Eine kurze Geschichte der Astronomie im Weltraum
Nun ist das James Webb Teleskop ja schon auf dem halben Weg in den L2-Lagrangepunkt und ich greife das mal auf, um die Geschichte der Astronomie mit Satelliten Revue passieren zu lassen. Die erdgebundene Astronomie hat zwei große Einschränkungen. Die kleinere Begrenzung ist die begrenzte Auflösung, verursachte dadurch das die Atmosphäre über uns niemals vollständig ruhig ist. Es gibt immer wieder kleine Zonen mit unterschiedlichen Temperaturen und damit Dichten, die das Licht unterschiedlich passieren lassen. Lichtstrahlen nehmen durch unterschiedlich dichte Medien verschiedene Wege und im Teleskop „tanzt“ ein Stern dann leicht um die wahre Position. Wenn dies sehr stark ist kann man es auch mit bloßen Auge als Blinken der Sterne erkennen. Bei den meisten Orten liegt die als „Seeing“ definierte maximale nutzbare Auflösung bei 1 Bogensekunde, Orte mit weniger als 0,5 Bogensekunden sind selten und die besten erreichen rund 0,3 Bogensekunden. Mittlerweile kann man das Problem technisch angehen, indem man die Spiegel mechanisch so verformt, dass die Störung kompensiert wird. Dazu nimmt ein Teleskop einen natürlichen oder künstlichen Stern (Laserstrahl) auf und misst dessen scheinbare Bewegung. Das ist das Grundprinzip der adaptiven Optik.
Eine theoretische Auflösung von 1 Bogensekunde erreicht schon ein Teleskop mit 116 mm Öffnung und eines mit 40 cm Optikdurchmesser wäre auch für die besten Plätze weltweit ausreichend – wenn es nur um die Auflösung geht.
Die zweite größere Einschränkung ist, dass unsere Atmosphäre die meisten Wellenlängen absorbiert. Bei den kürzerwelligen Photonen zum Glück, denn sonst würde sich kein Leben bei uns gebildet haben, bei den langwelligen Strahlen wird sie an der Grenze zum Radiobereich bei den Mikrowellen wieder durchsichtiger. Der Infrarotbereich zwischen sichtbaren und Radiobereich wird effektiv von den Molekülen der Atmosphäre absorbiert die durch Infratrotstrahlung zu Schwingungen angeregt werden, die letztendlich die Ursache für den Treibhauseffekt sind. Das gilt auch für sehr kurzwellige Radiowellen, die derzeit deswegen für kommende WLAN-Standards (60 GHz) verwendet werden sollen, da so auch Störungen durch Nachbarsender reduziert werden.
Astronomen waren schon immer interessiert, wie das Universum in diesen für uns unsichtbaren Wellenlängen aussieht.
Schon bevor es Satelliten gab, sandte man mit Höhenforschungsraketen Instrumente ins All die wenigstens einige Minuten lang die Strahlung maßen. Die erste solche Expedition fand noch mit der A-4 statt und sie bewies, das es im Weltall Quellen gibt die Röntgenstrahlen aussandten.
Die ersten Satelliten, die dann für die Astronomie gebaut wurden, nutzten neben dem sichtbaren Bereich auch das UV. Das UV grenzt direkt an das sichtbare Licht an, kann aber mit dem normalem Equipment nachgewiesen werden, das heißt man setzt ein herkömmliches Spiegelteleskop ein und einen Detektor der meist Lichtphotonen in Elektronen umwandelt und dann verstärkt wie ein Photomultipler oder eine MicrochannelPlate. Der erste Satellit für die Beobachtung im UV war der europäische TD-1, der 1972 startete. Seitdem gab es aber relativ wenige Satelliten die das UV als Hauptspektralbereich nutzen.
Danach kam der kurzwellige Bereich der Röntgenstrahlen und Gammastrahlen an die Reihe. Die Erforschung dieses Bereiches hatte anfangs einen großen Nachteil: es gab kein Äquivalent zu einer fokussierenden Optik. Es konnte also nicht Röntgenstrahlung gebündelt werden und damit gleichzeitig das Gesichtsfeld eingeschränkt werden. Dies war aber wichtig, wenn man wissen wollte wo eine Quelle war, denn oft waren Röntgenquellen im sichtbaren Bereich nur schwach leuchtende Objekte. Das geschah anfangs nur, indem man die Detektoren massiv abschirmte, nur eine Öffnung frei lies und aufgrund der Größe dieser Öffnung dann ungefähr sagen konnte, wo die Quelle war. Die ersten Satelliten waren denn auch klein und zählten nur die Röntgenquellen am Himmel. Es begannt mit SAS-A den Riccardo Giacconi (späterer Projektleiter für das James Webb Telescope und für seine Forschung in diesem Spektralbereich 2002 mit dem Nobelpreis in Physik ausgezeichnet) 1975. Die Zahl der Satelliten stieg, als man einen Teleskoptyp, den der deutsche Ingenieur Hans Wolter 1952 erfunden hatte, umsetzte. Röntgenstrahlen kann man nicht mit Spiegeln bündeln, aber man kann ihre Richtung leicht wechseln, wenn sie streifend an eine Oberfläche gelangen und so fokussieren. Wolter-Teleskope bestehen aus ineinander geschachtelten parabolischen oder hyperbolisch geformten Schalen, an deren Oberfläche Röntgenstrahlen in den hinteren Brennpunkt fokussiert werden. Erst 1978 wurde jedoch der erste Satellit mit dieser Technik gestartet. Das Hauptproblem: Die Oberflächen müssen eine Glattheit haben, die zehnmal kleiner als die Wellenlänge ist – und die ist bei Röntgenstrahlen eben tausendmal geringer als die des sichtbaren Lichts. So fein polieren musste man erst mal können. Seitdem ist die Zahl der Schalen rapide angestiegen. Der deutsche Röntgensatellit Rosat hatte 6 Schalen, der europäische XMM Newton schon 13 und das neueste Instrument e-Rosita 54. Entsprechend steigt die Auflösung an und auch die Empfindlichkeit.
Bei Gammastrahlen geht das bis heute noch nicht, mehr als Abschirmen kann man die Detektoren nicht, daher gab es bisher wenige Satelliten, die vor allem im Gammastrahlenbereich aktiv sind. Der Wellenbereich wurde aber, da man im Prinzip Gammastrahlen mit einem einfachen Geigerzähler nachweisen kann, schon vorher erkundet. Den Anfang machte S 15 oder Explorer 11 schon 1961. Großen Aufschwung bekam die Forschung in den Siebziger Jahren, als US-Frühwarnsatelliten die eigentlich die Gammastrahlen von Atomexplosionen nachweisen sollten, im Weltall Quellen nachwiesen, die nur kurzzeitig aktiv sind und dabei enorme Energiemengen freisetzen. Diese Gamma Ray Bursts gehören zu den Ereignissen im Weltall die am meisten Energie freisetzen. Einige GRB setzen in wenigen Sekunden mehr Energie frei als die Sonne in ihrer gesamten Lebenszeit.
Deutlich schwieriger ist der Nachweise von Infrarotstrahlung. Zwar kann man anders als bei Röntgenstrahlung dieselben optischen Elemente wie im visuellen verwenden, aber es gibt dafür Probleme mit dem Raumfahrzeug selbst. Jede Wellenlänge entspricht einer Temperatur, bei der genau in dieser Wellenlänge das Strahlungsmaximum ausgestrahlt wird. Für die Sonne sind dies bei 5800 K Oberflächentemperatur rund 550 nm. Für einen Körper der 290 K warm ist (das sind rund 17 Grad Celsius) ist die Wellenlänge 20-mal größer und liegt bei 11 µm im mittleren Infrarot. Infrarotstrahlen mit noch höherer Wellenlänge entsprechen einer noch niedrigeren Temperatur. Nun hat ein Raumfahrzeug aber in der Regel Temperaturen die in etwa der Zimmertemperatur entsprechen. Damit emittiert alles im Satelliten auch IR-Strahlung im mittleren Infrarot und man kann ein schwaches Signal nicht mehr in dieser Hintergrundstrahlung nachweisen. Es ist, als würde man versuchen am Tag Sterne zu beobachten.
Infrarotsatelliten müssen daher extrem heruntergekühlt werden. Nicht nur die Detektoren, sondern die ganze Optik. Das war lange Zeit nur durch das Einpacken in eine riesige Thermosflasche möglich, gefüllt mit flüssigem Helium, das eine Temperatur nahe des absoluten Nullpunktes hatte. Die Isolation der Dewarflasche und ein Sonnenschutzschild sollen verhindern das es zu schnell verdampft. Trotzdem hatten die ersten IR-Satelliten nur eine geringe Lebensdauer. Dem Erstling IRAS (1982) folgte ISO der ESA, der um die IR-Strahlung der Erde als Störelement zu verringern, schon auf eine geostationären Umlaufbahn gerbracht wurde. IRAS arbeitete neun Monate (geplant 12), ISO schon 26 (geplant 24). Es gab einige Nachfolger mit derselben Bauweise, alle arbeiteten nur einige Jahre, obwohl sie teilweise auf Sonnenumlaufbahnen ode den L2-Lagrangepunkt gebracht wurden, damit die IR-Strahlung der Erde, weniger stört. Eine Alternative ist es auf das langwellige Infrarot zu verzichten. Dann reicht es das Teleskop durch passive Abschirmung auf Temperaturen zu kühlen die zwar kalt sind (30 bis 70 Kelvin) aber nicht so kalt wie flüssiges Helium. Die Instrumente werden dann mit einem regenerativen Kreislauf zusätzlich weiter herabgekühlt wobei wie bei einem Kühlschrank das Kühlmittel zirkuliert. Das James Webb Teleskope ist das letzte und größte Instrument dieser Art und es zeigt auch, wie sich der Forschungsschwerpunkt verschiebt. Als das Hubble Weltraumteleskop gestartet wurde, war es für Beobachtungen im Sichtbaren und nahen UV ausgelegt, die Instrumente wurden nach und nach ersetzt und sie deckten immer mehr den Infrarotbereich ab. Das spannendste IR-Experiment, NICMOS bei dem die Detektoren in einen Block aus festem Stickstoff gebracht wurden versagte jedoch wegen eines Wärmelecks.
Im Infraroten kann man alles beobachten, was kälter als ein Stern ist. Im nahen Infrarot sind dies noch ganz leuchtschwache Sterne mit niedriger Oberflächentemperatur und Braune Zwerge, ein Mittelding zwischen Stern und Riesenplaneten, bei denen die Fusion nicht zündete, die aber immer noch kontrahieren und Wärmstrahlung abgeben. Es folgen Nebel. Sternentstehungsgebiete erwärmen sich durch die Reibung der Gase und Staub und strahlen im Infraroten ab. Weiterhin ist die Strahlung von Galaxien im frühen Universum ins Infrarote verschoben, sie bilden einen Forschungsschwerpunkt des JWST, das – so hoffen die Forscher bis 300.000 Jahre nach dem Urknall „zurückblicken“ soll. 300.000 Jahre nach dem Urknall war das Weltall so „kalt“, dass Atome anfingen Elektronen einzufangen und sie gaben dabei Strahlung ab, die kosmische Hintergrundstrahlung die heute durch die Expansion des Universums einer Wellenlänge rund 1.000 Mikrometern entspricht. Die Forschung konzentriert sich heute mehr auf den Infrarotspektralbereich, auch weil durch Fortschritte in der Technik erdgebundene Teleskope gegenüber Weltraumteleskopen aufgeholt haben.
Bei der Wellenlänge der kosmischen Hintergrundstrahlung (~ 1000 Mikrometer = 1 mm) setzt man allerdings schon Radioteleskope ein. Das bekannteste und größte Instrument ist ALMA, das aus 66 Einzelteleskopen empfindlich zwischen 0,32 und 2 mm (320 bis 2000 Mikrometer). Für Radiostrahlen ist die Atmosphäre wieder durchsichtig, wenn auch nicht vollständig. Moleküle werden durch Radiowellen in Schwingung versetzt, das wird auch praktisch genutzt z. B. als Regenradar. Submillimeter Radioteleskope stehen daher wie optische Teleskope meist auf Bergen, das reduziert die Atmosphäre darüber und damit die Absorption. Bisher gab es daher wenige Radioteleskope im All. Seit langem wird aber postuliert, dass man welche auf den erdabgewandten Rückseite des Mondes installieren können. Das wären dann Teleskope wie das Arecibo-Teleskop, das vor zwei Jahren zerstört wurde. Es wurde fest in einem Talkessel installiert. Beim Mond wären es Krater. Ein solches Teleskop ist nicht schwenkbar, doch im Laufe des Jahres dreht sich der Himmel einmal über dem Teleskop, sodass trotzdem jedes Objekt beobachtet werden kann. Man würde dabei die Form der Krater ausnutzen und Seile am Kraterrand installieren, welche die Reflexionsschicht – im einfachsten Fall eine Folie, halten würden. Für die parabolische Form sorgt dann die Schwerkraft und der Empfänger müsste an einem weiteren Seil oder auf einer Säule in der Mitte installiert werden. Bei der geringen Mondschwerkraft käme man mit relativ wenig Material aus und die tiefen Temperaturen in der Mondnacht würden zudem die Empfindlichkeit der Empfänger stark erhöhen. Die Mondrückseite wurde deswegen vorgeschlagen, weil irdische Radioteleskope natürlich auch alle Radiowellen empfangen, die von unzähligen Sendern aller Art auf der Erde gesendet werden, vom Wlan über Rundfunk, Fernsehen bis hin zu Satelliten. Der Mond würde alle diese Störquellen abschirmen und daher optimale Beobachtungsbedingungen liefern.