Weltraumtourismus
Nun ist ja Jeff Bezos geflogen – den Webcast fand ich eher uninformativ. Aus der Kapsel gab es überhaupt kein Video und die Kommentatorin mag zwar wahnsinnig begeistert gewesen sein, (obwohl dies der 16 Flug einer New Shepard ist) hat aber wenig erhellendes beigetragen. Nun ja, ich vermute Bezos bezahlt ihr den gleichen Hungerlohn, wie seinen Amazon Mitarbeitern, dafür bekommt man kein qualifiziertes Personal. Ich werde Bezos mal aufgrund der Daten des Videos einen Vorschlag für eine verbesserte Version seiner New Shepard in einem der nächsten Blogs unterbreiten. Außerdem muss ich mal Musk und SpaceX loben – sie haben zum einen einen besseren Kommentator, vor allem aber sind alle ihre Daten auch in den Webcasts metrische Angaben. Hier musste man von Meilen pro Stunde und Höhe in Fuß umrechnen. Dabei hätte ich mir gerade von Blue Origin, die ja Wert drauf legen, dass die Gipfelhöhe die Grenze überschreitet, die international akzeptiert ist, erwartet das man auch internationale Einheiten nimmt und keine provinzielle US-Einheiten. (für alle Schlaumeier: ja Myanmar ist der zweite Staat der noch dieses Einheitensystem verwendet, spielt in der Forschung und Technik aber jetzt nicht die erste Geige).
Im Radio kam das der Markt für Weltraum bis 2030 nach einer Prognose auf 3 Milliarden Dollar pro Jahr umfasst.
Nun gibt es bis jetzt vier Anbieter die alle auch gebuchte Flüge haben oder schon durchgeführt haben:
Roskosmos mit der Sojus
Roskosmos hat über Kooperationspartner in den USA bis zur Fertigstellung der ISS regelmäßig Weltraumtouristen zur ISS gebracht. Sie nutzen aus, dass solange eine bestimmte Ausbaustufe nicht erreicht war, die Stammbesatzung auf zwei Personen beschränkt war. Da eine Sojus aber drei Personen transportieren konnte, nutzte man den dritten Sitz für den Transport von Touristen aus (allerdings nicht nur, auch Astronauten flogen auf diesen Kurzzeittrips mit). Wie heute sind etwa 1 Woche lang die Besatzung an Bord der ISS, die mit dieser Sojus zurückkehrt (die Raumschiffe haben nur eine begrenzte Lebensdauer) und die neue Besatzung die mit der Sojus startete. Solange kann eine dritte Person auf der Station bleiben.
Nun, da die USA gleich zwei eigene Raumschiffe haben die beide vier Astronauten befördern (Kosmonauten werden wohl nicht mitfliegen) fallen rein rechnerisch pro Jahr sechs Sitzplätze weg. Diese kann man für Weltraumtouristen nutzen. Bei der ersten Mission gibt es gleich eine Premiere – Russland verzichtet auf den Copiloten und es ist nur ein ausgebildeter Astronaut an Bord. Würde Russland, das dauerhaft machen, wären es sogar acht Sitzplätze.
Für die Sojus spricht, dass sie bewährt und sicher ist. Wir hatten 2018 erstmals seit Jahrzehnten einen Fehlstart der Trägerrakete und das Rettungssystem hat einwandfrei funktioniert und die Insassen in Sicherheit gebracht. Es ist in ihr beengter und Start und Landung sind etwas ruppiger als wie mit einer Atlas oder Falcon 9. Für die meisten Touristen die nicht aus Russland kommen dürfte das Haupthindernis sein, das bisher Roskosmos hohe Anforderungen an die Kandidaten stellte. Sie mussten zumindest das Basistraining durchlaufen. Das ist zeitintensiv und die gesamte Kommunikation ist in russisch, auch mit allen Personen denen sie im Sternenstädtchen begegnen. Englisch als Sprache sprechen dagegen die meisten – entweder als Muttersprache oder als erste Fremdsprache. Eine Mission ist bisher fest gebucht.
SpaceX und die Crew-Dragon
Die Crew Dragon wurde von SpaceX im Auftrag der NASA entwickelt. Daher kann man davon ausgehen, das sie den strengen NASA-Anforderungen an Sicherheit entspricht. SpaceX ist in der komfortablen Lage, das die Trägerrakete zu 70+ Prozent wiederverwendet wird, die Kapsel inzwischen auch weitestgehend. Verloren geht nur der Trunk, die Verbindung zur Rakete und bei der unbemannten Version auch Stauplatz für Fracht. Natürlich muss vieles ersetzt werden – Hitzeschutzschild, Außenverkleidung und geprüft werden, aber billiger als eine neue Kapsel wird es in jedem falle sein.
Die Crewed Dragon kann theoretisch sieben Personen befördern, allerdings werden es bei ISS Missionen und Tourismusflügen nur vier sein. Ich denke auch nicht das wir mehr sehen werden, denn die Angabe stammt aus der frühen Entwicklung und inzwischen wurde sie auf vier Personen ausgelegt, sodass eventuell man nicht einfach noch drei Plätze einbauen kann. Drei sind Touristen, einer ist ein ausgebildeter Astronaut. Gebucht sind bisher vier Missionen, davon zwei die nicht zur ISS führen.
Boeing und der Starliner
Das Konkurrenzmodell von Boeing ist der Starliner. Bisher gibt es keine Verlautbarungen der Firma, ob man damit Tourismusflüge durchführt. Ich würde es aber nicht ausschließen. Wahrscheinlich erhält Boeing wie SpaceX die Erlaubnis die Kapsel mehrmals für NASA-Missionen zu benutzen – selbst wenn nicht, könnte sie die Kapsel immer noch anbieten. Ansonsten ähnelt vieles der Dragon. Auch hier vier Sitzplätze obwohl auf sieben Personen ausgelegt. Immerhin hat Boeing auch daran gedacht, die drei Sitzplätze die wegfallen, für Fracht zu nutzen. Diese Masse und den Stauraum könnten Tourismusflüge dann für Vorräte für längere Missionen nutzen sofern es jemand lange in einer kleinen Kapsel aushält. Alternativ können sie die Kosten für die Nutzung der ISS senken indem sie selbst ihre Versorgung mitbringen. Eine reguläre Versorgung der ISS durch den Starliner hat die NASA ausgeschlossen, aus formalen Gründen – der Vorschlag passte nicht zu den Richtlinien von CRS2.
Die Ticketpreise für die NASA sind, da die Trägerrakete schon teurer und nicht wiederverwendbar ist deutlich höher: 90 Millionen Dollar gegenüber 55 Millionen Dollar. Doch ich sehe Potenzial für eine Preissenkung. SpaceX darf bisher die Kapsel erneut verwenden. Boeing bisher nicht. Das gilt aber nicht für den Tourismus. Zudem hat die Atlas eine niedrige Startrate. Einige Tourismusmissionen pro Jahr würden die Starts durch höhere Stückzahl verbilligen, sodass der Abstand sicher kleiner wird.
Virgin Galactic und SpaceShip Two
Virgin Galactic arbeitet schon mit dem zweiten Spaceship – das erste war um das Konzept zu prüfen, konnte aber noch keine Passagiere befördern. Anders als bei allen anderen Vehikeln handelt es sich um ein Flugzeug, das wie das Raketenflugzeug X-15 von einem Trägerflugzeug auf 15 km Höhe geschleppt wird. Dort wird es ausgeklinkt und zündet einen hybriden Antrieb (HTPB als fester Brennstoff und NTO als Oxidator). So wird eine ballsichere Bahn mit einer Gipfelhöhe von 80 km erreicht. Danach landet das SpaceShip Two im Gleitflug. So dauert ein Flug rund 90 Minuten. Sechs Personen können mitfliegen, davon vier Passagiere. Die Zeit in der Schwerelosigkeit ist wegen der geringen Gipfelhöhe kürzer als beim Konkurrenten Blue Origin. Dafür hat die Firma mehr verkaufte Tickets – 600 Kunden, jedes Ticket 250.000 Dollar teuer.
Blue Origin und die New Shepard
Die New Shepard ist eine LOX/LH2 angetriebene Rakete, die eine Kapsel auf eine Suborbitale Bahn bringt. Beim ersten Flug mit Personen fand die Trennung in rund 30 km Höhe statt. Die Kapsel erreicht eine Gipfelhöhe von über 100 km, so gibt es längere Zeit Schwerelosigkeit als beim SpaceShip Two. Danach landet sie an einem Fallschirm. Die Rakete landet separat mit ihrem Triebwerk. Das hat zwei Vorteile: Zum einen ist es weniger risikoreich, die Kapsel mit dem Fallschirm zu landen. Zum anderen benötigt die Rakete ohne Kapsel weniger Treibstoff für die Landung. Dafür passen in die Kapsel nur vier Personen. Sie haben dafür große Panoramafenster für eine gute Aussicht, während es bei SpaceShip Two nur kleine Fenster, wie in einem Flugzeug sind. Wie teuer ein Sitzplatz ist weiß man nicht, doch Bezos sagt, man habe annähernd 100 Mill. Dollar an Reservierungen. Aufgrund des komplexeren Gefährts und weniger Personen pro Flug würde ich aber einen Sitzplatz bei Blue Origin deutlich teurer als beim Konkurrenten einstufen. Selbst bei dem gleichen Preis entspricht dies nur 400 Tickets, also ein Drittel weniger als beim Konkurrenten.
Die ISS und Tourismus
Die ISS wird gerne als eine Raumstation gesehen, ist es aber nicht. Nach den Verträgen zerfällt die ISS in einen russischen und westlichen Teil. Als Russland Weltraumtourismus betrieb, war die NASA nicht begeistert davon, konnte es aber letztendlich nicht verhindern. Nur mussten sich die Touristen vor allem im russischen Segment aufhalten. Seit US-Firmen dieselbe Möglichkeit haben, hat sich die Haltung – wen wundert es – völlig geändert. Man hat die ISS für Tourismus geöffnet. Ja sogar Förderaufträge für kommerzielle Module nur für Touristen vergeben. Es gibt eine Preisliste, die inzwischen aktualisiert und angehoben wurde – meiner Ansicht nach ist sie aber noch nicht kostendeckend, dazu muss man nur vergleichen, was die NASA pro Kilogramm Frachtransport zahlt und was sie von den Touristen verlangt.
Sojus können wie bisher am russischen Segment andocken und Dragon/Starliner haben denselben Koppeladapter mit dem sie im westlichen Teil andocken können. Bisher sind nur Kurzzeitmissionen geplant. Im Prinzip wären auch längere Aufenthalte möglich, doch benötigt man dafür eine Behausung. Bisher waren ja auch immer kurzzeitig vier Personen an Bord.
Noch sind die Ressourcen begrenzt. Das zeigt auch das Diagramm auf der Preisliste. Das könnte sich mit eigenen Modulen für Touristen ändern. Für die Missionen ohne ISS Andocken spricht neben einem anderen Erlebnis – es sind polare Bahnen möglich, wo man die ganze Erde sehen kann oder elliptische mit einem höheren Apogäum auch das jede Mission zu der ISS mindestens 10 Millionen Dollar an Basiskosten kostet.
Langfristig könnte man natürlich eine kommerzielle Station etablieren, doch sehe ich dies nicht bis 2030. Das ist einfach erklärbar. Eine eigene Station benötigt nicht nur ein Wohnmodul, das man auch an die ISS ankoppeln könnte. Man benötigt eine eigene Lebenserhaltung, Stromversorgung, Antriebssystem. Das kostet viel mehr als das Wohnmodul und man muss die Station regelmäßig versorgen und das wird viel teurer als die Ressourcen der ISS mitzubenutzen.
Aufteilung des Marktes
Angesichts dessen, das ein Sitzplatz für die NASA mindestens das 220-fache eines Suborbitaltourismus Trips kostet, denke ich das den größten Umsatz die Orbitalflüge generieren, auch wenn es viel weniger Kunden gibt. Um zwei Flüge von SpaceX pro Jahr zu kompensieren, müsste Virgin Galactics täglich starten und das bei einem Hybridmotor der nur bei der Herstellung mit HTPB befüllt werden kann und nicht sehr oft wiederverwendet werden kann. Bisher vergingen Monate zwischen zwei Flügen, auch beim Konkurrenten Blue Origin. Dessen Rakete muss man zwar nur auftanken, aber die Kapsel sicher inspizieren und mit neuem Fallschirm versehen. Ich würde annehmen, das operationell die Firmen einen Flug pro Woche abwickeln können. Virgin Galactics bräuchte so drei Jahre um ihre Aufträge abzuwickeln. Das wäre ein Umsatz von 50 Millionen Dollar pro Jahr. Dagegen bringt bei 55 Millionen Dollar pro Sitzplatz ein einziger Dragon Einsatz 155 Millionen pro Jahr. 10 Flüge jeweils von Boeing und SpaceX pro Jahr und man käme auf die 3 Milliarden Umsatz pro Jahr – das ist eine durchaus machbare Zahl. Beide Firmen können diese Anzahl an Trägerraketen fertigen und jedes Raumschiff kann mehrmals eingesetzt werden. Schon 1966/7 kam die NASA auf 10 Geminimissionen in 20 Monaten – und da war nichts wiederverwendbar.
Ob es dazu kommt, ist offen. Meiner Ansicht nach nicht. Denn dieselbe Studie die 3 Mrd Umsatz vorhersagt, prognostiziert auch 20 Mrd. Dollar Umsatz durch Suborbitalreisen – also mit einem Raumschiff in maximal 1 Stunde um die halbe Welt. Die werden aber nur erreicht bei einem Ticketpreis von 2.500 Dollar. Und wenn hier die Annahme schon so optimistisch ist, das man diesen Preis erreicht (also 100-mal weniger als heute bei Virgin Galactics und das bei einer 4-mal höheren Geschwindigkeitsanforderung – ein Flug des Starships mit 100 Passagieren würde dann nur so viel kosten wie ein Suborbitalticket bei Virgin Galactics) dann nehme ich auch an, das dieser Optimismus auch für den Weltraumtourismus gilt. Ich denke, man wird vier bis sechs Orbitalmissionen pro Jahr haben, entsprechend einem Umsatz von maximal 1 Milliarde Dollar pro Jahr.
Solche, die sich ein Ticket für 250’000$, gibt es sicher genügend. Es gibt ja diese US-Auto Sendungen, da kommen immer wieder „Kunden“, die sich einen Oldtimer leisten wollen, und einfach so 50000 oder mehr springen lassen. Dann gibt es die Episoden, wo sie auf Auto-Auktionen gehen. Dort ist die Halle gefüllt mit Leuten, die Autos sammeln, und mal einfach 100’000 $ für ein Auto liegen lassen.
Das sind genau diese, die sich auch ein Ticket mit Virgin oder Blue Origin leisten können. Die kaufen halt ein paar Autos weniger, dafür können sie etwas machen, dass der normale Pöbel noch nicht kann: Man ist dann unter sich.
Flüge zur ISS sind ein ganz anderes Segment: 50 Millionen für einen Spass ausgeben, da gibt es nicht mehr viele. Da muss das wirklich wollen.
Während des Fluges von Richard Branson hatte Unity-22 Probleme.
Der Autor des Buches „Test Gods“ Nicholas Schmidle schreibt im New Yorker, dass sich Unity-22 während des Fluges von Richard Branson am 11. Juli 2021 für 1 min 41 s außerhalb des „Eingangsgleitkegels“ (entry glide cone) befand, aber Virgin Galactic hat jedoch nicht die FAA benachrichtigt. Ein Sprecher von Virgin Galactic räumte ein, dass das Unternehmen die FAA nicht informiert hat und dass das Luftfahrzeug außerhalb des bezeichneten Luftraums war. Ein hochrangiger Vertreter des Unternehmens sagte, der Flugweg sei akzeptabel, aber nicht optimal.
Obwohl die Piloten versuchten, das Flugbahnproblem zu lösen, reichte es nicht aus. Und jetzt beschleunigten sie auf Mach 3, und im Cockpit brannte ein rotes Licht. Daten von Flightradar24 zeigen jedoch, dass das Fahrzeug außerhalb des ausgewiesenen Luftraums geflogen ist.
Die FAA ermittelt… https://www.newyorker.com/news/news-desk/the-red-warning-light-on-richard-bransons-space-flight