Bernd Leitenbergers Blog

Alternativen zu Plutonium-238 RTG

Europa-Clipper wird die vierte Raumsonde in Jupiterentfernung sein die auf RTG (Radioisotopengeneratoren) verzichtet und Solarzellen zur Stromgewinnung einsetzt. Zeit mal die Problematik der Energiequelle von RTG, dem Plutoniumisotop 238 und die Alternativen zu beleuchten.

Wie wird aus Radioaktivität Strom?

Die Physik eines RTG ist eigentlich relativ einfach. Beim radioaktiven Zerfall wird Energie frei, die letztendlich in Wärme umgesetzt wird. Bei der gezielten Kernspaltung in Kernreaktoren oder Atombomben ist dies sehr viel, weil viel Material zerfällt, forciert durch die Kettenreaktion. Bei RTG ist es dagegen die normale Zerfallswärme, die genutzt wird. RTG wandeln die Wärme mithilfe des thermoelektrischen Effekts in Strom um – bestimmte Materialen geben, wenn an verschiedenen Bereichen es unterschiedliche Temperaturen gibt, Strom ab. Der Wirkungsgrad ist recht gering. Bei den GPHS die über zwei Jahrzehnte eingesetzt wurden, gewann man aus 4400 Watt thermischer Leistung nur 285 Watt elektrische Leistung.

Damit es überhaupt funktioniert, muss sich das Material stark erhitzen. Das heißt es muss viele Zerfälle pro Sekunde geben. Natürliche radioaktive Isotope wie von Uran oder Kalium eignen sich wegen der langen Halbwertszeiten nicht, denn so gibt es zu wenige Zerfälle pro Sekunde. Auf der anderen Seite darf der Zerfall aber auch nicht zu schnell sein, dann könnte die Temperatur überschritten werden, bei der das Material (egal ob radioaktive Quelle oder Thermoelemente) schmelzen und der RTG wird zerstört. Ist die Temperatur zu gering, so sinkt die Stromausbeute durch den thermoelektrischen Effekt. Aus dem Grund (die Radioaktivität nimmt durch den fortschreitenden Zerfall immer mehr ab) geben RTG auch pro Jahr etwas weniger Energie ab. Dazukommen noch Alterungseffekte der Thermoelemente. Realistischerweise muss ein Isotop, das man als Energiequelle nutzen, kann eine Halbwertszeit von einigen Jahrzehnten bis maximal einigen Jahrhunderten haben.

Pu-238 liegt mit einer Halbwertszeit von 87,4 Jahren genau in der Mitte. Die Temperatur liegt an der heißen Verbindung der Thermolemente bei 1290 K, bei der kalten bei 566 K. Es gibt daneben noch einige andere Isotope, die ähnliche Halbwertszeiten haben. Zu diesen komme ich noch.

Was ist die Problematik von Pu-238?

Pu-238 ist eines der vielen Plutoniumisotope. Es ist nicht geeignet, um Atombomben zu bauen. Es entsteht aus Uran in Atomreaktoren, aber in zu kleiner Menge, als das es sich lohnt, es aus den radioaktiven abgebrannten Brennelementen zu extrahieren. Daneben gibt es auch die Problematik, das als Isotop die chemischen Eigenschaften von Pu-238 sich nicht von denen der häufigeren Isotope 239 und 240 unterscheidet. Man müsste es also aufwendig durch physikalische Methoden von den anderen Isotopen trennen. In der Praxis stellt man es gezielt her. Dazu entnimmt man die Brennstäbe aus einem Reaktor nach kurzer Zeit, trennt das kurzzeitig entstehende, im Laufe der Kernreaktion aber wieder zerstörte Isotop Neptiunium-237 ab. Neptunium ist ein anderes Element und kann daher chemisch vom Uran und Plutonium getrennt werden. Daraus macht man reine Neptuniumstäbe, die man dann in einen Reaktor mit hoher Neutronenabgabe einbringt. Das Neptunium-237 fängt ein Neutron ein, das dann zerfällt und wird zum Isotop Plutonium-238.

Dafür eignen sich nur Reaktoren, bei denen man auch einfach an die Brennstäbe herankommt, nicht die Druckwasserreaktoren, die sich für die Stromversorgung etabliert haben. Der gleiche Reaktortyp wird aus dem gleichen Grund auch zur Gewinnung von waffenfähigem Plutonium genutzt.

Ein Reaktor mit 1 GW Leistung produziert so maximal 15 kg des Materials pro Jahr, das in einem RTG dann etwa 300 Watt Leistung abgibt. Daraus ergibt sich der erste Nachteil: es ist extrem teuer in der Herstellung. Schon vor 20 Jahren wurden 90 Millionen Dollar für das Plutonium pro RTG mit 285 Watt Leistung genannt.

Die zweite Grundproblematik ist, das Plutonium radioaktiv ist. Diese Radioaktivität ist in den RTG durch mehrere Schutzschichten abgeschirmt. Bei den Vorbereitungen vor dem Start können sich Personen direkt neben der Sonde aufhalten, wie dieses Foto der Messung der Strahlung zeigt. Aber seit auf der Erde Atomkraftwerke in die Luft flogen, hat die NASA immer mehr Probleme die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Abschirmung so gut ist, das selbst bei einem Unfall nichts passieren kann.

Alternative Isotope

Zumindest an den Kosten für das radioaktive Material kann man etwas machen. Geeignet sind die beim Zerfall von Uran natürlich entstehenden Isotope Strontium-90 und Cäsium-137 mit Halbwertszeiten von 28 bzw. 30 Jahren. Sie stehen in abgebrannten Kernelementen in großer Menge zur Verfügung. Man kann das kurzlebige, durch Bestrahlung, entstehende Isotop Cobald-60 mit einer Halbwertszeit von 5 Jahren einsetzen. Dieses wird auch in der Medizin verwendet. Für die meisten Missionen ist die Halbwertszeit aber zu kurz. Daneben gibt es noch zwei Transurane mit geeigneten Halbwertszeiten Dies sind Cuium-244 und Americum 241. Curium 244 hat eine Halbwertszeit von 18,1 Jahren. Leider ist sein Anteil in abgebrannten Kernelementen so gering, dass es nicht billiger in der Gewinnung als Pu-238 ist. Americum-241 findet sich dagegen in größerer Menge in abgebrannten Kernelementen, etwa 100 g pro Tonne. Dadurch ist es deutlich günstiger in der Gewinnung als Plutonium-238. Es hat aber auch Nachteile.

Der Hauptvorteil des Pu-238 ist, das die entstehenden Zerfallsprodukte mit geringen Halbwertszeiten reine Alphastrahler sind. Alphastrahlung hat eine geringe Eindringtiefe. Schon eine dünne Umhüllung schirmt ist ab. Bei den anderen Isotopen gibt es auch Betastrahler oder gar Gammastrahler in der Zerfallskette, weshalb man wegen dieser durchdringenden Strahlung eine stärkere Abschirmung benötigt. Hier eine entsprechende Tabelle mit äquivalenter Abschirmung:

Material Halbwertszeit Wärmabgabe anfangs pro g Abschirmung in Blei [mm]
Plutonium, Pu-238 87,7 Jahre 0,39 J/g 5 mm
Americium, Am-241 432 0,097 J/g 18 mm
Curium Cm-244 18,1 2,27 51 mm
Cäsium, Cs-137 30 0,12 117 mm
Strontium, Sr-90 28 0,22 152 mm
Kobalt, Co-60 5,24 1,74 242 mm

Da bei einem normalen RTG das Plutoniumoxid nur 12,2 von rund 56,7 kg ausmacht – der Großteil der Restmasse entfällt auf die Abschirmung und den Schutz des RTG vor Thermischer und mechanischer Belastung bei einem Unfall, ist klar, dass eigentlich als Alternative nur noch das Isotop Americium-241 übrig bleibt.

Dessen Halbwertszeit von 432 Jahren bedeutet aber auch das man 5-mal mehr Material benötigt und die Temperatur geringer ist – damit sinkt der Wirkungsgrad der Thermoelemente nochmals ab. Kurz: in der Summe ist es nicht günstiger als Plutonium-238. Der einzige Vorteil von Am-241 ist das man Reaktoren nicht in einem Modus betreiben muss in dem sie vor allem Isotope erbrüten, sondern man normale abgebrannte Kernelemente aufarbeiten kann.

Derzeit arbeitet die ESA – dabei vor allem Großbritannien, was angesichts der Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield nicht verwunderlich ist – an der Erforschung von Am-241. Wie zu erwarten schneidet es generell schlechter als Pu-238 ab. Eine mögliche Anwendung ist ein kombinierter Mini-RTG/RHU. Ein RHU ist ein Heizelement, das passiv arbeitet und einfach die Zerfallsenergie als Wärme abgibt. US-Raumsonden haben bis zu mehrere Dutzend dieser Pellets an Bord, die jeweils 1 Watt Wärme abgeben, um wichtige Elemente vor dem Ausfall zu schützen. Eine Batterie darf z. B. nie gefrieren. Ein soclhes RHU würde primär Wärme abgeben und etwas Strom, aber wenig, weil der Wirkungsgrad durch die längere Zerfallsdauer geringer ist. Ein 1,3 kg schweres Element würde 20 Watt an Wärme abgeben, daneben 1 Watt an Strom -wenig aber vielleicht genug um eine minimale Elektronik für Notfälle zu betrieben.

Bessere Nutzung

Die offensichtlichste Möglichkeit ist es, den miserablen Wirkungsgrad von 6,4 % bei der Umwandlung von thermischer in elektrische Energie zu erhöhen. Eine Möglichkeit ist es, den Kühlkreislauf von kleinen Kernreaktoren zu verwenden und Natrium zu verdampfen. Diese Alkalimetall Thermal to Electric Converters (AMTEC) haben im Labor einen Wirkungsgrad von 16 %, also mehr als doppelt so hoch wie bei den RTG. Die Forschungen wurden aber Anfang der 2000-er Jahre eingestellt.

Länger verfolgt hat man das Konzept des Stirlingmotors. Das Prinzip ist recht einfach. In einem abgeschlossenen Zylinder wird Gas an einer Seite erwärmt, dehnt sich aus und drückt einen Kolben weg, dessen mechanische Bewegung in elektrische Energie umgesetzt wird. Durch die Expansion sinkt die Temperatur und das zieht den Kolben in die Ausgangsposition. Stirlingmotoren sind sehr zuverlässig und verschleißarm und werden z.B. in Entwicklungsländen im Brennpunkt von Parabolspiegeln zur Erzeugung von Strom genutzt. Der Wirkungsgrad ist drei bis viermal höher als bei Thermoelementen. Bei der Gesamtmasse ist der Vorteil kleiner, da der Stirling Motor schwerer ist als die Bimetallstreifen. Die NASA hat aber auch inzwischen die Forschung an dieser Technologie eingestellt, bei der es primär darum geht, zu gewährleisten das der Motor nicht vor Erreichen der Nennbetriebsdauer ausfällt eingestellt, weil es zu wenige Missionen mit RTG gibt.

Solarzellen

Heute haben Solarzellen die RTG bei Missionen bis zu Jupiter abgelöst. Den Anfang machte Rosetta, die sich bis auf Jupiterentfernung von der Sonne entfernte, es folgte Juno und für die noch folgenden Sonden Psyche (bis 3,2 AE Sonnenentfernung) Lucy, JUICE und Europa Clipper (jeweils Jupiterentfernung = 5,4 AE) sind auch Solarzellen vorgesehen.

Das verwundert nicht, denn anders als RTG konnten die Leistungsparameter von Solarzellen deutlich verbessert werden. Lag der höchste Wirkungsgrad 1980 noch bei 15 % so sind es heute 29 %. So erhält man mehr Strom pro Fläche. Ebenso ist es gelungen, Solarzellen leichter zu fertigen. 1980 hatten starre Flügel eine Leistungsdichte von 45 W/kg heute sind es 85 W/kg. Flexible Zellen erreichen 150 W/kg und große Paneele mit dieser Technologie können 170 W/kg erreichen. Das ist erheblich besser als bei RTG, die bei 5 W/kg liegen. Allerdings nimmt die Leistung quadratisch mit der Sonnenentfernung ab und ist bei Jupiter 27-mal geringer und liegt dann (bezogen auf das Gewicht) schlechter als bei RTG. Bei Jupiter kommt noch hinzu, dass man die Solarzellen vor Strahlenschäden schützen muss und eine zusätzliche Glasschicht als Schutz braucht. Junos Solargenerator wog 340 kg und liefert nur 450 Watt Strom. Zwei GPHS RTG mit 570 W Leistung hätten nur 114 kg gewogen. Der Schutz und spezielle Niedrigtemperaturzellen haben den Solargenerator von Juno auch deutlich schwerer als den eines Satelliten gemacht.

Solarkonzentratoren sollen dieses Problem mildern. Das Prinzip ist relativ einfach. Es wird nicht das ganze Paneel mit Solarzellen belegt, sondern nur teilweise. Dafür liegt über jeder Zelle eine Fresnellinse, die das Licht aus der Umgebung bündelt. Bislang wurde die Technologie einmal bei der Raumsonde Deep Space 1 erprobt. Eine Technologiemission mit einem deutlich besseren Solarkonzentrator wurde aber abgesagt. Der Gewinn wird erzielt dadurch, dass die Fresnellinse aus Acrylglas viel weniger wiegt als eine Solarzelle. Bei den Missionen ins äußere Sonnensystem kommt hinzu, das die Einstrahlung auf die Zelle so höher ist und die Temperatur der Zelle nicht so stark absinkt.

Kernreaktoren

Sinnvoller scheint es zu sein, eine etablierte Technologie für die Energieerzeugung zu nutzen: Kernreaktoren. Auch wenn Uran für die kleinen Reaktoren hoch angereichert werden muss, damit man die kritische Masse erreicht, ist das Material doch erheblich billiger und die Energieerzeugung pro Kilogramm höher. Das Problem ist das auch hier, dass der Wirkungsgrad der Umwandlung von Primärenergie in elektrische Energie sehr klein ist. Der einzige Kernreaktor der USA nutzte bei SERT Thermoelemente, die russichen Reaktoren setzten flüssige Alkalimetalle als Kühlmittel ein. Sie erreichten Leistungen von 5 bis 10 kW bei einer Masse von 1071 kg. Auch hier betrug der Wirkungsgrad der Umwandung von thermischer in elektrische Energie nur 5,2 %.

Das zweite Manko ist, das der Reaktor abgeschirmt werden muss, er muss schließlich einen Unfall überstehen und dabei muss auch das gesamte Kühlsystem mit abgeschirmt werden. Da die Wärmeabgabe in der dritten Potenz des Reaktorkerndurchmessers steigt, die abzuschirmende Oberfläche aber nur quadratisch, werden Kernreaktoren in der Leistungsdichte (s.u). so besser, je größer sie sind. Zwei aktuelle Beispiele. Die NASA hat den experimentellen Reaktor SAFER entwickelt der 100 kW elektrische Energie bei 512 kg Masse erreicht. Doch er ist zu groß für einen Einsatz. Die derzeitigen Kilopower Reaktoren, die in der Entwicklung ind werden, nur 1 bis 10 kW liefern. 1 kW Modul wiegt 134 kg, das 10 kW Modul nur 226 kg also doppelt so viel bei der zehnfachen Leistung. Bei allen drei Reaktoren käme aber noch die Abschirmung hinzu die viel mehr wiegen würde (beim 10 kW Reaktor rechnet man mit 1.500 kg Gesamtmasse also der Faktor 6, bei den russischen Reaktoren verdreifachte sich die Masse durch den Schutz vor Wiedereintritt.

Solange man also nicht besonders hohe Leistungen benötigt, sind Kernreaktoren zumindest, was das Gewicht pro Kilowatt Leistung angeht, schlechter als RTG. Die Kosten hängen stark davon ab, wie viele Reaktoren man fertigt. Das teuerste ist die Entwicklung. Die Fertigung ist relativ billig. Als die USA zwei TOPAZ-Reaktoren (je 5 kW Leistung) kaufte, bezahlte sie nur 13 Millionen Dollar. Zum Vergleich: ein GPHS mit 285 Watt Leistung kostete zum gleichen Zeitpunkt rund das fünffache in der Herstellung.

Leistungsgewicht

Früher von Bedeutung, heute eher weniger, ist eine Kerngröße, das Leistungsgewicht. Sprich: wenn ich x Watt an elektrischer Leistung benötige, wie viel wiegt das System dafür. Die Größe wird in Watt/kg angegeben. Um die Masse zu erhalten, teilt man den Strombedarf durch diese Größe. Hier einige Werte:

System W/kg
GPHS-RTG 5 W/kg
MMRTG 2,9 W/kg
Sterling-RTG 4 W/kg
Solarzellen starre Flügel @ 1 AE 85 W/kg
Solarzellen flexibler Träger @ 1 AE 150 W/kg
Solararray Juno @ 5,4 AE 1,3 W/kg
TOPAZ-2 Reaktor 6 kW, abgeschirmt 5,6 W/kg
Krusty Reaktor 10 kW abgeschirmt 6,6 W/kg
SP-100 100 kW Reaktor abgeschirmt 18,4 W/kg

Die Größe ist dann von Bedeutung, wenn die Sondenmasse begrenzt ist. Der Solargenerator machte ein Viertel der Trockenmasse von Juno aus. Bei den früher üblichen direkten Starts zu den Planeten war die Forderung nach geringer Masse noch strenger, durch den Einsatz von Swing-Bys ist dies heute nicht mehr so, doch dafür dauert es länger, um zum Ziel zu gelangen. Juno brauchte fünf Jahre anstatt zwei beim direkten Kurs.

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