Bernd Leitenbergers Blog

Die Zahl für heute 4,99

Ich denke jeder der in den letzten Wochen im Supermarkt war kennt das Phänomen: Öl, also Pflanzenöl, ist aus. Nach Medienberichten betrifft es vor allem das Sonnenblumenöl, meiner Erfahrung nach ist jedes preiswerte Öl – egal ob Raps-, Sonnenblumen oder „nur“ Pflanzenöl ausverkauft, zeitweise sind auch die teureren Marken wie Bio-, Olivenöl, Traubenkernöl oder Leinöl nicht zu haben. Es ist eine Folge des Überfalls Russlands auf die Ukraine. Die Ukraine gehört zu den größten Anbauern von Sonnenblumen, aus deren Samen das Öl hergestellt wird. Warum das Öl betroffen ist, und nicht das Mehl, das die Ukraine ja in noch größerem Maßstab anbaut liegt am Anstieg der Preise für fossile Brennstoffe seit dem Überfall. Davon betroffen sind natürlich auch Benzin und Diesel. Bisher war Diesel schon durch den Steuervorteil immer billiger als Benzin. Dies hat sich nun gedreht. Angeblich sollen einige Zeitgenossen Sonnenblumenöl in den Tank füllen. Na ja, ob das einem modernen hochgezüchteten Diesel so gut tut? Mein Bruder tankt z. B. niemals E10 Sprit, weil er befürchtet das könnte seinem Selten-Unter-Vierzehn (SUV) Liter Wagen (ein BMW X3) schaden.

Chemisch unterscheidet Diesel sich schon von Pflanzenöl. Ersteres ist eine Mischung aus Kohlenwasserstoffen, sowohl Aliphatischen wie auch Aromaten, also langkettigen wie ringförmigen Molekülen. Dagegen besteht Pflanzenöl aus Triglyceriden, also einer chemischen Verbindung aus dem Alkohol Glycerin und Fettsäuren, langkettigen organischen Säuren. Alleine durch die enthaltenen Sauerstoffatome wird es einen Unterschied geben. Es werden zwar Fettsäureester konventionellem Treibstoff in kleinem Maßstab zugesetzt doch das sind das Ester mit Methanol, das Molekül ist wesentlich kleiner.

Vieles spricht dafür das Leute nun Pflanzenöle hamstern, weil sie in den Nachrichten davon hörten, das die Ukraine durch Blockade der Schwarzmeerhäfen durch Russland nun ihre Ernten nicht mehr exportieren kann. Hamstern ist ein sich selbst verstärkender Prozess. Sobald man sieht das jemand an der Kasse ungewöhnlich große Mengen eines Produkt kauft, denkt man nach ob für einen noch genügend da ist und nimmt die Menge im Regal ab, so kauft man selbst mehr, weil man ja nicht der letzte sein möchte, der nichts mehr bekommt.

Das Thema Hamstern hatten wir ja schon mal: wie vor zwei Jahren waren auch zeitweise Reis, Nudeln und Mehl knapp, aber bei denen hat es sich schnell gebessert, während es bei Öl eine Dauerknappheit gibt. Ich vermute schlicht und einfach, es ist die Menge die geliefert wird: weil normalerweise einige Kisten mit je 12 l Öl im Markt sind, während sie bei Mehl eben eine ganze Palette bekommen, also erheblich mehr Einzelpackungen.

Zuerst dachte ich, ich bin von der Verknappung stark betroffen, weil ich selbst Vogelfutter mache und seit die Drosseln wieder da sind brauche ich pro Woche mehr als einen Liter Öl und ich kaufe in der Regel Sonnenblumenöl, weil ich mir einbilde, das dies der natürlichen Nahrung am nächsten kommt. Die Haferflocken, die ich auch benötige, waren gottseidank nie knapp. Aber die Vögel fressen das Futter, auch wenn man festes Pflanzenfett wie es für das Frittieren verkauft wird, nimmt, das habe ich zuerst mit Sonnenblumenöl gemischt, dann mangels Sonnenblumenöl nur noch Pflanzenfett genommen. Das feste Pflanzenfett war auch nie knapp. Bei dem regnerischen Wetter wie es derzeit der Fall ist, habe ich sogar einen Vorteil entdeckt – die Haferflocken weichen so langsamer durch. Trotzdem schaue ich immer nach, ob es wieder Öl gibt, egal in welchen Laden ich komme. Seit drei Wochen war das nicht der Fall und da ich nur noch eine halbe Flasche habe, esse ich derzeit weniger Dinge, für die ich Öl brauche, wie Salat, heute gab es witterungsbedingt Sauerkraut, Püree und Leberwurst. Gefunden habe ich in der Zeit nirgends Sonnenblumenöl, egal in welchem Laden ich war.

So war meine Überraschung groß, als ich heute im Aldi glatte sechs Flaschen Sonnenblumenöl sah. Ich wollte schon eine nehmen, da fiel mein Blick auf das Preisschild und da stand

Sonnenblumenöl 4,99 € pro Liter

Als ich spontan vor mich hinsagte „4,99 Euro“ hörte ich von hinten „Ja, ich habe auch gestaunt“. Mein Rückkommentar zur Frau in der Schlange an der Kasse „Na dann wird es wenigstens nicht mehr als Dieselersatz in den Tank geschüttet, wenn es teurer als Diesel ist“. Andere Ölsorten waren immer noch aus, später, als ich beschloss aus der Erfahrung einen Blogeintrag zu machen, habe ich mich noch geärgert, das ich nicht auch hier nach dem Preis geschaut habe. Aber selbst die 4,99 Euro müssen die Leute gezahlt haben, denn es gab ja nur noch sechs Flaschen.

Sonnenblumenöl wurde mit der Inflationsrate schon teurer, da ich es für mein Vogelfutter praktisch wöchentlich kaufe, kenne ich den Preis ganz gut. Der schwankte im letzten Jahr zwischen 1,39 und 1,69 Euro pro Liter, vor dem Ukrainekrieg steig er schon auf 1,79 Euro an, aber 4,99 Euro ist dreimal so teuer wie im Durchschnitt des letzten Jahres.

Ich kann ehrlich gesagt nicht glauben, das das Öl so schnell so viel teurer geworden ist. Vielmehr sehe ich darin eine Notbremse von ALDI, da bei dem Preis das Öl nicht mehr gleich ausverkauft ist. Der große Gewinn wird, da die Mengen absolut gesehen klein sind, nicht herausspringen, aber der Schaden für das Renommee von ALDI ist beträchtlich. Zum einen greifen die Preiserhöhung natürlich die Leute auf. So ist die Firma ALDI hier prominent in meinem Blog vertreten und ich bin nicht der einzige der die Knappheit thematisiert. Vor allem aber ist das Signal, dass damit ausgesendet wird, verheerend. Denn jeder denkt sich „Was passiert, wenn nun alle Lebensmittel dreimal so teuer werden, was passiert, wenn Heizöl (Gas , Benzin …) dreimal so teuer sind, kann ich das noch bezahlen? Als Folge dürften die Leute noch mehr hamstern, und nun eben alles, weil sie befürchten alles wird teuer, was als sich selbst erfüllende Prophezeiung durch die Steigerung der Nachfrage tatsächlich die Preise ansteigen.

Zuletzt stellt sich noch eine Frage: Wer kauft raffiniertes Sonnenblumenöl für 4,99 Euro pro Liter? Also raffiniertes (das bedeutet, die Ölsamen werden heiß gepresst, danach entsäuert, desodoriert, und entschleimt) Sonnenblumenöl hat keinen Eigengeschmack. Suche ich also nur ein geschmackloses Öl, so kann ich auf Rapsöl oder einfach Pflanzenöl (meist auch größtenteils aus Raps) ausweichen. Ansonsten kann ich gleich zu einem höherwertigen Öl, wie kaltgepresstem Öl, Olivenöl, Weizenkeim- oder Traubenkernöl greifen. Das enthält mehr Geschmack, oft auch mehr Vitamine, auch wenn hier Sonnenblumenöl durch den hohen Vitamin E Gehalt gut da steht. Lediglich in der Zusammensetzung der Fettsäuren ist Sonnenblumenöl kaum zu schlagen. Es enthält sehr viele mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Günstiger von den häufig gehandelten Ölen ist da nur noch das Leinöl.

Falls das ein Aprilscherz bei Aldi Süd gewesen sein sollte, so hat er sich zumindest mir nicht erschlossen.

[Edit 2.4.2022]

Da gestern der erste April war,  habe ich heute noch mal nachgeschaut. Sonnenblumenöl gab es keines, auch kein Pflanzenöl (nicht mal als Etikett). Das Leinöl das nach Online Prospekt 1,49 kosten soll ist auch auf 4,49 Euro geklettert und das Kokusöl von 2,8 Euro auf 4,79 Euro.

[Edit 24.12.2022]

Heute sind zehn Monate seit dem Überfall von Russlands Armee auf die Ukraine vergangen, was zu dem Preisanstieg von Sonnenblumenöl erst geführt hat. Inzwischen ist der Preis gefallen, auf 2,99 Euro pro Flasche, mehr als 76 Prozent mehr als der höchste Preis vor diesem Krieg. In der Retrospektive war der Anstieg des Preises für Sonnenblumenöl nur der Anfang für eine schnell zunehmende Preisspirale. Schnell wurde auch Mehl teurer, Milchprodukte blieben dank laufender Altverträge zuerst noch bei den alten Preisen, legten dann am Sommerende aber auch zu. Heute ist fast alles teurer als vor dem Überfall auf die Ukraine. Gemäß EU-Statistikbehörde und statistischem Bundesamt lag die Teuerungsrate in den letzten Monaten zwischen 8 und 10 Prozent, die höchste seit Gründung der Bundesrepublik und weitaus höher als in den Siebziger Jahren als durch die Ölkrise auch die Preise enorm anstiegen.

Meiner persönlichen Erfahrung nach haben aber vor allem Lebensmittel kräftig zugelegt. Am wenigsten noch Obst und Gemüse. Sehr viel zugelegt haben Haferflocken (von 49 auf 79 cent pro 500 g Packung) und Milch (von 1,05 auf 1,45 Euro für Biomilch). Insgesamt ist meine Beobachtung das vor allem Nahrungsmittel kräftig zugelegt haben und da um so mehr je weniger verarbeitet sie sind. Elektronik hat weniger zugelegt. Die Preise für Benzin sind inzwischen sogar wieder auf Vorkriegsniveau, nur Diesel ist nun teurer als Benzin, obwohl es bei Diesel einen Steuerrabatt gab. In der Summe gebe ich 15 Prozent mehr pro Monat aus, das kann ich an der Gesamtsumme ausmachen die ich einmal pro Monat abhebe. Es ist deutlich mehr als die Inflationsrate weil das eben vor allem für Nahrungsmittel draufgeht, während ich größere Einkäufe und Bestellungen meist elektronisch bezahle.

Manchmal gibt es auch eine Überraschung, so wurde Milch zeitweise wieder billiger. Ich bin gespannt wie das weitergeht. Wenn es ein einmaliger Effekt aufgrund des Kriegs ist, der also einmal Energie wesentlich teurer machte, dann aber die Energiepreise auf dem alten Niveau bleiben, dann sollte nach einem Jahr die Inflationsrate wieder auf das vorher niedrige Niveau springen. Eine zweite Möglichkeit – die wohl unerwünschteste – wäre das so eine Preisspirale losgetreten wird, also die Preise dauerhaft pro Jahr um bis zu zweistellige Prozentpunkte steigen. Dazu kann es kommen, wenn die Löhne proportional zur Inflationsrate steigen. Dann macht dies wieder die Produkte teurer, was die Lebenshaltungskosten ansteigen lässt. Die Politik hat daher schon in diesem Jahr zu Mäßigung bei den Forderungen der Gewerkschaften aufgerufen, jedoch nicht immer mit Erfolg. Was ich nicht glaube ist das wir eine Deflation bekommen. Betrachtet man die Energiepreise als Ursache der Spirale, so ist es ja so, das der Gaspreis schon zeitweise wieder das „Vorkriegsniveau“ erreicht hat, das aber nichts an den Preisen ändert, denn die sind ja schon durch die Preiserhöhungen von Vorprodukten und den höheren Löhnen gestiegen und können nun nicht wieder sinken.

Die EZB reagiert sehr langsam und verzögert und hat bisher den Leitzins auf 54,5 Prozent angehoben. Das sind rund 5 Prozent weniger als die Inflationsrate. Das war schon vorher so, aber der Abstand war noch nie so groß, so werden Ersparnisse auch weiterhin pro Jahr um 5 Prozent entwertet.

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