… feiern zumindest wir hier im Südwesten. Gestern kam ein Dokutainment und eine kurze Revue der Ereignisse und ich habe einiges hinzugelernt das ich vorher nicht wusste. Es ging vor allem um die Ereignisse der Entstehung. Ich wusste schon das Baden-Württemberg durch Zusammenschluss von anderen Ländern entstand und das die Badener nicht dafür waren – beides habe ich nicht in der Schule gelernt, sondern in einem Buch über Schaben und das Schwabenland. Aber die genauen Abläufe waren mir doch nicht bekannt.
Ausgangsbasis waren die Alliierten die als Verwaltungseinheiten die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern schufen. Das es drei Länder wurden, lag an den Franzosen die noch ihre Besatzungszone durch Abknapsen von Besatzungszonen der USA und England bekamen und deren Besatzungszone eben Baden war. Sie waren auch die, die danach nicht wollten das Baden in einem „Südweststaat“ aufgeht, wie es damals hieß. Aber die anderen Besatzungsmächte wollten möglichst gleich große Bundesländer, wahrscheinlich um ein Machtzentrum wie es vorher Preußen war, zu verhindern. Die Franzosen sorgten auch für einen Extrastatus des Saarlandes, sodass dieses noch länger brauchte um sich zur Bundesrepublik anzuschließen – bei ihnen war es erst 1959 soweit.
Die Regierungschefs der beiden „schwäbischen“ Teilländer Rheinhold Maier und Gebhard Müller waren für den Zusammenschluss, Leo Wohlleb der Präsident von Baden war dagegen. Das schien so verfahren, dass es – weitere neue Erkenntnis – sogar einen eigenen Paragrafen im Grundgesetz gab, den Paragrafen 118, in dem der Bund dies regeln kann, wenn die Länder es nicht hinbekommen. Den Artikel gibt es, wie ich beim Verlinken feststellte bis heute, gefolgt von Artikel 118a, bei dem es um den Zusammenschluss von Berlin und Brandenburg geht. Komisch, warum hat man das nie abgeschafft? Den Artikel 23, nachdem sich ein Staat der Bundesrepublik anschließen konnte, hat man nach Beitritt der DDR sofort gestrichen, es könnten ja sonst noch Gebiete aus Polen oder Tschechien oder gar Mallorca anschließen …
Schließlich kam man auf eine „Meinungsumfrage“ – das war damals nicht eine Umfrage am Telefon unter einigen Tausend, sondern eine freiwillige Volksbefragung. Dabei kam raus, dass die Badener mehrheitlich dagegen waren und die beiden anderen Ländern nicht nur ein bisschen sondern ziemlich dafür waren: Die Württemberger entschieden sich mit über 90 Prozent für den Südweststaat, die Nordbadener immerhin noch mit über 57 Prozent, während die Südbadener den neuen Staat mit knapp 60 Prozent ablehnten. Im gesamten Baden hatte die Bevölkerung den Südweststaat mit einer knappen Mehrheit abgelehnt.
Der Bundestag teilte dann für die Abstimmung Baden in zwei Stimmbezirke auf. Nordbaden um Karlsruhe, Mannheim war schon mehr industriell geprägt wie Württemberg, dort sah man sicherlich die Vorteile eines größeren und einigen Bundeslands. In Südbaden, die vorher jahrhundertelang bedingt durch ein besseres Klima immer den höheren Lebensstandard hatten, und die so sich privilegiert den Schwaben sahen überwogen die Ressentiments, man wollte sich auch nicht von Schwaben regieren lassen. Es sollten drei von vier Wahlbezirken für den Südweststaat sein. Bei der Volksabstimmung stimmten am 9. Dezember 1951 insgesamt 70 Prozent für den Südweststaat, allerdings sehr unterschiedlich. In den beiden württembergischen Teilstaaten waren es 91 und 92 Prozent, in Nordbaden 57 Prozent, in Südbaden waren 60 Prozent dagegen und nur 28 Prozent dafür. Entsprechend fühlte sich der Staatspräsident Leo Wohlleb und viele Badener über den Tisch gezogen.
Das hatte auch ein Nachspiel. Man zog wegen der manipulativen Abstimmung vor das Bundesverfassungsgericht und bekam 1956 recht. Die Badener sollten noch mal abstimmen. Das ist nun dumm für die Politik, wenn so ein gravierendes Gesetz einkassiert wird. Anders als bei den Coronabeschlüssen, die ja auch in den letzten Jahren schnell kassiert wurden, lies man sich damals aber viel Zeit und saß das aus. Erst 1970 kam die Abstimmung bei der dann 81,9 Prozent der Badener für den verbleib in Baden-Württemberg waren. Das verwundet nicht, denn wirtschaftlich ging es in Baden-Württemberg nach dem Krieg schneller bergauf als in anderen Bundesländern. Man hätte die Spaltung vermeiden können, wenn man basisdemokratisch nicht nach Wahlbezirken abgestimmt hätte, sondern einfach jede Stimme zählt. Es stimmten von allen Wählern auch 70 Prozent für den neuen Staat.
Heute gibt es die Ressentiments nicht mehr. Ich betrachte mich zwar als Schwabe und andere in Baden-Württemberg werden sich als Badener oder Kurpfälzer ansehen, aber man hat nichts gegen die andere Gruppe oder meint das man von der vereinnahmt wird. Das ist aber meiner Ansicht nach eher die Folge das unserer Welt immer weitläufiger wurde. Regionale Eigenheiten, seien es Bräuche oder Dialekte oder auch Eigenheiten sind auf dem Rückzug die Unterscheide nivellieren sich. Nicht zuletzt ist die Einwohnerzahl durch Zuwanderung von 1950 bis 2015 von 6,5 Millionen auf 11,1 Millionen angewachsen – und alle Zugezogenen sind keine Badener und keine Schwaben.
Mich wundert auch das sich bisher keiner der Badener über die Imagekampagnen unserer Landesregierung – die übrigens mit Ausnahme von Mappus bisher keinen Badener als Ministerpräsidenten hatte – über die Slogans beschwerte, denn die waren doch sehr zentriert auf die Dinge, die man den Schwaben nachsagt: Lange Zeit hieß es „Wir können alles außer Hochdeutsch“. Nun sprechen natürlich auch Badener Dialekt, aber ich meine, dass sie noch eher zu Schriftsprache fähig sind als alteingesessene Schwaben, bei denen es immer etwas gekünstelt klingt und selbst dann noch an einigen Lauten scheitern wie dem „st“ das fast automatisch zum „scht“ wird. Ich kenne auch niemanden der zu Landeshauptstadt „Stuttgart“ sagt, sondern – wenn er hochdeutsch spricht „Schtuttgart“ und wenn er schwäbisch spricht „Schtugard“. Die zweite Bedeutung des Slogans ist das Baden-Württemberger alles können, anspielend auf das Image des Tüftlers, Erfinders das man ja mehr den Schwaben als Badenern andichtet. Bei Badener denke ich an Sterneköche, Weinkultur, warmes Klima, Weinhänge und Lebensart, das war nie Bestandteil eines Slogans.
Derzeit heißt der Slogan „the Länd“ und ich kenne niemanden dem er gefällt. Eher wird schwabentypisch die Summe von 21 Millionen Euro für die Imagekampagne kritisiert (oder um es mit Robert Boschs Worten zu sagen, der nach Arbeitsende die Büros nach fallengelassenen Büroklammern absuchte „So ganget ihr mit meim Geld om“. Der Slogan macht auch keinen Sinn. Nach den Worten unseres MP Kretschmann wurde der Slogan so gewählt, weil keiner im Ausland den Namen des Bundeslandes „Baden-Württemberg“ aussprechen kann. Ich möchte dazu fügen – die meisten Einwohner auch nicht, denn da ist mit dem „rt“ wieder eine solche tückische Lautkombination im Wort. Jeder den ich kenne, spricht es als „Baden-Würdemberg“ aus. Aber „The Land“ macht keinen Sinn. Das ist erst mal ein englischer Slogan. Aber „the Land“ wird im englischen ja schon ausgesprochen wie der Schwabe oder Badener das deutsche „Land“ ausspricht also mit „ä“. Die meisten Fremdsprachler können aber mit Buchstaben nichts anfangen, die sie nicht in ihrem Alphabet haben. Das geht uns bei nordischen spanischen oder anderen Zeichen ja auch so und wer niemals französisch hatte weiß auch nicht, wie man einen Akzent ausspricht. Der Radiosender denn ich immer höre, hat einen Slogan „Eins gehöhrt, gehört, SWR-1“. Denn müssen Gäste auch aufsagen und diese Aufzeichnung wird dann gerne mal von einem Titel des Interpreten gespielt. Die meisten englischsprachigen Musiker haben ihre Probleme mit dem „ö“. Entweder sprechen sie es als „o“ aus oder noch häufiger, sie lassen den unbekannten Buchstaben komplett weg. Also „the Länd“ ist für Deutsche unsinnig und für Ausländer genauso wenig aussprechbar wie Baden-Württemberg. Die häufigste Kritik war übrigens das der Slogan grammatikalisch falsch wäre, es müsste „Ländle“ (badisch: Ländli“) heißen, nicht „Länd“. Nur mal so als eigene Meinung, wie wäre es mit „Wo wir sind ist vorne“ oder „Clever, fleißig – gut“ als Slogans, den letzteres habe ich mir von einem Schokoladenfabrikanten in Waldenbuch entliehen …
Was es nicht gibt, ist so etwas wie eine Staatshymne. Ich weiß nicht, ob es welche in anderen Bundesländern gibt, aber in vielen anderen Staaten haben oft Regionen eine eigene Hymne, wir haben ja auch eine eigene Flagge mit Wappen. Es gibt zwei inoffizielle Hymnen. Eine für jede Region. Da ist das „Badener Lied“ für die Badener, das Baden über den Busch lobt (und aus dem Sachsenlied entstand…) und der „Reichste Fürst“. Das ist nun keine Lobeshymne für das Land Württemberg – übrigens nicht Schwaben, da es sich um den Herrscher Eberhard mit dem Barte dreht. Mir gefällt es sehr gut, nicht nur, weil ich Württemberger bin. Zum einen ist die Melodie tragend, entsprechend einer Hymne. Sie stammt vom Volksliedes „In des Waldes tiefsten Gründen“, fängt aber an wie die Marseillaise. Vor allem geht es aber nicht um das Land, sondern die Menschen und wir definieren uns ja nicht nach der Geographie der Region, in der wir leben, sondern unserer Sprache, Brauchtum, Eigenheiten. Das vertone Gedicht von Eduard Mörike, ein außerhalb Schwabens weitestgehend verkannter Dichter und Arzt (angeblich sagten zu seiner Zeit, die Dichter er wäre ein guter Arzt, aber schlechter Dichter und die Ärzte, er wäre ein guter Dichter und schlechter Arzt…) nimmt Bezug darauf, das Württemberg bis zur industriellen Revolution das Armenhaus in Deutschland war, anders als Baden. In einer Gesellschaft, in der der Reichtum definiert wurde durch Bodenschätze und Ertrag der Landwirtschaft stand Schwaben schlecht da ohne Bodenschätze, mit wenig ertragreichen Böden, auf denen man vielleicht Kraut anbauen konnte aber keinen Weizen. Das Gedicht hebt die Untertanen von Eberhard vor, dessen Land bei den Kurfürsten nicht punkten kann. Denn die sind ihrem Herrscher treu ergeben. Die Obrigkeitshörigkeit hat sich ein bisschen bis heute erhalten. Aber nur bis zu einem bestimmten Grad. Wenn die Obrigkeit es übertreibt oder die Menschen vor den Kopf stößt, können Schwaben unheimlich hartnäckigen Widerstand leisten. Das erste Atomkraftwerk das gekippt wunde war Wyl in Baden-Württemberg.
In vielem anderen gab es übrigens nach der „Vereinigung“ noch deutlich Spuren von zwei Bundesländern. Bis 1998 gab es einen Südwestrundfunk und einen Süddeutschen Rundfunk, dann fusionierten beide zum SWR. Es gibt vier Regierungsbezirke entsprechend den Wahlzonen Nordbaden, Südbaden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern und als ich mein praktisches Jahr an einer Landesuntersuchungsanstalt machen musste, hatte ich so die Auswahl aus Vieren, die genau diesen Regierungsbezirken entsprachen und in Stuttgart, Sigmaringen, Freiburg und Karlsruhe angesiedelt waren. Es waren Behörden des Regierungsbezirkes, denn die Stadt Stuttgart hatte noch ein eigenes städtisches Untersuchungsamt.
Genauso spannend ist die Namensgebung des Bundeslandes. Die Bezeichnung „Baden-Württemberg „ war nur ind er Gesetzesvorlage vom 15.5.1952 als vorläufige Bezeichnung vorgesehen. Man konnte sich aber auf keinen anderen Namen einigen. Die Badener waren gegen Vorschläge wie „Schwabenland“. Der Begriff des „Südweststaats“ fiel ohne Bezug auf Volk oder Land auch durch. „Baden-Schwaben“ klingt wie ein unglücklicher Reim. Ich denke auch, wenn der Name unaussprechlich ist und an ein Herrschergeschlecht erinnert und nicht an das Volk so hat man sich an ihn doch gewöhnt und im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen oder Sachsen-Anhalt klingt er doch gut. Zudem werden die Badener als erste genannt, das mag sie etwas versöhnen. Mit dem Namen haben übrigens auch Konzerne zu kämpfen. Amazon druckt auf die Pakete nach US-Vorbild auch den „state“ also Bundesland (bei uns würde die Postleitzahl reichen). Dort wird immer die Anschrift in „Baden-Würrtemberg“ (doppeltes R anstatt doppeltes T) korrigiert.