Alle Maschinen stehen still, wenn dein starker Arm es will!
Ich bin ja gerade in meinem Ferienhaus zum Großputzen machen. Da ich kein Auto habe, komme ich nur mit dem Zug dorthin. Die Zeit habe ich so gelegt, dass ich am Mittwoch losfuhr und am Donnerstag diese Woche wieder zurückkomme, in der Hoffnung das sich die GDL eine Woche zwischen den Streiks Zeit lässt. Am Ankunftstag waren die Nachwirkungen noch deutlich zu spüren, der erste Zug war überfüllt, die Leute mussten stehen, einen eigentlich gebuchten ICE den ich aber nicht nahm, wäre über 30 Minuten zu spät angekommen, sodass ich den Anschluss verpasst hätte.
Mein Verständnis für die GDL hält sich so in Grenzen. Das liegt nicht nur an ihrem Vorsitzenden Weselsky und seiner Sprache, die in mir alte Vorurteile gegen Ossis aufsteigen lässt.
Streik ist ein legales Mittel um Forderungen einer Gewerkschaft durchzusetzen. Streiks sollen aber auch maßvoll sein. Kurz: man streikt nicht wenn, wenn der Unterschied der Forderungen gegenüber dem Angebot klein sind, und dann legt man nicht alles über Tage lahm sondern eben Tag und beschränkt sich auf einzelne Betriebe, auch wenn wegen der Verzahnung der Industrie heute man mit der Bestreikung einzelner Zulieferer auch größere Unternehmen lahmlegen kann, fängt also mit einem Warnstreik an.
Ich fand schon bei der Ausgangsbasis die Differenz zwischen Angebot der DB AG und der Forderung der GDL klein. Seitdem hat die GDL dreimal gestreikt, die Bahn jedes Mal ihr Angebot nachgebessert, was vollkommen ignoriert wurde. In meinem Wertesystem – und so ist es meiner Erfahrung nach auch bei allen anderen Tarifauseinandersetzungen, setzt man sich nach einem neuen Angebot zusammen und verhandelt weiter und strikt nicht einfach weiter, solange bis das Angebot der Forderung entspricht.
Vor allem sind es keine Warnstreiks, sondern die Gewerkschaft legt den Personen- und Güterverkehr bundesweit lahm. Zwar kann die Bahn AG noch 30 % des Verkehrs aufrechterhalten, aber für mich hieße das konkret, dass ich bei zwei Umstiegen wohl jedes Mal einen Anschlusszug, vielleicht auch zwei verpasse (bzw. diese gar nicht erst fahren) und ich anstatt 3 Stunden 5 oder noch mehr Stunden für die Heimreise benötige.
Es ist nicht der erste Streik, dunkel erinnere ich mich an einen früheren Aufenthalt in Nesselwang, als ich die Angst hatte, nicht wegzukommen. Wikipedia nennt fünf Streiks seit 2007. Also alle zwei bis drei Jahre, wohl nach Auslaufen jedes Tarifvertrags ein neuer Streik. In der Berichterstattung wird davon gesprochen, dass die GDL eine Streikpartei sei, und selbst der Vorsitzende des DGB nannte den letzten Streik unnötig – da wurde mir erst klar, dass die GDL eigentlich keine Gewerkschaft ist, sondern dem Beamtenbund angehört, was die Rücksichtlosigkeit erklärt. Beamten sind meiner Erfahrung nach die Menschen wurst, sie werden ja auch bezahlt, wenn sie nichts tun.
Auch das Verständnis für die Forderungen hält sich in Grenzen. 600 Euro Coronaprämie (anfangs wurden sogar 1.300 Euro gefordert) für Lokführer? Die sind überhaupt nicht von Corona betroffen, hocken alleine in ihrem Führerstand, haben mit Menschen nichts zu tun, anders als die Zugbegleiter. Es gibt viele Menschen, die haben durch Corona Einbußen erhalten, die ihnen niemand ersetzt. Das Ferienhaus war z.B. von März bis Juni 2020 und November bis Juni 2021 gesperrt, das sind für mich Vermietungsausfälle in einem mittleren vierstelligen Bereich. Von der Vermietung lebe ich. Aber eine Berufsgruppe, die von Corona überhaupt nicht betroffen wird, soll eine Prämie erhalten? Da fehlt mir das Verständnis.
Experten sagen, dass es der GDL auch gar nicht um den Tarifabschluss geht, sondern um ihre Position innerhalb der Bahn. Sie will Mitglieder gewinnen und Weselsky sagte auch in einem Interview das die GDL 3.000 neue Mitglieder im letzten Jahr durch die Haltung gewonnen haben.
Hintergrund ist das Tarifeinheitsgesetz. Das wurde 2015 nach Streikwellen eben der GDL und der Piloten beschlossen und besagt, dass wenn es mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb gibt, der Tarifvertrag der größten Gewerkschaft gilt. Das ist bei der Bahn die EVO, eine echte Gewerkschaft und kein Bund von ehemaligen Beamten, sie hat fünfmal so viele Mitglieder und ist die stärkste Gewerkschaft in 300 Betrieben, die GDL nur in 16. Ziel der GDL ist es so, möglichst viele neue Mitglieder zu gewinnen und größer zu werden. Manche sehen dieses Gesetz daher als gescheitert an, weil es so zu mehr Streiks führt. Bei der Lufthansa, wo es ebenso viele kleine Sparteegewerkschaften gibt, hat man sich daher geeinigt zusammen zu verhandeln, was natürlich voraussetzt das alle Gewerkschaften das wollen und nicht wie die GDL nur ihre Eigeninteressen durchsetzen wollen.
Das Verhalten der GDL wäre doch eigentlich der Ansporn neue Gewerkschaften zu gründen. Es gibt ja viele Berufsgruppen, auf deren Arbeit wir jeden Tag angewiesen sind. Wenn die IG-Metall als größte Einzelgewerkschaft in Deutschland streikt, sind die meisten, die nicht in einem Betrieb arbeiten der bestreikt wird, kaum betroffen. Aber wenn Lokführer oder Busfahrer streiken kommen viele nicht zur Arbeit. Wenn Kindertagesstättenbetreuer/innen streiken, können viele nicht zur Arbeit gehen, weil sie die Kinder selbst versorgen müssen, wenn Pflegekräfte im Altenheim streiken, dann geht es sogar um Leben oder Tod. Kurz es gäbe viele Berufsgruppen im Dienstleistungsgewerbe, anfangen von Müllarbeitern bis zum Kantinenpersonal, deren Streik viele betrifft. Warum gründet ihr nicht eine eigene Gewerkschaft? Ihr seht ja wie ihr so Gehälter und Zulagen rausholen könnt, die deutlich über denen anderer Beschäftigten im Betrieb liegen!
Meine Ansicht: Es machen Gewerkschaften Sinn, wenn sie verschiedene Branchen betreffen, so wie es Gewerkschaften für Beschäftige in Metallverarbeitenden betrieben, Chemie oder bei der Öffentlichkeit als Arbeitgeber gibt. Aber mehrere Gewerkschaften für Beschäftigten eines großen Konzerns wie der Lufthansa oder Deutschen Bahn? Wenn es da unterschiedliche Tarifabschlüsse gibt, stiftet das doch innerbetrieblichen Unfrieden, wenn eine Mitarbeitergruppe mehr Gehaltserhöhung bekommt als eine andere. Wobei, wie ich dies verstanden habe, bei der Bahn das nicht mal mit Berufsgruppen korrespondiert: in der GDL sind auch Zugbegleiter organisiert, genauso in der EVO. Bedeutet das, dass ein Zugbegleiter der der EVO angehört, dann einen anderen Tarf hat als einer der in der GDL ist?
Ich glaube leider nicht daran, dass sich daran was ändern würde. Denn das würde voraussetzen, das die kleinen Einzelgewerkschaften sich entweder auflösen oder sich einer größeren Gewerkschaft anschließen oder man immer zusammen verhandelt. Beides ist aber bei der GDL nicht zu erkennen. Anders bei der Lufthansa wo eben das eingetreten ist und die kleinen Gewerkschaften von Piloten, Flugbegleitern, Fluglotsen nun mit dem anderen angestellten Personal zusammen verhandeln.
In Norwegen hatten wir vor ein paar Jahren einen Lehrerstreik. Die Gewerkschaft hatte auf stur gestellt (kann mich nicht mehr an die Details erinnern). Der Staat hat den ausgerechnet, wie lange dieser aushalten muss, bis die Streikkasse der Lehrergewerkschaft leer ist. Dann bekommen die Streikenden von der Gewerkschaft keine Unterstützung mehr, so dass der Streikwille sinkt. Zusätzlich kann die Gewerkschaft in den kommende Jahren kann keine Streiks mehr organisieren.
Lohnverhandlungen laufen hier etwas anders. Zuerst sitzen Gewerkschaften und Privatwirtschaft zusammen, und verhandeln wie viel Lohnerhöhung es das folgende Jahr gibt. Ist man sich einig, dann erhöht der Staat die Löhne des öffentlichen Sektors um etwas das selbe. So soll verhindert werden, dass sich die Lohnschere und guten und schlechten Zeiten zu viel öffnet.
Verlangt eine Gruppe zu viel, kommt es bei den anderen eben nicht gut an.
So viel anders ist es beim öffentlichen Sektor bei uns auch nicht. Man orientiert sich bei den Lohnsteigerungen der Privatwirtschaft. Nur ist die deutsche Bahn aber ein Unternehmen, wenn auch der Staat größter Anteilseigner ist und da gilt das nicht.
Den Seitenhieb auf die Beamten finde ich nicht fair. Wenn es Beamte – denen die Menschen angeblich wurst sind – wären, dann gäbe es keine Streiks. Beamte dürfen das nämlich nicht. Aber aus Kostengründen beschäftigt man lieber Angestellte, die aber auch ein Streikrecht haben.
Also ich sehe das markant anders als du.
Zum Einen sind die Forderungen der GDL sehr bescheiden. Eine Lohnerhöhunh im Bereich des Inflationsausgleiches und die Rücknahme der Kürzung der Betriebsrenten sind eher so am unteren Rande dessen was eine Gewerkschaft fordern sollte. Über die Coronaprämie kann man streiten aber man sollte nicht vergessen dass die GDL nicht nur Lokführer vertritt sondern auch viel anderes Betriebspersonal.
Die Forderungen sind also erstmal völlig angemessen. Die Bahn mauert aber seit Beginn weil sie der GDL kein besseres Angebot als der EVG machen will (bzw. sogar noch ein schlechteres). Daher auch der Streik jetzt, wenn eine Seite mauert machen Verhandlungen keinen Sinn.
Die „Verbesserungen“ des Angebots seitens der Bahn sind übrigens auch reine Mogelpackungen. Im letzten Angebot gab es die Bedingung dass der Tarifvertrag nur für bestehende Mitglieder der Gewerkschaft gelten soll, nicht für neue. Das ist eine Bedingung die keine Gewerkschaft akzeptieren kann (was der Bahn auch klar sein musste, das war ein reiner PR-Schachzug).
Es ist nur beeindruckend wie bei den sehr moderaten Forderungen der GDL so massiv medial gegen die Gewerkschaft geschossen wird.
Als Angestellte in der mittelständigen Privatwirtschaft im Osten sind für uns Begriffe wie Gewerkschaft oder Betriebsrat auch nach 30 Jahren Wiedervereinigung immer noch Fremdwörter. Trotzdem möchte ich mal eine Lanze für die GDL und ihren Führer Weselsky brechen. Weselsky war kein typischer DDR Funktionär, er war nie Mitglied der SED. Nach dem Mauerfall engagierte er sich in der wiedergegründeten Gewerkschaft der Lokführer, übernahm dort 1990 den Vorsitz der Ortsgruppe Pirna Zwei Jahre später avancierte er zum stellvertretenden Bezirksvorsitzenden, wurde dadurch Mitglied des Hauptvorstandes. Er selbst widerstand 2007 dem Angebot, auf die andere Seite zu wechseln und das Amt des Personalvorstands zu übernehmen. Er ist nicht erpressbar, eine inzwischen sehr seltene Charaktereigenschaft eines führenden Interessenvertreters.
Die Bahn ist mit der Staatsgewerkschaft EVG verbündet, bezichtigt aber die GDL verantwortungslos zu sein und Schaden anzurichten. Es geht nur darum, einen Sündenbock zu finden, denn verantwortlich für sämtliches Chaos (Verspätungen, Zugausfälle, ungeleerte Toiletten, verpaßte Anschlüsse, fehlende Reservierungsanzeigen, Streckenstilllegungen, etc.) bei der Bahn ist nicht die GDL, sondern das Bahnmanagement (DB-AG) und die CSU-Verkehrsminister der letzten Merkeljahre. Sie haben diejenigen installiert, die jetzt GDL-Mobbing betreiben.
Der Osten ist auch wesentlich stärker von Arbeitsniederlegungen betroffen, im Gegensatz zum westdeutschen Regionalverkehr, wo verbeamtete Lokführer ohne Streikrecht ihren Dienst tun.