschland den Trend verschlafen und hat kaum Elektroautos, die sie verkaufen könnte. Es wird also eine Industrie gefördert, die den Verbraucher betrügt (Dieselgate), ihre Produkte nicht ökologisch weiterentwickelt (siehe E-Autos) und bei jeder Wirtschaftskrise eine staatliche Hilfe braucht. Alleine das letztere Argument wäre für einen verantwortlichen Politiker ein Alarmsignal. Das erinnert mich an den Spruch „Man wirft schlechtem Geld kein gutes hinterher“, sprich, wenn ein Unternehmen unwirtschaftlich arbeitet und Verluste macht, dann stützt man es nicht noch weiter. Steckt das Geld woanders hin. Die Produktion und Wartung von Anlagen für Windkraft und Fotovoltaik bietet auch Arbeitsplätze. Bei einem öffentlichen Verkehr, der so attraktiv ist, das er das Auto ersetzt (wir reden dann von einem erheblichen Ausbau des Netzes und auch attraktiver Taktung nicht nur in Spitzenzeiten) benötigt man unzählige Beschäftigte als Fahrer, Schaffner, für die Wartung. Oder steckt es in andere Industrien – jetzt in Coronazeiten leidet auch das Gaststättengewerbe, dort sind sogar mehr Personen beschäftigt als in der Automobilindustrie, wie wäre es mit Gutscheinen fürs Essen oder kompletten Wegfall der Mehrwertsteuer für dieses Gewerbe (würde das Gericht um 19 % verbilligen).