Nachdem ich die Novembernachlese ausgelassen habe – mangels Substanz – reiche ich heute wieder mal eine Nachlese ein. Der Grund für die ausgefallene Novembernachlese war einfach. Es gab zu wenig Neues. Zwei Starts seit Oktober, beide im November. Der Erstflug des Starships wurde auf Januar/Februar verschoben.
Dann kam just heute diese Meldung über Probleme mit den Raptors. Die brannten bei den bisherigen Flügen der Starship-Prototypen ja schon mal durch oder zündeten gar nicht mehr. Beim Booster wartet man noch auf einen Test aller Triebwerke. Dann mailte Musk an seine Mitarbeiter:
„Unfortunately, the Raptor production crisis is much worse than it had seemed a few weeks ago. As we have dug into the issues following the exiting of prior senior management, they have unfortunately turned out to be far more severe than was reported. There is no way to sugarcoat this.
I was going to take this weekend off, as my first weekend off in a long time, but instead, I will be on the Raptor line all night and through the weekend.“
Also was lernen wir daraus. Als erstes, aber das ist nichts Neues, das Außendarstellung und innerer Zustand von SpaceX sehr weit auseinanderklaffen, man fühlt sich an die Propaganda von Diktaturen jeder Art egal ob monarchistisch, kommunistisch oder sonstwie-istisch erinnert. Nach außen hin läuft alles prima, man hat den HLS Kontrakt, baut Starlink auf, hat dort immer mehr Kunden und Kooperationspartner und steht vor dem Jungfernflug des Starships, intern scheint es schon seit Wochen eine „Produktionskrise“ zu geben.
Wen verwundert es – die Krise ist nicht vorüber, nur weil man das Management gefeuert hat. Entlassen wurde Will Heltsleys, weil es zu wenige Fortschritte gab. Dazu zwei seiner Vizepräsidenten, alle drei waren seit Jahren – 2008,2009 und 2013 bei der Firma. Ein Irrtum das man mit dem Feuern von Managern etwas ändert, ist bei Wirtschaftlern jeder Art weit verbreitet. Was es genau an Problemen gibt, bliebt offen. Ob man Probleme bei der Fertigung hat, ob die Stückzahl zu gering ist oder die Qualität nicht stimmt – das geht daraus nicht hervor. Aufgrund eines zweiten Tweets von Musk scheint er mit dem Triebwerk nicht so zufrieden zu sein, ein Redesign das es fundamental ändert, sei nötig:
„Raptor 2 has significant improvements in every way, but a complete design overhaul is necessary for the engine that can actually make life multiplanetary. It won’t be called Raptor. „
In jedem Falle denke ich nichts wird man erreichen, indem der Chef nun sein Wochenende opfert – will er an der Werkbank stehen? Das hat wohl eher den Charakter, auch alle Mitarbeiter zum selben Schritt zu bewegen:
„Unless you have critical family matters or cannot physically return to Hawthorne, we will need all hands on deck to recover from what is, quite frankly, a disaster.
The consequences for SpaceX if we can not get enough reliable Raptors made is that we then can’t fly Starship, which means we then can’t fly Starlink Satellite V2 (Falcon has neither the volume nor the mass to orbit needed for satellite V2). Satellite V1, by itself, is financially weak, while V2 is strong.
In addition, we are spooling up terminal production to several million units per year, which will consume massive capital, assuming that satellite V2 will be on orbit to handle the bandwidth demand. These terminals will be useless otherwise.“
Also es gibt zu wenige zuverlässige Raptors. Eigentlich bräuchte die Firma ja nur 39 Stück, da ja beide Stufen geborgen werden. Selbst wenn das Bergen mit dem Starship nicht klappt gehen nur sechs Treibwerke verloren, für den ersten Flug ist eine Bergung des Starships zum Beispiel nicht vorgesehen. Wenn man bei inzwischen 20 Prototypen des Starships und mindestens 4 sind für den Orbitaleinsatz geplant und 4 Boostern, nicht mal genügend Triebwerke zusammenbekommt, um die zwei für nächstes Jahr geplanten Starts durchzuführen, dann ist nicht nur wenig im Argen. Es scheint, das die Raketen die so öffentlichkeitswirksam präsentiert werden, alles sind nur nicht flugfähig. Es sind Mokups, mit denen man Fortschritte vermelden will. Die Taktik ist nicht neu und wurde schon im 18. Jahrhundert „Potemkinsche Dörfer“ genannt.
SpaceX wird aktuell mit 100 Mrd. Dollar bewertet und bringt es nicht mal fertig genügend Triebwerke für eine wiederverwendbare Rakete zu fertigen, die also nicht bei jedem Start verloren gehen? Immerhin scheint das Auffordern von Arbeitern darauf hinzudeuten, dass man weiß wie es richtig geht, denn sonst würde das Mobilisieren des Großteils der Belegschaft nichts nützen und man bräuchte nur einige Konstrukteure die sich mit dem Triebwerk auskennen und nicht einen großen Teil der Belegschaft. Wenn für nächstes Jahr nach Musks eigenen Worten nur zwei Starts geplant sind, frage ich mich wofür die Leute dann am Wochenende arbeiten müssen, da scheint doch eine Verzögerung aufholbar.
Das Starlink und Starship so eng verbunden sind, verwunderte mich nicht. Während man bei der Falcon Heavy sich Zeit bis zum Einsatz lies, nachdem sie angekündigt wurde, weil sich raus stellte das es zu wenige zahlende Kunden gab und man sie auch nicht bei der zweiten Generation der Starlink Satelliten einsetzen kann, hat man das Starship gepusht. Für das gibt es noch weniger Bedarf – eben außer dem Firmeninternen. Das ergibt sich aus einer einfachen Rechnung. Insgesamt sollen es rund 42.000 Satelliten werden, rund viermal so viele wie es bisher in mehr als 60 Jahren Raumfahrt gibt und da ein Falcon 9 Start bisher maximal 60 davon befördert hat, bräuchten sie 700 Starts dafür. In drei Jahren haben sie gerade mal 4 % der 42.000 Satelliten gestartet, bei dem gleichen Tempo – und das scheint, da wir zwar einen neuen Rekord dieses Jahr haben, aber nur noch leicht besser als der bisherige Rekord, nicht groß steigerbar zu sein – bräuchte man so über 70 Jahre um das Netz aufzubauen. Bei der rund vierfachen Kapazität eines Starships geht das erheblich schneller.
Aus der Äußerung von Musk leite ich ab, dass das Nutzlastvolumen der Punkt ist, der Probleme macht, denn sonst könnte man ja die Flacon Heavy einsetzen die schon die dreifache Nutzlast hat. Aber die Nutzlasthülle ist eben deutlich kleiner als bei der Konkurrenz und die ist bei beiden Falcons dieselbe. Da allerdings nun eine neue kommt die man für große Satelliten des DoD und der NRO braucht, frage ich mich, warum man dann nicht diese nutzt und die existierende Falcon Heavy einsetzt.
Ich sehe das auch mit Starlink V2 etwas anders als Musk. Die Satelliten mögen pro investierter Million Dollar mehr Benutzer bedienen können als die erste Generation. Doch das entscheidet nur zum Teil über die Wirtschaftlichkeit. Erst einmal benötigt man überhaupt erst mal so viele Abonnenten, das man den Break-Even Point erreicht und das ist bei noch 96 Prozent der zu startenden Satelliten und damit auch erheblich höheren Investitionen als bisher, noch offener als die Wirtschaftlichkeit der aktuellen ersten Stufe. Das Musk ein Projekt, das noch entwickelt werden muss an ein zweites bindet, das ebenfalls noch nicht existiert, sodass die Firma bei einer Verzögerung in auch nur einem der beiden Projekte bankrott geht, zeigt wie man bei Musks Firmen wirtschaftet. Wenn schon bei dem Bau der Raptors Probleme durch den Zeitverzug den Bankrott ermöglichen, wie wird das dann erst bei Verzögerung in der Erprobung werden? Von den Hoppertests verlief auch nur der letzte erfolgreich und die Falcon 9 brauchte auch etliche Anläufe, bis sie erfolgreich landete. Wenn da Musk genauso optimistisch geplant hat, wie beim Termin des Erstflugs („im erbst 2019“) dann sehr ich schwarz für die Firma.
Das ist auch ein Beispiel, warum ich meine, dass Wirtschaft keiner Logik folgt, denn die Firma soll ja 100 Milliarden Dollar wert sein, da dürfte es doch kein Problem sein einfach einen Kredit zum Auffangen der Verzögerungen zu bekommen …
Zuletzt noch etwas anders – eine Brücke zu meinen Blogs über das Klima. Ich habe mir mal überlegt wie – ich glaube nicht daran, aber Musk schon – es sich auf die Klimabilanz auswirkt, wenn jemand die suborbitalen Reisen ausnutzt.
Was ist bekannt?
- Es sollen pro Flug 100 Passagiere befördert werden
- Die erste Stufe lädt 3.500 t Treibstoff zu
- Die zweite Stufe lädt 1.200 t Treibstoff zu
- Das Mischungsverhältnis Sauerstoff / Methan beträgt 3,8 (anfangs sogar noch geringer)
- Methan hat die Atommasse 16
- Kohlendioxid hat die Atommasse 44
Berechnung
Relevant ist für den Kohlendioxidabbdruck nur das Methan, egal ob es vollständig verbannt wird oder in der Atmosphäre nachoxidiert. Aus einem Molekül Methan entsteht ein Molekül Kohlendioxid. Daher erhalten wir als erstes den Massenkorrekturfaktor MKF:
MKF = 44 / 16 = 2,75
Die Gesamtmasse an Treibstoff T erhält man durch Addition der Treibstoffmenge beider Stufen:
T = 3500 t + 1200 t = 4.700 t
Den Methananteil durch das Mischungsverhältnis (3,8). Es gilt:
MMethan = T / (1+3,8) ) = 4.700 t / 4,8 = 979,17 t
Multiplizieren wir Mmethan mit dem MKF so erhalten wir die Gesamtkohlendioxidmenge die ein Start verursacht
MCO2 = Mmethan * MKF = 979,17 t * 2,75 = 2692,71 t
Pro Passagier wird 1/100 davon emittiert, also 26,92 t pro Person.
Doch das Einordnen in die Kohlendioxidbilanz ist schwer. Schon beim Flugzeug nimmt man die Menge mal drei, weil die meisten Emissionen in großer Höhe freigesetzt werden, was viel klimawirksamer ist. Wie das dann bei einer Rakete ist, wo die Emissionen in noch größerer Höhe erfolgen? Schwer zu sagen. Eine Begründung sind ja die Kondensstreifen, die sich bei einem Flugzeug bilden, diese wären bei einer Rakete viel geringer, weil sie schon nach etwa 80 Sekunden zu hoch ist, als das sich noch nennenswerte Wassermengen zum Kondensieren in der Atmosphäre befinden. Immerhin, ist die reine Kohlendioxidemission bei Langstrecken mit dem Flugzeug noch kleiner als bei einem Starship. Bei einem von Frankfurt nach Sydney – das ist die längste sinnvolle Strecke – sind es 4.665 kg Kohlendioxid pro Person, also ein Sechstel der Emissionen die ein Starship verursacht. Erst wenn man 93.000 km mit dem Flugzeug fliegt, wäre die reine Kohlendioxidbilanz gleich hoch. Absolut ist die Emission genauso hoch wie die eines Bundesbürgers über 2 ½ Jahre,
Das passt doch irgendwie zu einem Mann, der die Lösung für die Klimaprobleme darin sieht, auf den Mars auszuwandern. Tja sobald man in der Arche (interplanetare Starship) ist darf die Sintflut kommen und wie heißt es so schön für ein soclhes Verhalten – „Nach mir die Sintflut“.