Heute erschien eine „Jahreszusammenfassung“ der Starts von SpaceflightNow. Für mich war das Anlass wie jedes Jahr mein Programm Launchlog laufen zu lassen und eine komplette Jahresübersicht zu erstellen. Da ich einige neue Träger hatte deren Kategorisierung ich noch ergänzen musste schaute ich mir die Ausgaben genauer an und siehe da, in meiner 2020 Seite sieht es anders aus. Schon die Schlagzeile „“U.S. companies, led by SpaceX, launched more than any other country in 2020“ kann ich nicht teilen. Bei mir kommen die USA auf 37 Starts, China dagegen auf 39.
Okay, habe ich etwas falsch gemacht. Also zu einer unabhängigen Seite gehen, dem SpaceLaunchReport und siehe da, dort sind es sogar nur 35 Starts. Ich vermute man hat dort die beiden Starts der Astra nicht hinzugezählt, da sie und LauncherOne die einzigen neuen US-Typen sind. Da LauncherOne nur einen Start hatte, muss es die AstraRocket sein. In jedem Falle sind es weniger als China.
Wie kommt SpaceFlightNow nun zu dem Schluss. Ganz einfach, man sucht sich das Kriterium was ein Start der USA ist, selbst aus. Und siehe da, da steht im Text:
Rocket Lab, builder of the light-class Electron rocket family, conducted seven missions last year, with one failure. The company is headquartered in Long Beach, California, and builds engines and other components in the United States, but assembles and launches its rockets in New Zealand.
Electron rockets are set to begin flying from a new launch pad in Virginia this year. Because of Rocket Lab’s U.S. headquarters, its launch statistics are counted under the column of U.S. Companies.“
Aha, es zählt also der Firmensitz. Ich und Ed Kyle haben diese Starts Neuseeland als dem Ort, wo die Raketen entwickelt und gebaut werden und auch gestartet werden zugeordnet. Würde man das Kriterium von SpaceFlightNow auf andere Dinge übernehmen, dann hätte Luxemburg eine beeindruckende Satellitenflotte: SES betreibt 51 geostationäre Satelliten und hat ihren Firmensitz in Luxemburg. Das Kriterium ist also ziemlich blödsinnig. Würde man es auf andere wirtschaftliche Aktivitäten ausdehnen, ich bin mir sicher, dann würden die britischen Jungferninseln und Bermudas in den G7 Club aufgenommen werden.
Das zeigt erneut wie vorsichtig man bei Nachrichten sein muss. Bei den Wutbürgern, Coronaleugnern und Verschwördungstheoretikern wird ja immer gesagt die informieren sich aus dubiosen Quellen oder Facebook-Gruppen. Aber SpaceNews ist ja ein offizielles Nachrichtenmagazin. Ebenso bauen Nachrichten bei uns immer mehr Mist. Als die erste regulare Crew mit der Dragon im Oktober zur ISS aufbrach meldete ZDF Heute und der SWR, das wäre der erste Start von US-Astronauten von den USA aus seit 2011. War es aber nicht, es gab ja schon vorher den Demonstrationsflug früher dieses Jahr. Es war nur der erste reguläre Crew-Flug. Das ist schon ein Unterschied.
Gerade bei den US-Portalen muss man meiner Erfahrung nach sehr vorsichtig sein, weil sie nicht unabhängig sind. Wenn eine russische Nachrichtenagentur über russische Flüge berichtet, nimmt man nicht an, das dies unabhängig ist, doch die USA sollen ja eine freie Mediengesellschaft haben. Meiner Erfahrung nach ist dem nicht so. Wie das Beispiel zeigt, wird subjektiv eingeordnet, damit das eigene Land besser da steht und noch schlimmer, wenn Nachrichten in nicht in die eigene Vorstellung passen, dann werden sie weggelassen. Vor einigen Jahren gab es ebenfalls zu Jahresanfang eine Meldung, dass US-Firmen mehr kommerzielle Aufträge im abgelaufenen Jahr bekamen als andere Nationen. Neben der zweifelhaften Statistik (dort wurden Starts im Rahmen von CRS dazugezählt, die sind aber gar nicht frei ausgeschrieben, also nach dem allgemein akzeptierten Kriterium „kommerziell = frei ausgeschrieben“ keine kommerziellen Starts) fällt auf das dies das einzige Mal war, das eine solche Meldung zu Jahresanfang erschien. Das war in einem Jahr der Fall, in den folgenden nicht mehr und seitdem gibt es diese Meldung nicht mehr. Eigentlich sollten die US Portale die so wohlklingende Nahmen wie „Space.com“, „SpaceDaily.com“, „SpaceNews.com“ ja gemäß ihren Titel über die gesamte Raumfahrt berichten. Tun sie auch, nur eben nicht neutral. Bei einem US-Start gibt es erheblich mehr Berichterstattung inklusive Preview-Storys als bei einem nicht US-Start. Und es werden eben Statistiken geschönt oder nicht passende Nachrichten gar nicht erst veröffentlicht. Also Augen Auf und Gehirn an beim Medienkonsum.
Noch eine kleine Ergänzung: In wie weit sich die Coronakrise auf die Starts auswirkte zeigen folgende beiden Grafiken der Aufteilung der Starts auf die Monate für 2019 und 2020:
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