Retrocomputer
Seit ein paar Jahren läuft ja die Retrowelle, sprich, alte Computer sind wieder gefragt. Die ct’ bringt jeden November eine zusätzliche Retroausgabe heraus die mich bisher auch jedes Mal zu neuen Artikeln inspiriert hat. Wer bei eBay einen alten gebrauchten Computer kaufen will, stellt fest, dass die inzwischen sehr teuer sind. Ich habe vor einigen Wochen versucht einen ITT 2020 mit zwei Diskettenlaufwerken zu kaufen. Doch das Endgebot von 285 Dollar war mir zu hoch. Dabei ist das nicht einmal eine Marke, die einen besonderen Ruf hat. Der ITT 2020 war der einzige lizenzierte Nachbau eines Apple II+.
Schon bei der letzten Retroausgabe der ct’ stieß ich darauf, dass es Leute gibt, die nicht nur einen alten Rechner wiederbeleben wollen, sondern sogar heute einen Rechner wie damals in den frühen Achtzigern konstruieren wollen, also einen 8 Bit Rechner mit BASIC oder CP/M. Bei Tindie gibt es da eine reiche Auswahl. Interessanterweise in der Sparte „Vintage Computer“. Vintage bedeutet aber echt alt, während Retro nur der Nachbau etwas alten ist. Ansonsten wird man auch fündig, wenn man „Retrocomputer“ „Basic“ und/oder „CP/M“ als Suchbegriffe bei Google eintippt.
Das Sortiment bei Tindie ist groß. Es gibt zum einen Nachbauten berühmter Computer – des Apple I und Altair. Diese Rechner sind nicht nur legendär, sondern inzwischen auch selten und teuer. Das gilt speziell für den Apple I, von dem es nur noch 73 Stück geben soll, davon nur sieben lauffähig. Als ich vor mehr als zehn Jahren für die erste Auflage meines Buchs Computergeschichten recherchierte betrug, der höchste Preis der für einen Apple I bei einer Auktion bezahlt wurde 70.000 Dollar, inzwischen sind es 905.000 und seit eineinhalb Jahren kann man einen für 1,5 Millionen Dollar bei E-Bay ersteigern. Selbst ein Nachbau von heute soll 1999 Dollar kosten – der Apple I wurde für 666,66 Dollar verkauft …
Vom Apple II wurden etwa 200 Stück gebaut, Altair etwa 10.000 ab und an taucht einer bei eBay auf. Gerade kann man dort für einen Nachbau den IMSAI 8080 (der Computer der im Film „Wargames“ genutzt wurde) steigern. Obwohl defekt, ist 13 Stunden vor Bietschluss schon der Preis bei 626 Euro – neu kostete er weniger als 400 Dollar.
Es gibt mehrere Wege einen solchen Computer nachzubauen. Am schwierigsten ist es einen vollständigen Computer zu bauen. Also einen den man an einen Monitor anschließen kann und an den man eine Tastatur anschließen kann und der auch einen Grafikmodus beherrscht. Ein Grafikmodus setzt voraus, das man sich mit der schwierigen Aufgabe eines Videodisplaycontrollers auseinandersetzt und eine Hardware hat welche die Grafikausgabe „on-the-Fly“ generiert, während bei Textausgabe man nur das Bitmuster aus einem ROM in ein Schieberegister kopieren muss. Selbst die Rechner, die man direkt an Monitore und Tastatur anschließen kann haben in der Regel nur Textausgabe.
Doch die meisten machen sich nicht mal so viel Aufwand mit einem Retrocomputer. Wenn man den eigenen PC oder einen Raspberry Pi über ein USB Kabel an den Retrocomputer anschließt, so ist der von diesem aus gesehen ein Terminal. Auf dem PC muss man dann noch eine Terminalemulation installieren. Dann kommt man mit wenigen Bausteinen aus:
- eine CPU mit integrierter serieller Schnittstelle wie den Z180 oder eZ80. Der wird imemr noch produziert, selsbt der Z80 wird noch gefetigt.
- ein RAM
- ein ROM
- ein 8 Bit Pufferregister für das Speichern der Bankkonfiguration
- einen Multiplexer um jeweils den richtigen Baustein auszuwählen.
Würde man auf mehr als 64 KByte Gesamtspeicher verzichten käme man sogar mit drei Bausteinen aus. Diese Rechner basieren dann meist auf CP/M, da dies sowieso ein textbasiertes Betriebssystem ist, das Terminals kennt und offen zugänglich und weit verbreitet ist. Nur sind die Rechner schneller als damals. Der langsamste ist ein Z80H mit 7,8 MHz, der schnellste den ich fand ein eZ80 mit 36 MHz. Dabei führt eine eZ80 die intern voll pipelined ist, die einfachen Befehle in einem Takt aus, der Z80 braucht 4 dafür, er müsste also so schnell wie eine 140 MHz Z80 sein.
Die letzte Gruppe von Retrocomputern macht es sich noch einfacher. Bei ihr geht es nur um das Retrocomputer-Feeling, aber die Hardware ist eine andere. Dann nutzt man heute verfügbare Mikrocontroller wie die PIC Serie oder ARM-Chips und schreibt für diese Controller Software die z.B. einen BASIC Interpreter beim Einschalten startet. Da diese Mikrocontroller sowieso interne Flash-Speicher haben und auch internes RAM kommt man praktisch mit einem Baustein aus.
Daneben findet man bei Tindie, wahrscheinlich auch noch woanders auch noch Zubehör für alte Rechner z.B. Erweiterungskarten für den Apple II.
Hier mal einige Kits mit unterschiedlichen Leistungen, Anforderungen an die eigene Geschicklichkeit und Programmierfähigkeiten.
Die älteste Plattform ist die RC2014 (RC = Retrocomputer). Damals baute ein Bastler einen Rechner mit Tiny BASIC (8 KB), 32 KB RAM rund um eine Z80 CPU mit 7,8 MHz. Das Projekt hat sich inzwischen stark vergrößert. Beim RC2014 steckt man wie beim Altair auf eine Backplane nach und nach die Karten die man braucht. So kann man sich den Computer zusammenbauen den man will, muss aber jede Karte zusammenlöten. Man braucht aber einige Karten, da auf jeder Karte nur eine Funktion ist, also eine für das RAM, eine für das ROM, eine für die CPU. Der Basisrechner umfasst schon 5 Karten. Immerhin findet man hier auch Karten mit Soundchips und Videoprozessoren. Die Software dafür muss man dann aber selbst entwickeln. RC2014 ist wohl etwas für alle, die wirklich einen eigenen Computer von Grund auf neu bauen wollen. Der Vorteil ist das der Rechner so selbst konfigurierbar ist, im Prinzip auch Video kann oder um Schnittstellen erweitert wwrden kann. Dafür ist es aufwendig, Jede Plaine muss selbst zusammengelötet werden und man muss die Programme für die Nutzung selbst scheiben.
Die Zahl der Rechner die CP/M starten und den PC als Textterminal nutzen, ist größer und die Anforderung kleiner – wenn man löten muss so kann man dies auf eine Platine beschränken. Einige der Projekte haben sich auch aus dem RC2014 Projekt heraus entwickelt. Ich habe mir zuerst den SC131 Computer auf Basis einer 18 MHz Z180 bestellt. Das erschien mir, da man bei allen Kits diese selbst zusammenlöten muss, noch als das mit dem wenigsten Aufwand. Angefangen habe ich damit noch nicht, aber das Päckchen war sehr schnell da – bestellt am Sonntag war es am Freitag da, und das aus England. Amazon in Deutschland braucht da oft länger. Man muss zu dem Preis aber noch Mehrwertsteuer und Zoll hinzurechnen, das sind etwa 25 % des Preises, welche die Post bei Übergabe kassiert. Ich habe es noch nicht zusammengebaut, weil ich inzwischen ein zweites Board MiniZ-C geordert hatte. Hauptvorteil dessen ist, dass man nichts löten muss. Dafür ist es teurer und schneller. So kann ich dort erst mal sehen ob ich überhaupt Freude dran habe, bevor ich anfange 200 Lötpunkte für die Sockel und Busteile beim SC131 zu setzen. Was mich bei dem durchschauen der Dokumentationen übrigens am meisten erstaunte war, das man die in den CPUs Z180 und eZ80 integrierte serielle Schnittstelle (also RS-232 Standard) direkt mit einem USB-Stecker am PC verbinden kann, ohne Bridge-Chip. Zwar heißt USB Universal Serial Bus, aber das er kompatibel zu RS-232 ist wusste ich nicht.
Wer einen Rechner sucht, der wie früher ein Heimcomputer nach dem Einschalten direkt einen BASIC Interpreter zeigt, bei dem es aber nicht die Prozessoren von damals sein müssen, kann einen Blick auf den Color Maximite werfen. Mit einem 480 MHz ARM-Prozessor, 8 bis 32 MB RAM und Grafik bis Full-HD schlägt er frühere Heimcomputer um Längen. Den Color Maximite kann man über die Schnittstellen und das GPIO Feld auch nutzen, um Messwerte zu gewinnen.
Die Frage ist natürlich warum man sich so einen Retrocomputer kaufen sollte?
Nun sicher nicht aus den Beweggründen von damals. Programmieren lernen kann man einfacher und ich würde auch nicht raten, dabei bei BASIC anzufangen, sondern eine Sprache die leicht zu erlernen aber leistungsfähig ist. Phyton ist sehr beliebt und wird auch weit verwendet. Die Kenntnisse, die man dort gewinnt, kann man nutzen, um Mikrocontroller zu programmieren entweder auf der Arduino-Plattform oder auf dem Raspberry PI der ja auch einen GPIO Header hat.
Niemand wird heute wohl alte CP/M Programme auf einem solchen Rechner laufen lassen. Selbst wenn der Wunsch danach besteht, so gibt es mit Emulatoren für CP/M, aber auch jeden beliebigen Heimcomputer, bessere Möglichkeiten. Das gilt erst recht für die vielen Spiele, die ja plattformspezifisch sind. Ich glaube, es ist einfach das Schwelgen in Erinnerungen. Dank der schnelleren Prozessoren ist es ja ein positives Schwelgen, denn die Langsamkeit der damaligen Rechner bekommt man so nicht mit. Kürzlich, weil ich für einen Artikel wirklich mal klären wollen, wie schnell die Prozessoren 6502, 6800, 8080 und Z80 in Maschinensprache relativ zueinander bei einem konkreten Problem sind, suchte ich nach Daten dafür. Es gab es ja damals schon Streit, und man konnte BASIC-Programme von verschiedenen Rechnern kaum vergleichen, weil da immer der Interpreter als Unbekannte dazu kam. Kurzum ich stieß auf einen alten Benchmarktest der in Byte veröffentlicht wurde, auch mit den Zeiten der Prozessoren, leider aber mit dem schnelleren 6809 (nicht 6800) und ohne den 8080. Das Programm gab es auch in anderen Sprachen und ich habe aus Lust und Laune heraus das Pascalprogramm im Editor nachgeschrieben und dann in einem CPC 6128 Emulator laufen lassen. Da merkt man dann erst, wie man vieles vergessen hat – den langsamen Bildschirmaufbau, bei dem man zuschauen konnte, wie sich die Zeilen bildeten und die geringe Auflösung des Bildschirms und natürlich das alles in Monochrom war, keine Syntaxhervorhebung wie ich es eigentlich seit 30 Jahren gewöhnt bin.
Wenn das MiniC-Z System da ist schreib ich euch mal wie das so läuft.
{Edit]
Inzwischen ist das MiniZ System bei mir angekommen, ein Z180 System mit 33 MHz und für einen 7 Bit Rechner enormer Geschwindigkeit. Den Erfahrungsbericht findet ihr hier.