Wie jeden Monat eine Nachlese zu SpaceX. Zum großen Aufregerthema nämlich der Vergabe des 2,9 Mrd. Dollar Auftrags für den Mondlander an SpaceX habe ich ja schon geschrieben. Diese wird nun von dem Team um Blue Origin angezweifelt, die einen förmlichen Protest beim GAO angemeldet hat. Das GAO (Government Accountability Office), US-Gegenstück zum Bundesrechnungshof überprüft nicht nur Verträge der Regierung, sondern kann diese bei Verstößen auch auflösen. Es untersucht auch regelmäßig, wie das Geld bei Regierungsstellen ausgegeben wurde, so hat es beim CRS-2 Vertrag festgestellt, das SpaceX welche die billigsten bei CRS-1 waren nun die teuersten sind. Und das trotz weitestgehender Wiederverwendung von Raumkapsel und Trägerrakete. Wir erfahren, das der Blue Origin Vorschlag knapp 6 Mrd. Dollar teuer gewesen wäre – halte ich nicht für zu hoch, wenn man bedenkt, das die NASA schon 3 Mrd. für eine einfache Kapsel ausgibt, die gerade mal zur ISS und zurückfliegen können muss, also weniger als ein Sojus Raumschiff, das längere Zeit alleine operieren kann und beim Mondlander sowohl die technischen Herausforderungen höher sind wie auch das Problem des Gewichts. Inzwischen hat auch das andere Team um Dynetics protestiert. Ich habe immer noch nicht verstanden, warum man den Auftrag nur an SpaceX vergab, bei CRS aber zwei Firmen beauftragte. Vor allem unter der Prämisse, dass die NASA ja nicht mal genug Geld für den SpaceX Auftrag erhält. Das war übrigens bei CCDev einige Jahre auch so, was auch ein Grund ist, warum erst jetzt die bemannten Starts stattfinden. Dort hat man aber auch nicht dann wieder einen Vertrag gekündigt. Vor allem sind die Einwände begründet.
Blue Origin verweist darauf das man nicht nur auf eine einzige Karte setzt (bei CCdev waren es noch zwei) sondern das starship inkompatibel mit allen anderen US-Lösungen ist. Dynetics verweist auf die jüngsten „Erfolge“ SpaceX bei der Entwicklung: „“NASA failed to consider the risks inherent in SpaceX’s technical approach and, more specifically, information too close at hand for NASA to ignore — i.e., that four SpaceX Starships have exploded at various stages of their tests flights in recent months,” the protest states. “NASA has given SpaceX a pass on its demonstrable lack of such systems engineering.“. Insgesamt ist das ganze sehr undurchsichtig und sieht immer mehr danach aus als wollten die Entscheider unbedingt noch bevor es neue Manager seitens der Biden Regierung gibt SpaceX mit Aufträgen versorgen. Denn bei CCDev bekamen Boeing und SpaceX ja auch nicht die Aufträge sofort, da gab es zwei Runden mit Entwicklungsaufträgen für Subsysteme, die auch an andere Firmen gingen, auch weil man die beantragten Mittel wie heute nicht voll erhielt. Speziell bei SpaceX würde so ein oder zwei Jahre zeigen, ob das Starship vielleicht sogar funktioniert oder eben nicht und eine neue Regierung könnte leichter über das Programm selbst entscheiden.
Dann gab es den zweiten Start einer regulären Crew zur ISS, die Rückkehr der Letzten verzögert sich derzeit wegen schlechtem Wetter, sodass erstmals seit 10 Jahren wieder temporär 11 Astronauten an Bord der ISS sind und natürlich gab es Starts für Starlink. Nach einem Drittel des Jahrs hat SpaceX 12 Starts durchgeführt, davon aber nur vier nicht für das eigene Starlink Netz.
Man hat wieder einen Prototypen zerlegt und verspricht für Juli, also in spätestens drei Monaten den ersten orbitalen Startversuch. Bis der auch gelingt, meint Musk benötigt man 20+ Prototypen. Zuerst dachte ich – Mensch das ist aber eine Menge, früher waren die ersten paar Starts eines neuen Trägers Versuchsflüge, bei Ariane 1 z.B. die ersten vier. Aber dann habe ich rekapituliert was sie mit 11 Prototypen bisher geschafft haben:
- Das das Starship nicht schon beim Tanken explodiert,
- Das es 150 m abheben und landen kann,
Beim Versuch es auch aus 15 bis 10 km Höhe (die Höhe wird mit jedem Versuch geringer) zu landen scheiterte es ja bisher. Für einen Einsatz ist es, egal ob es hart aufschlägt oder einige Minuten nach der Landung explodiert oder einfach im Hangar umkippt. All das sollte nicht passieren.
Ich habe mir daher für heute vorgenommen, einen Kommentar von Kay zu dem Blog über die Vergabe technisch zu kommentieren.
Das SpaceX ihren SH Booster hin bekommen und damit ihr Starship den LEO erreich, sollte nach einer einstelligen Anzahl an Fehlversuchen funktionieren.
Da ist Musk mit 20+ Versuchen obwohl sonst überoptimistisch (siehe erster Versuch im Juli) skeptischer. Denn 11 Prototypen sind ja schon durch und ich denke es werden zuerst noch weitere Landeversuche stattfinden.
Ich habe mich gefragt wo liegt der Hauptknackpunkt für SpaceX woran das ganze scheitern kann.
Was, nur ein Hauptknackpunkt?
– Nutzlast: Die Prototypen sind zu schwer und sollen später irgendwie leichter werden. Bisher sind die SS Prototypen aber nicht schneller geflogen als ein Auto fährt. Wenn die SS für MaxQ zu schwach ist, muss die Struktur verstärkt werden.
Bisher hatten alle bemannten Gefährte Übergewicht, aber selbst, wenn man das SS/SH nur als Rakete ansieht, sehe ich das sehr skeptisch. Es gibt ja Erfahrungen von anderen Trägern. Oft wurde während der Entwicklung die Nutzlast gesteigert, so bei Ariane 1 von 1700 auf 1827 kg, bei der Saturn V von 45 auf 49 t LTI. Aber das sind Änderungen im Kleinen. Wir reden hier von maximal 10% mehr Nutzlast. Die Frage ist, wie SpaceX die Nutzlast um 400 %, von 20 auf 100+ t erhöhen will. Das geht ja nur, wenn die Rakete gravierend leichter wird. Entweder das Starship, das ja selbst anfangs 200 t leer wiegt um 80 t leichter wird oder die Superheavy, als erste Stufe nach Erfahrungswerten dann um den Faktor 4-5 leichter wird (also bei 80 t mehr um 320 bis 400 t, was unwahrscheinlich ist, weil sie dann ein negatives Gewicht haben müsse). Mehr noch: wenn man weiß, dass man zuerst 80 t unnötige Masse mitschleppt, warum lässt man sie nicht gleich weg? Der einzige Weg die Nutzlast drastisch zu steigern, der mir einfällt, ist eine Vorgehensweise wie bei der Falcon 9. Die wog auch mal 334 t und jetzt wiegt sie 550 t und transportiert entsprechend mehr Nutzlast. Aber – gemessen an der Startmasse hat sich nur wenig geändert, ist auch klar, die Technologie ist ja die gleiche geblieben.
Ich habe eine viel einfachere Erklärung für die Diskrepanz die den Musk-Faktor berücksichtigt. Die 100 t Nutzlast sind nicht das Ergebnis einer genauen Analyse der Konstruktion. Sie sind eine Vorgabe von Musk, die er rausgab bevor die Konzeption überhaupt stand. Auch hier eine Parallele zur Falcon 9. Da stehen auf der Website auch 8,3 t in den GTO und 22,7 t in den LEO, alle Satelliten die schwerer als 6,5 t waren, erreichten aber nur einen subsynchronen GTO und bei den Starlink Starts, die etwa 15 t wiegen, muss schon ein Zweiimpulstransfer durchgeführt werden – der spart Treibstoff, macht die Mission aber aufwendiger und sicher nicht durchgeführt werden, wenn die Rakete noch 7 t mehr transportieren könnte. Es gibt ja nicht zuletzt vor Fachpublikum die Angabe der realen Leistung, natürlich ohne Printout, das könnte man ja verbreiten, aber jemand hat trotzdem dieses Foto davon gemacht …
– Treibstofftransfer im Orbit: Hierfür muss eine Infrastruktur im SS entwickelt werden. Bei der FH hat man Crossfeed nicht umgesetzt, weil es zu komplex wurde. Hier wird es um einiges schwieriger. Zusätzlich muss man hier noch Dockingadapter hinzufügen. Das dafür notwendige Equipment wird einiges wiegen und die Nutzlast weiter reduzieren.
Der Treibstofftransfer ist wirklich eine offene Sache. Er ist nicht vergleichbar mit dem Auftanken der ISS. Dort arbeiten druckgeförderte Triebwerke. Das heißt, die Tanks in Versorger wie ISS haben in der Mitte eine dehnbare Gummiblase. Gas auf der einen Seite dehnt die Blase so weit aus, dass sie den Treibstoff an die Wand und damit in die Leitungen presst, wo er zum Triebwerk oder eben durch den Adapter zur ISS strömt. Beim Auftanken wird auf der ISS Seite der Druck reduziert und nun drückt die Blase im Versorger den Treibstoff durch die Leitungen im Dockingadapter rüber. Die Ventile werden geschlossen und dann kann man auf ISS Seite wieder Druck aufbauen.
So funktioniert aber das Starship nicht. Das ist eine normale Stufe mit zwei getrennten Tanks die im Orbit zu über 90 % leer sind. Dann bildet der Resttreibstoff Blasen, die im Tank schweben, im Idealfall eine große Blase. Die Technik muss also eine ganz andere sein. Frühere nicht-druckgeförderte Stufen hatten für die Wiederzündung mit ähnlichen Problemen Sümpfe an Leitungen, wo sich adhäsiv etwas Treibstoff sammelte. Der floss dann zum Triebwerk und das zündete so. Der Schub sammelte dann den Resttreibstoff wieder am Tankboden. So ähnlich denke ich wird man auch beim Auftanken verfahren, indem man die beiden Vehikel durch leichten Triebwerksschub beschleunigt. Doch das mit zwei verbundenen Gefährten und wie lange? Wir reden hier ja von 100 t Treibstoff die transferiert werden müssen.
Das Ganze ist für eine Mondlandung zudem nicht ein oder zweimal nötig. Bei 120 t Leermasse hatte ich mal errechnet benötigt man 11 Flüge um den ganzen Treibstoff in den Orbit zu bringen. Selbst wenn es nun „nur“ in den Haloorbit geht ist das kein großer Gewinn, dann müssen eben rund 5 % weniger Geschwindigkeit erbracht werden. Das ändert nicht viel an der Bilanz. Das ist eine Kombination aus zwei Faktoren: Das Starship ist schwer und es startet von einer Erdumlaufbahn aus und nicht wie der Apollo-LM aus einer Mondumlaufbahn aus. Für Apollo hat man dieses Szenario „Direct Ascent“ auch untersucht und kam darauf, dass man 170 t in einen Erdorbit bringen muss, um eine 5 t schwere Kapsel auf dem Mond zu landen und zurückzubringen – nun ja das Starship wiegt 24-mal so viel….
– Treibstoffkühlung: Wenn das LunarSS von 5 bis 8 Tankern angeflogen wird, dann dauert dieser Prozess einige Wochen und Monate. Gibt es dabei die üblichen Startverzögerungen, ist die erste Ladung Treibstoff schon verdampft wenn die fünfte ankommt. Auf dem Flug zum Mond, beim LopG und bei der eigentlichen Landemission verdampft weiterer Kraftstoff.
Wie schon geschrieben. Eher 11-12 Flüge. Selbst bei Starts im Wochenabstand dauert dies dann drei Monate. Das Mond-Starship wird meiner Ansicht nach anders aufgebaut sein. Denn der Hitzeschutzschild ist keine gute Isolation, der ist aber notwendigerweise bei jedem Starship vorhanden. Ich denke man wird ihn weglassen und stattdessen eine herkömmliche Isolation wie einen dicken Polyurethanschaum aufbringen .Landen muss das Starship ja nicht. Das wird auch die Gewichtsbilanz verbessern. Flüssigen Sauerstoff kann man längere Zeit flüssig halten. Buran setzte auf LOX als Oxidator und sollte immerhin mindestens eine Woche im Orbit bleiben, Methan hat in etwa den geichen Siedepunkt. Daneben reden wir von wirklich großen Mengen, die entsprechend sich langsam erhitzen. Ich glaube das ist noch am unkritischen. Notfalls kann ein Sonnensegel aus einer dünnen Silverfolie leicht 90 % der Strahlung blockieren.
-Docking am LOPG: Sollte trivial sein, da es schon vor 50 Jahren gemacht wurde, aber Boeing hat mit einem ISS-Zubringer bewiesen, dass das Erreichen eines Ziels in einem Orbit auch schief gehen kann.
Der Starliner hat ein Softwareproblem gehabt. Eine Mannschaft hätte einfach per Handsteuerung übernehmen können. Solche Softwarepannen sind nun nichts außergewöhnliches. Der Mars Helikopter Ingenuity hat sich nun wegen eines Softwareproblems auch schon zweimal geweigert abzuheben. Das hat aber mit dem Andocken gar nichts zu tun. Ich sehe hier keine großen Überraschungen.
– Landung: Bei den F9- Boostern sind 90% der Masse am unteren Ende (Triebwerke, Pumpen) die Tanks oben sind extrem leicht. Daher kann man die Stufe gut landen. Das SS landet aber mit genügend Treibstoff für den Wiederaufstieg, fürs Verdampfen plus Sicherheitsmarge. Der Schwerpunkt wird viel höher liegen als bei der F9. Hierdurch kann man nicht einfach hochskalieren, sondern muss wesentlich kippstabiler bauen.
Also bei einer Falcon 9 Stufe wären es ohne Resttreibstoff knapp 50 % der Masse. Beim Mond-Starship sind zudem die Tanks noch gut gefüllt, wobei aber der dichtere Treibstoff wahrscheinlich wie bei jeder anderen Rakete unten ist, sodass die Stufe nicht per se instabil auf einer Ebene wäre. Vor allem aber landet sie in unebenem Gelände. Man vergleiche mal die Abbildungen mit denen einer Falcon 9 Erststufe bei der Landung oder gar einem Apollo LM mit seinen ausgespreizten Beinen. Es mag sein, das das Starship leicht schräg landen kann, aber wie kommt die Besatzung herunter. Die Abbildung zeigte eine Bühne, die an Seilen heruntergelassen wird, ähnlich wie bei Fensterputzern. Wie sieht das aus, wenn es schräg ist? Ist das noch sicher? Daneben wird bei der Landung jede Menge Gestein aufgewirbelt, das auch ins Triebwerk gelangt. Halte ich für nicht so gut. Bei Apollo war das Triebwerk der Aufstiegsstufe deutlich über dem Abstiegstriebwerk angebracht und das wurde auch durch Fühler in den Beinen vor der Landung gestoppt.
Meine persönliche Meinung
Das Lunar Starship, oder wie immer man es bezeichnen will, hat mit dem normalen Starship eines gemeinsam: Sie machen technisch und wirtschaftlich keinen Sinn. Das „normale“ Starship ist mit der SH eine 4500 t schwere Rakete, dreimal größer als eine Falcon Heavy, die zu 70 % wiederverwendbar ist. Sie fliegt schon kaum, weil sie zu groß ist, sogar für SpaceX eigenes Starlink Netz. Wo soll da dann der Markt für eine noch größere Rakete herkommen? Vor allem: wie soll das Starship billiger als eine FH sein, wenn nur 30 % der Rakete mehr wiederverwendbar ist, aber bei dreimal größerer Masse sicher auch entsprechend teurer ist? Das ist nur erklärbar durch eine Vorgabe von Musk, das man damit eben zum Mars fliegen muss – was aber auch nicht ohne auftanken geht. Die ersten Pläne sahen denn auch noch größere Gefährte vor.
Genauso dogmatisch ist es nun beim Lunar Starship. Damit man demonstrieren kann, dass es auf dem Mars landen kann, muss für einen Mondlander eben ein Starship eingesetzt werden. Nur ist das eine andere Mission. Anders als beim Mars muss man bei der Landung auf dem Mond abbremsen und auch zurückfliegen. Beides addiert so viel Geschwindigkeit, dass man vom Erdorbit – Mondoberfläche – Haloorbit die 2,2-Fache Geschwindigkeit einer Marsmission braucht. Entsprechend kommt man nicht mit ein oder zwei Tankfüllungen aus. Das wird dann auch teuer für SpaceX, denn 10 Starts zum Auftanken für eine Demomission unbemannt und eine bemannt sind schon 20 Flüge.
Selbst wenn SpaceX alleine bleiben will, warum haben sie nicht einfach einen Mondlander konstruiert, der in die Nutzlasthülle eines Starship passt. Bei 100 t maximaler Nutzlast in einen Erdorbit und Rückkehr in den Haloorbit würde man bei Einsatz der Merlins noch knapp 7 t transportieren können – das wäre eine verkürzte Falcon 9 Oberstufe und liese noch 1-2 t für die Nutzlast übrig. Wahrscheinlich zu wenig, aber mit einem Tankflug würde es für eine Kabine reichen, wie sie die anderen Systeme haben. Das wäre genauso mit SpaceX eigenem Equipment umsetzbar, selbst wenn man eine Crew Dragon anstatt einer leichten Kabine auf die Stufe packt, braucht man weniger Flüge als beim Starship.
Kurz es hat nichts mit Logik zu tun, genauso wenig wie die Zeitpläne von Musk und andere Äußerungen, die noch skurriler sind.
Das ist übrigens kein Einzelfall. Selbst bei Tesla, einem börsennotierten Unternehmen, das vielleicht auch mal Gewinne machen will, scheint man nicht konstruieren und Planen zu können und revidiert Pläne dauernd. Kürzlich wurde bekannt, das die Tesla Fabrik in Brandenburg sich weiter verzögert. Zuerst dachte ich „Na die haben ihre Rechnung ohne die deutsche Bürokratie gemacht“.Nein sie haben einfach Sachen gebaut, die nicht im Bauantrag standen, und mussten dann einen geänderten Bauantrag einreichen, der nun erst genehmigt werden muss.