Bernd Leitenbergers Blog

Die Rückkehr der Schiffsgeschütze

Mit Schiffen, und ihrer Artillerie hat man schon immer Politik gemacht. Auf Schiffen konnte man viel schwerere Kanonen mit viel größerem Kaliber installieren als an Land. Sie reichten weiter und verursachten mehr Schaden als die Artillerie an Land.

Im 19-ten Jahrhundert zwangen Staaten Europas un die USA mit Schiffen und ihren Waffensystemen die Öffnung asiatisher Staaten wie China und Japan oder annektierten Gebiete wie Kuba und Panama. Dies bekam sogar einen eigenen Begriff: Kanonenbootpolitik.

Die modernen Schlachtschiffe übernahmen den Entwurf der HMS Dreadnought von 1906, welche die Artillerie vereinheitlichte und auf wenige Kanonen mit großem Kaliber setzte, anstatt sehr vieler kleiner Kanonen wie bei den vorherigen Linienschiffen. Es begann ein Wettlauf zwischen dem Kaiserreich und der britischen Marine, jedoch konnte man nie zur britischen Marine aufschließen. Politik machte die englische Marine dann im Ersten Weltkrieg, indem sie erfolgreich eine Sperre etablierte, die die Einführung von Gütern nach Deutschland verhinderte und nicht nur die Kriegswirtschaft schädigte, sondern auch zu einer Hungersnot führte.

Die einzige große Seeschlacht zwischen England und Deutschland am Skagarrak endete entschieden, in dem Sinne, dass keine Nation wirklicher Sieger war, auch wenn die Briten mehr Schiffe verloren, gelang es nicht die britische Marine entscheidend zu schwächen.

So bauten die meisten Nationen auch nach dem Ersten Weltkrieg immer mehr und immer größere Schlachtschiffe. Als kleinere Klassen etablierten sich der Kreuzer für den Handelskrieg und der Zerstörer für die Abwehr der neuen Bedrohung durch U-Boote und Torpedoboote. Gleichzeitig wurde das Kaliber immer größer. Die Dreadnought hatte Geschütze mit dem Kaliber 30,5 cm, das stieg bis zum zweiten Weltkrieg auf 40,6 cm an. Japan baute sogar zwei Schlachtschiffe mit Kaliber 45,6 cm. Die 50 % mehr Durchmessr klingen nach wenig, doch da sowohl Kanonengewicht wie auch Granatengewicht und damit der mitgeführte Sprengstoff in der dritten Potenz zum Durchmesser ansteigen, bedeuten 50 % mehr Durchmesser 237,5 % Mehrgewicht.

Der Überfall auf Pearl Harbor aber auch schon früher die Versenkung der Bismarck, die nach einem Torpdeotreffer eine Swordfish-Bombers manövrierunfähig war, zeigten aber das Schlachtschiffe einer neuen Bedrohung ausgesetzt waren, den Flugzeugen. Gegen sie half auch die massive Aufstockung der Flugabwehr nicht wirklich.

Im Zweiten Weltkrieg waren große Schlachten zwischen Großschiffen die Ausnahme, auch wenn es sie gab. Die meisten Großschiffe der westlichen Länder wurden mehr zur Feuerunterstützung bei Landungen eingesetzt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand das Schlachtschiff folgerichtig aus der Marine. Die Erfahrung zeigte, dass es zu verwundbar war und es war teuer. Neue Schiffe waren dann maximal in der Größe von Kreuzern, später verrichteten die meisten Marinen auch auf diesen Schiffstyp und bei ihnen sind, so auch bei der Bundesmarine Zerstörer die größten Schiffe. Inzwischen hat die Bundesmarine auch keine Zerstörer mehr und Fregatten sind die größten Schiffe – sie haben aber mehr Wasserverdrängung als ein leichter Kreuzer der Leipzig Klasse im zweiten Weltkrieg und mehr als doppelt so viel wie ein Zerstörer des Zweiten Weltkriegs.

Die Geschütze der Schiffe wurden immer kleiner und entfielen bei den neusten Schiffen sogar ganz. Stattdessen setzte man auf Raketen zur Abwehr von Flugzeugen und auch anderen Raketen – der Falklandkrieg, in dem die technisch weit unterlegene argentinische Marine einige moderne englische Schiffe mit von Frankreich gelieferten Exocet Raketen versenken konnte, zeigte, wie gefährlich diese Waffen waren, zumal sie ein Flugzeug in sicherer Entfernung abfeuern und dann abdrehen konnte.

Nun scheint sich wieder ein Paradigmenwechsel zu etablieren. Die Bundeswehr hat schon beschlossen, die Kanonen im Kalber 127 mm wiedereinzuführen. Gegenüber den alten Kanonen, die zuletzt die 1969/70 indienst gestellten Zerstörer der Lutjensklasse hatten, haben diese hat ein längeres Rohr, ist leichter und eine viel größere v0. Sind die silbrigen 127 mm Kanonen auf eine Kampfentfernung von 15 km ausgelegt, so erreichen die neuen 127 mm/LW dank einer Mündungsgeschwindigkeit von 1200 m/s eine Reichweite von 50 km. Mit unterkalibriger Munition werden 70 bis 100 km erreicht. Geplant ist allerdings nur die Umrüstung der größten Fregatten der Brandenburgklasse.

Weiter wird die US-Marine gehen. Alle größeren Schiffe mit Ausnahme der Flugzeugträger werden umgerüstet und erhalten entweder neue Geschütze, oder der Typ wird verändert. Das Ganze verdanken wir Donald Trump. Der wollte in seiner Amtszeit mehrfach Angriffe gegen Syrien, den Iran, Nordkorea starten. Er konnte durch seine Berater immer überzeugt werden dies nicht zu tun. Was bei Trump als überzeugendes Argument zog, waren aber nicht die politischen Folgen, sondern die Auswirkungen auf seine Popularität, wenn bei einem Einsatz Amerikaner ums Leben kommen. Hat er dies doch bei Bush und Obama beobachtet und nicht zuletzt deswegen auch die Truppenstärke in Afghanistan reduziert. Natürlich gibt es auch andere Mittel. Gegen kleine Ziele können Drohnen eingesetzt werden, gegen größere Cruise Missles. Letztere sind auch vom Schiff aus startbar. Drohnen nicht und sie sind zudem sehr verwundbar und können praktisch nur in einem Land ohne Luftabwehr eingesetzt werden. Gegen Cruise Missles sprachen die Kosten, die bei einem kleinen Schlag noch vertretbar sind, nicht jedoch bei den größeren Operationen, die Trump vorschwebten.

Die Lösung des US-Militärs war die Wiedereinführung von Geschützen, auch basierend auf der Erfahrung von Geschützen mit Reichweitensteigerung der M109 Haubitze bei der US-Army und den neuen schon angesprochenen 127 mm Kanonen, die schon seit 2003 in der italienischen Marine eingesetzt werden.

Die ganz großen Kaliber werden nicht wieder kommen, aber für größere Schiffe ab 4.000 BRT Wasserverdrängung werden ein bis zwei Türme mit 155 mm Geschützen installiert werden. 155 mm ist das Standardkaliber bei der landgestützten Artillerie der NATO, die heute vor allem aus Selbstfahrlafetten besteht wie der amerikanischen M109 und deutschen Panzerhaubitze 2000. Mit längeren Kanonenrohren kommt dieses Kaliber schon heute bei normaler Munition auf eine Reichweite von 50 km. Auch hier werden zur Reichweitensteigerung unterkalibrige Geschosse verwendet, die durch das geringere Gewicht eine größere v0 haben und 100 km weit fliegen. Noch mehr Reichweite erhält man durch einen integrierten Raketenantrieb, der sie dann auf bis zu 200 km steigert. Derartige Munition ist dann auch gelenkt, sprich sie kann die Geschossbahn aktiv beeinflussen das geschieht durch Finnen, kleine Steuerflossen, die nach dem Start ausgeklappt werden. Zwei Typen sind in der Entwicklung. Die eine mit einer Laserlenkung um bewegliche Ziele zu bekämpfen, die zweite Munition mit GPS-Ortsbestimmung, um unbewegliche Ziele zu bekämpfen.

Die kleineren Schiffe (unter 4.000 BRT) erhalten die Rheinmetall 120 mm erhalten, die Rheinmetall 120 mm Glattrohrkanone die auch im US-Panzer Abrahams und deutschen Leopard 2 eingesetzt wird. Das glatte Rohr lässt eine höhere Mündungsgeschwindigkeit zu und damit steigt die Reichweite. Auch diese Kanone hat bei normaler Munition eine Mündungsgeschwindigkeit von 1140 m/s, was 45 km Reichweite entspricht. Mit speziellen Wuchtgeschossen werden 1640 bis 1750 m/s erreicht und eine Reichweite über 100 km. Auch für dieses Kaliber wird derzeit lasergelenkte und GPS-gelenkte Munition entwickelt, die dann auch in den Panzern eingesetzt werden könnte, die dann die Artillerie ergänzen könnten.

Derartige Munition ist zwar deutlich teurer als konventionelle, kostete aber nur einen Bruchteil von Lenkwaffen wie Cruise Missles aber auch Raketen. Neben der Reichweitensteigerung ist ein Vorteil das bei gelenkten Waffen die Treffgenauigkeit steigt: von 20 m sinkt die mittlere Abweichung vom Ziel auf 3 m. Das ist neben der Reichweite, die es erlaubt auch Ziele weit im Landesinnen außerhalb der nationalen Gewässer zu bekämpfen, der Hauptvorteil, denn da bei unterkalibrigen Geschossen das Geschoss viel leichter ist, hat es auch weniger Sprengkraf., Es reicht dann eben nicht ein Zeil (fast) zu treffen, eben mit 20 m Abweichung. Die Druckwelle und Splitterwirkung macht einem gepanzerten Fahrzeug oder Bunker dann nicht aus um „zerstörende Wirkung“ hervorzurufen.

Die derzeitige Umrüstung mit schon existierenden Waffensystemen ist das eine, offen ist, ob der nächste Schritt bei der Biden Regierung noch Bestand hat. Um von See aus auch tief im Landesinneren gelegene Zeile zu treffen, hat das DoD unter Trump die Entwicklung von 21 cm Geschützen gestartet. Dieses Kaliber hatten schwere Kreuzer im Zweiten Weltkrieg, so die deutsche Prinz Eugen. Nach einer Studie ist das Gewicht für einen Turm mit einem, bei den Kreuzern auch mit zwei Geschützen, kompatibel mit den maximalen Lasten, für die die Decks ausgelegt sind. Der Vorteil liegt auf der Hand:

Pläne, mit der „intelligenten“ Munition auch anfliegende Raketen und Flugzeuge zu bekämpfen, wurden allerdings inzwischen begraben. Dafür scheinen offensichtlich Geschütze, bei denen man die Projektile nach dem Verlassen des Rohrs nicht mehr groß in der Richtung beeinflussen kann, kaum geeignet. Lediglich auf geringe Distanz wären die Geschütze effektiv, doch dann müssten sie auf eine schnelle Schussfolge ausgelegt sein, auf die sie anders als bestehende Geschütze der 76 und 127 mm Klasse nicht sind. Stattdessen arbeitet das DoD seit Jahren an einem Lasersystem, das diese Aufgabe übernehmen soll – sowohl für die Army wie die Navy. Das Lasersystem funktioniert bei Tests auch gut. Das Hauptproblem ist es das zwischen zwei Schüssen zu viel Zeit vergeht, die Energie für den nächsten Impuls bereitzustellen. Die Navy hat die Entwicklung nach Einführung eines Systems 2014 wider eingestellt, will die Entwicklung nun aber erneut aufnehmen. Immerhin scheint das Lasersystem eher umsetzbar als die Railgun, die ebenfalls erprobt wurde und noch mehr Energie für ein Projektil benötigt. China entwickelt diese Technologie aber weiter und hat einen Raketenzerstörer damit ausgerüstet.

Die Umrüstung der Schiffe ist nicht unumstritten. Sowohl verschiedene Non-Government Organisationen wie auch Teil der US-Medien sehen die große Gefahr, dass dann eine neue Kanonenbootpolitik Einzug hält, sprich Schiffe außerhalb der 12 Meilenzone militärische aber auch zivile Zeile im Landesinneren bombardieren, anstatt das bei Konflikten politische Lösungen gesucht werden. So soll Trump mehrfach gefordert haben Anlagen im Iran und Nordkorea zu bombardieren die im Verdacht stehen Uran anzureichern.

Umgekehrt gibt es schon Vorschläge anstatt einem Projektil eine kleine Rakete zu starten. Ein 21 cm Geschütz könnte ein 30 kg schwere Rakete auf eine Gipfelhöhe von 160 km befördern, mit ihrem eigenen Antrieb könnte diese einen 2 kg schweren Cubesat in eine 250 km hohe Bahn befördern. Ob dieser den Abschuss aber überlebt ist offen, immerhin die Elektronik in den derzeitigen „intelligenten“ Geschossen tut es.

Die mobile Version verlassen