Alle jammern. Es wird alles immer teurer, auch Starts. Gerade deswegen sind ja Newcomer wie SpaceX wichtig sagen dann die einen. Doch stimmt das? Meiner Ansicht nach sind Raketenstarts immer billiger geworden. Nun ist es schwer die Daten zusammenzutragen, zudem sind Typen ja auch nicht unverändert über Jahrzehnte im Einsatz sind (okay, bei den Chinesen und Russen schon, aber dafür gibt es von denen keine echten Informationen, was ihre Raketen früher kosteten). Ich habe das vor Jahren schon mal gemacht, aber ich wiederhole es hier mal und zwar am Beispiel von Ariane. Das liegt zum einen daran, dass ich hier durch meine beiden Bücher die Daten schon recherchiert habe, und zum anderen, weil sie in Europa gebaut wurden, was die Rückrechnung der Kaufkraft einfacher macht als bei US-Raketen.
Ariane umfasst zwei Familien, was die grundlegende Technologie angeht: Ariane 1-4 und Ariane 5G, 5E und 6.
Hier einmal die offiziellen Zahlen was ein Start kostet(e)
Träger | Ariane 1 | Ariane 2 | Ariane 3 | Ariane 44L | Ariane 5G | Ariane 5E | Ariane 6 |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Bezugsjahr | 1985 | 1988 | 1988 | 1989 | 2002 | 2017 | 2017 |
Preis | 334 Mill. Franc | 371 Mill. Franc | 420 Mill. Franc. | 539 Mill. Franc | 130 Mill. Euro | 165 Mill. Euro | 120 Mill. Euro |
Ariane wird von Arianespace mit dem Sitz in Frankreich vermarktet, also ist der Startpreis bis zur Einführung des Euro 2001 in französischen Franc, danach in Euro. Die Umrechnung DM in Euro ist noch relativ einfach, da die ESA intern alle Währungen der Mitgliedsländer in „Accounting Units“ umrechnete und da galt über Jahre hinweg konstant 1,90 DM = 1 AU, fast derselbe Umrechnungskurs wie bei Einführung des Euros (1,96 zu 1). Dann bleibt noch die Umrechnung Franc in DM. In dem Zeitraum war die relativ konstant, ich kann mich aus meiner Jugend noch erinnern, das wir grob mit 1 DM = 3 Franc gerechnet haben und beim Gründungskapital von Arianespace 1979 gibt es auch wegen der deutschen Beteiligung konkrete Zahlen: Die 196 Millionen Franc entsprachen 65,2 Millionen DM, was dem Faktor 2,8 entspricht, die grobe Umrechnung stimmt also recht gut. So justiert komme ich zu Tabelle 2, diesmal alle Preise in Euro (5,3 FF = 1 €):
Träger | Ariane 1 | Ariane 2 | Ariane 3 | Ariane 44L | Ariane 5G | Ariane 5E | Ariane 6 |
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Bezugsjahr | 1985 | 1988 | 1988 | 1989 | 2002 | 2017 | 2017 |
Preis | 63 Mill. Euro | 70 Mill. Euro | 79 Mill. Euro | 100 Mill. Euro | 130 Mill. Euro | 165 Mill. Euro | 120 Mill. Euro |
Zuerst sieht es also so aus wäre ein Start stetig teurer geworden. Bis nun Ariane 6 den Trend nach oben korrigiert. Aber nun komme ich zum Kernthema – das ist ohne Inflation. Bei uns und ich denke auch in der EU wird die Inflation über den Preisanstieg eines „Warenkorbs“ berechnet zu dem anders als der Name suggeriert nicht nur Nahrungsmittel, sondern alle ausgaben eines Privathaushaltes inklusive Energie umfasst. Ein anderes Kriterium können auch die Arbeitslöhne sein, die meistens proportional zu der Inflation ansteigen, schlussendlich steckt in jeder Rakete die Arbeit unzähliger Menschen, die auch bezahlt werden müssen. Von 2010 bis 2019 lag der Preisanstieg nach Eurostat bei 12,5 %, also rund 1,25 % pro Jahr, Ähnliches gilt sicher auch für das erste Jahrzehnt nach Einführung des Euro, da seitdem die Politik der EU es ist einen niedrigen Preisanstieg zu haben.
Für die Achtziger und Neunziger gilt das zumindest in Deutschland nicht. Wir hatten Anfang der Achtziger als Nachwehen der beiden Ölkrisen 1973 und 1979 eine hohe Inflation, die sich dann abschwächte, um nach der Wiedervereinigung wieder für einige Jahre ein hohes Niveau zu erreichen und dann wieder zu sinken. Im Wikipedia Artikel zum C64 wird angegeben, das der C64 beim Verkaufsstart 1.495 DM kostete was heute 1.470 € entspreche, mithin in etwa über den Zeitraum von 37 Jahren eine Inflationsrate von 1,9 %. Mit der habe ich gebreitet und so in der dritten Tabelle die Preise auf 2017 justiert: (ab 2002 mit 1,3 %)
Träger | Ariane 1 | Ariane 2 | Ariane 3 | Ariane 44L | Ariane 5G | Ariane 5E | Ariane 6 |
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Bezugsjahr | 1985 | 1988 | 1988 | 1989 | 2002 | 2017 | 2017 |
Preis | 115 Mill. Euro | 120 Mill. Euro | 136 Mill. Euro | 169 Mill. Euro | 158 Mill. Euro | 165 Mill. Euro | 120 Mill.- Euro |
Und schon nähern sie die Startpreise an, jetzt gibt es nur noch die Extreme 165 und 115 Millionen Euro. Doch das sind nur die Startpreise. Die Nutzlast ist ja nicht die gleiche. In der dritten Tabelle habe die Maximalnutzlast der Träger in den GTO aufgeführt:
Träger | Ariane 1 | Ariane 2 | Ariane 3 | Ariane 44L | Ariane 5G | Ariane 5E | Ariane 6 |
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Bezugsjahr | 1985 | 1988 | 1988 | 1989 | 2002 | 2017 | 2017 |
Preis | 1.850 kg | 2.210 kg | 2.580 kg | 4.900 kg | 7.100 kg | 10.950 kg | 12.000 kg |
Und berechnet man daraus einen „Preis pro Kilogramm“ (irreführend, weil ja der ganze Träger bezahlt wird, „Preis pro Kilogramm“ kann man vielleicht beim Metzer angeben, doch ein Bauer wird wohl nur das ganze Schwein verkaufen). So kommt man auf folgende Tabelle:
Träger | Ariane 1 | Ariane 2 | Ariane 3 | Ariane 44L | Ariane 5G | Ariane 5E | Ariane 6 |
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Bezugsjahr | 1985 | 1988 | 1988 | 1989 | 2002 | 2017 | 2017 |
Preis/kg | 62.200 €/kg | 54.500 €/kg | 52.700 €/kg | 34.500 €/kg | 22.300 €/kg | 15.100 €/kg | 10.000 €/kg |
Pro Kilogramm Nutzlast ist also der Start um den Faktor 6 in rund 40 Jahren billiger geworden! Man sieht es auch, wenn man die aktuelle Vega mit der Ariane 1 vergleicht. Die Vega C soll ja nicht teurer als die Vega sein und rund 3,5 t in einen LEO transportieren. Bei Ariane 1 waren es 4,85 t in denselben Orbit, also rund 50 % mehr. Sie kostet aber inflationsjustiert 115 Millionen Euro, während eine Vega für 32 Millionen Euro vermarktet wird. Das ist nicht der Faktor 6 wie bei ariane 6, weil eine größere Rakete mit mehr Nutzlast nicht proportional teurer als eine kleine ist.
Der eigentliche Grund, warum ich diesen Blog schreibe, sind die Angaben der NASA. Sie vergleicht gerne heutige Kosten mit früheren, dann natürlich an die heutige Kaufkraft angepasst. Als das Discoveryprogramm aufkam (mehr dazu in einem der nächsten Blogs) gab es z.B. Aussagen wie „Eine Mariner Sonde kostete in heutiger Kaufkraft über 1 Milliarde Dollar, die Sonden des Discoveryprogramms nur xxx Millionen Dollar“. So was ist bei uns eher unüblich, auch wenn, das ist eine Gemeinsamkeit, man heute sparsamer mit den Informationen ist, was man für eine Mission ausgegeben hat oder sie versucht klein zu rechnen, indem man z.B. Teile weglässt wie die Startkosten oder Missionskosten die erst nach dem Start anfallen.
Die Basis der NASA ist der Gross Domestic Product Chain Index, also wie stark sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in einem Zeitraum veränderte. Das BIP ist die Summe aller erwirtschafteten Leistungen eines Landes. Es steigt auch an, wenn auch nicht immer (z.B. nicht 2009 und 2019 wird es wohl auch ein Minus geben), aber die Steigerung korrespondiert nicht mit dem Preisanstieg. Dafür gibt es mehrere Gründe:
- Produktionssteigerung durch Automatisierung – steigert das BIP, während die Arbeitskosten sinken.
- Unterschiedlicher Anteil der Erwerbtätigen: Neben Arbeitslosen ist in dem beobachteten Zeitraum der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung deutlich angestiegen. Das Nachkriegsfamilienbild des Alleinernährers hat sich zu dem der Doppelverdiener gewandelt.
- Besonders für die USA: Zuwanderung und Bevölkerungswachstum. Als das Apolloprogramm durchgeführt wurde, hatten die USA rund 180 Millionen Einwohner, heute sind es 328 Millionen.
Es gäbe andere Zahlen die weniger irreführend sind. So z.B. der Anteil der NASA am Gesamtbudget der USA. Heute sind das 0,5 %, obwohl das Budget der NASA 22 Mrd. Dollar beträgt, ein vielfaches dessen was in den Sechzigern für Raumfahrt ausgegeben wurde trotz viel höherem Anteil am Gesamtbudget. Es ist seit 1967 laufend gesunken und hat heute den gleichen Anteil wie 1960 – doch was starteten die USA 1960 und was starten sie heute mit demselben Anteil? Also auch diese Zahl ist nicht zielführend.
Zumindest für Apollo habe ich eine Lösung gefunden. Sie orientiert sich am Verdienst. Jesco von Puttkamer hat eine Vorliebe, die er mit mir teilt – die seine Leser mit Zahlen zu „beglücken“ (ich habe auch schon die Kritik bei meinen Büchern gehört es wären zu viele Zahlen drin). So führt er die Jahresgehälter der Apollo-Astronauten auf:
- Buzz Aldrin, Air Force Colonel, 18.622 Dollar
- Neil Armstrong, NASA-Angestellter 30.054 Dollar
- Mike Collins, Lieutant Colonel, Air Force: 17.147 Dollar
Heute verdient ein Astronaut 120.000 Dollar, ein Air Force Colonel zwischen 83.147 und 147.224 Dollar, ein Lieutenant Colonel zwischen 69.336 und 117.799 Dollar. Die Einordnung ist wegen der Spannbreite schwierig. Ich vermute aber das die Bezahlung vom Dienstalter abhängt und viele Dienstjahre (im aktuellen Rang) hatten die Astronauten nicht. Sie wurden schnell befördert, wahrscheinlich als Anerkennung für die Leistung und weil sie in der NASA zeitlich viel mehr eingespannt waren als beim Militär. Auch die Entlohnung beim heutigen großen Astronautencorps dürfte im Vergleich zu Armstrongs Gehalt niedriger sein als bei dem exklusiven Klub, den es damals gab. Ich würde einen Faktor 4-5 seit 1969 annehmen. Die Rechnung basierend auf dem GDP-Chain Index liefert höhere Werte: 2011 gab der Augustine Report die Kosten des Apollo-Programms mit 129,5 Mrd. Dollar (basierend auf 24,8 Mrd. Dollar Ausgaben) an. Die Wikipedia für heute 153 Mrd. Dollar, basierend auf 25,4 Mrd. Dollar (Kaufkraft 1971). Das wäre höher, ein Faktor von 6. Auf den Faktor 6 kommt auch ein Inflationsrechner im Web.
Kurz: je nachdem welches Kriterium man nimmt kann man Kosten von früheren Projekten klein oder Großrechnen. Der Faktor 6 entspricht übrigens über 50 Jahre einer mittleren Inflationsrate von 3,6 %, der Faktor 4 einer von 2,8 % und der Faktor 5 einer von 3,3 %. Immerhin gibt es bei den USA Daten auf denen man diese Preissteigerungen berechnen kann. Bei uns sind die öffentlich verfügbaren Daten limitiet und für Europa kann man nur bis zur Einführung des Euro 2002 zurückrechnen. Bei europäischen Projekten vorher oder französischen, deutschen oder englischen Projektem wird es noch schwerer. Dazu kommt noch die schwankenden Wechselkurs. 1970 war ein Pfund noch 2,4 Dollar wert, heute nur noch 1,37 Dollar.