Bernd Leitenbergers Blog

Die FIFA und „politische Äußerungen“

Nachdem ein Kommentar zu meinem Blog zur WM in Katar sich auf die „One Love“ Binde und dem Einstehen für die LBGT Gemeinde gab, aber ich zu den Vorgängen rund um die Binde was sagen wollte, habe ich mir gedacht, auch weil es etwas länger wird, das ich einen Kommentar dazu verfasse.

Im Kern geht es ja darum das die FIFA – wie übrigens auch das olympische Komitee – sich aus der Affäre zieht, indem in ihren Statuten steht, das sie politisch neutral ist. In meinen Augen ist das aber nur ein Alibi. Es bedeutet in der Praxis, das sich die FIFA aus allem heraushält, was mit den Staaten zu tun hat. Es geht ja nicht um die Bekenntnis zu einer Partei in dem Staat oder einer von der Regierung betriebenen Politik, eben wie schon im Vorfeld, das man die Arbeiter die die Stadien und weitere nötige Infrastruktur bauen wie Sklaven behandelt oder die Situation von Minderheiten oder Frauen (die ja keine Minderheit sind). Die ist zwar in Katar deutlich besser als in den Nachbarsaaten mit absolutistischen Herrscherregimen wie die Vereinigten arabischen Emiraten oder Saudi Arabien, aber sie liegen meilenweit hinter den westlichen Staaten. Ich will hier keine Grundsatzdiskussion aufmachen, das wi natürlich auch noch keine vollständige Gleichberechtigung erreicht haben, aber man bemüht sich bei uns wenigstens dieses Ziel zu Erreichen während das in Katar obwohl sie weit hinter unseren Standard sondern keinerlei Anstrengungen zur Reform unternehmen. Ein politisches Statement wäre wenn die FIFA sich bei der WM 2018 in Russland gegen das Regime von Wladimir Putin gewandt hätte. Nicht Einmischen bedeutet aber nicht, dass sie neutral ist, sondern das sie die Verstöße von Regimes gegen allgemein akzeptierte Menschenrechte, die man in der UN Charta findet, und denen sich auch die Schweiz in der die FIFA ansässig ist, sich verpflichtet hat, ignoriert und damit gutheißt. Ein politisches Statement wäre eine Äußerung zu einem politischen Statement. Bei Katar, die weil es ein kleines Land ist, versuchen zwischen den Machtblöcken und größeren Nachbarn zu manövrieren, kann man da jetzt nicht viel als Politik im Äußeren anführen, aber bei China wo es ja zwei WM gab wäre ein politisches Statement eine Äußerung zu Chinas Taiwan Politik, während das Eintreten für Menschenrechte z.B. Äußerungen zu dem Umgang mit den Uguren oder Tibetern, die mangelnde Presse- und Meinungsfreiheit und die Kasernierung der Bevölkerung als Coronamaßnahme wäre.

Das habe ich ja schon zum Thema des Blogs gemacht. Raphael hat ja die Frage in den Ring geworfen, was das mit der LBGT Community zu tun hat. Nun es hat primär nichts damit zu tun. Das Thema ist vielmehr ein Indikator für die Offenheit, die regierende Familie im Emirat an den Tag legt. Im Prinzip hat ja letztes Jahr auch niemand groß im Fußball für die Rechte der LBGT engagiert, bis eben Ungarn Bücher verboten hat in denen Homosexualität bzw. alle von Orban und Co abgelehnten Formen des Zusammenlebens enthalten sind, weil das ja die Jugend verderben könnte und dann ging es ja nur um die Stadienbeleuchtung beim Spiel mit Ungarn in den Regenbogenfarben. Peinlich finde ich eher, wie damals Ungarn und heute die FIFA agierten. Es ist ja nun mal nicht so, das der Vorstoß von DFB und anderen Mannschaften mit der OneLove Binde wirklich radikal wäre. Nur der Mannschaftsführer trägt eine „One Love“ Binde, also nicht die Regenbogenfarben die eigentlich als Erkennungszeichen der LBGT Community gelten, ein frei erfundenes Symbol. Doch das ist schon der FIFA zu viel. Wie engstirnig kann man eigentlich sein. Noch schlimmer ist wie DFB und die anderen Verbände dann bei einer unbestimmten Androhung von Strafen eingeknickt sind. Also ohne das überhaupt gesagt wurde, was man denn erwarten kann. Was soll es denn für eine unerlaubte Binde geben? Viel harmloser geht es ja nicht. Das ist nicht randalieren auf dem Spielfeld, kein Stinkefinger oder blanken Arsch zeigen. All das gab es bei der WM schon. Das ist eine Binde die Zuschauer bei der Entfernung eh nicht erkennen können. Da später die Regenbogenfarben von Katar erlaubt wurden, scheint dieses Emirat ja noch liberaler zu sein, als die FIFA. Es ist ja nichts was irgend einen Katari oder einen Muslim irgendwie in seinem sittlichen Empfinden stören könnte. Das wäre vielleicht der Fall wenn Personen der LBGT Community so angezogen herumlaufen, wie beim Christopher Street Day. Anzugsnormen sind ja auch so was. Dort dürfen Frauen nicht leicht bekleidet und nicht teil verschleiert herumlaufen, bei uns würde gerade die dort normale Kleidung (auch bei Männern mit Turbanen und wallenden Kleidern) auffallen, aber rein kämen sie trotzdem in die Stadien.

Wie verlogen die FIFA regeln sind sieht man auch daran,das nun Kataris als Gegenstandpunkt Binden mit der Palästinenserflagge haben. Da es sich hier um ein existentes Land und einen seit Jahrzehnten schwellenden Konflikt mit dem Nachbarn Israel handelt, ist das nun wirklich eine politische Äußerung. Ebenso höre ich das die katarische Polizei Iraner verhaften, die in Katar gegen das iranische Regime protestieren bzw., sich mit den dortigen Protesten solidarisieren.

Ich meine man könnte sich mal unabhängige offizielle Ranglisten für Pressefreiheit, Meinungsfreiheit oder Demokratie für die letzten Austrägerstaaten von WM und olympischen Spielen heranziehen

Pressefreiheit Demokratieindex Gleichstellungsindex
Katar 119 114 135
Russland 155 124 81
China 179 148 106
Anzahl der Nationen im Index 190 180 153

Erstaunlicherweise ist Katar in zweien der drei Index sogar noch besser platziert als Russland (Olympiade 2014, WM 2018) und China (Olympiade 2008/2021). Alle Länder sind aber im hinteren Drittel ihrer Indexe eingeordnet. Trotzdem gab es bei diesen Ländern nicht so viele Proteste.

Wenn der DFB wirklich Eier hätte, dann hätte er andere Konsequenzen gezogen nämlich die echte Regenbogenbinde getragen und auch nicht abgelegt. Vor allem wäre es an der Zeit das die Staaten in der FIFA die gegen diese Praxis sind das die Spiele in Ländern mit deutlichen Mängeln bei grundlegenden Menschenrechten haben vergeben werden, aktiv werden.

Die meisten sind in der UEFA organisiert, doch auch viele andere große Fußballnationen haben demokratische Regierungen mit deutlich besseren Chancen bei den Menschenrechten. Es gab ja die Drohung Dänemarks aus der FIFA auszutreten, aber ich glaube kaum das es so kommen sollte. Ein Drohung aller UEFA Mitglieder, also den meisten Staaten, die auch Chancen auf einen Titel haben, oder relativ weit im Turnier kommen würde wohl Wirkung zeigen, nur müsste man dann drauf gefasst sein ach die Konsequenzen zu ziehen. Angesichts des Verhaltens von Infantino und der bisherigen Praxis halte ich es nicht für unwahrscheinlich das bei einer Drohung aller UEFA Mitglieder mit einem Austritt es 2026 eine FIFA WM ohne europäische Staaten gibt. Auf der anderen Seite könnten diese noch Brasilien, Argentinien und Mexiko (aber eigentlich alle Staaten) einladen für eine eigene WM, z.B. die „Free World WM“ und selbst wenn sonst kein anderer Staat mitspielt – den meisten Fans wäre das egal, sie würden sich eher über mehr hochklassige Begegnungen freuen. Wahrscheinlich ist das nicht. Denn wie schon geschrieben, knickten die Verbände ja schon bei der „One Love“ Binde reihenweise ein. Sie bekommen es ja nicht mal auf die Reihe einen Gegenkandidat zu Infantino aufzustellen der sich nächsten Jahr zur Wiederwahl stellt. Bisher gab es trotz seines Verhaltens und den Erfahrungen mit Katar keinen Gegenkandidaten.

Die FIFA ist aber nur das absolute Negativbeispiel beim Fußball. Auch sonst ist hier vieles im Argen. Auch Ex-UEFA Boss Platini ist wegen Betrugs angeklagt. In Deutschland sorgt die Verteilung de Einnahmen der Bundesliga dafür dass ein Verein der an der Spitze ist es auch bleibt weil er viel mehr Geld bekommt als einer in der Tabellenmitte oder gar in der zweiten Liga. Die einnahmen aus europäischen Wettbewerben tun ihr übriges dazu solche Missverhältnisse zu zementieren. Das führt dazu das Bayern mit 90 % Wahrscheinlichkeit mehrere Titel pro Jahr gewinnt und inzwischen enttäuscht ist wenn sie nicht das „Triple“ erreichen. Überspitzt formuliert schwimmt der FC Bayern so in Geld, das er es sich leisten kann Spieler zu kaufen die dann nur auf der Reservebank sitzen, Hauptsache sie spielen nicht bei einem anderen Verein.

Ich weiß, man kann nicht das Rad im Profifussball zurückdrehen und Einnahmen, aber auch Spielergehälter und Transfersummen auf vernünftige Summen reduzieren, weil es einen internationalen Wettbewerb um Spieler gibt, aber man könnte zumindest in der nationalen Liga für mehr Wettbewerb sorgen, das täte auch den Spielen gut. Und wenn man schon dabei sind: man könnte auch einen Teil des Geldes in den Frauenfussball stecken. Die Frauenfussballliga ist defizitär und machte in der gesamten ersten Bundesliga 2021 einen Umsatz von 13 Millionen DM, zum Vergleich die erste Bundesliga erlöste 100-mal so viel im selben Jahr. Wenn man 10 Prozent des Geldes in den Frauenfußball stecken würde, ich denke wir hätten auch international noch mehr Erfolge. Kleiner Wink an die Öffentlich-Rechtlichen-Sender: Da ihr euch die vollen Rechte für die Männer Bundesliga schon seit Jahren nicht mehr leisten könnt, übertragt doch mal die Spiele der Frauen. Echte Fußballfans schauen bestimmt auch diese gerne an, zumal die Frauen nicht nur erfolgreich sondern auch schön und gut Fussball spielen.

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