Bernd Leitenbergers Blog

Fleischbrühe versus Tafelspitz

Auf meinen heutigen Blog kam ich durch eine Serie, in der in einer Folge es einen Streit gab. Die Ursache war ein Jugendlicher der Koch lernte. Er schaute sich bei seiner Großmutter, die viel kochte und backte, Dinge ab und setzte diese dann im Lokal um. So machte diese einmal Frankfurter Tafelspitz und setzte ihn mit heißem Wasser an, während der Koch im Lokal Fleischbrühe mit kaltem Wasser ansetzte. Er war nicht begeistert das sein Lehrling dann Fleischbrühe mit heißem Wasser machte. Der Koch wehrte sich dagegen das seiner Ansicht nach dem Jungen von der Großmutter falsche Dinge beigebracht werden. Wie üblich in Serien endete das in Wohlgefallen. Was aber nicht aufgelöst wurde, war: was ist nun die richtige Methode?

Wie immer lautet die Antwort: sowohl als auch. Denn die bedien Gerichte haben unterschiedliche Aufgabenstellungen und Produkte. Bei Fleischbrühe geht es darum, möglichst viel vom Geschmack des Fleisches in die Brühe zu bekommen, beim Tafelspitz als Beispiel für Fleisch, das in Flüssigkeit gegart wird, danach aber genossen wird, dagegen möglichst viel vom Fleischgeschmack im Fleisch zu halten. Die Herangehensweise ist daher jeweils eine andere.

Es geht im Prinzip um lösliche Proteine, Aminosäuren, andere Biomoleküle wie Purine und Fett, welche ins Wasser übergehen können. Daneben gibt es auch Proteine, die nicht ins Wasser übergehen, wie Muskelfasern. Die Menge an löslichen Anteilen kann man durch Zerkleinern des Fleisches erhöhen. Zum einen durch die viel größere Kontaktfläche mit dem Wasser, zum anderen werden bei jedem Zerkleinern natürlich Zellen zerstört und damit steigt die Menge an löslichen Substanzen.

Industriell läuft das so ab, das man Fleisch fein zerkleinert, ähnlich wie man Hackfleisch herstellt und es dann mit warmen bis heißen Wasser extrahiert, das heutzutage durch die Fleischmasse durchgepumpt wird. Das Verfahren ist uralt, eines der ersten industriellen Verfahren in der Lebensmittelindustrie und wurde von einem bekannten Wissenschaftler großtechnisch umgesetzt: Justus von Liebig, auch wenn es ähnliche Verfahren schon vorher gab. Liebig setzte dieses Verfahren zum ersten Mal großtechnisch um, als er mit einem Unternehmer in Uruguay zusammenarbeitete. Dort wurden Rinder vor allem wegen der Häute und Felle gehalten. Das Fleisch war damals, Mitte des neunzehnten Jahrhunderts ohne die Möglichkeit einer Kühlung nicht transportfähig, der eingekochte und eingedickte (konzentrierte) Extrakt schon. Er wurde zuerst für Kranke als Schonkost angepriesen, fand dann aber aufgrund der rasch steigenden Produktionsmengen in Südamerika und fallenden Preise bald seinen Weg in die normale Küche.

Das Wesentliche dabei ist, dass das Wasser die zerkleinerte Masse auslaugt. Bis zu einer bestimmten Temperatur geht das immer schneller. Ab etwa 65 Grad Celsius fangen aber an die ersten Proteine an zu denaturieren und gehen nicht dann immer weniger ins Wasser über, bei 75 Grad ist der Großteil des Eiweißes denaturiert, im normalen Deutsch „geronnen“ und der Vorgang beendet. Für die Herstellung von Fleischextrakt wird daher nur auf diese Temperatur erhitzt, die Flüssigkeit wird dann durch längeres Erhitzen auf diese Temperatur konzentriert und vom mit gelösten Fett getrennt. Bei der Herstellung von Fleischbrühe geschieht das gleiche nur im Topf. Gibt man Fleisch dagegen in kochendes Wasser, so gerinnen die Proteine an der Oberfläche sofort. Sie verschließen dabei auch Kanäle zwischen den Zellen und es kann nur wenig lösliche Proteine aus dem Inneren in das Wasser übergehen. Bei Tafelspitz, als Beispiel für Fleisch, das in heißem Wasser gegart wird, ist man ja auch interessiert, das der Geschmack im Fleisch bleibt. Sicher ist auch der gleichzeitig entstehende Fond als Basis für eine Soße wichtig, doch da er anders als eine Fleischbrühe stark konzentriert wird, reicht auch eine geringe Menge an gelösten Aromastoffen. Dagegen setzt man für Fleischbrühe Fleisch an, dass zwar mager ist, aber für den direkten Genuss oft zu zäh ist. Meine Mutter machte früher immer Fleischbrühe und das Hauptmaterial waren da Markknochen. Die enthalten im Mark Fleisch, dass man so nicht genießen kann. Sonntags gab es auch Siedfleisch, also Fleisch, das sich genau dafür eignete. Das hat mein Vater immer gevespert, ich habe es ein paar Mal probiert, fand es aber fade und zäh. So ist die Herstellung von Fleischbrühe, Fond oder Bullion eine Möglichkeit Fleisch zu nutzen, das man sonst nicht verkaufen könnte. Schlussendlich werden alel Kühe mal geschlachtet wenn ihre Milchleistung absinkt, aber die sind dann alt und ihr Fleisch ist nicht mit dem von Jungbullen zu vergleichen, deren Fleisch sonst für Steaks und Braten genutzt wird.

Aufgrund der Herstellung blieb der Fleischextrakt aber immer eine teure Zutat. Der Brühwürfel bzw. gekörnte Brühe besteht dagegen vor allem aus Salz und Hefeextrakt. Hefeextrakt enthält zahlreiche Abbauprodukte der DNA und Glutaminsäure, beides verantwortlich für den fleischigen Geschmackseindruck. Glutaminsäure kann man inzwischen auch chemisch herstellen. Sie ist als Zusatzstoff zugelassen, aber hat auch einen schlechten Ruf, sodass die größeren Hersteller dann lieber Hefeextrakt oder Proteinhydrolysate von Pflanzenproteinen einsetzen. Zwar muss immer noch jede Brühe, die „Fleisch“ im Namen hat, Fleischextrakt oder Fleisch zugesetzt werden, aber es wird immer weniger. Als ich vor inzwischen auch fast 30 Jahren Lebensmittelchemie studierte, hatte die Industrie gerade (wieder) einmal die Mindestmenge abgesenkt und die Untersuchungsämter wehrten sich gegen diese einseitige Maßnahme, indem sie jede Probe beanstandeten. Allerdings langfristig ohne Erfolg. Heute enthält gekörnte Brühe nur noch etwa 2 bis 2,5 Prozent Fleischanteil. Echter Fleischextrakt, der nur aus Fleisch besteht, kostet rund 20 Euro pro 100 g. Das ist auch kein Wunder, denn obwohl man heute ihn aus Ausgangsstoffen herstellt, die bei der Herstellung anderer Produkte wir Corned Beef anfallen, benötigt man für 100 g Extrakt rund 3 kg Fleisch.

Wenn man den Prozess selbst nachmachen möchte, sollte man, da man selbst wohl kaum das Fett abscheiden möchte oder kann, sehr mageres Fleisch nehmen, sofern der Fettgehalt nicht explizit gewünscht wird. Die Idee normales Hackfleisch zu nehmen, das ja schon zerkleinert ist, scheidet deswegen aus, denn Hackfleisch enthält relativ viel Fett. Wenn dann schon fertiges Hackfleisch, dann Tartar, also mageres Fleisch. Wer will, kann mal Hackfleisch von Geflügeln wie Pute probieren, das ist in der Regel fettärmer. Inzwischen gibt es auch „Light“ Hackfleisch das ebenfalls weniger Fett enthält. Die sicherste Methode ist es aber, beim Metzger sich ein fettarmes Stück Fleisch auszusuchen und durch den Fleischwolf drehen zu lassen. Dann das ganze mit kaltem Wasser ansetzen und bei niedrigster Stufe langsam erwärmen. Das kann dann durchaus lange dauern. Idealerweise hält man, wenn das möglich ist, längere Zeit eine Temperatur, die etwas höher als die Körpertemperatur ist, so im Bereich 40 bis 50 Grad.

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