„Covidioten“ so nannte Gesundheitsminister Jens Spahn die Teilnehmer der Anti-Corona Demonstration am 1. August. Am Samstag kam es dann noch dicker. Die Stadtverwaltung von Berlin verbot zuerst die Demonstration, dagegen gingen die Veranstalter gerichtlich vor und schließlich die Stadt in die nächste Instanz, die dann um 3 Uhr morgens am Samstag die Demo genehmigte.
Doch die währte nur kurz, nachdem die Abstandregeln nicht eingehalten wurden und kaum einer eine Mund-Nasenschutzmaske trug, wurde die Demonstration wieder aufgelöst, denn das waren eindeutige Verstöße gegen die eigenen Konzepte der Veranstalter. Zum Schluss wurde es dann noch hochdramatisch als etwa 100 Demonstranten den Reichstag stürmten. Um letzteres diskutieren nun auch alle Politiker bzw. verurteilen es.
Die Veranstalter und zahlreiche von den Medien befragte „normale“ Bürger – in Abgrenzung zu der Schar von Verschwörungstheoretikern und Rechten, die die Demo als Auftrittsplattform nutzen – machen in Interviews eigentlich einen vernünftigen Eindruck. Es ginge ihnen nur um die Meinungsäußerung und das es eben auch Leute gibt, die mit den Maßnahmen der Regierung nicht einverstanden sind. Sie bestreiten nicht die Existenz des Virus, sind eben nur anderer Meinung, was die Gefahr und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen angeht.
Dagegen ist nichts zu sagen. Ich finde auch das man zu schnell und zu gie0ßkannenartig zu viel Geld ausgeschüttet hat. Und ich darf das auch sagen, auch auf einer Demonstration, denn die Meinungsfreiheit gilt nach wie vor, auch wenn viele der Demonstranten das Gegenteil behaupten.
Aber es ist ein Unterschied, ob ich eine Regelung für unsinnig halte und dagegen demonstriere oder ob ich sie bewusst ignoriere. Ich spreche von dem Abstandsgebot und der Maskenpflicht. Nun ist Abstand halten bei einer Demo schwer möglich, aber dann sollten eben alle Masken tragen, um diesen Schutz zu haben. Nur eines der beiden Konzepte war für die Demo gefordert. Und ich sehe das auch nicht als gravierenden Eingriff in die Privatsphäre ein. Jede Demonstration hat mit Einschränkungen zu tun. So bekommt man eine Route zugewiesen oder wenn man eine vorschlägt, kann es Abweichungen von der Wunschroute geben. Auch sonst darf man nicht einfach da demonstrieren, wo man will und das wird auch gemeinhin akzeptiert. Auch das ist eine Einschränkung des Grundrechts der Demonstrationsfreiheit. Aber das bewusste Verletzen einer Regel ist was anderes. Das wäre wie, wenn man für die Legalisierung von Cannabis demonstrieren würde und alle würden dabei kiffen. Auch das wäre genau ein Verstoß gegen die gesetzliche Vorgabe gegen die man demonstriert und da würde die Demo auch rasch aufgelöst werden.
Meiner Meinung nach tun sich die Veranstalter und die Demonstranten mit dem bewussten Ignorieren keinen Gefallen. Denn zumindest ich nehme sie nun nicht mehr ernst. Politiker schon lange nicht. Man kann über Maskenpflicht, wo sie nötig ist und wo nicht diskutieren, aber niemand diskutiert mit Jemanden der die Maßnahmen vollständig ignoriert. Eine Achtung von unseren Gesetzen und demokratischen Grundwerten drückt sich eben auch darin aus, das man nicht nur Grundrechte in Anspruch nimmt, sondern sich auch an die anderen Gesetze des Staates hält. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Für Politiker sind die Demonstranten um die Initiative 711 schon längst abgehakt, weil schon bei der letzten Großdemo am 1.8. zahlreiche rechte Gruppen vertreten waren. Demonstranten sagten in Interviews, das sie niemanden verbieten mit ihnen zu demonstrieren. Aber dem Mix aus Reichsbürgern, Rechten und Verschwörungstheoretikern geht es ja gar nicht um die Ziele der Initiative. Es geht ihnen darum Aufmerksamkeit zu erregen und eine viel größere Bewegung vorzutäuschen, als sie sind. Sie haben die Demo instrumentalisiert und als Plattform genutzt, dadurch dass man vor allem die rechten Symbole wahrnimmt nimmt man an, das die ganze Demo hinter diesen Nazis / Reichsbürger / Spinnern steht.
Und die Reichsflagge ist nicht etwa die der Weimarer Republik, die hatte schon Schwarzrotgold. Es ist die des Kaiserreichs. Und das will wohl keiner mehr zurückhaben, auch nicht die Demonstranten. Denn da wurde auf Demonstranten geschossen.
Meiner Ansicht nach hätte die Polizei noch weiter gehen sollen. Es gibt ja einen Bussgeldkatalog in Berlin. Demnach beträgt das Bußgeld sowohl bei Verstoß gegen die Maskenpflicht wie Nichteinheiten des Mindestabstandes jeweils 50 bis 100 Euro. Es waren 3.000 Polizisten bei geschätzten 38.000 Teilnehmern vor Ort. Genügend Personal um in überschaubarer Zeit von jedem der zumindest keine Maske trug die Personalien aufzunehmen und ein Bußgeld zu verhängen. Dann wären wenigstens die Kosten, die diese Demonstration der Stadt auferlegte wieder reinbekommen.
Übrigens funktioniert unser Rechtsstaat, der angeblich die Meinungsfreiheit zensiert, sehr gut. Das zeigt nicht nur, dass vorher schon Demonstrationen genehmigt wurden, obwohl sie als Großveranstaltungen eigentlich verboten wären, sondern auch diese Demo. Die Argumentation der Stadt für das Verbot war ja, das man Erfahrungen habe und schon vor Wochen die Abstandsregeln nicht eingehalten wurden. Die Gerichte urteilten anders, der Veranstalter habe ein schlüssiges Hygienekonzept vorgelegt und dürfe daher die Veranstaltung durchführen. Also pro Veranstalter in der Annahme, das er sein eigenes Konzept auch umsetzt. Nur wenn man sich an das eigene Hygienekonzept nicht hält, wird das auch schnell zum Bumerang. So entschied heute ein Gericht, das auch das Lager der Demonstranten wegen Nichteinhaltung der Abstandsregeln aufgelöst wird. Und nächstes Mal wird es wohl auch schwerer eine Demonstration erst genehmigt zu bekommen, nachdem offensichtlich ist ja, dass man das Konzept nur vorlegte, um eine Genehmigung zu bekommen, kein Ordner auf eine Einhaltung achtete.
Ja die Veranstalter sind Covidioten. Es waren nun ja schon doppelt so viele Demonstranten wie letztes Mal. Sie hätten noch etliche Demos organisieren können mit wahrscheinlich weiter steigendem Zulauf, denn nach Monaten sehen viele nicht mehr den Sinn der Maßnahmen – es muss wohl erst wieder mehr Tote geben wie in Frankreich und Spanien, wo das Virus wieder aufgeflammt ist, um zu erinnern, das es noch immer der wirksamste Schutz ist, um die Verbreitung zu stoppen. So hätten sie mehr Druck aufbauen können.
Aber so sind die Initiatoren und zu einem guten Stück auch die Demonstranten für mich Querulanten. Die meisten Nichtdemonstranten halten sich im Alltag an die Maßnahmen, für viele sind die Verbote von Großveranstaltungen wie Konzerte, Sportveranstaltungen, Jahrmärkte schlimm. Sie sehen nun, das was sie nicht mehr dürfen – Großversammlungen bilden und das was sie tun müssen – Masken tragen und Abstand halten – diese Demonstranten tun dürfen bzw. ignorieren und das macht keinen guten Eindruck. Sind die was besseres? Oder virenfrei? Stehen sie über dem Gesetz? Meiner Ansicht nach hätten sie viel mehr bewegen können, wenn sie sich an die Maßnahmen gehalten hätten und wenn sie sich nicht von Splittergruppen vereinnahmen haben lassen. Das hat viel mit Respekt zu tun, auch Respekt vor den Anderen. So aber kann man sie nicht ernst nehmen.