Dinge, bei denen ich den Nutzen nicht verstehe
Ich bin treuer Leser der Computerzeitschrift ct‘. Sporadisch seit der zweiten Ausgabe 1983, als Abonnement seit 1995. In den letzten Jahren lese ich immer weniger drin, das hat vielerlei Gründe. Einer der Wichtigsten ist, das vieles was dort besprochen oder getastet wird mich nicht mehr tangiert. Lag früher das Hauptaugenmerk des Titels auf „Computer“, so ist es heute mehr „Technik“. (ct steht für Computer & Technik). Es werden Kopfhörer für Hunderte Euro besprochen, vor allem aber zahlreiche Geräte die man in den Begriff Smart-XXX oder Iot (Internet of the Things) einordnen kann. Also Dinge, die es eigentlich ohne Smart schon seit langem gibt, nun aber mit integrierten Computern und App-Steuerung.
Bespiele gefällig? Es gibt Fahrradschlösser, die man mit einer App sperren und entsperren kann. Dasselbe natürlich auch für die Haustüre. Schon im Discounter gibt es Smart-Home Startersets für die Steuerung von Beleuchtung in jeder möglichen Farbe und Lichtstärke oder der Heizung. Dazu kommen die Smart-Watches, Fitness-Tracker mit App-Anbindung, Schlafdiagnosegeräte etc… Ja selbst komplette Autos und Fahrräder – selbst wenn die nichts „Smartes“ haben, sondern nur einen Elektroantrieb, werden inzwischen bei der ct getestet.
Alle haben zwei Dinge gemeinsam: sie sind schweineteuer und mir erschließt sich nicht der Sinn. Das angesprochene Fahrradschloss kostet rund 300 Euro, also so viel wie ein Dreigangdahrrad. Smartwatches fangen bei 200 Euro an, können aber auch durchaus vierstellige Preise erzielen.
Der fehlende Sinn? Nehmen wir mal die Heizungssteuerung. Ich habe eine alte Heizung, seit letztem Jahr geht die Zeitschaltuhr pro Tag um 5 Minuten nach. Beim letzten Service fragte ich, ob man sie austauschen könnte. Der Monteur meinte das ginge nicht, da jeder Hersteller ein eigenes Süppchen kocht und die schon lange nicht mehr hergestellt wird. Also gehe ich zweimal am Tag kurz in den Keller und stelle manuell von Tag- auf Nachtbetrieb um und umgekehrt. Klingt umständlich, ich bilde mir aber ein, das dies noch schneller geht, als nun das Smartphone rauszukramen und die App zu öffnen. Vor allem soll man ja was für die Fitness tun, deswegen gibt es ja Fitness Tracker. Ähnliches kann ich zu fast jedem Smart-Artikel sagen. Wann verändert man zu Hause drastisch das Licht? Wenn ich mehr Licht brauche, mache ich einfach eine zusätzliche Lampe an. Wenn es eine bestimmte Stimmung also Lichtfarbe sein soll, dann ist das doch meistens so wenn es romantsch wird und da sind Kerzen und Teelichter nicht nur viel romantscher, sondern auch billiger. Ich glaube im normalen Leben braucht man nie die Möglichkeit die Lichtfarbe beliebig einstellen zu können.
Ganz seltsam wird es bei den Smartwatches. Sie sind so klein, das der Akku einmal am Tag aufgeladen werden muss, aufgrund der Größe und des Konzepts sind sie schwer zu bedienen und wenn es wirklich was wichtiges gibt ist das Display zu klein. Sie funktionieren ja auch nur mit Smartphone. Der wichtigste Einsatzzweck scheint nur zu sein aufmerksam zu machen, wenn man das Vibrieren oder den Ton des Smartphones nicht wahrnimmt oder nicht wahrnehmen darf da abgestellt. Dafür mehrere Hundert Euro ausgeben?
Eine Uhr ist für mich einer dieser Gegenstände, die einfach nur funktionieren müssen. Ich schaue drauf um die Uhrzeit abzulesen, zweimal im Jahr muss ich sie umstellen, weil unsere Regierung es nicht fertigbringt, die Uhrzeitumstellung abzuschaffen und irgendwann ist der Akku leer und ich kaufe eine neue. Ich will gar nicht so viel Zeit mit meiner Uhr verbringen und darum scheint es mir geht es – die Leute haben zu viel Zeit um sie in technische Gadgets zu investieren.
Mich beschleicht aber auch der Verdacht, dass ich womöglich anders ticke als die meisten. Denn die meisten haben auch ein Smartphone und ich habe mir zwar mal eines gekauft aber benutze es nicht mehr. Das fing an als Ende der Neunziger die Handys aufkamen und sich die meisten eines anschafften. Schlussendlich haben sich die Smartphones aus den Handys ermittelt. Bei Handys war der Einsatzzweck noch übersichtlich. Nun war man theoretisch immer erreichbar und später konnte man auch Nachrichten verschicken und empfangen. Schon da erschloss sich mir nicht der Sinn so ein Gerät zu kaufen, das ja immer auch verdongelt mit einem Handyvertrag war. Die Frage, die ich mir damals stellte, war: wer will mich ganz dringend tagsüber anrufen, wenn ich nicht zu Hause bin? Da fielen mir nicht viele ein. Die nächste Frage war – bin ich auch dann erreichbar und das bin ich eben nicht. Damals habe ich noch Informatik studiert und da sind Handys wegen der der Störwirkung in der Vorlesung und Praktika verpönt und mussten ausgeschaltet bleiben. Später hatte ich einen Arbeitsplatz mit Festnetznummer, die ich auch an Personen weitergab, für die es einen Grund für einen unaufschiebbaren Anruf gab. Übrig blieben zwei bis drei Stunden am Tag, wo ich unterwegs war und während der Zeit eben nicht erreichbar. Dafür ein Telefon anschaffen? War mir zu umständlich. Handybesitzer wurde ich erst 2017 und nur deswegen, weil ich über Online Orders bei Aktien gegenüber der telefonischen Order mehr sparte, als ein Handy mit Prepaid im Jahr kostet. Dafür muss man aber eine mobile Tan empfangen können, was bei meinem Festnetztelefon nicht geht. Als „Neuling“ in der Materie habe ich sogar inzwischen das zweite Handy (und nur ein Handy), weil die SIM-Karte des ersten irgendwann gesperrt wurde, da ich das Prepaid Guthaben nie aufbrauchte und somit auch nie ein neues auflud. Beim Zweiten bin ich schlauer und mein Prepaid Guthaben steigt jedes Jahr…
So habe ich wohl den Trend zum Smartphone gar nicht mitbekommen. Ich habe mir trotzdem eines gekauft, aber wohl zu wenig investiert, ein Alcatel Pixi 4 für unter 70 Euro. Das Ding war zu langsam, aber dass Smartphones nichts für mich sind, habe ich auch so mitbekommen. Auf dem Display sieht man zu wenig, wenn man surft, die Bildschirmtastatur ist zu klein und hat kein Feedback. Nach einigen Tests, bei denen ich vor allem Youtube Videos anschaute, landete es in der Schublade. Mir begegnen auf der Straße trotzdem etliche Leute, die nicht nach vorne, sondern nur auf ihr Smartphone schauen. Zweimal sogar auf dem Fahrrad, was sehr gefährlich ist. Ich hoffe nur Autofahrer machen das nicht auch. Keine Ahnung was sie dort ansehen, ich vermute Twitter-Tweeds, Chat-Verläufe. Das ist kurz genug, das es auf das Display passt. Auch hier: Ist es so dringend, das man sogar das Gehen dafür unterbrechen muss? Oder ist das schon eine Art Sucht?
Eine Sucht vielleicht nicht nach einem Gerät, sondern nach Aufmerksamkeit. Für viele ist es wichtig das Hunderte oder Tausende von „Followern“ wissen was sie tun, denken oder sehen.
Ich habe vor Jahren mal ein Twitter-Konto eröffnet. Doch das verstaubt auch. Was habe ich schon dauernd von mir zu geben? Anfangs wann ein neuer Blog oder Buch erscheint, doch ich denke wer meinen Blog kennt wird auch so dem Blog folgen. Dazu gibt es ja einige Möglichkeiten oder man legt ihn einfach als eine Startseite fest. Und etwas erneut zu twittern, was schon jemand getwittert hat halte ich für das Erzeugen von Informationsmüll. Ich habe ehrlich gesagt schon Probleme, alle paar Tage einen neuen Blog aufzulegen und genauso ehrlich gesagt, ich meine, dass meine persönliche Meinung zu vielen Dingen interessiert wenige. Ebenso wenig wie mich die Meinung anderer interessiert, ganz zu schweigen davon jedes Detail des eigenen Lebens mit der Handykamera zu dokumentieren. Vor allem nicht für Leute die ich die persönlich kennengelernt habe, sondern nur mit ihrem Nickname und aus dem Internet kenne.
In jedem Falle wird man für die Gadgets, so bezeichne ich sie mal, viel Geld los. Denn billig ist nichts. Ich glaube das ist eine Altersfrage. Wenn ich zurückdenke was ich früher für Computer und Zubehör ausgegeben habe, oftmals ohne das es einen großen Nutzen hatte, dann schüttele ich heute nur noch den Kopf. Dabei war die Hardware damals noch viel teurer als heute. Heute denke ich rationaler – was habe ich davon, was nützt es mir? Nachdem die letzten PC nach ziemlich genau 5 Jahren Defekte hatten, obwohl sie mir noch genügten, habe ich beim derzeitigen extra auf Langlebigkeit geachtet und z.B. ein Mainboard mit Festkörper Kondensatoren und einem Business Chipsatz gekauft. Der Rechner wird im Juli 7 Jahre alt und solange er es tut ist auch kein neuer geplant. Ich glaube so lange leben die meinten Gadgets nicht. Bei Smartphones noch kein Problem, doch wenn man Dinge hat, zum Bereich Smart-Home gehören, dann zählt eben Langlebigkeit. Die Installation von Licht, die Steuerung der Heizung oder das Hausschloss wechselt man nicht alle paar Jahre und läuft dann auf dem aktuellen Smartphone noch die App?
Manchem reichen Gadgets nicht. In der aktuellen ct‘ finde ich eine Bauanleitung für einen Farmbot. Das ist ein Gerät, das auf Schienen über ein 3 x 1,5 m großes Hochbeet fährt und das automatisch bewässert. Kosten, ohne Hochbeet 1.600 Euro. Wofür? Also viele gärtnern gerne, es gibt ja nicht umsonst die Schrebergarten für die, die keinen Garten am Haus haben. Unstrittig ist auch, das sich der Aufwand nicht lohnt. Das gilt schon für den normalen Garten. Selbst Bioware von Demeter und Bioland ist günstiger, wenn man rechnet, was man für Gerätschaften ausgibt, selbst wenn man seine eigene Arbeitszeit nicht rechnet. Doch der Bot nimmt einem ja auch das ab. Dann kann ich aber doch gleich alles im Laden kaufen. Nichts gegen IoT. Ich finde das was man als „Maker-Szene“ bezeichnet ausgesprochen befruchtend. Sie bringt Leute dazu, sich wieder mehr damit zu beschäftigen, wie Computer arbeiten. Früher musste man ja programmieren, wenn man ein Problem jenseits des Mainstreams hatte. Ich mache das immer noch, selbst wenn es schon eine fertige Lösung gibt. Aber Müssen tut man es heute nicht mehr, im Internet gibt es eine Lösung für fast jedes Problem, man muss sie nur finden. Die meisten wissen nicht mal wie ein Computer funktioniert oder können programmieren. Indem man nun Sensoren an Kleincomputer wie dem Arduino oder Raspberry Pi ranhängt, hat man eine Experimentierwiese. Man kann etwas machen, was man nicht kaufen kann. Ich habe vor Jahren mal eine Wetterstation an einem Raspberry Pi programmiert. Leider gingen irgendwann die Sensoren kaputt, der Raspi funktioniert immer noch. Derzeit überlege ich ob ich etwas mache was ich im Radio gehört habe. Dort haben Studenten ein Gerät entwickelt, das den Abstand vorbeifahrender Autos zum Fahrrad misst. Der muss ja mindestens 1,5 m betragen – ich halte das Einhalten eher für die Ausnahme. Ich denke so was kann ich, auch wenn ich einen Raspberry an eine Powerbank hänge und mit entsprechenden Sensoren bestücke. Die Messung würde eben automatisch beim Systemstart beginnen und alles in einer Datei ablegen. Eine Suche zeigte auch das es kostengünstige Sensoren gibt die Abstände messen. Mal sehen, vielleicht mein nächstes Projekt. Genügend Raspis die ich nicht nutze, (eigentlich nur den Letzten und leistungsfähigsten) habe ich ja.Aber ein Bot für das Gießen eines Hochbeets? Ehrlich?
Kürzlich hörte ich nach längerer Zeit im Radio wieder „1984“ von den Eurhytmics. Der Song entstand ja in Anlehnung an den Roman von George Orwell, der im selben Jahr ja auch verfilmt wurde und so wieder aktuell war, auch wenn die Computertechnik noch weit davon entfernt war, das zu leisten was im Roman „1984“ kam. Apple nutzte das Thema auch für seinen berühmten Macintosh-Spot. Heute ist „1984“ Realität. Wir werden getrackt, wenn wir uns im Internet bewegen. Ja manche stellen sich sogar ein Gerät ins Wohnzimmer, das jede Unterhaltung aufnimmt und ins Internet überträgt und dort wird sie (trotz anderseitigen Beteuerungen) dann natürlich auch ausgewertet. Nur damit sie „Hey Alexa“ sagen können anstatt das sie kurz eine Frage oder einen Musikwunsch eintippen können. 1984 haben wir uns noch über einen harmlosen Fragebogen zur Volkszählung aufgeregt. Wie sich doch die Zeiten ändern ….
Früher hatten wir die Stasi. Heute haben wir Handys, und sind auch noch stolz darauf uns selber zu bespitzeln.
Jedoch muss man nicht alles verteufeln was an Internet hängt.
Beispielsweise finde ich die Heizungssteuerung für das gesamte Haus übers Internet auch fragwürdig.
Aber für einzelne Räume ist das ok.
Meine bessere Hälfte hat wechselnde Arbeitszeiten. Dank „smarten“ Thermostat kann sie nun zum Schichtende das Schlafzimmer vortemperieren.