Bernd Leitenbergers Blog

Augustnachlese zum HLS

Eigentlich wollte ich mich passend zum angekündigten Suborbitalflug des Starships mit den möglichen Ursachen, dass es zuerst nur 20 t Nutzlast hat und den Möglichkeiten sie zu steigern beschäftigen. Doch da in den letzten Tagen sich viel um den HLS-Kontrakt (Human Landing System) getan hat, behandelt der heutige Blog dieses Thema. Ich fange mal mit den Tatsachen an.

Diskussion

Ich fange mal nur mit der Technik an und lasse den dritten Entwurf von Dybetcis außen vor und konzentriere mich auf die beiden Extreme, nämlich Blue Origin und das „National Team“ und SpaceX. Der erste Entwurf ist von den Dreien der konservativste, der zwote der progressivste.

Wie haben hier drei Firmen, die schon bei früheren bemannten Programmen verantwortlich waren, davon zwei die schon beim Apolloprogramm dabei waren. Das Ganze ist weitestgehend eine evolutionäre Weiterentwicklung von Apollo. Die Abstiegsstufe sieht sehr ähnlich aus wie die von Apollo. Nur die Aufstiegsstufe ist nicht in die Kabine integriert, sondern ein eigenständiges Element, dafür gibt es eine echte Kabine anders als bei Apollo.

Das Konzept ist so im Prinzip erprobt, aus dem gleichen Grunde hatte auch der Altair Lander eine ähnliche Konfiguration.

Über das Gegenstück bei SpaceX, das „Lunar Starship“ weiß man wenig. Im Prinzip will aber SpaceX das Starship das Erdorbittransporte durchführt, so umbauen das es auf dem Mond landet. Eine Frage, die sich so stellt, ist die, wie stark der Umbau ist. Der Hauptnachteil des „normalen“ Starships ist seine hohe Leermasse von 120 t. Ich habe mal errechnet wie oft man das normale Starship in den Orbit bringen muss, damit man 120 t auf den Mond landen kann und wieder zurück zum Lunar Gateway fliegen kann. Das sind 10 bis 11 Flüge. Es ist mehr Treibstoff als überhaupt in das normale Starship reinpasst. Nur zum Vergleich: Bei Apollo wog der Teil der vom Mond zurückkehrte 2,3 und nicht 120 t.

Die sinnvollste Maßnahme ist es, das Starship abzuspecken. Da es nicht mehr auf der Erde landen muss entfallen:

Daneben muss die strukturelle Integrität geringer sein, und der einer normalen Rakete entsprechen.

Ich denke, dass man die Masse auf 60 bis 70 t drücken kann, das entspricht der einer Stufe mit der Treibstoffzuladung des Starships und 10 t für weitere Systeme und die Kapsel. Doch dann hat man auch ein neues Gefährt, das man neu qualifizieren muss und den einzigen Vorteil, den das normale Starship hätte – das es bis dahin vielleicht schon etliche Flüge in den Erdorbit und zurück hinter sich hätte und damit als erprobt gilt, wäre nicht mehr gegeben.

Am grundsätzlichen Konzept kann man natürlich auch einiges kritisieren. Anders als bei Blue Origin sieht man keine weit abstehenden Beine. Ich glaube zwar nicht das das LS umkippen wird, aber bei der Landemasse, die wegen des Rückstarts bei einigen Hundert Tonnen liegen wird, reicht ja schon aus, das ein Landebein in einem Krater gelangt aus um zu bewirken, dass dann auf diesem die ganze Last von einigen Hundert Tonnen Treibstoff lastet, der ja noch dazu beweglich ist, was es noch tiefer in den Boden drückt. Das endet sicher irgendwann, aber der Regolith, dass weiß man, ist eine lockere Schuttschicht, die kompressibel ist. Wie man von einem schräg stehenden LS dann herunterkommen soll, wird spannend. Der „Aufzug“ sieht fur mich aus wie eine Bühne die Fensterreiniger haben. So was funktioniert aber nur bei einem senkrechten Stand.

Ich habe nur diesen einen offensichtlichen Grund genommen, um auf die Möglichkeiten zu verweisen, dass es hier Überraschungen gibt. Der offensichtlichste Grund der gegen das LS spricht ist aber das sein Einsatz überhaupt keinen Sinn macht. Das Starship entspringt Elon Musks Dogma der totalen Wiederverwendung und es soll ja mal Personen zum Mars transportieren, dort würde es ähnlich wie auf der Erde landen, da der Mars auch eine Atmosphäre hat.

Das Lunare Starship wird weder Menschen von der Erde zum Mond und zurück bringen, noch ist es wiederverwendbar und die Landung auf dem Mond unterscheidet sich wegen der fehlenden Atmosphäre von der auf Erde und Mars. Stattdessen wird das LS zum Lunar Gateway in einem Halo Orbit fliegen, dort steigen die Astronauten die mit einer Orion zum Gateway kamen um, landen mit ihm und kehren zum Gateway zurück, wo sie wieder in die Orion umsteigen, mit der sie zur Erde rückzukehren. So verstehe ich auch Äußerungen Musks, man könnte das Starship auf dem Mond belassen und daraus eine Mondbasis machen nicht. Denn wie sollten denn dann die Astronauten wieder zum Lunar Gateway kommen?

Die hohe Masse des Starships rührt daher das es bei den normalen Flügen 1200 t Treibstoff in den Tanks hat. Die sind aber leer, wenn es einen Erdrorbit erreicht. Viel einfacher wäre es für SpaceX gewesen eine Dragon auf eine Oberstufe mit dem Merlin zu setzen und diese mit dem Starship in den Erdorbit zu befördern, von wo aus sie dann zum Mond fliegt – man hätte die benötigte Masse so leicht um den Faktor 5 senken können und käme mit einem Tankenflug aus, ja bei einer sehr leichten Dragon sogar ohne Tankerflug.

In jedem Falle wäre ein solch umgebautes Lunar Starship eine weitestgehende Konstruktionsänderung. Daneben wird es bemannt sein, was das normale Starship erst mal nicht ist. Erinnern wir uns das der Umbau der Dragon zu einem bemannten Raumschiff alleine 2,6 Mrd. Dollar kostete und damit in etwa zehnmal so viel wie die Entwicklung der Dragon als Frachttransporter. So halte ich den Kostenvoranschlag von SpaceX von knapp 3 Mrd. Dollar, der ja auch eine Demonstrationsmission mit etlichen Tankerflügen vorsieht, für zu niedrig. Vor allem aber ist das Konzept unnötig riskant und es setzt auf noch zu entwickelnde Technologien und Verfahrensweisen wie Betankung im Orbit. Die Konkurrenten ließen denn auch nicht unerwähnt das das normale Starship schon etliche Male bei der Landung verunglückte oder danach explodierte. Ich möchte das noch ergänzen um die Explosionen nur bei der Druckbeaufschlagung. Anders als bei der Landung zieht da die Ausrede, dass man erst etwas ausprobieren müsste, nicht. Das ist technischer Alltag in vielen Branchen, wo Flüssigkeiten durch Druck in den Tanks durch Leitungen gepresst wird. Vor allem aber geht so weder die NASA noch sonst jemand in der Industrie vor. Selbst bei Apollo gab es keine unbemannte Erprobung des Mondlanders. Das gesamte Computerprogramm wurde damals durch Simulation geprüft. Und das ist 50 Jahre her. In keiner Industrie geht man heute so vor, das man etwas erst mal ausprobiert. Nicht mal bei den ersten Raketenflugzeugen mit viel höherem Risiko als heute, hat man deren Landung mal unbemannt ausprobiert. Weiterhin weiß die NASA aus vorherigen Programmen das SpaceX ein sehr schlechtes Rating hat, was die Einhaltung von Zeitplänen angeht. Demgegenüber gibt es im National Team Firmen mit denen man seit Jahrzehnten zusammenarbeitet, die den Mondlander, das Space Shuttle, die Orion gebaut haben. Und Blue Origin hat bisher noch keine der 15 Landungen der New Shepard als Gegenstück zum Starship / Falcon 9 versiebt.

Kritik auch an der Begründung, warum man SpaceX selektiert habe – weil man weniger als die Hälfte der beantragten Mittel bekommen hat. Gut, aber wenn das der Fall ist, dann würde ich nicht darauf setzen, dass es in den folgenden Jahren es die Mittel gibt um selbst den billigsten Anbieter zu Finanzieren. Zudem kann das doch keine Begründung sein, deswegen ein Konzept zu wählen das deutliche Schwächen hat.

Die GAP hat den auch nur formaljuristisch die Anträge abgewiesen. Es wurde nicht geprüft ob die Sachverhalte, die vorgetragen wurden, richtig sind, sondern darauf verweisen das die NASA das Recht hatte so zu entscheiden.

Wie wird es weitergehen. Nach dem Abschluss des Kontakts gab es mehr Geld vom Senat, allerdings auch nicht das, was erhofft wurde. Selbst wenn Bezos nun 2 Mrd. Dollar selbst investiert benötigt das der Vorschlag von Blue Origin 5,99 Mrd. Dollar teuer war (Dynetics 8,5 – 9 Mrd., SpaceX 2,99 Mrd.) immer noch 4 weitere Milliarden. Ob die NASA diese bekommt? Ich denke eher nicht. Ich halte es für wahrscheinlicher das seitens der obersten NASA Spitze ein Veto kommt und der Vertrag wieder gelöst wird. Dann wird SpaceX sicher eine Kompensationszahlung bekommen, aber der politische Schaden wäre begrenzt. Dann kann man nochmals neu ausschreiben, wobei die Konkurrenten ihre Vorschläge nachbessern können.

Ich halte es auch nicht für ausgemacht das SpaceX Rechnung so aufgeht. Die meinten bei der Crew Dragon ja auch, sie bauen einfach in die Frachtdragon ein Fenster ein – das war dann ein 2,6 Mrd. Dollar Fenster. Wenn es schon beim normalen Starship Probleme gibt, entweder in der Verwirklichung oder Finanzplanung (höhere Startkosten – man darf nicht vergessen, das SpaceX bisher fast ausschließlich die Falcon 9 startet – schon für die im Verhältnis zur Nutzlast billigere Falcon Heavy gibt es kaum Bedarf. Will SpaceX also Kunden für das Starship bekommen so müsste ein Start billiger als der einer Falcon 9 sein – und das bei zehnfach höherer Startmasse und viermal so vielen Triebwerken) dann wird sicher auch das Lunar Starship betroffen sein.

Nicht zuletzt sollte die NSASA mal sich daran erinnern, dass es sowohl bei Falcon 9 wie beim Starship etliche Versuche gab, bis die erste Landung gelang. Hat die NASA Zeit und Geld dafür so viele Landeversuche mit dem Lunar Starship durchzuführen? Denn SpaceX wird ja nur eine Demonstrationsmission finanzieren müssen. Ich denke nicht und wenn es etliche Versuche gibt, dann ist das auch ein Ansehensschaden für die NASA.

[Edit 3.8.2021]

Wie mir beim Abfassen eines Kommentars klar wurde scheinen sowohl NASA wie auch SpaceX den Vertrag nicht ernst zu nehmen. Warum? Nun SpaceX hat schon im März einen Auftrag für die Versorgung des Lunar Gateways bekommen. Dieser umfasst maximal 7 Mrd. Dollar über 15 Jahren. Ein Versorger bliebt 12 Monate an der Station. Nun ist die Station kleiner als die ISS, benötigt weniger Fracht, vor allem sinkt die Nutzlast einer Trägerrakete zum Lunar Gateway auf etwa ein Viertel der zur ISS ab. Entsprechend teurer würde ein Transport kommen. Doch nehmen wir mal an, das wäre nicht der Fall und vergleichen mit CRS-1, dort zahlte die NASA 3,5 Mrd. Dollar für 40 t Fracht. Inzwischen ist das 14 % teurer geworden. Nehmen wir mal 4 Mrd. Dollar an, so kann man mit 7 Mrd. Dollar rund 70 t Fracht transportieren (und da ist nicht berücksichtigt, das die Trägerrakete deutlich teurer wird).

Das Lunar Starship wird für 3 Mrd. Dollar einwickelt und beinhaltet eine Demomission. Das LS benötigt aber beim normalen Starship rund 10 bis 11 Tankerflüge, bei den von mir geschätzten 60 t für ein leichteres Lunar Starship immerhin noch 6. Mit 6 Tankerflügen könnte das Starship aber auch mit 220 t Fracht an das Lunar Gateway bringen, da es erheblich mehr Treibstoff benötigt um auf dem Mond zu landen und wieder zu starten als wie für das Erreichen des Gateways, an das es sowieso andocken muss, damit die Astronauten umsteigen können.

Dann hätte man doch gleich ein Lunar Starship mehr bauen können das dann 220 t Fracht zum Lunar Gateway transportiert. Also erst zahlt die NASA 7 Mrd. Dollar für 70 t Fracht, dann wenige Tage später finanziert sie ein Konkurrenzvehikel, dass im Prinzip auch die Fracht transportieren könnte, aber mit einer Demomission die dreimal so viel Fracht umfasst, wie der erste Vertrag, kostet das wenige Tage später nur 2,99 Mrd. Dollar. Das muss wohl höhere NASA oder SpaceX-Mathematik sein.

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