Seit ich letztes Jahr das Buch über die Bismarck gelesen habe, beschäftige ich mich etwas mehr mit Kriegsschiffen und da kam ich irgendwann auf diesen Titel, denn tatsächlich erscheint mir nach dem Ersten Weltkrieg eine Schiffsklasse als Überflüssig, die der Kreuzer.
Um das zu begründen, muss ich etwas weiter in die Geschichte zurückgehen, nämlich vom Übergang der Linienschiffe zu den „Dreadnoughts“, so benannt nach der HMS Dreadnought, dem ersten modernen Schlachtschiff. Als modern galt bei der HMS Dreadnought vor allem die Einführung des einheitlichen Kalibers von 30,5 und 7,6 cm. Vorherige Linienschiffe hatten typischerweise mehr verschiedene Kaliber, z. B. Bei der Klasse vorher 30,5 cm, 15,2 cm, 7,6 cm und 4,6 cm. Interessanterweise hatten die letzten Schlachtschiffe durch die Einführung der Mittelartillerie und Flugabwehrkanonen wieder genau die Mischung von verschiedenen Kalibern wie vor der Dreadnought.
An der Wende zum 20-sten Jahrhundert wurden Duelle über immer weitere Entfernungen ausgetragen. Die Kanonen hatten eine größere Reichweite, es gab erste optische Anlagen zur Entfernungsmessung. Für das einheitliche Kaliber sprach auch, das bei verschiedenen Kaliber die Wasserfontänen bei Fehlschüssen es unmöglich machten zu erkennen welches Kaliber welchen Einschlag verursachte und das durch steigende Entfernungen die Zeit, die eine Granate benötigte um zum Ziel zu fliegen immer länger wurde. Dies musste man aber abwarten, um aufgrund des beobachteten Einschlags den Winkel anzupassen. Also hatte man mehr Zeit eine Kanone zu laden und das dauerte bei größeren Kalibern einfach länger.
Auf dem anderen Ende der Größenskala hatte sich ein neuer Schiffstyp eingebürgert, der des Torpedobootes. Das Torpedo hatte sich Ende des Neunzehnten Jahrhunderts zu einer ernstzunehmenden Waffe entwickelt. Torpedos waren nun zwar immer noch nicht steuerbar, aber durch den Schraubenantrieb musste ein Schiff nicht mehr so nahe an den Gegner herankommen wie bei den ersten Torpedos. Ein Torpedoboot musste aber dennoch klein und schnell sein um ein schwereres Ziel abzugeben. Gegen diese schnellen Schiffe waren die großen Geschütze weitestgehend wirkungslos, sie hatten eine zu geringe Schussrate und waren nicht auf den Nahkampf ausgelegt. Gegen sie wurde die Sekundärbewaffnung bei der HMS Dreadnught 7,6 cm Kanonen eingesetzt.
Die Kreuzer (in der ursprünglichen Bezeichnung daher auch Torpedokreuzer benannt) waren gedacht als schnellere und kleinere Schiffe als die Schlachtschiffe welche diese gegen Torpedoboote verteidigen sollten. Als weitere Aufgabe bekamen sie den Schutz von Handelsrouten und in umgekehrter Mission die Jagd nach feindlichen Handelsschiffen.
Die grundlegende Maxime war – „schneller als jedes größere Schiff und stärker als jedes kleinere Schiff“. Sprich: Begegneten sie einem Schlachtschiff so sollten sie durch ihre höhere Geschwindigkeit das Weite suchen, gegen die kleineren Zerstörer konnten sie sich durch ihre stärkere Bewaffnung durchsetzen.
Vor allem in England schuf man aber noch eine weitere Schiffsklasse, die zwischen Kreuzer und Schlachtschiff lag. Je nach Auslegung waren das Panzerkreuzer oder Schlachtkreuzer. Ein Schlachtschiff war teuer. Die aufwendige Panzerung machte es schwer aber dafür auch schwer zu versenken. Mit den Dampfmaschinen der damaligen Zeit war es langsam. Billiger und schneller konnte es werden, wenn die Panzerung geringer war, die Artillerie aber erhalten blieb. Das war dann ein Schlachtkreuzer. Umgekehrt konnte man einen Kreuzer so panzern wie ein Schlachtschiff, er wurde dann aber langsamer und musste schon sehr nahe an ein Schlachtschiff herankommen um seine kleineren Kaliber einsetzen zu können. Das war dann ein Panzerkreuzer. Andere Nationen machten diese Entwicklung auch durch, jedoch in kleinerem Ausmaß. In England war vor allem dem damaligen Chef der Royal Navy für den Bau von Schlachtkreuzern verantwortlich. Er meinte, das Geschwindigkeit der beste Schutz ist. Die Bezeichnung „Schlachtkreuzer“ ist meiner Ansicht nach – anders als bei den Panzerkreuzern – irreführend. Denn während Panzerkreuzer von ihrer Größe her normale schwere Kreuzer waren, waren Schlachtkreuzer eigentlich Schlachtschiffe mit verringerter Panzerung. Der berühmteste, die HMS Hood war mit 48.000 Bruttoregistertonnen größer als alle Schlachtschiffe seiner Zeit und auch später gab es nur wenige Schlachtschiffe, die größer waren.
Inzwischen waren aber auch die Torpedoboote größer geworden. Ursprünglich als kleine Boote gedacht, die küstennah operierten sollten überschritten sie zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1.000 t Wasserverdrängung pro Schiff und wurden hochseetauglich. Sie wurden nun auch mit Kanonen bewaffnet und verdrängten die Kreuzer aus ihrer Rolle als Schutz für die Schlachtschiffe.
So war die Situation vor Beginn des Ersten Weltkriegs. Der bewies dann aber bald, das die Idee eines mittelgroßen Schiffs nicht die beste war. Am 8.12.1914 wurde bei den Falklandinseln ein deutsches Überseegeschwader bestehend aus 2 Panzerkreuzern, 3 Kreuzern und zwei Hilfsschiffen bis auf eines versenkt, während das britische Geschwader aus 2 Schlachtkreuzer, 3 Panzerkreuzer,
2 Leichte Kreuzer, 1 Hilfskreuzer nur 10 Tote und leichte Beschädigungen zu beklagen hatte. Die (allerdings veralteten) deutschen Schiffe konnten die britischen Schiffe nicht abschütteln, da die Schlachtkreuzer sogar schneller waren. Im Kampf hatten sie mit einem Kaliber von maximal 21 cm keine Chance gegen die beiden Schlachtkreuzer mit 30,5 cm Kanonen.
Die Briten schlossen daraus, dass ihre Idee mit den Schlachtkreuzern eine tolle Lösung war. Hatte sie sich doch voll bestätigt. Der eigentlich richtige Schluss wäre aber gewesen, das immer das größere Kaliber siegt.
Was die Briten übersehen hatten – Seegefechte fanden auf immer größeren Entfernungen statt, zumindest wenn die Sicht ausreichend war. Der Bau der Dreadnought war eine Konsequenz das die durchschnittliche Schussentfernung bei ihrem Bau schon bei 5,5 km lag. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg lag die mittlere Kampfentfernung bei der Schlacht im Gelben Meer bei 13 km. Die 305 mm Kanonen der beiden Schlachtkreuzer hatten eine maximale Reichweite von 22,8 km. Ein schlecht gepanzertes Schiff konnte also aus großer Distanz versenkt werden, lange bevor es selbst in den eigenen Feuerbereich kam. Mehr noch: bei schlechten Sichtverhältnissen, wie sie vor allem im Nordatlantik typisch sind, kann ein Kreuzer ein Schlachtschiff oft gar nicht rechtzeitig sehen, um zu wenden und zu entkommen.
Die Seeschlacht bei Skagerrak machte die Mängel von Panzer- und Schlachtkreuzern denn auch deutlich. Der Schlagabtausch begann schon über eine Distanz von 15 km. Beide Seiten führten zusammen 44 Schlachtschiffe in die Begegnung, die allesamt überlebten. Von 17 Schlacht- und Panzerkreuzern der Britten wurden aber sechs ,also mehr als ein Drittel versenkt, die Deutschen verloren nur ein veraltetes Linienschiff, fünf Kreuzer und fünf Torpedoboote. Das heißt beide Seiten verloren im wesentlichen nur die schlecht gepanzerten Einheiten. England lernte daraus. Der Bau weiterer Schlachtkreuzer wurde gestoppt, die schon im Bau befindliche Hood aber nach Diskussionen doch noch fertiggestellt.
Nach dem Ersten Weltkrieg gab es dann mehrere Flottenabkommen, die das Wettrüsten, das es vor dem Ersten Weltkrieg gab, eindämmen sollten. Es wurden Maximaltonnagen für die größeren Marinen festlegt, teilweise auch Begrenzungen des Kalibers wie 21 cm für Kreuzer und 35,6 cm für Schlachtschiffe (eine Größe welche die Hood mit 38 cm schon überschritt). Deutschland war außen vor, es dürfte nach dem Versailler Vertrag überhaupt keine Schlachtschiffe mehr bauen. Wie in anderen Bereichen war man in der Weimarer Republik erfinderisch und legte die drei „Westentaschen-Schlachtschiffe“ (offiziell: „Panzerschiff“, später „Schwerer Kreuzer“) Deutschland, Admiral Graf Spee und Admiral Scheer auf. Sie hatten die Verdrängung eines schweren Kreuzers, hielten so den Versailler Vertrag ein, waren aber mit sechs 28 cm Geschützen anstatt acht 21 cm Geschützen bewaffnet und durch den in dieser Größenklasse erstmals eingeführten Dieselantrieb schnell. Einen trotzdem wirksamen Schutz bekamen sie geschweißte Verbindungen anstatt genietete, was Gewicht einsparte.
Trotzdem bauten alle Nationen weiter in großen Mengen Kreuzer, die man in leichte Kreuzer (typische Bewaffnung 15,5 cm Kanonen) und schwere Kreuzer (21 cm Kanonen) unterteilte. Das zeigt die folgende Tabelle:
Royal Navy | US- Navy | Kaiserliche Marine | |
Schlachtschiffe | 15 | 17 | 12 |
Kreuzer | 66 | 37 | 43 |
Zerstörer | 164 | 171 | 169 |
Flugzeugträger | 7 | 7 | 13 |
Es gab bei allen Marinen drei bis viermal mehr Kreuzer als Schlachtschiffe. Die Verluste bei Kreuzern waren beim reinen Aufeinandertreffen von Schiffen immer erheblich größer. Dabei waren Kreuzer nicht so viel billiger als Schlachtschiffe. Bei den deutschen Schiffen gibt es dazu belastbare Zahlen:
Tonnage | Max. Panzerung | Geschütze | Höchstgeschwindigkeit | Baukosten | |
Schlachtschiff Bismarck Klasse | 45,590 t | 320 mm | 8 x 38 cm
12 x 15,2 cm |
30,8 kn | 196,8 Mill. RM |
Schlachtschiff Scharnhorst Klasse | 32.100 t | 350 mm | 9 x 28 cm,
12 x 15,2 cm |
31,5 kn | 143 Mill. RM |
Panzerschiff Deutschland Klasse | 10.600 t | 80 mm | 6 x 28 cm,
8 x 15,2 cm |
28 kn | 82 Mill. RM |
Schwerer Kreuzer Admiral Hipper Klasse | 16.170 t | 80 mm | 8 x 20,3 cm | 32,6 kn | 85,86 Mill. RM |
Leichter Kreuzer Leipzig Klasse | 8.070 t | 50 mm | 9 x 15,2 cm | 32,3 kn | 40 Mill. RM |
Zerstörer Z 1936 | 2.806 t | Keine Gürtelpanzerung | 5 x 12,7 cm | 38,5 kn | 13,7 Mill. RM |
Insbesondere die Panzerung ist die Achillesverse. Als die Bismarck ihr letztes Gefecht hatte, gelang es zwei Schlachtschiffen mit 38 und 34,6 cm Kanonen nicht sie zu versenken. Das geschah – je nach Darstellung durch Torpedos des Kreuzers Dorsetshire oder Selbstversenkung. Im Falle der Bismarck ist das nur eine akademische Frage, aber man weiß von den Überlebenden, dass ein Großteil der Besatzung die unterhalb des Decks war überlebte. Wäre es nicht ein deutsches, sondern englisches Schiff gewesen man hätte es abschleppen und wieder instandsetzen können. Sie Selbstversenkung geschah ja gerade aus dieser Überlegung heraus das der Gegner sie nicht abschleppt. Auch die Scharnhorst konnte nicht bei ihrem letzten Gefecht von den Schlachtschiffen versenkt werden, das geschah durch Torpedos der Zerstörer, die an das Schiff herankommen konnten, nachdem die Artillerie ausgefallen war. Andere Marinen bei denen die Schiffe nicht einzeln unterwegs waren, hätten so kampfunfähige Schilfe retten können und das wurde auch getan.
80 mm Panzerung eines schweren Kreuzers ist verdammt wenig. So viel hatten an Land viele Panzer – und hier gab es keine Geschütze mit 15 oder 20 cm Durchmesser, sondern 7,5 bis 9 cm. De Faktor konnte eine 21 cm Granate keinen Schlachtschiffspanzer durchschlagen, umgekehrt ging das problemlos. Kurz ein schwerer Kreuzer hatte gegen ein Schlachtschiff keine Chance, kostete in der Anschaffung aber die Hälfte. Daher meine Meinung das diese Schiffsklasse weitestgehend überflüssig ist.
Auf der anderen Seite wurden die Zerstörer immer größer. Die Zerstörer der Z-Klasse waren schon dreimal größer als die des Ersten Weltkriegs. Sie hatten längst die Aufgabe des Schutzes der Schlachtschiffe – nun angesichts viel schnellerer Schlachtschiffe die Turbinenantrieb anstatt Dampfmaschinen hatten und mit einer Mittelartillerie zur Abwehr kleiner Schiffe, nicht mehr gegen andere Zerstörer, sondern gegen U-Boote.
Letztendlich waren alle kanonenbasierten Schiffe aber durch trägergestützte Flugzeuge überholt. Sie waren schon lange bevor sie auf Schussreichweite herankamen durch Aufklärungsflugzeuge entdeckbar und auch Flakgeschütze boten keinen ausreichenden Schutz gegen Flugzeugangriffe, auch wenn im Zweiten Weltkrieg hier alle Nationen massiv nachrüsteten. Um so mehr verwunderte es mich das Ronald Reagan Anfang der achtziger Jahre noch Schlachtschiffe aus dem Zweiten Weltkrieg wieder in Dienst stellte.
Heute gibt es die Bezeichnungen Zerstörer und Kreuzer noch, aber sie entsprechen nicht mehr denen von früher. Die neueste Zerstörerklasse der US Navy die USS Zumwalt hat eine Wasserverdrängung von 15.600 t und damit so viel wie ein schwerer Kreuzer im zweiten Weltkrieg. Die Verdrängung ist sogar größer als die der US-Kreuzer der Ticonderoga Klasse mit 10.000 t. Die deutsche Marine hat gar keine Zerstörer mehr, nur Fregatten, ein kleiner Schiffstyp der ursprünglich nur Handelsschiffe gegen U-Boote beschützen sollte. Doch selbst die neuesten Fregatten der Sachsen-Klasse haben mit 5.800 t mehr Verdrängung als ein leichter Kreuzer des Zweiten Weltkriegs.