Auf den heutigen Blog kam ich mir vor ein paar Tagen der Gedanke kam, mal zu googeln, was aus meinen Kommilitonen wurde, genauer gesagt aus meinem ersten Studiengang Lebensmittelchemie. Es ist bei den meisten meiner Mitstudent/innen nun 26 bis 27 Jahre her, das ich sie gesehen habe. Lebensmittelchemie war damals (ich weiß nicht, wie es heute ist) ein familiärer Studiengang, anders als Chemie. Wir waren zu neunt im Semester, von sechs der acht Kommilitonen habe ich rausgefunden, was sie heute machen. Auch wenn mir die meist englischen Begriffe nicht so viel sagen „Wie Key Account“,“International Sales and Marketing Consulting“ oder „Head of Scientific and Regulatory Affairs“. Immerhin zwei sind Geschäftsführer – die Bezeichnung hat man noch nicht eingeenglischt. Einer ist, wie ich es mal war, bei der Studentenbewegung, das war nicht neu, ich hatte mich auf dieselbe Stelle beworben, was ihn erst auf die Idee gebracht hat. Da seine Frau den Professor gut kannte, hat er sie bekommen.
Zwei der acht Kommolitinen habe ich nicht gefunden. Ehrlich gesagt, mich hat schon überrascht, dass ich von so vielen die Infos bekommen habe. Das liegt am Studiengang: Lebensmittelchemie wird hauptsächlich von Frauen gewählt, ganz im Gegensatz zur normalen Chemie. Wir hatten sechs Frauen und drei Männer in unserem Semester. Zwei Semester unter uns gab es ein ganzes Semester, und zwar ein großes (12 oder 14, wenn ich mich richtig erinnere) ganz ohne männlichen Studenten. Da rechnet man damit, dass sich der Nachname ändert, was eine Suche fast unmöglich macht, denn selbst mit Doppelnamen gibt es etliche Kombinationen, von den „normalen“ Doppelungen mal ganz abgesehen (es gibt ja auch mindestens vier Bernd Leitenberger in Deutschland, mit zweien hatte ich mal persönlich direkt oder indirekt zu tun). Erstaunlicherweise war bei den beiden, die nicht fand, mit dabei die Einzige, die schon während unseres Studiums verheiratet war. Nun ja vielleicht hat gerade sie sich scheiden lassen.
Auf die Idee zu googeln, kam ich durch meine Nichte. Lebensmittelchemie war schon immer ein exklusives Studium, sprich es gibt nicht viel Auswahl bei den Arbeitgebern. Als ich von Chemie zu Lebensmittelchemie wechselte, sah es durch zahlreiche Skandale zumindest für mich als Student besser aus. Clenbuterol in Kälbern, Diethylenglykol in österreichischem Wein, (angeblich) verdorbene Eier in Frischeinudeln, Würmer in Fischen, das waren nur die wichtigsten Skandale, die es damals gab. Als ich das Studium beendete, setzte aber das große Sterben der Analytiklabors ein, die neben dem Staatsdienst der größte Arbeitgeber waren. Meine Nichte hat Biologie studiert und sucht auch schon seit geraumer Zeit nach einer Stelle, die ihr gefällt. Ich meine, sie sollte sich weiter qualifizieren Biologie durch etwas erweitern, was gesucht wird wie Mikrobiologie, Genetik, Informatik (ja es gibt auch Studiengänge Bioinformatik) oder eben einen Neuanfang wagen und was Neues probieren. Ich erinnerte mich an einige zufällige Begegnungen mit früheren Kommilitonen, nicht nur aus meinem Semester – da man während des Studiums drei von fünf Tagen ganztägig im Labor verbringt und das ein Trakt für drei Semester ist, kennt man zwangsläufig auch die Studenten zwei Semester über und unter einem. Ich erfuhr, dass einige ein zweites Studium angeschlossen haben, andere in einem Beruf arbeiten, der nur wenig mit dem Studium zu tun hat wie Pharmareferentin und eine arbeitete auch weit unter ihrer Qualifikation als Chemielaborant. Ich selber habe ja auch zweimal studiert, eine zweite Studentin aus unserem Semester auch. Ich weiß nur von einem, der wirklich als Lebensmittelchemiker arbeitet. Er war nominell in unserem Semester, lies sich aber nie sehen und hat dann den Abschluss auch ein Semester später gemacht, an der CLUA wurde er dann zum Liebling einer Laborleiterin, die ihn unterstützte und als dort eine Stelle frei wurde, wurde sie, welch ein Wunder, an ihn vergeben. Vier von uns neun arbeiten in Kosmetik- oder anderen Firmen die Bedarfsgegenstände herstellen, doch selbst hier sieht man unterbrochene Lebensläufe oder deren Verschleierung. Einer ist Geschäftsführer für eine Firma die Sicherheitssysteme herstellt und einer wie geschrieben ist Studentenbetreuer an der Hochschule für Druck und Medien in Stuttgart. Hat also gar nichts mit dem Studium zu tun. Flexibel sollte man also sein, auch in der Biologie. Na ja, weil ich das meiner Nichte bei meinem Besuch sagte, kam ich auf die Idee, doch selbst mal zu schauen, was aus meinen Mitstudenten wurde.
Warum ich auf den Blog kam, hat aber noch eine andere Dimension. Kurzzeitig kam ich mir wie ein Verlierer vor. Die Titel klingen gut und irgendwie haben doch die meisten meiner Mitstudenten „Karriere“ gemacht. Ich dachte kurz, wie ich wohl dastehen würde, wenn wir ein Ehemaligen-Treffen hätten. Aber ehrlich: eigentlich will ich gar nicht Karriere machen. Ich wäre auch eine miserable Führungspersönlichkeit. Ein Labor als Lebensmittelchemiker beim Staat zu führen, das wär‘s gewesen. Da hat man ein bis drei Chemieassistentinnen, die die Regelanalytik machen und man kann sich mit den Gutachten und Forschung z.B. an neuer Analytik beschäftigen. Aufrücken kann man praktisch nicht. Als Softwareentwickler wäre mein Wunsch ähnlich gewesen. Entweder allein oder in einem kleinen Team an etwas programmieren, aber nicht ein Team leiten oder weg von der Programmierung zum Systemdesign. Am selben Abend kam ich dann ins Gespräch mit einem ehemaligen Schulkameraden aus der Hauptschule, den ich regelmäßig beim Schwimmen treffe. Er fragte mich, wann ich Urlaub machte und ich sagte, dass ich dauernd Urlaub habe, da ich nun „Rentner bin oder mich ins Privatleben zurückgezogen habe“. Da kam sofort die Rückfrage „Aber Du machst doch noch was?“. Ja eigentlich habe ich es viel besser, als alle die Karriere machen. Ich muss nicht arbeiten und derzeit mache ich das auch kaum, wie man an den fehlenden neuen Büchern auch sieht. Selbst wenn ich arbeite, dann an etwas, womit ich nicht reich werde, auch wenn die Website durch ihre schiere Größe inzwischen doch nennenswerte Einnahmen abwirft und eine Karriere ist das sicher nicht.
Das eigentliche Thema für heute kann ich nach diesem sehr langen Epilog relativ kurz halten, es ist das Phänomen, wenn man Leute wiedertrefft, mit denen man früher viel zu tun hatte und nun viel Zeit vergangen ist., also die typischen Klassen- oder Ehemaligentreffen.
Ich habe drei Schulen besucht: eine Hauptschule, eine Berufsfachschule, in der ich den Realschulabschluss nachholte und ein Gymnasium, dann der Studiengang Lebensmittelchemie und später noch der Studiengang Softwaretechnik. Das deckt den Abschlusszeitraum 1980 bis 2004 ab. Da gäbe es also genügend mögliche Ehemaligentreffen. Bei der Hauptschule hatten wir zwei. Eines wenige Jahre nach Schulende, initiiert von unserem Klassenlehrer, dann noch eines 15 Jahre nach dem Abschluss, als wir alle schon um die 30 herum waren. Schon damals kam ich mir blöd vor. Ich war gerade in der Endphase meines Studiums, nominell habe ich den höchsten Abschluss von uns allen. Aber die anderen waren seit Jahren im Beruf und haben mehr oder weniger mit ihrem Einkommen geprotzt. Als dann noch bekannt wurde, dass ich mit dem Fahrrad kam, zog ich allgemeines Mitleid auf mich, dabei wussten eigentlich alle schon zu der Zeit, als ich zu Schule ging, dass ich nicht gut sehen kann und so nie einen Führerschein machen konnte.
Bei der Berufsfachschule habe ich mich von allen Schulen am wohlsten gefühlt und ab dem zweiten Treffen weitere organisiert, bis etwa 15 Jahre nach dem Abschluss, als einfach immer weniger kamen. Vom Gymnasium hatten wir bisher kein Treffen, ich habe einige ehemalige Schüler sieben oder acht Jahre nach dem Abi wiedergetroffen, als die Schule ein Treffen organisierte. Und beim Softwarestudiengang gab es auch kein Treffen.
Die Grundproblematik ist glaube ich der zeitliche Abstand zwischen Zeit, in der man zusammen war und Treffen. Mein Bruder geht immer noch regelmäßig zu Klassentreffen und Treffen seiner Studienkollegen. Das ist nie abgerissen (und er ist nun 72) und da bliebt man in Verbindung, sieht wie andere altern, sich weiter entwickeln, weiß was sie inzwischen gemacht haben und tun. Das ist etwas völlig anders, als wenn man mit jemand als Jugendlicher zusammen war und diesen nun nach Jahrzehnten wieder trifft. Die Menschen verändern sich, am meisten in der Pubertät und danach als junger Erwachsener. In der Erinnerung sind sie aber dieselben geblieben. Das betrifft nicht nur das Aussehen, sondern eben auch das Verhalten. Ich wurde beim Hauptschultreffen an mein albernes Verhalten zu der Zeit erinnert, das ich völlig vergessen (oder besser verdrängt) hatte. Das zweite ist, was man mit den Menschen gemeinsam hat. Es ist kein Zufall, das ich nach den Kommilitonen meines Lebensmittelchemiestudiengangs gesucht habe. Wir waren drei Semester während Studiengangs zusammen und den meisten bin ich dann auch noch während der einjährigen Praktikantenzeit an der CLUA Stuttgart wieder begegnet. Wenn man den größten Teil der Woche zusammen im Labor ist, lernt man andere kennen, erfährt privates, kennt zumindest aber den Charakter von jemanden besser. Das eine von uns Geschäftsführerin wurde, hat mich nicht so sehr gewundert, sie war schon zu Studienzeiten sehr zielstrebig und fleißig mit „preußischen Tugenden“, wie sie selbst sagte. Beim anderen der Geschäftsführer wurde, mit dem ich auch die zweite Prüfung machte, hat mich das dagegen schon verwundert. Bei einem gemeinsamen Studium verbindet auch das gemeinsame Interesse einen, auch wenn alle nun in Kosmetikfirmen gelandet sind und nach ihren Berufsbezeichnungen auf der „dunklen Seite der Macht“ angekommen sind, der Produktentwicklung (für die Blogleser: damals war der Studiengang sehr auf die Bedürfnisse des Staates und damit die Lebensmittelüberwachung ausgelegt, umfasste als Hauptblöcke Lebensmittelanalytik und -recht, das war das, was man brauchte, wenn man Verstöße in Produkten nachweisen musste, aber nicht, wie man solche Produkte entwickelt).
Warum ich nicht beim jüngeren Studiengang Softwaretechnik (nach meinem Titel wäre auch Medieninformatik dabei, doch das lasse ich, weil es eigentlich im Studium kein Schwerpunkt war, meistens weg) gesucht habe? Das Studium war anders. Es gab Vorlesungen, relativ wenige Praktika, meistens arbeitete oder lernte man alleine. In einer Vorlesung gibt es wenig Möglichkeiten sich zu unterhalten oder kennenzulernen. Ich habe für den Blog mein Abschlussbuch rausgeholt, das wir damals machten. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass die meisten ich noch am Foto erkannte, aber nur von einem noch den Namen wusste und bei einigen sagte mir auch das Foto nichts, weil man doch relativ oft mit denselben Leuten zusammen ist. Ähnliches wäre auch zum Gymnasium zu sagen, wo ich zumindest noch alle Vornamen zusammenbekomme (und bei der Hälfte auch die Nachnamen). Die vollständigen Namen bekomme ich nur noch bei der Hauptschule und eben Lebensmittelchemie zusammen. Das zeigt schon, wie Leute dann doch aus der Erinnerung verschwinden. Die großen Überraschungen hat man aber erst, wenn man jemand wiedersieht, denn man zuletzt als Jugendlicher gesehen hat. Ich erzählte ja schon von meinem Schulkameraden von der Hauptschule. Als ich 2010 nach 15 Jahren ihn erstmals wieder sah, habe ich ihn nicht erkannt. (Er mich übrigens auch nicht). Er hat sich völlig verändert, an Gewicht zugelegt, kurze Haare, Vollbart, eigentlich haben sich nur die Augen nicht verändert.
Nun ja das ist heute kein Problem mehr. Digital kann man auch nicht altern. Was mich auch erstaunt hatte, war das nach den Fotos meiner Kommilitonen sich wenig geändert haben. Die meisten hatten sogar noch dieselbe Frisur wie damals, vor allem scheint aber an ihnen das Alter (also gut 25 Jahre) recht spurlos vorbeigegangen zu sein. Ich habe nochmals die alten Fotos rausgekramt und wenn ich da mich so ansehe … Na ja ich sehe deutlich älter aus. Sind es die guten Gene, oder nicht aktuelle Fotos, oder Photoshop – oder alles zusammen?
Das mit dem fehlenden Altern in der Erinnerung ist aber auch schön. Ich denke an die Frauen, in die ich mal verliebt war und die ich auch Jahrzehnte nicht mehr gesehen habe. In den Erinnerungen und auf den Fotos sind die jung geblieben, ebenso wir irgendwie auch die Erinnerung an sie jung geblieben ist, also sich nicht so anfühlt, als wären 30 oder 40 Jahre vergangen.
Ich habe mir die Frage gestellt, wo ich wohl noch mal ein Treffen besuchen würde, und ihr erratet es schon, es wäre bei einem Ehemaligentreffen meiner Chemiekommilitonen. Ich glaube bei allen anderen Treffen wäre es mir peinlich. Aber im Hauptstudium war ich auch nicht der beste Student, habe damals schon viel mit Computern gemacht und ich glaube es würde sich niemand wundern, was ich heute mache.
So, nun habe ich viel über mich geschrieben. Wie sieht es bei euch und euren Erfahrungen mit Klassen- oder Ehemaligentreffen aus?