Ulysses 2

Auf den heutigen Blog, wieder mal eine technische Spinnerei kam ich durch meine Arbeit an Solar Orbiter. Solar Orbiter wird durch mehrere Swing-Bys an der Venus die Bahnneigung auf bis zu 33 Grad erhöhen. Damit sieht er die Regionen mittlerer Breite auf der Sonne besser. Es geht um eine Sonde, die auch die Sonnenpole erkunden kann.

Okay, Zeit mal etwas Grundlagen zu bringen. Die Erde umkreist die Sonne an ihrem Äquator, zumindest nach Definition (einen Äquator bei der Sonne zu definieren ist mangels fester Oberflächenmerkmale etwas schwierig). Wir sehen die Sonne also verzerrt, ähnlich wie geostationäre Satelliten die Erde sehen. Schaut man sich z.B. ein Metosatbild an auf dem Europa drauf ist, dann ist das schon sehr verzerrt und Europa erstreckt sich nur vom 40 bis zum 60 Breitengrad, hin zu den Polen (Island, Norwegen, Grönland) wird die Verzerrung noch stärker. Entsprechend verzerrt sehen wir die höheren breiten der Sonne.

Der Blickwinkel wäre egal, wenn die einfache Vorstellung der Sonne von einem Gasball stimmen würde, bei der die thermonuklearen Prozesse im Inneren praktisch alles dominieren und so Unterschiede an der Oberfläche klein sind. Doch dem ist nicht so. Die Sonne hat Aktivitätsgebiete und sie rotiert nicht überall gleich schnell, dadurch verwickeln sich Magnetfeldlinien und es kommt zu Sonnenflecken, Flares, Prototuberanzen. Die Erforschung dieser Phänomene abseits des Äquators ist eine der Aufgaben von Solar Orbiter.

Weitaus höhere Breiten, nämlich 80 Grad erreicht schon vor Jahrzehnten die Raumsonde Ulysses. Übrig geblieben als europäischer Teil eines ESA-NASA Duos erforschte sie 20 Jahre lang die Sonne. Leider ohne Kamera nur mit Instrumenten für Teilchen und Feldern. So hohe Breiten zu erreichen, ist nicht einfach. Will man die Bahnneigung einer Sonde, die, wenn sie die Erde verlässt, aber keine Bahn nach Innen oder Außen einschlägt, die Bahngeschwindigkeit der Erde hat um 90 Grad drehen so muss man die 2-fache Energie aufbringen, die sie hat. In Geschwindigkeitsäquivalenten ist das die 1,41-fache momentane Geschwindigkeit. Bei der Erdbahn mit 29,8 km/s also 42,1 km/s. Das ist enorm viel. Dagegen braucht man um das Sonnensystem zu verlassen nur 16,7 km/s und selbst ein Sturz in die Sonne braucht nur 25,7 km/s. Das ist heute selbst mit Ionentriebwerken nicht durchführbar.

Ulysses nutzte daher ein Swing-By an Jupiter. Jupiter kann zwar auch nicht die Geschwindigkeit um 42,1 km/s ändern, aber die Sonde hat, wenn sie Jupiter erreicht, nur noch eine Geschwindigkeit von 7,4 km/s und dann beträgt die Geschwindigkeitsänderung nur noch 10,5 km/s und das schafft Jupiter. Der Preis war aber, dass Ulysses nun sich auf einer Bahn befand, deren Aphel bei Jupiter lag. Das bedeutet, nur alle 5 Jahre passierte sie die Pole, was jeweils nur wenige Monate dauerte. Ich denke das kann man heute besser machen und habe Ulysses 2 ausgedacht.

Ulysses 2 reduziert durch Ionentriebwerke ihre Geschwindigkeit nach der Umlenkung durch Jupiter, bis sie wieder eine Bahn mit einer kleinen Periode erreicht hat. Natürlich ist es dann logisch schon Ionentriebwerke zu nutzen, um bis zu Jupiter zu kommen. Doch in der Praxis zeigte sich, das es dann doch kompliziert wurde.

Designauslegung

Ziel sollte es sein, eine Raumsonde von etwa 600 bis 800 kg in einen polaren Sonnenorbit mit einer möglichst kleinen Umlaufszeit zu bekommen. 600 bis 800 kg sind zwar deutlich weniger, als Solar Orbiter wiegt (1,72 t), aber immerhin in der Größenordnung einer Voyager und erlauben so etwa 100 bis 150 kg Instrumente.

Die Sonde sollte auf RTG verzichten, um die Kosten zu begrenzen. Die Solarzellen sollen bei Jupiter mindesten 500 Watt für den Betrieb liefern.

  • Es sollen verfügbare Technologien eingesetzt werden.
  • Träger soll ein kleiner oder mittelgroßer Träger sein.
  • Alle Maßnahmen dienen dazu, die Kosten zu begrenzen.

Geschwindigkeitsabschätzung

Für eine klassische Hohmann-Transferbahn zu Jupiter kann man die Geschwindigkeit leicht berechnen. Sie beträgt bei einer 150 x 780 Millionen km Bahn 38.428 m/s, also 8.748 m/s mehr als die Kreisbahngeschwindigkeit der Erde in dieser Entfernung. Je nach Position von Erde und Jupiter schwankt das etwas aber mit 9 km/s ist man auf der sicheren Seite. Bei Ionentriebwerken ist es anders. Durch die lange Betriebszeit erhöht sich laufend das Perihel und damit auch die Geschwindigkeit. Wie stark hängt von dem Verhältnis zwischen Betriebsdauer und Umlaufszeit ab. Beim Herausspielen aus einer erdnahen Umlaufbahn ist es wegen der kurzen Umlaufszeit extrem – man benötigt und 7 km/s, also fast die gleiche Geschwindigkeit wie die anfängliche Umlaufsgeschwindigkeit, während es bei einem chemischen Antrieb nur etwa 3,2 km/s sind. In einer Sonnenumlaufbahn ist es schwieriger und hängt auch mit dem Antriebskonzept ab. Ich habe für eine erste Schätzung mit 12 km/s gerechnet. Ist es mehr, so sinkt die Nutzlast ab, bei weniger steigt sei an. Diesselbe Geschwindigkeitsänderung benötigt man nach dem Drehen der Bahnebene durch Jupiter. Bei 24 km/s macht dann auch das Herausspiralen aus dem Ergravitationsfeld mit 7 km/s nicht mehr viel aus und in der ersten Simulation habe ich daher auch in einer 400-km-Erdumlaufbahn begonnen

Vega – Erdumlaufbahn

Der erste Ansatz bestand in einem Start aus einer 400 km hohen Erdumlaufbahn. Eine Vega-C kann sicher 3,2 t in eine solche Erdumlaufbahn befördern. Mit der Stromversorgung nur aus Solarzellen gibt es eine Leistungsbegrenzung: die größten Flügel haben etwa 10 kW Leistung. Von den sechs Seiten eines Quaders sind maximal vier für Solar Arrays nutzbar. Im ersten Ansatz nahm ich drei der Seiten für Solar Arrays von je 10 kW Leistung bei einer Masse von 353 kg. Eine Seite sollte für die Instrumente frei bleiben. Bei den Triebwerken nahm ich RIT-2X, die kommerziellen Ionentriebwerke mit dem höchsten Impuls. Weitere Triebwerke haben zwar höhere spezifische Impulse, aber sind noch nicht ausreichend erprobt bzw., haben einen zu hohen Leistungsbedarf. Ich nahm 7 Triebwerke, etwas mehr als es an Leistung gibt, doch Ionentriebwerke sind regulierbar, was Schub und Leistungsbedarf geht. Von 3,2 t Startgewicht macht der Treibstoff mehr als die Hälfte (1,7 t ) aus. 818 kg bleiben für die Nutzlast. Nach 316 Tagen hat die Sonde die Erde verlassen und wiegt nun nur noch 2.686 kg. Es dauert dann 5 Jahre 262 Tage um eine Bahn zu Jupiter (780 Mill. km) zu erreichen. Das Perihel steigt dabei auf 403 Millionen km. Nach 6 Jahren 285 Tagen ist Jupiter erreicht.

Sojus – Sonnenumlaufbahn

Ich dachte mir das sollte doch schneller gehen. Bei gleichbleibender Leistung – hier bin ja schon am Anschlag, geht das, indem man nicht aus einer Erdumlaufbahn startet. So kann man das Gewicht der Tanks für den Treibstoff einsparen denn man für die erste Etappe benötigt. Weiterhin kann eine Rakete eine Sonde auf leichte Überschussgeschwindigkeit beschleunigen. Eine Sojus 2.1B kann maximal 2,3 t auf Fluchtgeschwindigkeit beschleunigen. Ich bin von 2 t ausgegangen und nun 24 km/s Geschwindigkeitsänderung. Die Nutzlast sinkt nun auf 550 kg. Nun geht es erheblich schneller. Nach 2 Jahren 213 Tagen ist die Bahn erreicht. Jupiter nach 4 Jahren 38 Tagen und die 315 Tage in der Erdumlaufbahn fallen weg. Man spart also über 3 Jahre Missionszeit ein.

Nun kann die Sojus aber eine leichte Überschussgeschwindigkeit erreichen. Bei 2,1 t maximaler Nutzlast (100 kg für den Nutzlastadapter) sind es 11 km²/s², entsprechend 3,3 km/s in einer Sonnenumlaufbahn. Bei 30 km/s Umlaufgeschwindigkeit könnte man also 33,3 oder 26,7 km/s erreichen, das entspricht Transferbahnen zum Mars und der Venus.

Hier mal das Ergebnis im Vergleich:

Option Startbahn [Mill. km] Endbahn [Mill. km] Geschwindigkeitsänderung Dauer Endmasse
Keine Überschussgeschwindigkeit 150 x 150 377, 2 x 780 13.560 m/s 4 Jahre 38 Tage 1.431 kg
+ 3,3 km/s 150 x 242,5 300,9 x 780 8.560 m/s 8 Jahre 28 Tage 1.504 kg
– 3,3 km/s 97,7 x 150 295 x 780 15.190 m/s 8 Jahre 181 Tage 1.375 kg
-3,3 km/s Betrieb bis 154 Mill km. 97,7 x 150 135 x 780 11.280 m/s 4 Jahre 289 Tage 1.514 kg

Wie zu erwarten ist die benötigte Geschwindigkeitsänderung und damit Restmasse abhängig von der Startbahn. Erstaunlich ist aber das beide Optionen (nach Innenn/Außen) mehr Zeit benötigen, weil die Sonden relativ schnell große Sonnendistanzen erreichen, wo sie nur noch langsam beschleunigen und die Umlaufszeit schon hoch ist.

Begrenzung der Betriebsdauer

Das ist optimierbar, indem man die Ionentriebwerke nur bis zu einer bestimmten Entfernung betreibt. Vor allem bei der Option sich der Sonne zu nähern. Die beiden Bilder hier zeigen die Bahnen nach Innen – einmal mit dauerndem Betrieb und einmal nur beim Betrieb bis in 154 Millionen km Distanz. Man sieht das sehr bald eine erste Bahn (132,9 x 327 Mill. Km, Umlaufszeit 1 Jahr 334 Tage) durchlaufen wird, dann aber im zweiten Bahnabschnitt man die Endgeschwindigkeit erreicht. Positiver Nebeneffekt: wenn ich von demselben Tatbestand wie bei Ulysses ausgehe, nämlich das die Bahn gedreht wird, das Perihel aber bleibt, dann hat man ein niedriges Perihel von 124 Millionen km. Das bedeutet nicht nur, die Reise zurück geht schneller, durch das niedrige Perihel kann man auch bei der Rückreise effektiver abbremsen.

Rückkehr

Diese Bahn machte ich zur Ausgangsbahn der Rückkehr. Sie sollte schneller gehen, denn das Gefährt ist nun ja leichter. Das Problem: Arbeiten die Ionentriebwerke dauernd, so senken sie das Perihel stark ab, da bei sieben Triebwerken zumindest eines schon in 2,7-facher Erdentfernung arbeiten kann. So kommt man auf ein Perihel von nur 75 Mill. Km Distanz. Ich habe, da die Sonde nach dem Start 98 Mill. Km Distanz erreichte, als Obergrenze 110 Millionen km für das Perihel gesetzt und wenn man die Triebwerke nur bis 179 Mill. km Entfernung betreibt, kommt man so auf eine 110 x 191 Mill. km Bahn mit einer Periode von 1 Jahr. Das Abbremsen dauert 3 Jahre 131 Tage, davon nur 146 Tage angetrieben. Zusammen ist die Sonde nun über 8 Jahre unterwegs anstatt 5 Jahre wie Ulysses. Nur hatte Ulysses nur zwei Polpassagen in 5 Jahren, diese Sonde zwei in einem Jahr. Die Gesamtgeschwindigkeitsänderung liegt knapp unter 20 km/s, es bleiben noch 123 kg Treibstoff im Tank, was wenn man 23 kg für Lage- und Bahnänderungen reserviert, die reine Nutzlast auf 670 kg ansteigen lässt, und damit in dem Bereich der angestrebt wird.

Optimieren

Man könnte aber auch mit 600 kg Sonde leben und die 70 kg Treibstoff nutzen, um die Bahn zu zirkularisieren. Man kommt so auf eine 108,3 x 148,1 Millionen km Bahn mit einer Periode von 295 Tagen, also noch einige Passagen mehr.

An der Reisezeit drehen kann man, indem man ein viertes Paneel installiert. Das verdeckt natürlich die Instrumente, wenn diese an einer Seite montiert sind, aber man kann es um 90 Grad drehen, wenn die Sonde im Endorbit ist. Da die Sonne nur einen kleinen Durchmesser von etwa 1 Grad hat, können Instrumente an dem dann hochkant stehenden Flügel vorbei schauen, wenn sie weit genug von dessen Achse entfernt sind.

Mit 4 Flügeln sieht die optimale Lösung dann so aus:

  • Start wie vorher nach Innen
  • Betrieb bis 118 Mill. Km → 114 x 780 Mill. km Bahn, 4 Jahre 184 Tage bis Jupiter
  • Die Rückreise dauert weitere 2 Jahre 337 Tage

Unter Verbrauch des gesamten Treibstoffs kann man eine 106,5 x 162 Mill. km Bahn erreichen. Begnügt man sich mit einer 102,3 x 200 Mill. km Bahn (Umlaufszeit etwa 1 Jahr) so bleiben 50 kg Resttreibstoff übrig. Dies könnte die in diesem Falle geringere Nutzlast von nur 528 kg ausgleichen. Die Gesamtmission ist aber mit 7 ½ Jahren kürzer.

Die letzte Möglichkeit die ich untersucht habe ist ein Swing-By an der Venus. Das Perihel liegt ja deutlich innerhalb der Venusbahn. Wenn man das Ionentriebwerk bis zur Venus nicht in Betrieb nimmt, kann die Venus das Aphel auf 234 Millionen km anheben – erst mal keine Verbesserung verglichen, damit das man dies auch erreicht hätte, wenn man direkt nach außen gestartet wäre. Aber nun ist man 109 anstatt 150 Millionen km von der Sonne entfernt kann besser beschleunigen. Tut man dies mit 12 Triebwerken, da man ja auch mehr Leistung hat, nur bis 122 Millionen km Distanz so erreicht man in 4 Jahren 129 Tagen den Jupiter (3 Flügel), das Perihel bleibt bei 110 Millionen km und man muss nur um 5,6 km/s Geschwindigkeit aufbringen. Nach 2 Jahren 250 Tagen ist eine 110 x 190 Mill. Km Bahn mit einer Umlaufszeit von 1 Jahr erreicht, bei komfortablen 228 kg Resttreibstoff, welche die Nutzlast auf 887 kg anheben würden, der beste Wert von allen durchgespielten Optionen. Die Gesamtreisedauer liegt bei knapp über 8 Jahren.

Das geht natürlich nur, wenn alle drei Planeten ideal zueinanderstehen. Allerdings bin ich hier optimistisch. Jupiters Umlaufszeit ist so viel größer als die der beiden anderen Planeten das er sich zwischen einer gemeinsamen Periode von Erde und Venus (584 Tage) wenig bewegt und Ionentriebwerke können leicht die Bahnform anpassen.

Fazit

Ulysses 2 wäre technisch umsetzbar und möglich. Es wäre keine so schwere Sonde wie Solar Orbiter aber doch doppelt so schwer wie Ulysses. Es gibt eine Reihe von Optionen, die die Sonde innerhalb von 8 Jahren in eine elliptische Bahn um die Sonnenpole mit einer Periode von etwa 1 Jahre bringen. Sie wäre dann 2/3 der Zeit jenseits von 30 Grad solarer Breite, das Maximum das Solar Orbiter erreicht. Zwar wäre sie weiter entfernt – etwa 110 bis 114 Mill. Km aber dafür benötigt sie auch keinen besonderen Thermalschutz, sondern nur den, den auch eine Venussonde benötigt..

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