Vor einigen Tagen hat die NASA angekündigt, das sie untersuchen lassen will ob eine „private“ Servicemission zum Hubble Space Telecope (HST) möglich ist. Ich schreibe „private“ in Anführungszeichen weil dieser Begriff im Englischen weiter geht als bei der deutschen Sprache. Es ist damit nicht gemeint, das nun ein Unternehmer, also eine Privatperson, wie Elon Musk seine eigene Mission macht, sondern es ist primär ein Wechsel in den Paradigmen dahingehend, das die NASA nicht mehr alle Anforderungen an die Entwicklung formuliert und selbst involviert ist, sondern eben nur die Anforderungen an die Mission und natürlich auch Sicherheitsstandards. Das ist aber im Prinzip das gleiche, wie wenn bei uns der Staat eine Firma mit einem Auftrag beauftragt, sei es für einen Bau, Software oder sonstiges und da redet bei uns niemand von „privat“. Die NASA vergibt also einen Auftrag für eine Servicemission an ein kommerzielles Unternehmen anstatt selbst das Raumfahrzeug und alle anderen Teile selbst zu entwickeln.
Primäres Ziel soll es sein, das Weltraumteleskop, das gerne neben dem offiziellen Küürzel HST auch einfach als „Hubble“ tituliert wird wieder auf 600 km Höhe zu bringen. Seit der letzten Servicemission die auch schon über ein Jahrzehnt her ist, ist es durch die Reibung der Atmosphäre von 600 auf 530 km gesunken. Das sind 70 km in 13 Jahren. Das HST hat keine eigenen Triebwerke, weil deren Abgase die Instrumente beeinträchtigen können und so war vorgesehen es bei den routinemäßig angesetzten Servicemissionen jeweils anzuheben. Das erfolgte bis 2009 auch regelmäßig. Nun ist das Space Shuttle seit über einem Jahrzehnt außer Dienst und das HST sinkt immer tiefer. Das ist ein schleichender Prozess, auch stark abhängig von der Aktivität der Sonne. Eines ist aber sicher: Die Absinkrate nimmt laufend zu, weil die Atmosphäre immer dichter wird. Basierend auf den Erfahrungen mit Hubble rechnet die NASA damit das das HST es 2030 aus dem Service nehmen wird müssen, das wäre immerhin 40 Jahre nach seinem Start.
Bevor ich aus die Mission eingehe, will ich noch ein bisschen was zu dem HST und seinem Zustand sagen. Auch wenn das James Webb Space Telescope (JWST) nun gestartet ist, mit einem mehr als doppelt so großen Hauptspiegel und eine viel bessere Lichtempfindlichkeit im Infraroten hat, macht das HST durchaus seinen Sinn. Zum einen arbeitet das JWST im infraroten, das HST im sichtbaren Bereich. Sie ergänzen sich also. Zum zweiten ist es so, das es immer besser ist zwei Instrumente zu haben als eines. Das Universum ist groß und beide Teleskope bekommen weitaus mehr Anträge von Astronomen als sie verfügbare Beobachtungszeit haben. Daran wird sich auch nach dem Start des Nancy Grace Roman Space Telescope (NGRST) ändern. Es hat dieselbe Hauptspiegelgröße, die Optik stammt vom NRO uns ist von einem Kennan KH-11 Spionagesatelliten übrig geblieben. Es arbeitet wie Hubble im Sichtbaren bis nahen IR, aber seine Brennweite ist dreimal kleiner, damit bildet es ein viel größeres Gesichtsfeld ab und ist mehr für Durchmusterungen als Einzelbeobachtungen geeignet,
Auf der anderen Seite ist das HST nun über dreißig Jahre alt. Die Instrumente sind relativ up to date, man hat sie mehrfach ausgetauscht, auch die Optik ist noch gut, aber viele andere Systeme altern und fallen nach und nach aus. Das Hauptproblem sind die Gyroskope. Sie rotieren mit 19.200 Umdrehungen pro Minute und sind nötig um die Bewegung des HST zu messen und seine Orientierung aufrecht zu erhalten. Als rotierende Geräte sind sie anfällig gegen mechanische Abnützung und fallen aus. 2009 wurden bei der letzten Servicemission alle sechs Gyros ausgetauscht. Es gibt sechs Stück an Bord, drei – je einer pro Raumachse – werden benötigt, um das Weltraumteleskop mit den Gyros auszurichten. 2018 geriet das HST in einen safe-Mode als einer der Gyros ausfiel – es war der dritte von sechs. Reserven gibt es also keine mehr. Es geht auch mit nur zwei Gyros, aber das Handling ist dannt komplexer. Anstatt eine Drehung direkt durchzuführen macht man sie mit zwei Gyros in zwei Schritten indem man zuerst in zwei Achsen rotiert und dann in der dritten Achse, wo der ausgefallene Gyro ist. Diese Prozedur gibt dann vielleicht auch noch mit einem Gyro, aber das wird noch komplexer und vor allem viel langwieriger. Basierend auf den Erfahrungen aus den letzten Jahrzehnten mit den Gyroskopen dürfte schon vor 2030 ein weiterer Gyro ausfallen, sodass es kein weiteren Betrieb mehr möglich ist. Schließlich fielen in neuen Jahren schon drei Stück aus. Bisher ist offen ob bei einer Servicemission diese Gyroskope ausgewechselt werden. Nur so macht für mich aber eine Missionsverlängerung einen Sinn. Auch andere Vorfälle an Bord von Hubble häufen sich.
Im folgenden will ich mal abstecken ob eine Mission geht und welche Probleme es dafür gibt.
Performance Falcon
Das grundlegende Problem bei der Beurteilung ob diese Mission möglich ist, ist sowohl bei der Falcon 9 wie auch der Crewed Dragon die Geheimniskrämerei von SpaceX. Aus unerfindlichen Gründen ist schon die Nutzlastkapazität der Falcon 9 für bestimmte Orbits oder der Treibstoffanteil und das Gewicht der Crewed Dragon ein wichtiges Firmengeheimnis. Aber versuchen wir uns mal den Tatsachen zu nähern.
Die höchste Nutzlast einer Falcon 9 bei einem Starlink Start waren bisher 16,25 t. Das war der Start am 19.3.2022. Die Starlink Satelliten werden in niedrigen Umlaufbahnen ausgesetzt, bei diesem Start waren es 303 x 317 x 53,2 Grad.
Die Zusatzgeschwindigkeit um vom besten (energieärmsten) Azimut von Cape aus (28,8 Grad Bahnneigung) in eine 53,3 Grad Bahn zu gelangen beträgt 128 m/s. Diese Bahnneigung weist auch Hubble auf, damit die Space Shuttles es in einem möglichst hohen Umlaufbahn aussetzen können.
Um von 303 x 317 km auf 530 km kreisförmig (HST Umlaufbahn) zu gelangen benötigt man 124 m/s. Das ist etwas (wenn auch nur 4 m/s) weniger als der Mehraufwand um von 28,8 auf 53,2 Grad Bahnneigung zu gelangen. Damit gäbe es für die Umlaufbahn zum HST eine Nutzlast von 16,25 t.
Crewed Dragon
Der nächste Punkt ist wie schwer ist eine Crewed Dragon und wie viel Treibstoff hat sie zur Verfügung?
Auch hier fehlt diese wesentliche Information. Immerhin: bei der Demo 2 Mission wog die Crewed Dragon vor dem Andocken 12.520 kg nach NASA Angaben. Bis dahin hat sie aber schon Treibstoff verbraucht um von einem niedrigen Erdorbit (190 x 211 x 51,6) bis zur ISS zu kommen. Die maximale Treibstoffzuladung beträgt nach FAA Antrag 2.562 kg.
Eine Falcon 9 könnte bei 16 t Nutzlast problemlos eine Crewed Dragon plus maximaler Treibstoffzuladung in 530 km Höhe bringen, da das kombinierte Gewicht (Annahme kein Treibstoff verbraucht) immer noch kleiner als die 16,2 t ist. Die Dragon muss Treibstoff sparen, denn sie muss dann noch Hubble anheben und Hubble wiegt auch 11,4 t. Anders als bei der ISS gibt es keine Sicherheitsaspekte, die es verbieten den Orbit direkt zu erreichen. Daher ist es sinnvoll sie in der zukünftigen Orbithöhe auszusetzen oder zumindest einem Apogäum in dieser Höhe. Das letztere macht das Deorbitieren der Oberstufe etwas einfacher.
Um Hubble von 530 in 600 km Höhe zu bringen benötigt man nur 39 m/s. Bei einem kombinierten Gewicht von 24 t und einem spezifischen Impuls von 2900 m/s für die Triebwerke der Dragon entpricht dies 323 kg Treibstoff, eine kleine Menge gemessen an den 2.590 kg die mitgeführt werden. Der Rest reicht aus um 12,5 t um 480 m/s im Kurs zu ändern, das ist mehr als genug für das Anheben eines Apogäum, Deorbit- und Annäherungsmanöver. Das Space Shuttle das vorher die Serving Missionen durchführte hatte nur für 300 m/s Kurskorrekturfähigkeit.
Also erstes Fazit: Von der Nutzlast der Falcon 9 und dem verfügbaren Treibstoff her geht es. Eine Dragon könnte zum HST gelangen und es anheben.
Wie soll eine Servicemission aussehen?
Das Minimalziel wäre es das HST im Orbit anzuheben. Doch hier gehen die Probleme wirklich los. Das Hubble Weltraumteleskop war beim Start im Nutzlastraum fixiert. Es ist für Servicemissionen durch das Space Shuttle ausgelegt. Es gibt Handgriffe für Astronauten damit sie sich fixieren können und eine Klammer an der der kanadische Manipulator-arm der beim Space Shuttle an beiden Seiten der Bucht angebracht ist, sich einklingen kann. So im Schlepptau wurde vom Space Shuttle der Orbit des HST angehoben. Über das Absenken von Hubble in den Nutzlastraum konnten die Astronauten zu dem Weltraumteleskop gelangen indem sie sich am Nutzlastraum und dort befindlichen Haltemöglichkeiten herüber hangelten, bw. Der zweite Kanada-arm assistierte als Taxi.
So etwas fehlt schlicht und einfach bei der Dragon. Das bedeutet das SpaceX einen Arm erst entwickeln muss. Dass dauert Jahre, und es muss auf Anhieb funktionieren, das mit dem „Auf-Anhieb-funktionieren“ klappt ja nicht so bei SpaceX. Da explodiert schon mal eine Crewed Dragon bei einem Triebwerkstest oder macht ein Starship mehrere Bruchlandungen oder wird aus einem vollwertigen Mondlander ein „Skelett“, das weder wieder vom Mond abheben kann, noch eine Mannschaft transportieren. Alternativ könnte SpaceX natürlich von Kanada eine Kopie des Arms ordern, das wäre sicher die beste Lösung. Doch selbst dann gibt es andere Pronbleme. Beim Space Shuttle ist der Arm auf der Länge des Nutzlastraumes von 18 m ausgelegt, er ist 15,2 m lang und besteht aus zwei langen und einem kurzen Segment. Jedes lange Segment ist länger als der Durchmesser des Trunks wo er bei der Dragon angebracht werden muss. Das heißt man muss ihn umkonstruieren. Weiteres Problem: Anders als beim Original sehen die Astronauten nicht den vollen arm, sie nach vorne blicken, der Arm aber hinten im Trunk untergebracht ist. Das macht das Arbeiten mühseliger. Zudem muss er die Länge der Dragon zusätzliche überbrücken also noch länger als das Original sein.
Aebr nehmen wir an es funktioniert und im Schlepptau wird das HST angehoben. Das Anheben des Weltraumteleskops ist eine Sache, aber angesichts des Ausfalls von Gyros wäre eine echte Servicemission sinnvoller. Die Dragon hat ja einen Trunk in dem sie nicht nur den Kran, sondern auch Fracht transportieren kann. Doch wie sollen die Astronauten zu Hubble kommen? Ausgelegt für ein Andocken an die ISS hat sie IDA Adapter. Doch damit kann sie nicht an das Weltraumteleskop andocken. Sie benötigt dafür eine Luftschleuse anstatt dem Adapter. Auch diese Luftschleuse muss erst entwickelt werden. Sie addiert zudem wie der Kran weiteres Gewicht, sodass aus dem komfortablen Nutzlastpolster sehr bald ein Minus werden kann. Die Raumanzüge von SpaceX sind Raumanzüge für den Aufenthalt innerhalb der Kapsel. Sie sind luftdicht, aber sie müssen kein Lebenserhaltungssystem enthalten und mit ihnen muss man keine Arbeit verrichten wobei der Außendruck Null beträgt, was bei der Konstruktion berücksichtigt werden muss. Aber es gibt ja Raumanzüge die dies leisten und die auf der ISS zum Einsatz kommen. Das ist also kein fundamentales Problem. Relativ schwierig wird es aber von der Dragon zu Hubble zu kommen. Unterstützung wie beim Space Shuttle mit Geländern am Nutzlastraum gibt es nicht. Die Astronauten müssten sich am Kran zu Hubble hinüber hangeln. Ich habe meine Zweifel das die NASA mit ihrem Sicherheitsdenken so etwas zustimmen würde. Ohne Service zumindest der Gyros (wobei wenn man schon da wäre natürlich auch die Instrumente austauschen könnte) halte ich aber wegen der begrenzten Lebensdauer der Gyros eine Servicemission für wenig sinnvoll, denn was nützt uns ein ausgefallenes Teleskop das dann 70 km höher seine Reise zieht?
Fazit
Es gibt sehr viele offene Fragen, es muss viel entwickelt werden und das kostet Geld und Zeit.
Ich wage eine Prophezeiung und für die habe ich nur die Zeit gebraucht um diesen Artikel zu schreiben, keine mehrmonatige Studie welche die NASA einige Millionen Dollar kostet – diese Servicemission wird entweder sehr teuer oder wahrscheinlicher, nie stattfinden.