Uranus und Neptun-Orbiter: Kommunikationsoptionen
Noch sind es nur Vorschläge, aber es könnte ja sein, das sie tatsächlich gebaut werden, der Uranus Orbiter und Neptune Odyssey. Ich will aber in diesem Artikel mal Möglichkeiten aufzeigen, wie man die Datenmenge von diesen beiden Sonden vergrößern kann.
Das Problem
Das grundsätzliche Problem ist leicht erklärt. Die Datenrate nimmt mit steigender Entfernung quadratisch ab. Voyager 2 flog an beiden Planeten vorbei und erreichte mit einer einzelnen Antenne maximal 14,4 kbaud bei Uranus und 8,4 kbaud bei Neptun. Nun ist dies natürlich schon einige Jahrzehnte her seitdem wurden die Empfänger aber auch Sender verbsssert, daher habe ich von den letzten drei Sonden, die mindestens Jupiter erreichten mal die Daten zusammengetragen.
Relevant sind:
- Durchmesser der Empfangsantenne (hier: 70 m DSN Antenne)
- Durchmesser der Sendeantenne (variabel)
- Stärke des Senders (variabel)
Ich habe die Datenraten normiert und zwar auf 10 W Sendeleistung und 1 m Durchmesser der Sendeantenne und dies für Uranus und Neptun in jeweiliger Maximalentfernung von der Erde normiert:
Sonde | Durchmesser Sendeantenne | Sendeleistung Watt | Datenrate | Datenrate Uranus normiert | Datenrate Neptun normiert |
Cassini | 4,0 m | 19 Watt | 166 Kbit/s | 1,035 | 0,425 |
Juno | 2,5 m | 25 Watt | 120 Kbit/s | 0,772 | 0,317 |
New Horizons | 2,1 m | 12 Watt | 2 Kbit/s | 1,186 | 0,488 |
Voyager | 3,66 m | 18 Watt | 8,4 / 14,4 | 0,900 | 0,348 |
Es gibt Schwankungen, doch die Werte liegen relativ nahe beieinander. Ohne flankierende Maßnahmen würde eine Sonde bei Uranus und Neptun mit den Sendern dieser Art nur einige Kilobit/s übertragen können. Dies bei einem Orbiter der zwischen 3,4 und 4,3 Milliarden Dollar kosten soll. Es sind also Maßnahmen nötig.
Ich fange mal mit den offensichtlichen Maßnahmen an:
- Große Sendeantenne
- Starke Sender
Beides hat Grenzen. Die Sendeantenne wird in der Größe von der Nutzlastverkleidung bestimmt. Die Vulcan hat 5,4 m Durchmesser, die Falcon 9 Heavy 5,2 m und die New Glenn 7 m. Bei den ersten beiden Raketen dürfte die Antenne maximal 4,5 bis 4,7 m Durchmesser haben, bei der New Glenn 6,35 m. Sodass diese von dieser Option her die beste Startgelegenheit wäre. Da die NASA aber sich mindestens zwei Vehikel offen lassen wird, tippe ich eher auf 4,5 m Durchmesser. Das wäre etwas größer als bei Cassini.
Durch die Sendestärke kann man die Datenrate steigern. Doch das hat Grenzen. Jedes Watt Sendestärke erhöht den Stromverbrauch um 1,7 bis 2,4 Watt, der Rest ist Wärme als Verlustleistung. Diese Energie muss im äußeren Sonnensystem durch RTG erzeugt werden und die sind teuer und schwer. Ein MMRTG liefert beim Start 125 Watt, nach 10 Jahren noch 100 Watt und kostet 35 Millionen Dollar und wiegt 43 kg. Er kann bei 100 W Leistung bei analoga zum MRO einen Sender mit 59 Watt im X-Band betreiben. Mit einem 50 Watt Sender (Reserve für Leistungsverlust und RTG-Leistungsabnahme) und 4,5 m Durchmesser der Sendeantenne kommt man so auf Datenraten von 120 kbit/s Uranus und 49 Kbit/s bei Neptun. Das sind befriedigende Datenrate,n aber mehr wäre sicher besser.
Daher einmal die Ansätze die Datenrate zu steigern:
Bündelung von Empfangsantennen
Wie bei Voyager kann man die Empfangsantennen bündeln. Dem sind aber Grenzen gesetzt, Die NASA hat derzeit sehr viele Raumsonden in Betrieb und benötigt dafür die Antennen. Das Bündeln mit Nicht-DSN Antennen (VLA / Parks) war über einige Wochen bei Voyager möglich, aber nicht über Jahre einer Uranusmission. Das scheidet also aus. Der Gewinn wäre bei nur 35 m Antennengröße der DSN-Antennen auch klein.
Neue Empfangsantennen
Ein nachhaltiger Ansatz wäre es neue Empfangsantennen zu bauen. Sie können dann gebündelt werden und stehen auch für andere Missionen zur Verfügung. Sinnvoll halte ich es aber nun nicht, neue 70 m Antennen zu bauen, sondern eine Nummer kleiner. Es gibt dafür mehrere gute Gründe: Zum einen ist eine 70 m Antenne 6 bis 7-mal teurer als eine 35 m Antenne, hat aber nur die vierfache Sammelfläche.
Zum zweiten kann man die Antennen bündeln. Demonstriert wurde das mit dem VLA. Das VLA hat 27 Antennen von 25 m Größe. 35 m Antennen als zweite gängige Größe sind zudem auch einzeln zu nutzen für weitere Missionen. Reduziert man die Antennengröße so benötigt man immer mehr Antennen und der Aufwand steigt und sie sind immer weniger für andere Missionen nutzbar. Dafür wird es immer billiger.
Als Drittes kann man mehrere 35 m Antennen billiger pro Stück bauen als eine einzige, das Gesetz der Serienfertigung schlägt zu. Vier Antennen kosten 2,8-mal so viel wie eine einzelne und sechs 3,8-mal so viel. Für die Kosten einer 70 m Antenne kann man unter Berücksichtigung dieses Faktors 12 neue 35 m Antennen bauen, die die dreifache Sammelfläche einer 70 m Antenne haben. Einzeln kostet eine neue Antenne 60 Millionen Dollar, basierend auf der letzten ESA-Antenne die vor wenigen Jahren fertiggestellt wurde. Für eine Investition von 390 Millionen Dollar, einem Zehntel der Kosten eines der beiden Orbiter, sind 12 Antennen von 35 m Größe errichtbar. So kann man die Datenrate (wenn eine 70 m Antenne hinzugenommen wird) um 300 Prozent erhöhen.
Es reicht ja einen der Komplexe umzurüsten. Jeder Orbiter wird typisch 6 bis 8 Stunden pro Tag senden. Wenn 2049 der zweite hinzukommt (Uranus Orbiter wird schon 2044 in einen Orbit einschwenken, so liegen rund 90 Grad am Himmel zwischen Uranus und Neptun, das heißt wenn der eine niedrig am Horizont steht und untergeht, taucht der andere am anderen Horizont auf und dieser Abstand vergrößert sich noch. Das heißt ein Komplex kann die Daten beider Sonden empfangen wenn man 6 Stunden pro Tag sendet.
Entfaltbare Antennen
Leichter als feste Antennen und vor allem in die Höhe anstatt Breite gehend sind entfaltbare Antennen. Um sie ist es bei zivilen Projekten still geworden. Seit der Pleite von Galileo hat die NASA keine mehr eingesetzt. Harris als Hersteller dieser Antennen hat viel größere Antennen als 5 m Durchmesser nur für das S-Band, das kommt für Deep Space Missionen nicht in Frage. Die 5 m Antenne die auch im Ka-Band einsetzbar ist ist nur wenig größer als eine feste Antenne und hat nur eine Transparenz von 85 Prozent. Das hinzugerechnet schneidet sie nicht besser als eine massive Antenne ab.
Ka-Band
Seit Jahren ist das Ka-Band in der Erprobung. Durch die viermal höhere Frequenz kann man brutto 14-mal mehr Daten übertragen. Das Ka-Band ist anfälliger gegenüber Wetter und das Signal wird auch stärker absorbiert. Bei Tests ergab sich bei schlechten Bedingungen ein Gewinn von 5 db, das ist die 3,1-fache Datenrate. Bei guten Bedingungen kann dies auf 7 db (5-fache Datenrate) ansteigen. Die höhere Ausfallrate durch ungünstiges Wetter kann man durch Wiederholung des Sendens kompensieren, das ist hier schon mit im ungünstigen Fall eingerechnet. So bietet es sich an die Daten primär im Ka-Band zu senden. Das X-Band kann als Backup dienen.
Ein Ka-Band Sender addiert nur etwa 20 kg an Masse. Er ist nicht ganz so effektiv wie ein X-Band Sender, hat mehr Abwärme. Bei obiger Eingangsleistung läge die Sendestärke nur bei 36 Watt anstatt 50 Watt im X-Band. Trotzdem würde minimal die 2,2-fache Datenrate resultieren bei nur wenig Mehrgewicht.
Optische Datenübertagung
Die optische Datenübertragung hat die gleichen Einschränkungen und Vorteile wie das Ka-Band. Der Vorteil ist die maximale Datenrate unter Optimalbedingungen, der Nachteil ist das extreme Absinken der Datenrate unter schlechten Bedingungen. Beim Experiment bei der Raumsonde Psyche ist die Datenrate bei Tage zehnmal kleiner als bei Nacht. Nahe der Sonne ist überhaupt kein Empfang möglich, ebenso bei bewölktem Himmel. Unter Optimalumständen kann die Datenrate aber viel höher sein. Ein optisches Terminal mit den Daten dessen von Psyche, würde mit 100 Watt Leistungsaufnahme (genauso viel wie die X-Band Sender) und 40 kg Zusatzgewicht würde 150 Kbit bei Uranus und 64 Kbit/s bei Neptun unter idealen Umständen zu dem 5 m Hale Teleskop übertragen.
Dabei ist dieses System noch in der Erprobungsphase. Als Empfänger dient das Hale Teleskop, das wegen der Lichtverschmutzung von Los Angeles nicht mehr für die Forschung nutzbar ist. Optische Bodenterminals müssen aber keine astronomischen Teleskope sein. Sie müssen weder die theoretische Auflösung erreichen, noch benötigen sie ein großes Gesichtsfeld. Ein einfacher Parabolspiegel wie bei Antennen der in die Mitte das Licht bündelt reicht. Ein Neubau wäre daher deutlich billiger als ein astronomisches Teleskop, man geht von mindestens 50 Prozent Kostenersparnis aus. Mehr noch: man kann solche Teleskope leicht koppeln. Beim Experiment bei LADEE waren es vier Teleskope von 30 cm Durchmesser. Anstatt einem 5 m Spiegel wurden auch 16 Teleskope mit 1 m Durchmesser vorgeschlagen – so was wird inzwischen für anspruchsvolle Amateure in Serie gefertigt und kostet ohne Kuppel nur 100.000 $.
Wenn optische Datenübertragung angestrebt wird, dann wäre ich für den Neubau eines Empfangskomplexes analog dem DSN. Am besten am Äquator, dann ist er im Mittel in der besten Empfangsposition, z.B. auf Hawaii. Ich habe mal die obigen 390 Millionen Dollar für Radioantennen als Maßstab genommen. Ich nehme die Baukosten des Gran Telescopio Canarias von 136 Millionen Euro bei 10,4 m Hauptspiegeldurchmesser als Basis für die Kalkulation.. Bei Annahme, dass ein Empfangsteleskop 50 % bei gleicher Größe kostet und die Erfahrungsregel im Teleskopbau (doppelter Durchmesser = sechsfache Kosten) anwendbar ist, sowie die Ersparnis durch Serienbau, dann wären für diese Summe 8 Teleskope mit je 11,1 m Durchmesser möglich. Diese würden die Datenrate um den Faktor 39 erhöhen! Wahrscheinlich wären sie aber zu groß und niemand würde so viel Geld für einen Komplex ausgeben. Als realistische Lösung eine Größenordnung kleiner: Das 2 m Frauenhofer Teleskop auf dem Wendelstein kostete 8,5 Millionen Euro. Acht dieser Teleskope, mit obigen Annahmen für Serienbauweise und Kostenersparnis durch einfachere Bauweise lägen bei 20,3 Millionen Euro und hätten eine Lichtsammelfläche die 28 % größer als die des Hale Teleskops ist. Entsprechend einer um 28 % höheren Datenrate. Die wenn man sie in Hawaii aufstellt zusätzlich hinzukommt und zudem die Abdeckung erhöht.
Zusammenfassung
Hier mal eine Zusammenfassung der Optionen
System | Zusatzgewicht | Datenrate Uranus | Datenrate Neptun | Kosten | Verfügbarkeit |
X-Band 100 W Eingangsleistung 4,5 m Antenne | Keines | 120 | 49 | Keine | 90+ % |
Ka-Band 100 W Eingangsleistung 4,5 m Antenne | 20 kg | 372 | 150 | gering | 60 -80 % |
Optische Datenübertragung 100 W Eingangleistung 35 cm Teleskop | 40 kg | 150 | 64 | Unbekannt | 40 – 50 % |
Neubau DSN Komplex 12 x 35 m Antenne | Keines | 480 | 196 | 390 Mill. Dollar | 100 % |
Neuer optischer Empfangskomplex (klein) | Keines | 274 | 112 | 20,5 Mill. Euro | 80 – 100 % |
Neuer optischer Empfangskomplex groß | Keines | 4.800 | 1.960 | 390 Mill. Dollar | 80 – 100 % |
Zu Erklärung: Die optische Datenübertragung soll nur nachts stattfinden, da sie sonst keinen Vorteil bietet. Ein zweiter Komplex bei Hawaii liegt aber in einer anderen Zeitzone als Kalifornien, sodass immer an einem der beiden Empfangsteleskope Nacht ist.
Die Minimalmaßnahme wäre meine Ansicht nach ein Ka-Band Sender der dann betrieben wird, wenn die Wetterbedingungen günstig sind. Ansonsten wäre das Standardband das X-Band. Offen ist wie viel ein optisches Terminal kostet, ich habe auch bei der Psyche Mission hier keine Informationen gefunden. Klar ist aber, das man zu relativ moderaten Kosten bei der optischen Datenübertragung durch das bündeln vieler mittelgroßer Teleskopen maximieren kann. Etwa 30 Millionen Euro reichen aus um es auf das Niveau des Ka-Bandes zu hieven und investiert man ein Zehntel der Summe die einer der beiden Orbiter kostet so kommt man auf Peakdatenraten die sogar den MRO übertreffen.
Das X-Band werden aber beide Technologien nicht ersetzen können, weil zum einen es bei der optischen Datenübertragung keine Möglichkeit gibt auch Signale bis in diese Entfernung zu übertragen (Psyche wird bis maximal 2,5 AE Entfernung erreichen) und beim Ka-Band spielt auch beim Senden das Wetter eine wichtige Rolle. Aus dem Grund empfangen die meisten Sonden sogar noch im S-Band weil das vom Wetter praktisch nicht beeinflusst wird. Ka-Band und optiche Datenübertragung können aber bei Vorliegen der Umstände die Datenrate deutlich erhöhen und so eingesetzt werden, wenn das Wetter es erlaubt bzw. es Nacht ist.
Wie wäre es denn mit einem Satelliten als Relaistation?
Da bräuchte man ganze viele, was die Sache sehr umständlich macht.
Warum bräuchte man ganz viele? Entweder man nimmt eine Umlaufbahn um die Sonne (und nicht um die Erde) dann reicht einer. Oder (vermutlich sinnvoller) eine Umlaufbahn um die Erde, aber ziemlich weit „draussen“. Ab irgendwo zwischen den Bereich wo die GPS Satelliten sind und Geostationär wird man mit drei Satelitten auskommen.
Thierry meinte wohl einen Satelliten auf halber Strecke im Sonnensystem.
Wenn Du einige Tage früher den Blog besucht hättest würdest Du sehen, dass ich das für das optische DSN schon durchdacht habe:
https://www.bernd-leitenberger.de/blog/2022/09/16/ein-optisches-dsn/
Im Radiobereich bekommt man in einen Orbit nie die Antennengröße die das DSN hat. Man könnte natürlich auf höherfrequente Bänder ausweichen die Frage ist aber ob es dafür auch für den Weltraum qualifizierte Sender und Empfänger gibt, zudem steigt dann die Ausrichtungsgenauigkeit für beide Teile deutlich an und je höherfrequenter desto höher die Verlustleistung. Zumindest gibt es den Trend zwischen S und Ka-Band.
Oh, den DSN Artikel habe ich übersehen. Da hatten wir wohl den gleichen Gedanken.