Voyagers festsitzende Scanplattform
Vor genau 41 Jahren passierte Voyager 2 den Saturn, das letzte Ziel ihrer Primärmission. Bis zur Passage verlief die Mission wie geplant. Tausende von Fotos des Saturn und der Ringe trudelten ein. An den Tagen vorher wurde zuerst Iapetus, dann Hyperion und zuletzt Titan passiert, kurz vor dem Erreichen des nächsten Abstandes auch Enceladus und nun stand Tethys auf dem Plan.
Das Versagen
Jedoch kam es beim Saturn-Encounter von Voyager 2 auch zu einem folgenschweren Unfall. 110 Minuten nach der nächsten Annäherung, 45 Minuten nach Durchstoßen der Ringebene, zeigten die Kameras nicht mehr dahin wo sie sollten. Sie nahmen nur noch den schwarzen Weltraum auf. Zuerst vermutete man, das Teilchen der Ringe den Arm beschädigt hatten, denn es gab nach der Passage der Ringebene, 3.000 km außerhalb des G-Ringes merkwürdige Telemetrie. Die Steuerdüsen wurden außerplanmäßig vom Bordcomputer gezündet, um die räumliche Orientierung der Sonde einzuhalten. Das Plasmainstrument meldete einen Anstieg der Teilchenzahlen – dieses Phänomen, das erstmals bei Saturn beobachtet wurde, entsteht dadurch, dass Staubteilchen mit hoher Geschwindigkeit auf der Sonde aufschlagen. Die Energie reicht aus, das ein Teil der Atome ionisiert wird und sie vom Plasmainstrument detektiert werden. Diese Technik nutzte man später bei Uranus und Neptun für weitere Untersuchungen der Ringe. Außer der Scanplattform zeigten zu diesem Zeitpunkt auch andere Instrumente unerwartete und eigenartige Daten. Doch das war eben schon vorher passiert.
Als der Vorfall passierte, war Voyager 2 noch in der Erdbedeckungsphase. Von ihm erfuhr man erst, als sie etwa eine halbe Stunde später wieder Funkverbindung hatte, wobei es selbst dann noch fast eineinhalb Stunden dauerte, bis die Funksignale die Strecke zwischen Saturn und Erde zurückgelegt hatten.
Die Fehleranalyse
Die Probleme mit anderen Systemen waren nur temporär und vergingen wieder. Die Scanplattform konnte aber im Azimut (Vor- und Zurück) nicht bewegt werden. Sie stoppte durch Computersignal. Das erste was die Missionskontrolle um 2:00 am 26.8.1981 tat, war die Plattform in einer Position zu parken, in der Sonnenlicht nicht die Experimente beschädigen konnte. Das hatte schon der CCS versucht, dabei war die Plattform aber strecken geblieben. Die Messsequenz, also das Aufnehmen von Bildern, lief aber weiter. Die Messsequenz wurde nun durch Bodenkommando abgebrochen und alle vier Experimente auf der Plattform abgeschaltet. Um 6:00 hatte man die Bestätigung der Aktionen durch Voyager. 2. Dann rief man den Bandrekorder mit den letzten Bildern und den Daten ab, um den Fehler zu finden. Von 6 Bildern eines Tethys Mosaiks zeigte nur eines einen Teil des Mondes. Die hochauflösenden Enceladus Aufnahmen waren alle schwarz, Bilder von der Rückseite des A- und F-Ringes waren nicht zu sehen und auch die hochauflösenden Photopolarimeter-Messungen nahe des A- und F-Ringes waren verloren gegangen. Die Reaktion von Bradford A. Smith, prominenter Leiter des Imaging Teams war als er davon hörte „Gottseidank ist das nicht einige Stunden früher passiert“. Es war wirklich Glück, denn alle wichtigen Ereignisse im Saturnsystem waren vor dem Vorbeiflug passiert.
Um 9:00 kamen die Bilder vom Bandrekorder herein. Um 9:56 sah man ein gutes Bild vom F-Ring, um 10:10 sollte das erste Bild des hochauflösenden Mosaiks von Enceladus erscheinen, doch die Monitore blieben schwarz. Allerdings gab es vorher Aufnahmen aus leicht größere Distanz (120.000 km, die nächste Distanz lag bei 87.140 km) die noch unbeeinflusst waren. Von einem hochauflösenden Mosaik von Tethys zeigte nur ein Bild einen kleinen Rand des Mondes. Die Weitwinkelkamera, die ein achtmal größeres Blickfeld hatte, zeigte aber noch die Ziele, wenngleich nicht da wo sie sein sollten. 10 Minuten nach den ersten Ausfällen fror dann die Scan-Plattform komplett im Azimut ein. Sie ließ sich aber senkrecht dazu im Zenit noch bewegen. Zwei Bilder der Keeler-Lücke zeigten so einen Ring in der Lücke nur eben am Rand, nicht in der Bildmitte.
Man war nun etwas schlauer. Das Verhalten passte nicht zu einer Kollision mit Ringteilchen, dafür passiert es auch zu spät, eine Dreiviertelstunde nach Passage der Ringebene. Bradford Smith erklärte die Mission schon jetzt zu einem vollen Erfolg, auch wenn keine Bilder mehr folgen würden. Manch einer nannte die letzten schwarzen Bilder „the final images of the planetary program“.
Um 13:00 begann ein Meeting des Imaging Teams. Zuerst wurde debattiert wie viele Daten man verloren hatte. Auf den Aufnahmen aus 120.000 km Distanz war Enceladus die Überraschung im Saturnsystem. Anders als alle anderen Eismonde war er verhältnismäßig glatt, reflektierte nach PPS Messungen fast das gesamte Licht und erinnerte viele an Ganymed – nur war er zehnmal kleiner als Ganymed. Aufnahmen von Enceladus aus der Nähe verloren zu haben, schmerzte so besonder., Um 2:00 kam Fred Scarf vom PWS Team zu Besprechung und brachte eine Neuigkeit. Die Daten des Plasmawelleninstruments meldeten zahlreiche Einschläge auf der Sonde, die wie ein Hagelschauer auf einem Blechdach klangen. Teilchen von 1 bis 2 Mikrometern Größe die mit 10 km/s aufschlugen erzeugten diesen Sound. Waren diese Teilchen die Ursache?
Die Plattform arbeitet wieder
Drei Tage lang schickte man einen Befehl nach dem anderen zur Sonde. Erschwert war dies am Anfang dadurch, dass Voyager 2 sich im Saturnschatten abgekühlt hatte und der Empfänger so die Kommandos nicht verstand. Jedes Kommando musste man mehrmals auf verschiedenen Frequenzen senden. Die Signallaufzeit Erde-Saturn-Erde für Senden eines Kommandos und Empfang der Bestätigung von fast drei Stunden erleichterte die Fehlerdiagnose nicht. Während noch an Behebung des Fehlers gearbeitet wurde, arbeitete man an einem Alternativplan für Uranus. Anstatt die Scanplattform zu rotieren, würde man die gesamte Raumsonde rotieren. Erste Schätzungen ergaben das man 150 mit dem Resttreibstoff Drehungen durchführen könnte, was nach Chefwissenschaftler Ed Stone eine respektable Uranusmission wäre. Die Scanplattform hatte bis zum Ausfall 352 Umdrehungen durchgeführt.
Die Presseleute wollten am 26. August eine Einschätzung, wie viel der Mission Voyager 2 denn nun erfüllt habe. Ed Stone, Leiter der wissenschaftlichen Beobachtungen sagte zu den erstaunten Journalsiten: „200 Prozent“. Er erklärte dann, dass die beiden Sonden zusammen die wissenschaftlichen Ziele, die zu Beginn des Projekts festgelegt wurden überfüllt haben. Sodass selbst der Verlust der Scan-Plattform zu diesem Zeitpunkt noch doppelt so viel übrig blieb, wie sich das Team zu Beginn erhofft hatten.
Man versuchte die Scanplattform zuerst langsam, dann schneller zu bewegen. Jede Aktion ergab wegen der langen Signallaufzeit erst nach drei Stunden eine Rückmeldung. Nach 24 Stunden bewegte sich die Plattform erstmals. Deutsche Zeitungen berichteten damals, dass ein übermüdeter Techniker der Sonde irrtümlich den Befehl erteilte um den zehnfachen Betrag und in die entgegengesetzte Richtung die Plattform zu drehen und sie sich dann bewegte. In den offiziellen Dokumenten der NASA fehlt dies. Allerdings fehlt in diesen auch die Ursache das Voyager 2 im April 1978 auf den Sekundärempfänger umschaltete – nämlich das man sie vergessen hatte. Ebenso wenig findet sich in den Dokumenten ein Hinweis auf den fast gescheiterten Start von Voyager 1.
Dann versuchte man die Geschwindigkeit zu steigern und das Problem zu verstehen. Schließlich, am 28.8.1981, wagte man einen größeren Scan von 270 herunter auf 209 Grad. Das Team war inzwischen sicher, das man die Scanplattform wieder bewegen könnte und erwartete um 17:38 das erste Bild von Saturn. Um 17:30 kamen die ersten Bilder, noch alle schwarz. Eines alle drei Minuten, dann tauchte plötzlich um 17:40 Saturn mit seinem Schatten auf, nicht mittenzentriert, aber er war wieder da! Inzwischen war Voyager 2 schon wieder 3.2 Millionen km vom Saturn entfernt. Nun betrieb man die schwenkbare Plattform mit langsamer Geschwindigkeit während des restlichen Vorbeiflugs. Sie wurde durch Bodenkommandos geschwenkt, nicht durch Computerprogramme, um die volle Kontrolle zu haben. Von nun an bewegte man die Scanplattform nur noch in einem Bereich von 180 bis 270 Grad.
Ursachenforschung
Voyager 2 sollte noch weiter zu Uranus fliegen, den sie im Januar 1986 erreichen würde. Das lies mehr als vier Jahre Zeit das Problem zu verstehen und es zu lösen.
Seit dem Steckenbleiben der Plattform am 26. August 1981 wurde das Versagen des Motors der Scanplattform untersucht. Die erste Erkenntnis war, dass der Motor zu oft mit hoher Geschwindigkeit betrieben wurde und so das Schmiermittel ausgelaufen war. Ein Reserveexemplar der Plattform wurde im Testlabor so programmiert, dass es im Zeitraffertempo genau die gleichen Schwenks machte. Auch hier versagte der Motor nach 348 Umdrehungen – vier Umdrehungen weniger als der Aktuator im Raumfahrzeug. Beide Geräte versagten viel früher, als ihre Konstrukteure erwarten. Bei der Demontage und Untersuchung des Prototyps wurde festgestellt, dass sich das erste Zahnradpaket auf der Stützwelle festgesetzt hatte, was offenbar auf einen Schmierfehler zurückzuführen war, der zum Festfressen der Welle führte. Das Material, das während des Fressens bewegt wurde, wurde umverteilt, wodurch sich die Abstände zwischen den beweglichen Teilen verringerten und schließlich zum Festfressen des Zahnradpakets führten.
Nachdem man nun eine Vermutung hatte, warum der Motor versagte, wurde er erneut bis zum Festfressen gefahren und dann verschiedene Maßnahmen ausprobiert. Effizient war das Erwärmen und Abkühlen des Getriebes von -35 aus +10 Grad Celsius, normal ist eine Betriebstemperatur von -7 Grad Celsius. Die Teile dehnen sich unterschiedlich schnell aus und zerdrücken so Material, das sich festsetzt. Dies konnte erreicht werden durch Einschalten der Instrumente und Heizelemente bzw. deren Abschalten.
In der Folge wurden 86 Modelle des Motors gebaut, um das Problem zu untersuchen und herauszufinden wie schnell man den Arm zukünftig noch bewegen kann. Das die Plattform just zum unglücklichsten Zeitpunkt ausfiel, hatte mit den vielen Schwenks mit großer Geschwindigkeit zu tun, die man während der Saturnbegegnung innerhalb kürzester Zeit machen musste, um die Ringe und Monde zu erfassen. Eine Untersuchung zeigte, dass der Antrieb nie ausfiel, wenn man ihn mit niedriger Geschwindigkeit betrieb, nur manchmal fiel er bei mittlerer Rotationsrate aus und zuverlässig bei hoher Geschwindigkeit.
Nach den Erfahrungen bei Saturn legte man großen Wert auf die zuverlässige Funktion der Scanplattform. Simulationen zeigten, das man den Motor problemlos mit geringer Geschwindigkeit würde betreiben können, vier Einsätze mit mittlerer Geschwindigkeit wurden für wissenschaftlich wertvolle Ziele vorgesehen. Als Absicherung wurde ein Computerprogramm geschrieben, das im Falle eines Stockens die ganze Sonde mit den Steuerdüsen bewegt hätte und man so auf die Bewegung der Scanplattform im Azimut vollständig verzichtet hätte. Auf hohe Geschwindigkeiten des Motors verzichtete man angesichts der Vorschädigung beim Saturnvorbeiflug. Dazu wurde untersucht, ob ein Ausfall nicht prognostiziert werden konnte. Die Auswertung der Telemetrie zeigte, dass die Aktuatoren nach einem 120 ms Impuls innerhalb von 5 bis 6 Millisekunden zur Ruhe kamen. Sowohl bei einem neuen Motor, wie auch einem der schon lange betrieben wurde. Stieg die Frist auf über 8 ms an, so stand ein Ausfall bevor.
Es wurde beschlossen 100 Stunden vor der Passage von Uranus nochmals einen endgültigen Test der Plattform durchzuführen. Sollte dieser scheitern, so würde das Backup-Programm, mit dem Voyager 2 nur durch die Lageregelungstriebwerke geschwenkt wird, hochgespielt werden. Das hatte aber Nachteile, denn dann zeigt die Antenne von der Erde weg, die Kommunikation bricht ab und alle Daten müssen auf Band aufgezeichnet werden. Zudem dauert es viel länger, bis die Sonde wieder bewegungslos ist.
Die Plattform arbeitete bei Uranus ohne Probleme. Bei Neptun traute man ihr dann wieder mehr Einsätze mit mittlerer Geschwindigkeit zu. Bis zum Ende der Mission bei den Planeten sollte sie 555 volle Umdrehungen absolviert haben – 203 davon nach dem Vorfall bei Saturn.
Die Bilder
Die drei Fotos auf dieser Seite sind das letzte vor dem Vorfall, das noch geplante Ziel zeigt, das zweite zeigt noch etwas, wenngleich nicht das erwartete, dann das erste Bild das mit einer arbeitenden Plattform gewonnen wurde.
C4400759 mit der Aufnahmezeit von 26.8.1981, 05:17:35.00, angekommen bei den Bodenstationen am 26.8.1981 um 18:35:35 ist eine Detailaufnahme der A, F und G Ringe und der Enckschen Teilung.
Das nächste Bild ist, das letzte während schon die Plattform festsaß, dass noch etwas zeigte, wenngleich nicht das erwartete: C4400906, das eigentlich Enceladus zeigen sollte, aber wie man sieht die Saturnringe auf der Nachtseite (sie erscheinen extrem dunkel, weil die Belichtungszeit von 0,12 Sekunden viel zu kurz dafür ist). Die Aufnahmezeit ist 06:11:11.00, angekommen auf der Erde ist es, weil es auf dem Bandrekorder abgelegt wurde erst am 27.8.1981 um 17:46:02 (Hinweis: die Zeiten im Artikel sind kalifornische Zeit, die auf den Bildern UTC, die 7 Stunden vorgeht).
Das dritte Bild C4409021 vom 28.8.1981 um 23:11:11, angekommen bei der Bodenstation am 29.8.1981 um 00:37:59, ist die erste Aufnahme die wieder Saturn zeigt.