Nach dem Wahlsieg Bidens fragen sich alle, die sich für Raumfahrt interessieren, wie es natürlich hier weitergeht. Es gibt von Biden keinerlei Äußerungen zu dem Thema, nur einen Absatz im Wahlprogramm. Er spricht von dem Fortsetzen internationaler Programme, Fokus auf Klima und Erdforschung und Weiterbetreiben der Programme für bemannte Mond- und Marsmissionen. Artemis wird wohl nicht eingestellt werden, aber sicher nicht die Priorität wie bei Trump genießen – wobei, Priorität war bei ihm ja nie mit einer ausreichenden Finanzierung verbunden. Inzwischen äußern sich auch Politiker skeptisch zu dem Ziel bis 2024 auf dem Mond zu landen, wer sich in der Raumfahrt auskennt hatte schon vorher berechtigte Zweifel, denn dieses Ziel wäre nur erreichbar gewesen, wenn man das Programm entsprechend finanziert hätte, was ja auch unter Trump nicht so erfolgte. Aber auch wenn die Terminplanung überzogen wird – das kennt man ja schon der NASA, eine Streichung steht nicht zur Debatte.
Ein Projekt, das wesentlich weiter ist, wird wohl auch unter Biden weiter verfolgt werden. Die 2018 aus der Taufe gehobene Space Force. Nicht das Weltraumaktivitäten vorher keine Bedeutung für die USA gehabt hätten – das kombinierte Budget von NRO und USAF nur für „Space“ dürfte das der NASA erreichen – aber es war eben bisher keine eigene Waffengattung. Während die Space Force bisher durch Streitigkeiten zu welcher Waffengattung sie gehört und welche Ränge es geben soll, auffiel waren die Ziele beeindruckend. Es geht nicht nur wie bisher um das Starten von Satelliten. Es geht wirklich um Aufgaben, wie sie das Militär hat: Abwenden von Bedrohungen, Schützen eigener Objekte aber auch Ausschalten anderer Satelliten. Trump wollte sogar die zivile ISS miteinbeziehen. Das wird immer bizarrer. Inzwischen reden Offizielle von Patrollien durch das US-Militär jenseits des Mondes. Realistischer ist es Satelliten passiv zu schützen, wie das ESS-Programm, bei dem Satelliten einen EMP-Impuls durch eine Atomwaffenexplosion überleben sollen.
Während einige diese Szenarien utopisch sind, nimmt die Space Force erheblich schneller als Artemis die Fahrt aus. Weniger als zwei Jahre nach Gründung erfolgte dieses Jahr schon der erste Start. Der militärische Teil des Weltraumbahnhofs in Florida wurde inzwischen in Cape Canaveral Space Force Station umbenannt. Allein dieses Jahr erhält sie 15,4 Milliarden Dollar, das wird in den nächsten Jahren mehr werden. Man rechnet nicht damit, das Biden die Space Force wieder in der Versenkung verschwinden lässt.
Zumindest einer hat die Space Force ernst genommen. Trump hat ja einen Handelskrieg gegen China vom Zaun gebrochen und von Biden wird zumindest in der Handelspolitik gegenüber China keine wesentliche Änderung erwartet. Zudem haben sich die Beziehungen zwischen China und den USA unter Trump stark verschlechtert. Trump spricht ja auch immer vom „chinesischen Virus“. China, das sagte ein vom Senat befragter Geheimdienstchef, nimmt die Space Force ernst und unternimmt derzeit Maßnahmen gegen sie. Sie rechnen mit Angriffen auf ihre Satelliten und erarbeiten Möglichkeiten sich gegen diese zu wappnen, wie auch Satelliten der USA zu zerstören.
China hat mit vom Staat unterstützten Firmen in den letzten Jahren eine Reihe von neuen Feststoffraketen entwickelt. Teileweise Neuentwicklungen, teilweise abwandelte militärische Typen. Erst diese Woche hatte die teilprivate Ceres 1 ihren erfolgreichen Jungfernflug. Wenige Tage vorher startete eine Langer Marsch 6 mit 10 Satelliten. Nach dem Geheimdienstchef arbeitet China daran, sowohl ihre Technologie zum Abfangen von Satelliten weiter zu entwickeln und in ein dauernd einsatzbereites System zu überführen wie auch daran Satelliten extrem schnell zu starten, um Verluste rasch zu ersetzen. Schon 2007 schossen sie einen eigenen Sonnenforschungssatelliten ab. Inzwischen erreichte ein Satellitenabfänger eine Rekordhöhe von 30.000 km. Er kann damit auch die Navstar Satelliten angreifen und mit nur wenig Mehrleistung auch den GEO in knapp 36.000 km Höhe erreichen.
China sichert sich auch gegen Angriffe auf seine Startzentren ab. Denn damit könnte die Space Force ja verhindern das man Ersatz bereitstellt. China hat derzeit drei Weltraumzentren und baut ein viertes auf.
Im Juni erfolgte der erste Test eines Starts von einer mobilen Startplattform an Bord eines Schiffs. Eine Langer Marsch 11 startete von einem Schiff aus neun Satelliten gleichzeitig. Ebenso wird an mobilen Startbasen auf dem Festland gearbeitet. Das Schiff für den ersten Start ist noch ein umgebauter Frachter. Doch, in der Endphase ist geplant, sowohl Satelliten wie auch Antisatellitenwaffen auf normalen Schiffen zu stationieren. Sie sollen permanent auf einem Schiff mitfahren, verstaut in Standardcontainern. Erste Schulungen von besonders vertrauenswürdigen Besatzungen sollen schon erfolgen. In einem Container befindet sich ein Kran um die Rakete zusammenzusetzen (sie sind natürlich länger als ein Standardcontainer, in einem Zweiten die Rakete. Der Start selbst kann durch die Besatzung auf dem Schiff erfolgen, sollte, sofern das eigene Netz aber noch funktioniert, durch eine Funkverbindung vom Hauptquartier aus gesteuert werden. Die auf alle Weltmeere verteilten Schiffe sollen sowohl es erlauben Netze schneller wieder aufzubauen, indem es mehr Startbasen gibt und diese auch verteilt sind, somit leichter alle Bahnneigungen und Bahnebenen wieder erreichbar sind. Zum anderen müsste der Gegner so einen viel höheren Aufwand betreiben, um die mobilen Startbasen zu zerstören. Auch für das Abfangen von Satelliten ist ein weltweit verteiltes System von Vorteil, denn erdnahe Satelliten überfliegen einen Punkt auf der Erde nur alle 12 Stunden. Mit einem Schlag so größere Teile der Satellitenflotte der USA auszuschalten, wäre mit Systemen nur auf dem chinesischen Festland unmöglich.
Neben den Tests gibt es auch ein Forschungsprogramm. So wird derzeit daran geforscht ob es Sinn macht das Starlink Netz zu zerstören, und welchen Aufwand und Nutzen das brächte. Aus Chinas Sicht ist Starlink ein teilmilitärisches Netz. Schlussendlich gab es schon, nachdem die ersten Satelliten gestartet wurden, Tests der Nutzung durch das Militär und inzwischen wird Starlink sowohl als militärisches Kommunikationsnetz genutzt wie auch als Alternative zu GPS untersucht. Das grundlegende Problem ist natürlich, das man zwar mit der Zerstörung mehrerer Starlink-Satelliten schnell eine Situation schaffen kann, die zu einer exponentiellen Zerstörung von immer mehr Satelliten führt, dem sogenannten Kessler Effekt. Was eine sich exponentiell verstärkende Zerstörung bedeutet, weiß ja inzwischen durch Corona fast jeder. Doch das würde auch eigene Satelliten betreffen. Wahrscheinlich sucht China in den Computersimulationen nach Möglichkeiten Starlink und US-Satelliten möglichst stark zu schädigen und gleichzeitig ein eigenes Netz aufrecht zuerhalten, z.B. mit sehr erdnahen Satelliten, die nur kurzlebig sind, aber vor Trümmern geschützt sind, weil diese bei einem erdnahen Perigäum rasch wieder verglühen. Wenn diese Satelliten mit Ionentriebwerken arbeiten, wie der europäische Forschungssatellit GOCE könnten sie selbst in erdnahen Umlaufbahnen von 200 km Höhe wochen- bis monatelang aktiv bleiben. Gearbeitet wird an einem militärischen Backup zum Beidou System, dem chinesischen Pendant zu GPS. Es baut auf zahlreichen erdnahen Satelliten, deren Umlaufbahnen bekannt sind. Die eigene Position wird dann durch Triangulation des Funksignals von mindestens drei Satelliten bestimmt. Ein solches System hatten die USA vor GPS in Betrieb: das Transit System. Damals wurden ebenfalls mehrere kleine Satelliten mit einer Scout gestartet, ähnlich wie bei den letzten chinesischen Starts.
Das Resümee des Vortrags war, das China sehr rasch seine eigene Space Force aufbaut und innerhalb weniger Jahre die Fähigkeit haben wird, sowohl alle erdnahen US-Satelliten wie auch das GPS-System zu zerstören und genauso rasch eigene Verluste durch Neustarts ergänzen könnte. Die Startrate chinesischer Träger stieg in den letzten Jahren rapide an. Letztes Jahr waren es 34 Starts, dieses Jahr trotz Corona Pandemie bis zum 1.10, also nach ¾ des Jahres schon 29. Man kann nur hoffen, dass sich die beiden Nationen wieder annähern, was aber wohl eher unwahrscheinlich ist. China setzt repressive Maßnahmen in Hongkong durch, beansprucht immer mehr bisher internationale Gewässer und bauen Korallenriffe zu Inseln aus. Umgekehrt wollen die USA die Importe aus China in die USA herunterfahren, was als Hauptexportmarkt für China wohl kaum die chinesische Führung erfreuen wird.
Wahrscheinlich ist aber auch das mit dem Wahlsieg Bidens die Pläne zurückgestellt werden. In den letzten Jahren hat China etliche Abfangraketen bzw. das Rapid Response Missle Langer Marsch 11 (Chang Zheng 11) getestet. Es sind für 2021 keine weiteren Starts dieser Typen angekündet. Ebenso ist die Langer Marsch 9, eine Schwelastrakete zurückgestellt worden. Die Chang Zheng 9 wird offiziell als Mondrakete verkauft und es gibt in Chinas Langzeitstrategie auch ein bemanntes Mondprogramm. Doch ohne militärischen Nutzen wird China sicher nicht diese Rakete bauen. Sie ist natürlich auch geeignet sehr große Weltraumwaffen zu starten.
Ebenso offen ist aber auch wie biden zu der Space Force steht. Ob sie in dem Maße ausgebaut wird wie dies bei Trump geplant war, oder sich ihre Aufgaben auf die reine Abwehr und die Koordination der Weltraumaktivitäten der unterschiedlichen Teilstreitkräfte beschränken. Viele Beobachter vermuten das letztere, auch weil Weltraum für Biden noch weniger Bedeutung hat als für Trump. Der wollte zwar sich nicht viel engagieren, hat aber immerhin das Artemis Programm auf den Weg gebracht. Das dieses gekippt wird gilt als unwahrscheinlich, sind zwei von drei Elementen für eine Rückkehr zum Mond, nämlich die Orion und die SLS inzwischen einsatzbereit. Derzeit haben die USA mit einer gespaltenen Gesellschaft, hunderttausenden von Coronatoten und einer dadurch egschwächten Wurtschaft aber auch genügend andere Probleme zum Lösen.