Bernd Leitenbergers Blog

nuklearelektrisch oder Thermonuklear

Vor einigen Wochen gab es die Meldung das die DARPA wieder ein thermonukleares Programm (DRACO) mit 14 Millionen fördert, dem schloss sich die NASA mit weiteren 26 Millionen an. Bis 2026 – das ist meiner Ansicht nach sehr optimistisch – will man eine Demonstrationsmission fertig haben.

Ich habe das mal aufgegriffen, um über die beiden Konzepte zu berichten. „Themornuklear“ oder „nuklearthermisch“ bedeutet das man mit Kernfission also Kernspaltung ein Medium erhitzt und dieses als Antrieb nutzt. „nuklearelektrisch“ bedeutet das man aus Wärme – die stammt wiederum aus einem Reaktor – Strom gewinnt und diesen Strom als Quelle für als Ionenanantrieb nutzt.

Ich fange mal mit dem letzten an. Wir haben hier mehr oder weniger einen „normalen“ Reaktor. In ihm befinden sich Brennelemente aus angereichertem Uran, Moderatorstäbe sorgen dafür, das mehr der Neutronen für weitere Kernspaltungen zur Verfügung stehen und Steuerstäbe fangen diese Neutronen ab, reduzieren also die Kettenreaktion. In einem normalen Reaktor wird durch die Steuerstäbe so reguliert, das ein Arbeitsmedium auf eine hohe Temperatur erhitzt wird, die Reaktion aber nicht durchgeht, also die Temperatur immer weiter ansteigt. Das Medium kann Wasser unter hohem Druck sein, eine Salzlösung oder eine Metalllegierung mit niedrigem Schmelzpunkt wie die eutektische Mischung der Elemente Kalium und Natrium. Das letztere ist auch das Standardkonzept für Reaktoren in Satelliten, da solche Legierungen sehr hoch erhitzbar sind und daher viel Energie aufnehmen. Ein Reaktor für ein Weltraumfahrzeug muss natürlich viel kompakter sein als ein Kernreaktor als Kernkraftwerk, selbst als ein Kernreaktor für ein Atom-U-Boot der immerhin auch noch so groß wie eine Telefonzelle ist. Sie setzen höher angereichertes Uran ein, damit man auf kleinerem Volumen zum einen mehr Energie gewinnt zum anderen benötigt ein Reaktor eine gewisse Mindestmenge an spaltbarem Material, je kleiner er ist, desto höher angereichert muss der Brennstab sein. Die USA haben nur einen Reaktor im Weltraum getestet: SNAP-10A an Bord des Satelliten Snapshot. Der wog 290 kg, hatte 37 Brennstäbe und eine thermische Leistung von 30 kW. Durch eine Natrium-Kalium Legierung die zwischen 12 und +785 Grad flüssig ist, konnte man relativ viel Wärme im Arbeitsmedium aufnehmen, was den Reaktor natürlich kompakter macht. Die Umwandlung in elektrische Energie war nei SNAP10A aber schlecht. Aus den 30 kW thermischer Energie wurden nur 0,59 kW elektrische Energie gewonnen. Zwar haben konventionelle Kernreaktoren auch einen schlechten Wirkungsgrad, doch der lag meist doch auch bei über 30 Prozent, hier waren es nur 2 Prozent.

Russland hat dann für militärische Satelliten Kennreaktoren eingesetzt, über die man aber relativ wenig weiß. Was man aber weiß, ist das auch ihre Kernreaktoren gemessen an der Masse relativ wenig Strom lieferten. Den obigen SNAP-10A schlägt sogar ein RTG, der nur den thermoelektrischen Effekt nutzt. Die 590 Watt liefern zwei GPHS die nur rund 120 kg und nicht 290 kg wiegen.

Einen Vorteil haben aber Kernreaktoren. Ihre Kennwerte werden immer besser, je größer der Reaktor ist. Verdoppelt man den Radius, so liefert der Reaktor achtmal mehr Energie. Der Kühlmittelkreislauf ist aber nicht achtmal größer auszulegen und die Abschirmung als Schutz für die Umwelt ebenfalls nicht. Derzeit entwickelt die NASA Kernreaktoren für bemannte Marsmissionen. Die Kilopower Reaktoren haben eine höhere Effizienz – aus 43 kW thermischer Energie werden 10 kW elektrische Energie, aber sie sind immer noch schwer, 1.500 kg für einen 10 kW(e) Reaktor. Das ist nur wenig besser als bei RTG. Die NASA hat allerdings mal einen größeren, experimentellen Reaktor gebaut: SAFE-400 hatte eine thermische Leistung von 400 kW und eine eklektische Leistung von 100 kW wog aber nur 512 kg, also ein Drittel des Kilopowers bei zehnfacher Leistung. Die Daten sind aber ohne die Abschirmung gegen Unglücke die bei den obigen Reaktoren mit dabei ist. Aber es gibt auch Konzepte für kleine Reaktoren für irdische Anwendungen. Die müssen ja auch abgeschirmt werden, wenngleich nicht so wie weltraumtaugliche Reaktoren und hier kommt man schon auf 10 bis 25 MW elektrische Leistung bei einem Gewicht von einigen Zig Tonnen.

Bei einem thermoelektrischen Antrieb nutzt man nun den Reaktor als Stromquelle für Ionentriebwerke.

Anders sieht es beim thermonuklearen Antrieb aus. Hier sitzt ein Reaktorkern in der Brennkammer einer herkömmlichen Rakete. Sobald die Kontrollstäbe herausgezogen werden, wird er heiß. Bei den bisher getesteten Reaktoren ließ man die Brennstäbe so heiß werden, das sie fast schmolzen. Sie erhitzten ein Arbeitsmedium auf hohe Temperaturen, das dann durch eine Düse expandiert wird, eben wie bei einem normalen Raketentriebwerk. Man erreicht in etwa den Schub von kleineren bis mittleren Raketentriebwerken, also im Bereich einiger Hundert Kilonewton.

Nach dem Brennen ist der Reaktor aber stark radioaktiv. Es sind zahlreiche kurzlebige Isotope entstanden, man benötigt eine Abschirmung, die aber nicht wie bei einem der obigen Kernreaktoren diesen umgibt. Denn dann käme das Arbeitsgas ja nicht mehr an den Kern heran, sondern typisch hinter der Stufe, wo das Raumfahrzeug ist. Diese Abschirmung wird also größer und schwerer sein als eine Abschirmung für einen thermoelektrischen Reaktor. Ein weiterer Hauptnachteil ist, dass der Reaktor so auch nicht gegen Unfälle abgeschirmt werden kann. Solange er nicht in Betrieb ist, also erst im Orbit, enthält er nur angereichertes Uran – nicht harmlos, aber mit so langer Halbwertszeit, dass das Risiko überschaubar ist. Sobald er in Betrieb geht, darf ohne Abschirmung aber nichts mehr passieren.

Zwei weitere Nachteile gibt es. Bei Ionenantrieben ist der spezifische Impuls theoretisch unbegrenzt, erreicht hat man 70 km/s. Konzepte für bis zu 200 km/s gibt es. Bei dem thermonuklearen Reaktor ist die Temperatur des Arbeitsmediums beschränkt. Bei einer chemischen Reaktion kann man Temperaturen erreichen, bei dem jeder Werkstoff, den es gibt, verdampfen würde. Durch Kühlung brennt das Raketentriebwerk nicht ab. Aber die Kernbrennstäbe dürfen nicht flüssig werden. Die maximalen Temperaturen liegen so bei etwas über 2.000 Grad Celsius deutlich unter den Temperaturen, die man in einem chemischen Antrieb erreicht. 3.700 Grad werden bei Wasserstoff/Sauerstoff erreicht. Da der spezifische Impuls wie beim chemischen Antrieb von der Molekularmasse der Gase und ihrer Temperatur abhängt, erhält man einen Vorteil gegenüber der chemsichen Verbrennung nur, wenn das Arbeitsmedium Wasserstoff ist. Neben der Problematik Wuchsstoff zu kühlen (bei den meisten Missionen gibt es ja mehrere Zündungen bei der Erde und beim Ziel – oft erst nach Jahren) hat man das Problem, dass Wasserstoff auch als Flüssigkeit nur eine niedrige Dichte hat – viermal kleiner als die Mischung mit Sauerstoff und 14-mal kleiner als Sauerstoff/Kerosin. Entsprechend wiegen die Tanks erheblich mehr als bei konventionellen Raketen, was den Vorteil im spezifischen Impuls (erprobt: 8.100 m/s, theoretisch denkbar 9.000 m/s) deutlich absenkt.

Natürlich kann man den Antrieb noch steigern – lässt man ein Verdampfen des Reaktors zu so stiegt die Temperatur und der spezifisch Impuls an. So ein Reaktor ist aber nur einmal zündbar und selbst dann emittiert er mit dem Wasserstoff massenweise radioaktives Material, was einen Test auf der Erde ausschließt. Erproben kann man dies also nicht.

Ich habe mir trotzdem mal vorgenommen beide Technologien zu vergleichen. Nun ja, richtig vergleichen kann man beides nicht, weil Ionentriebwerke immer eine Verlängerung der Mission bedeuten, sie entwickeln ja wenig Schub aber dafür viel länger. Aber man kann ein Äquivalent ausrechnen.

Nutzlast sollen 20 t sein, die aus einem 200 km hohen Erdorbit in einen 200 km Marsorbit und zurück gebracht werden. Die Geschwindigkeitsbilanz sieht bei den beiden Extremfällen so aus:

Impuls-Manöver Niedrigschub-Szenario
Erde → Sonnenumlaufbahn 3200 m/s 7.000 m/s
Sonnenumlaufbahn → Marstransferbahn 500 m/s 3.500 m/s
Marstransferbahn → Marsumlaufbahn 700 m/s 2.700 m/s
Marsumlaufbahn → Mars 1.400 m/s 3.000 m/s
Mars → Marsumlaufbahn 1.400 m/s 3.000 m/s
Marsumlaufbahn → Marstransferbahn 700 m/s 2.700 m/s
Marstransferbahn → Sonnenumlaufbahn 500 m/s 3.500 m/s
Sonnenumlaufbahn → Erde 3200 m/s 7.000 m/s
Summe 11.600 m/s 32.400 m/s

Der Unterschied resultiert aus dem hyperbolischen Exzess, der es belohnt, wenn man die Geschwindigkeitsänderung in einem Impuls direkt am Gravitationszentrum (Erde,Mars) durchführen kann. Allerdings ist die Angabe für nuklear thermische Triebwerke zu optimistisch, da sie doch schubschwächer als chemische sind und für nuklearelektrische Triebwerke zu pessimistisch, da sie ja mit einer gewissen Anfangsgeschwindigkeit jeweils in die Sonnenumlaufbahn gelangen, wenn sie die Planeten verlassen. Die muss man berücksichtigen. Ich habe je 200 m/s Gravitationsverluste für Manöver am Erde und 100 m/s beim Mars (thermonuklear) und 700 m/s beim Erreichen der Sonneneinflusssphäre bei Erde und 150 m/s beim Mars addiert bzw. subtrahiert und komme so auf realistischere 12.200 m/s beim thermonuklearen und 30.700 m/s beim thermoelektrischen Antrieb.

Nimmt man die Daten einer NERVA-Stufe als Ersatz für die S-IVB so komme ich bei 20 t Nutzlast auf 945 t Gesamtstartmasse. Das ist so viel Masse, weil es zum einen einstufig ist und zum anderen der Wasserstoff zu einem schlechten Strukturfaktor von etwa 5,1 wegen der schweren Tanks führt. Als zweistufige Lösung (erste Stufe Erde → Mars 200 km Orbit, zweite Stufe zurück) wiegt die zweite Stufe 40,8 t und die erste 124,1 t, zusammen also 164,9 t.

Bei Ionentriebwerken hat man viele Variationsmöglichkeiten. Man kann Nutzlast durch Zeit erkaufen. Als Nebenbedingung habe die gleiche Startmasse vorgegeben, 164,9 t und die Betriebsdaten des SAFE – sie wären, weil der Reaktor größer als SAFE ist in Wirklichkeit besser. Die Zusatzbetriebszeit sinkt bei hohen spezifischen Impulsen weiter ab, oberhalb von 40.000 m/s aber kaum noch und erreicht dann ein Minimum um wieder anzusteigen. Die kürzeste Betreibszeit hat man bei einem spezifischen Impuls von 58.000 m/s. Für den sähe die Bilanzen dann so aus:

Thermonuklear nuklearelektrisch
Startmasse: 164,9 t 164,9 t
Davon Treibstoff: 132,8 t 76,0 t
Reaktor Leistung: 1.500 MW thermisch 39 MW thermisch, 9,8 MW elektrisch
Zusätzliche Reisezeit: Keine 222 Tage
Schub: 266,8 kN 0,23 kN

Ein Ionenantrieb wird immer zusätzliche Reisezeit verursachen. Aber 221 Tage sind bei typischen Reisezeiten in Marstransferbahnen von jeweils 240 Tagen also zusammen 480 Tagen nur 46 % mehr und davon entfallen 41 Tage auf den Aufenthalt in einer Marsumlaufbahn in der schon Beobachtungen möglich sind. Daneben braucht man im jedem Fall auch immer Zeit für Vorbereitungen für die Landung oder Verlassen für Orbits, die man da man ja beim eklektischen Antrieb sowieso Tage zum Verändern des Orbits braucht, so nebenher durchführen kann während der Antrieb schon arbeitet. Weiterhin kann man beim Ionenantrieb auch die interplanetare Phase ohne größeren Mehraufwand verkürzen und so einen Teil der Reisedauer – realistisch etwa 60 bis 100 Tage wieder einsparen.

Sehr deutlich wird aber auch, dass ein thermischer Reaktor ungleich leistungsfähiger sein muss – um den Faktor 38. Das ergibt sich daraus, dass das Reaktor nur einige Minuten in Betrieb ist – bei allen Manövern zusammen rund 65 Minuten. In der Zeit muss er viel mehr Leistung abgeben als der Reaktor, der die Niedrigschubtriebwerke antreibt und dies über 221 Tage macht, also die 4.900-fache Zeitdauer.

Das ganze hat trotzdem eine Crux: Ionen-Triebwerke mit 230 N Schub gibt es nicht. HIPEP als NASA-Projekt erreichte maximal 0,67 N und das Vasimir VX 200 erreicht 5 N. Man bräuchte also 46 dieser VX-200 Antriebe. Beim VASIMIR Projekt geht man übrigens wegen der hohen benötigten elektrischen Leistung von einem Reaktor aus, der anders als SAFE nicht 200 W/kg sondern 1.000 W/kg Masse liefert, was – auf oben übertragen – die Reisedauer beim selben spezifischen Impuls auf 106 Tage senken würde.

Der springende Punkt ist aber:

Die Berechnung enthält keine Abschirmung. Die müsste, weil sie zum einen hinter der Stufe und damit den Tanks liegt beim thermischen Reaktor einen größeren Durchmesser haben und sie müsste dicker sein, denn der Reaktor liefert ja fast 40-mal mehr Radioaktivität. Den kleinen Reaktor kann man dagegen gut isolieren, ja man kann ihn, anders als den großen Reaktor, der ja in einer Brennkammer fest eingebaut ist, sogar notfalls abwerfen. Konzepte für nukleare Kleinkraftwerke dieser Leistung haben in etwa die Größe eines Schrankes (mit Abschirmung), dagegen ist ein 1.500 MW Reaktorkern in etwa so groß wie ein Reaktorkern eines Kernkraftwerks.

Macht man eine Risikoanalyse, berücksichtigt, dass man einen nuklear-thermischen Reaktor heute (anders als in den sechziger Jahren wo man sich über die Verstrahlung der Umwelt bei den bisher einzigen Tests in den USA, keine Gedanken machte) kaum testen kann, so spricht meiner Meinung nach alles gegen das thermonukleare Konzept. Mehr noch: man könnte daran denken, denselben kleinen Reaktortyp für die Strom- und Wärmeversorgung der Marskolonien bzw. in kleinerer Version für Missionen zu den äußeren Planeten zu nutzen. Dafür wäre der NERVA Typ schlicht und einfach zu groß und unsicher.

Mein persönlicher Favorit, ist aber etwas wie SAFE. Ein Reaktor der 100 kW Klasse. Er kann auch die Stromversorgung der Marsbasis übernehmen, er ist mit 512 kg noch leicht genug, um als Stromversorgung für Sonden die Ionenantrieb nutzen um die Reisezeiten zu minimieren eingesetzt zu werden. Bei einer Marsmission kann er nur unterstützen z. B. während der interplanetaren Phase die typisch 400 bis 500 Tage bei rund 1.000 Tagen Gesamtdauer dauert, die Ankunftsgeschwindigkeiten zu reduzieren und so chemischen Treibstoff einzusparen. In einem Marsorbit könnte er diesen leicht verändern und so ebenfalls Treibstoff sparen. Der Effekt ist aber nicht riesig: wird er mit voller Leistung 200 Tage lang betrieben, so kann er bei gängigen Ionentriebwerken einen Gesamtimpuls von 50 bis 60 MN aufbauen, äquivalent 11 – 13 t LOX/LH2, wobei die reale Ersparnis kleiner ist, weil wie oben der hyperbolische Exzess zum Tragen kommt. Aber selbst wenn es nur 5-6 t eingesparter Treibstoff sind, so entsprechen diese rund 15 bis 20 t die in die Erdumlaufbahn gelangen müssen und noch mehr für den Anteil der zum Mars und zurück gelangt.

Hat man sehr viel Zeit so könnte man darauf verzichten die ganze Marstation in einen Erdorbit einschwenken zu lassen und nur die Kapsel abkoppeln, die dann direkt landet. SAFE könnte Station danach die Bahn dann so abändern, dass die Station zuerst eingefangen wird und SAFE sie dann in eine niedrige Erdumlaufbahn abbremsen. Dort könnte sie dann ein zweites Mal genutzt werden. Das dauert bei einem 100 kW(e) Reaktor aber dann schon extrem lange, knapp zwei Jahre, benötigt aber nur 2.600 kg Treibstoff.

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