Siderische und synodische Perioden
Ich habe in den letzten Tagen einige Mails mit jemanden ausgetauscht, dehn man wohl zum Umfeld der Verschwörungstheoretiker zählen muss. Diesmal ging es zwar um den Mond, aber nicht um die Mondlandung, sondern einem viel weiterreichenden Phänomen: Alle Astronomen liegen seiner Ansicht nach, seit Jahrhunderten falsch und alle Entfernungen, die publiziert werden, stimmen nicht! Als Beweis gilt ein Buch eines Tischlermeisters.
Ich habe ihm das versucht kurz zu erklären und anders als die Moon Hoaxer, die ich bisher kannte, scheint er auch bedingt lernbereit zu sein, auch wenn er wie alle Moon Hoaxer meint, das ihm wildfremde Personen ihm etwas erklären sollen, was er selber nicht verstanden hat und wofür er nicht die Geduld hat, es sich anzueignen.
Aber das Thema ist interessant. Es geht um zwei unterschiedliche Perioden, die wir bei jedem Himmelskörper beobachten können. Am deutlichsten und am einfachsten zu beobachten ist der Unterschied beim Mond. Daher nehme ich ihn als Beispiel.
Der Mond entstand nach der gängigen Theorie aus dem Zusammenstoß der Erde mit einem weiteren Protoplaneten. Dabei wurden Teile der beiden Planeten ins All geschleudert, formierten sich in der Umlaufbahn zum Mond. Der Mond entstand nahe der Erde und wurde durch die Gravitationskraft zu einer gebunden Rotation gebracht. Bei einer gebundenen Rotation ist die Dauer der Drehung um die eigene Achse gleich der Periode die der Himmelskörper benötigt, um den Planeten zu umkreisen. Sie kommt dadurch zustande, dass die Gravitation dem planetenzugewandten Teil größer ist, als dem abgewandten und so jede Rotation gegen diesen Gradienten kämpfen muss und verlangsamt wird.
Das Phänomen ist nicht unbekannt. Alle Monde die einen Planeten nahe umkreisen rotieren gebunden. Selbst die größten Monde im Sonnensystem, Ganymed und Titan. Pluto und Charon sind sich so nahe und in der Masse so ähnlich das auch Pluto gebunden rotiert. Bei Pluto und Charon sind Rotationsdauer beider Körper und gemeinsame Umlaufszeit um einen gemeinsamen Schwerepunkt identisch. Bei Merkur hat die Sonne den Planeten zu einer 2/3 Periode gebracht, bei der Ähnliches wie bei der gebunden Rotation gilt.
Die Energie geht übrigens nicht verloren – in der Rotation steckt ja Energie wie jeder weiß, der mal einen rotierenden Kreisel gestoppt hat. Gemäß dem Energieerhaltungssatz – genauer: Des Drehimpulserhaltungssatzes, muss die Rotationsenergie, die in Erde und Mond steckt, konstant bleiben. Verlangsamt sich die Rotation, gemessen in der Periode für eine Umdrehung, so muss als Ausgleich der Körper vom Planeten wegrücken, denn im Gesamtsystem gibt es als Impuls auch die Kraft, die der Körper hat, wenn er den Planeten umrundet und die nimmt mit steigender Entfernung zu. Auch das kann jeder mit einem Ball an einem Seil nachprüfen. Als der Mond entstand, so vermuten Astronomen, hatte die Erde noch eine Rotationsperiode von 6 bis 12 Stunden und er war damals viel näher der Erde. Die Zunahme der Tageslänge ist auch für die letzten einigen Hundertmillionen Jahre an Wachstumslinien von fossilen Korallen, die Tages- und Jahresringe bilden nachvollziehbar. Vor 310 Millionen Jahren war der Tag z.B. nur 20 Stunden lang.
Nach der Einleitung nun zum eigentlichen Phänomen. Die Entfernung des Mondes zur Erde ist bestimmbar, das ging schon vor der heute verfügbaren genauen Bestimmung mittels Laser oder RADAR. Eine kleine Geschichte findet man hier. Die mittlere Entfernung des Mondes von der Erde sowie die Extreme (die Umlaufbahn ist nicht kreisförmig, sondern leicht elliptisch) waren schon vor der Raumfahrt genau bekannt. Ich habe zum Spaß mal in meinem ältesten Buch nachgeschaut, „Schlag nach!“ aus dem Jahre 1938, dort steht sie mit 384.400 km. Korrekt sind 384.403 km, aber alle Angaben in dem Buch sind auf 100 km gerundet. Selbst wenn es 3 km weniger wären, so wäre das ein Messfehler von gerade mal 1/100.000. Nun behauptet er bzw. das Buch des Tischlermeisters das wäre falsch, denn die Dauer eines Monats beträgt ja nicht 27,33 Tage, die Umlaufdauer, die der Mond hat, sondern 29,5 Tage, die Dauer zwischen zwei Perioden von Neumond zu Neumond. Diese Differenz gibt es bei allen Himmelskörpern und die beiden Perioden haben daher auch einen Namen: siderische und synodische Periode. Sie kommen daher, dass wir alles von der Erde aus beobachten, nicht von außen, wie man das bei der Ermittlung von Perioden eigentlich korrekt tun müsste.
Die Differenz kommt daher, das die Beobachtung nicht aus einem ruhenden Bezugssystem aus möglich ist, sondern sich die Erde sich im Raum bewegt:
- Die Erde rotiert einmal in einem Tag um ihre eigene Achse.
- Der Mond rotiert in 27,3 Tagen einmal um die Erde.
- Die Erde dreht sich in einem Jahr einmal um die Sonne.
- Nicht zuletzt bewegt sich auch die Sonne mit 200 km/s durchs All und umrundet die Milchstraße in so ungefähr 150 Millionen Jahren.
- Dasselbe tun auch die anderen Sterne.
Wenn sich alles bewegt ist es schwer, eine Periode herauszufinden. Aber es gibt etwas, was relativ fest ist und deswegen auch Fixsternhimmel heißt. Die Sterne bewegen sich auch, aufgrund der großen Distanzen zwischen ihnen und uns, ist die relative Bewegung in Form einer Positionsänderung so klein, dass man sie nur mit ausgeklügelten Instrumenten bei den nächsten Sternen messbar ist. Bei Sternen, die über 1000 Lichtjahre entfernt sind, können nicht mal Satelliten die Bewegung mehr feststellen. Man kann die Sterne also über menschliche Zeiträume als „fest“ ansehen.
Doch schon die Sterne bewegen sich scheinbar. Man sieht im Sommer andere Sterne als im Winter. Frühere Kulturen nutzen das als Kalender. Auf der Himmelsscheibe von Lebra findet man die Plejaden, ein Wintersternbild, wie der Orion. Der Sirius als hellster Stern wurde von den Ägyptern genutzt um den Beginn der Nilflut vorherzusagen. Die Ägypter waren dabei relativ gut. Sie hatten schon lange vor anderen ein Jahr basierend auf der Sonne, nicht dem Mond. Selbst die sonst technisch so begabten und praktisch denkenden Römer hatten bis Julius Cäsar Ägypten besetzte einen Mondkalender. Julius Cäsar führte den heutigen Kalender ein, er erweiterte ihn um zwei Monate (September bis Dezember waren mal, wie die lateinischen Wörter für sieben bis zehn in den Monatsnamen verraten, mal die siebten bis zehnten Monate). Dafür hat er sich dann auch gleich im neuen Monat Juli verewigt. Augustus hat dann einige Jahrzehnte später noch den Schalttag eingeführt und sich als Verdienst für diese Reform auch einen Monatsnamen gegönnt.
Die Rotation der Sterne entsteht durch die Umdrehung der Erde um die Sonne und ist de erste Hinweis auf das Problem: Wir beobachten alles aus einem rotierenden Bezugssystem, und zwar einem, das gleich zwei Rotationen durchführt, einem um die eigene Achse und eine um die Sonne.
Als siderische Periode bezeichnet man die Periode eines Himmelskörpers bezogen auf den Fixsternhimmel – das dieser einmal pro Jahr rotiert ignoriert man – sie ist bei Planeten leicht beobachtbar, beim Mond schwerer, weil er viel heller ist und die Sterne in seiner Umgebung überstrahlt, heute wäre das aber mit einer Kamera, bei der dann der Mond überbelichtet ist, kein Problem. Wenn der Email-Schreiber das macht, wird er feststellen, dass der Mond nach 27,33 Tagen wieder vor denselben Sternen steht, er hat bezogen auf diesen festen Bezugspunkt genau eine Umdrehung vollführt. Das entspricht seiner Rotationsdauer im Orbit. Was er aber auch feststellen wird, ist das dieser Punkt nicht an derselben Position am Himmel ist, denn die Fixsterne umkreisen die Erde ja auch in einem Jahr und in 27 Tagen haben sie sich etwa um 1/13 eines Umlaufs weiter bewegt. Noch bedeutender ist, dass der Mond eine andere Phase zeigt. Die Phase, die er zeigt, hat aber nichts mit der Rotation bezogen auf die Sterne zu tun, sondern der Position relativ zur Lichtquelle, und das ist die Sonne. In den 27 Tagen hat sich die Erde auch um 1/13 des Jahres gegenüber der Sonne bewegt. Die beleuchtete Phase repräsentiert den Winkel zwischen Sonne-Erde und Sonne-Mond. Ist er 0 oder 180 Grad, so steht der Mond in einer Linie mit der Verbindung Erde-Sonne, also entweder Sonne-Erde-Mond oder Mond-Erde-Sonne. Es ist Vollmond oder Neumond. Bei 90 Grad ist es entsprechend Halbmond. In den 27 Tagen hat sich die Erde aber um die Sonne bewegt und eine direkte Linie Sonne-Erde-Mond (Vollmond) ist nun keine direkte Linie mehr. Der Mond hinkt hinterher, denn er muss die Bewegung der Erde um die Sonne aufholen, die ja 27 Tage Vorsprung hat. Da der Mond schneller die Erde umkreist, als die Erde die Sonne, geht das fix, er braucht nur 2,2 Tage dafür. Das ist die synodische Periode. Es ist die relative Periode, bei der bezogen auf die Sonne die Himmelskörper die gleiche Position haben. Im Falle des Mondes ist es der Zyklus zwischen zwei vollen Phasen also z.B. von Neumond zu Neumond. Nur steht da der Mond immer vor anderen Sternen, wie man leicht nachprüfen kann. Die 29,5 Tage sind die synodische Periode des Mondes,
Synodische Perioden haben auch die Planeten. Hier sind es die Zeiträume, in denen sich besondere Stellungen der Planeten zueinander wiederholen, z.B. eine Opposition oder Konjunktion, früher für Beobachtungen wichtig, heute für Raumsondenmissionen, denn auch Startfenster wiederholen sich im selben Zeitraum. Die synodische Periode ist leicht berechenbar nach
1/synodische Periode = 1/Umlaufszeit 1 – 1/Umlaufszeit 2
Also z.B. für den Mars:
1/synodische Periode = 1/365 – 1/689
Man erhält für die synodische Periode 776 Tage.
Ich wollte den Schreiber nicht beunruhigen, aber es gibt auf anderen Planeten noch größere Differenzen. Auf dem Mars hat der eine Marsmond Phobos eine kürzere Rotationsperiode als der Mars und der zweite Marsmond, Deimos eine leicht aber nur leicht längere. Das führt zu seltsamen Phänomenen. Wir sind gewohnt das die Sonne, Sterne und Mond alle im Osten aufgeht, in die Richtung in der die Erde rotiert (wenn der Nordpol in der Betrachtung oben ist). Das ist so, weil die 24 Stunden der Rotationsperiode der Erde kürzer sind als alle diese Perioden. Phobos braucht keine 10 Stunden um den Mars zu umrunden. Das ist kürzer als die Rotationsperiode von 24,7 Stunden, er „überholt“ so den Mars bezogen auf die Sonne. Phobos geht im Westen auf. So vergehen zwischen zwei Mondaufgängen 11 Stunden und 6 Minuten. Zwischen Mondaufgang und -Untergang dagegen nur 4 Stunden und 18 Minuten, weil er dann auf der Seite der Bahn ist, in der er in die gleiche Richtung wie der Mars rotiert. Deimos hat eine Rotationsperiode von 30 Stunden, etwas länger als ein Marstag. So bleibt er 2,7 Tage am Himmel sichtbar (am Tag und Nacht) und ist dann 2,7 Tage unsichtbar. Mich würde nun interessieren, was mein Email Schreiber dazu sagt, da er ja von den Perioden auf die komplette Falschheit aller Entfernungsangaben schließt. Wenn die Periode wie bei Phobos zwischen Tagseite und Nachtseite unterschiedlich lang ist, folgt daraus eine andere Entfernung, der Mond macht also mit Monduntergang einen Sprung? Und wie ist es, wenn ein Mond wie Deimos 2,7 Tage lang unsichtbar ist, obwohl er doch den Mars in 30 Stunden umrundet? Da sollte er doch nach 30 Stunden wieder auftauchen …
Alles erklärbar denn nach der obigen Formel werden die synodischen Perioden um so länger, je mehr sich die beiden Perioden annähern. Der Extremfall ist der stationäre Orbit, technisch genutzt von einem geostationären Satelliten. Er bewegt sich dann gar nicht mehr über den Himmel, ist von einer Seite der Erde gar nicht mehr sichtbar und von der anderen Seite dauernd.
Wenn das übrigens einem Planeten passiert, solche Fälle kennt man bei Exoplaneten, dann ist eine Seite des Planeten dauernd der Sonne zugewandt, die andere permanent abgewandt. Die Folge ist das sich die eine Seite sehr stark aufheizt, und die andere Seite sehr stark abkühlt. Bei einer Atmosphäre kann es noch einen Wärmeaustausch geben, wobei wegen des hohen Temperaturunterschieds dann sehr hohe Windgeschwindigkeiten herrschen, ohne Atmosphäre wird, Wärme nur durch Wärmeleitung transferiert und das geht schlecht. So kann eine Seite glühend heiß und die andere eisig kalt sein.
Hallo Bernd,
Du hast auch das Schlag Nach von 1938, wie ich.
Eine Frage, meine Vorfahren haben das Buch „entnazifiziert“ und ca. 100 Seiten bei den Ordenbeschreibungen rausgeschnitten.
Ist Dein Buch komplett?
Ralf mit Z
Ja
Es gibt es aber auch antiquarisch komplett zu kaufen.
Zum Kauf konnte ich mich noch nicht durchringen. Mit meinem Buch lernte ich das Fraktur-Lesen.
Dafür habe ich noch die Ausgabe von 1969 und 1974!
Was ich bemerkenswert finde ist, dass die Herleitung der Entfernung aus der Umlaufdauer ja nicht ganz trivial ist. Dazu nutzt man doch normalerweise das Gravitationsgesetzt.
Diesen Schritt scheint der anonyme Schreiber (und wohl auch der erwähnte Tischler) ja noch bedenkenlos zu akzeptieren, aber der nächste Schritt mit dem Rotationssystem ist dann eine Verschwörung?
Beim Mond geht es noch ohne Gravitationsgesetz. Die Entfernung hat man schon früher alleine mit Trigonometrie genau festgestellt.
Ja, aber wenn man die Entfernung auf diese Weise berechnet, gibt es an dem Ergebnis ja eigentlich nicht viel zu rütteln und es ist unabhängig von der Umlaufzeit.
Ich dachte das Problem wäre, dass man mit einem Monat als Umlaufzeit einen größeren Mondabstand errechnet als mit dem realen, siderischen Wert?
Also wie er es sich denkt, hat er selbst nicht verraten. Er schrieb mich an weil ich die Laserreflektoren als Beweis der Mondlandung anführte und mit denen ermittelt man ja auch den Mondabstand (es ginge auch mit Radar, das funktioniert sogar noch bei der Venus).
Ich glaube eher denkt umgekehrt: wenn der Mond 29,5 anstatt 27,3 Tage für einen Umlauf braucht muss er weiter entfernt sein, also können die Distanzmessungen nicht stimmen. Nebenbei (auch nicht überdacht) muss er größer und massereicher sein, denn die Größe von der Erde aus gesehen ändert sich ja nicht.
Bei 29,5 Tagen Umlaufszeit wäre der Mond im Mittel 396.908 km entfernt, also 3,25 % weiter, damit 3,25 % größer und 10 % schwerer.
Was wird in Zukunft mit dem Mond passieren?
Aktuell entfernt er sch 3,8cm/Jahr von der Erde
Die Rotationsenerie der Erde überträgt sich auf den Mond.
Möglichkeit 1: Es gibt ein Endzustand, der Mond und Erde haben die gleiche Drehzahl
Möglihckeit 2: Der Mondorbit entfernt sich so weit, bis der Mond im L2 der Erde hängen bleibt.
Möglichkeit 3: Der Mond wird von der Sonne aus dem Erdorbit gezogen
Bekannt sind
Mondentfernung
die Massen von Mond und Erde
die aktuellen Geschwindigkeiten.
Es gibt aber viele veränderliche Größen.
Durch die Abbremsung der Erde nimmt die Anzahl der Flut/Ebbe Zyklen pro Jahr immer weiter ab.
Durch die größerwerdende Entfernung nimmt die Stärke der Gezeiten ab.
Gravitationseinfluss der Sonne auf immer größer werdenden Orbit erhöht sich.
Wahrscheinlich ist das Ergebnis egal da die Sonne vorher zum Roten Riesen wird.
Aber die Antwortwürde mich interessieren.