Es ist nun etwa 20 Jahre her seit das Discoveryprogramm still und leise beerdigt wurde, auch wenn es im NASA-Jargon als „Discovery Class“ für ein bestimmtes Finanzvolumen für Raumsonden noch vorhanden ist. Ich will mit dem Artikel an die Missionen erinnern, die nicht so liefen wie geplant und was man daraus lernen kann.
Das Discoveryprogramm ist eng verknüpft mit Daniel Goldin, von 1992 bis 2001 NASA-Administrator. Er rief es ins Leben und prägte auch das Motto des Disoveryprogramms: „Faster, Better Cheaper“
Die Anfänge
Auch wenn es keinen offiziellen Startschuss gab, so dürfte ein Ereignis für die Auflage des Programms wichtig gewesen sein, das war der Verlust des Mars Observers (MO) kurz vor dem Einschwenken in den Marsorbit am 20.8.1993. Die genaue Ursache konnte nie gefunden werden, spielt aber auch keine Rolle. Das Wesentliche war, das ein Fehler zum Verlust einer 980 Millionen Dollar teuren Raumsonde führte, die in zehn Jahren entwickelt wurde. Etwa zur gleichen Zeit gab es den Vorfall bei Galileo, deren Hauptantenne nicht ausfahrbar war, was zwar kein Totalverlust war, aber die Datenmenge und damit die erhofften wissenschaftlichen Erkenntnisse deutlich reduzierte. Auch sie hatte mehr als ein Jahrzehnt zwischen Genehmigung und Start auf dem Buckel.
Der Ansatz war der: Anstatt einer komplexen Sonde sollten mehrere einfache gebaut werden. Sie wären leichter, das reduziert die Startkosten (betrugen beim Mars Observer alleine 293 Millionen Dollar) und ein Verlust wäre verschmerzbarer. Die kleineren Sonden sollten auch schneller umgesetzt werden – eine Raumsonde wie Mars Observer dauerte typisch 6 bis 8 Jahre von der Genehmigung bis zum Start. Die zehn Jahre beim Mars Observer waren allerdings auch durch Budgetkürzungen und so Verschieben des Starts zustanden gekommen. Die ersten Missionen sollten in drei Jahren auf den Weg gebracht werden. Daher das „Faster“ und „Cheaper“ und daraus sollte sich das „Better“ ergeben.
Die Zeitersparnis kam auch zustande, indem man lange nicht so viel prüfte und testete. Goldin meinte, man müsste nicht zu einer Tonne Raumsonde auch eine Tonne Papier in Form von Dokumentationen produzieren. Dann geht es natürlich erheblich schneller und man spart zudem Geld. Projekte sollten in drei, maximal vier Jahren umgesetzt werden.
Klingt toll und beim Mars Observer probierte man das gleich aus. Es gab wie bei allen Raumsonden Reserveexemplare von den Experimenten. Diese werden oft den Qualifikationsprüfungen unterzogen, den zusätzlichen Stress wollte man den Flugexemplaren nicht zumuten. Auch der Orbiter war zum größten Teil aus Reservebauteilen nachbaubar. Anstatt den Mars Observer aber nachzubauen, baute man drei kleinere Sonden, die entsprechend leichter mit Deltas gestartet werden konnten. Jede Sonde konnte aber nur einen Teil der Experimente tragen und so ergeben alle drei zusammen die Experimentensuite des Mars Observers.
Auch neue Sonden wurden aufgelegt. Gewinner des Discoveryprogramms waren zum einen der Mars – geplant war, in jedem Startfenster zwei Sonden, einen Orbiter und einen Lander auf den Weg zu bringen. Zum anderen die kleinen Körper. Bisher schaffte kein Vorschlag für eine Mission zu den Asteroiden oder Kometen es, die Komitees der NASA zu überzeugen. Das änderte sich nun, eben auch weil eine Mission viel billiger war.
Die Sonden
Zuerst lief das Discoveryprogramm ja auch gut an. 1996 starteten NEAR, MGS und MPF – es war seit Jahrzehnten das erste Jahr mit drei NASA-Raumsonden. MGS (Mars Global Surveyor) war die erste Nachfolgesonde des Mars Observers. Er lieferte über Jahre hinweg Daten der Marsoberfläche. MPF- Mars Pathfinder gehörte offiziell nicht zum Discoveryprogramm, wurde als Technologiesonde aber in demselben Geist entwickelt. Die Sonde arbeitete drei Monate auf dem Mars und beschwerte der NASA einen Hype mit enormen Seitenabrufen durch das noch junge Internet. NEAR flog zum Asteroiden Eros, den sie aber erst im Jahr 2000 erreichte, weil sie Schwung bei der Erde holen musste. NEAR zeigte – das war dann aber erst 1999 – schon die Problematik des Programms. Ein Fehler führte zum Abbruch des Programms, mit dem die Sonde in einen Orbit um Eros einschwenken sollte und sie geriet ins Taumeln. Erst nach einer Extrarunde, die 13 Monate dauerte, erreichte sie schließlich Eros.
1998 folgte der Lunar Prospektor, der den Mond umkreiste und physikalische Eigenschaften der Oberfläche untersuchte. Ebenfalls 1998 startete Deep Space 1. Deep Space 1 gehört formal nicht zum Discoveryprogramm, sondern war eine Technologiesonde, die formal zum New Millenium Programm gehörte. Sie sollte den Asteroiden Braille passieren und autonom untersuchen. Das ging leider kräftig schief, weil die Software als sie den Kometen automatisch auf Bildern suchen, sollte ihn nicht fand. Auch eine zweite Begegnung mit dem Kometen Wilson-Harrington entfiel, weil ein für die Feststellung der Lage essenzieller Startracker ausfiel. Schließlich konnte Deep Space 1 noch den Kometen Borelly besuchen, der als drittes Ziel schon von Anfang an vorgesehen war, aber wegen Ausfall des Startrackers nur in größerer Distanz. Trotzdem wird Deep Sapce 1 heute als Erfolg angesehen, denn sie bereitete etlichen Technologien den Weg, unter anderem dem Ionenantrieb.
Anders erging es den beiden anderen Raumsonden von 1998, dem Mars Climate Orbiter (MCO) und dem Mars Polar Lander (MPL). Der MCO war die zweite Sonde mit Experimenten des MO. Der Mars Polar Lander eine neu entwickelte Raumsonde, erheblich besser ausgestattet als der MPF. Trotzdem kosteten beide Missionen erheblich weniger als ihre beiden Vorgänger 1996.
Der MCO ging beim Einschwenken in den Marsorbit verloren. Wie sich später herausstellte, beruhte der Verlust auf dem US-Einheitensystem, besser gesagt: das man beim Hersteller Lockheed mit US-Einheiten arbeitete und bei der NASA im SI-System. Um die unsymmetrische Form des Satelliten auszugleichen, musste er regelmäßig die Bahn anpassen denn der Strahlungsdruck der Sonne bewegte ihn aus der Solbahn. Die Software von Lockheed berechnete die Korrekturen, gab die Größe aber in US-Einheiten aus. Die Missionskontrolle nahm diese Angaben und legte damit die Kurskorrekturen fest, arbeitete aber im metrischen System. Beide Systeme variieren um den Faktor 4,5 und so wurde überkompensiert. Der MCO geriet zu nahe an den Mars und verglühte. Die Ursache wurde innerhalb von Stunden gefunden, es gab ja genaue Bahnvermessungen. Noch schlimmer: Bahnanalytiker rieten wegen der Abweichung von der Sollbahn zu einer weiteren Korrektur, doch das personell unterbesetzte Management ignorierte dies.
Weniger wusste man von der Ursache beim Verlust des Mars Polar Landers, da er während der Landung (anders als seine Vorgänger) keine Daten übertrug. Die Ursache fand man erst Monate später als man eine baugleiche Nachfolgesonde testete – ein Sensor, der den Bodenkontakt signalisiert, liefert direkt nach Ausfahren ein Signal. Das hätte die Software abfragen und den Sensor zurücksetzen sollen. Doch das tat sie nicht, so wurde, als der Sensor das erste Mal in 40 m Höhe abgefragt wurde, Bodenkontakt gemeldet und die Triebwerke wurden abschaltet. Der MPL zerschellte auf der Oberfläche. 20 Jahre später scheitert der europäische Marslander Schiaparelli aufgrund eines ähnlichen Vorfalls. Wie beim MCO hätte die Mission gerettet werden können, wenn man einfach ein Softwareupdate eingespielt hätte.
Man untersuchte beide Projekte und stellte gravierende Fehler fest, im Management und bei Tests, die unterblieben. Die nächste Mission, Mars Odyssey wurde um zwei Jahre verschoben, der Lander ganz gestrichen, damit mit dem Geld wenigstens der Orbiter sorgfältig entwickelt wird.- Das klappte Mars Odyssey liefert bis heute Daten und ist die dienstälteste Marssonde.
Stardust war dann die erste Discoverysonde die einen Kometen besuchte und Proben aus dem Gasjet nahm. Die Mission gelang, obwohl die Kamera durch einen stecken gebliebenen Filter unschärfere Aufnahmen machte als vorgesehen. Dramatisch wurde es erst zum Ende der Primärmission, als die Kapsel mit den Bodenproben landen sollte – die später gestartete Genesismission war vorher zu Ende gegangen und auch sie sollte Proben zur Erde bringen, diesmal des Sonnenwindes. Doch die Fallschirme öffneten sich nicht und die Kapsel zerschellte, die Proben waren kontaminiert. Die Kapsel von Stardust war aber anders konstruiert und so gab es die begehrten Staubkörner vom Kometen Wild.
Mit CONTOUR, der letzten Raumsonde des ursprünglichen Discoveryprogramms verabschiedete sich das Programm dann nochmals mit einem Knall. Die Sonde sollte zwei Kometen besuchen, doch als sie die Erde verlassen sollte – sie war von der Rakete anfangs nur in eine elliptische Umlaufbahn befördert, wurde sie zerstört, wie Radaraufnahmen zeigten. Schuld war wohl der Feststoffantrieb, der anders als bei allen vorherigen Installationen nicht mit der Düse aus dem Gehäuse herausragte, sondern vollständig integriert war.
Die Folgen
Das Discoveryprogramm wurde schon nach Verlust der beiden Marsraumsonden überarbeitet. Neue Missionen erhielten einen viel größeren Finanzrahmen – heute 450 Millionen Dollar ohne Start. Alle hier skizzierten Missionen lagen dagegen bei unter 300 Millionen Dollar mit Start und auch der enge zeitliche Rahmen wurde gelockert. Die beiden letzten beiden Discovery Class Sonden, Lucy und Psyche wurden im Januar 2017 ausgewählt und werden erst 2022 starten. Dafür sind es weniger Missionen. Die hier beschriebenen ersten sechs Discoverymissionen decken den Genehmigungszeitraum von 1993 bis 1999, also sechs Jahre ab. Die folgenden acht Missionen dagegen einen Zeitraum von 18 Jahren.
Neben den Verlusten – mit vier Verlusten gab es mehr Totalverluste als vorher im NASA-Programm seit 1967 (wenn man Fehlstarts ausklammert) gab es auch anderes am Discoveryprogramm zu kritisieren. Auch bei vielen erfolgreichen Missionen gab es schwerwiegende Vorkommnisse wie bei NEAR das misslungene Einschwenken in den Orbit. Mir fällt auf, dass die wissenschaftliche Instrumentierung auch nicht mit größeren Missionen mithalten kann. Typisch waren es pro Sonde nur drei bis vier Experimente, während normale Missionen eher sieben bis zehn Experimente an Bord haben. So gesehen spart man dann auch nicht so viel wie erhofft ein.
Den grundsätzlichen Ansatz, Kosten zu sparen und Missionen schneller auf den Weg zu bringen finde ich gut. Aber es gibt dafür auch schon Lösungen. Anstatt jede Mission neu zu entwickeln, kann man Teile anderer Missionen nutzen, sowohl bei der Raumsonde wie auch Experimente. Und das wird auch gemacht. Nicht nur in den USA, sondern auch Europa. Aus den Restbeständen von Rosetta und Instrumenten für Mars 96 entstanden Mars und Venus Express. Ich denke aber es gibt hier noch Potenzial. Auch mein Vorschlag ist nicht neu, nämlich der einiger weniger standardisierten Bussen für verschiedene Missionstypen anstatt für jede Mission eine neue Raumsonde zu entwickeln und auch Experimente kann man wiederverwenden. Das wird auch gemacht aber oft zu wenig. Noch immer sucht man für eine Mission die beste Lösung, die vielleicht leichter ist als die kostengünstigste Lösung und den neuesten Detektor einsetzt anstatt einen schon vor Jahren entwickelten.