Russische Mondprogramme: E-6: Luna 4 bis 9, 13
Zum 57-sten Jahrestag der ersten erfolgreichen Landung einer unbemannten Mondsonde, Luna 9 – nur drei Jahre vor der ersten bemannten Landung folgt in meiner lockeren Reihe über russische Raumsonden heute das Programm E-6, das anders als das Vorgängerprojekt nun viele Sonden umfasste die (ungeplant) über mehrere Jahr gestartet wurden.
Das Kapitel ist wie die vorherigen über die frühen Marsprogramme und das erste Mondprogramm meinem Buch „Mit Raumsonden zu den Planetenräumen“ entnommen. Es gibt zwei Bände: Band 1 mit den Jahren 1958 – 1992 und Band 2 mit den Jahren 1993 – 2018. Wer dem Autor was gutes tun will kauft die Bücher direkt beim Verlag – kostet dank Buchpreisbindung genauso viel wie bei Amazon Libre und iTunes, aber die Marge für mich ist höher. Für alle die es genauer wissen wollen: Hier der Artikel über alle Lunas auf der Website.
Das ganze Buch kommt aber nicht in Teilen im Blog, nur den Teil über die russischen Projekte da ich diese auf der Website analog der russischen Namensgebung als ein Programm dargestellt habe und es in dem Jahrzehnt zwischen Website Artikel und Buch es im Buch einige Neuigkeiten gibt. Der Kauf dieses Buchs soll sich ja lohnen.
Das nächste russische Mondprogramm war kein Mondorbiter, sondern Russland wagte sich an die erheblich schwierigere Landung auf dem Mond. Wahrscheinlich kam die UdSSR auf die Idee, diesen Schritt zu überspringen, weil die USA 1959/1960 mit dem Pioneer P Programm einen Mondorbiter anstrebten. Dass dieses Programm vollkommen scheiterte, konnte die Führung vorher nicht wissen.
Das dazugehörige Programm hieß E-6. (E-4 war eine geplante Nuklearexplosion auf dem Mond, E-5 ein Orbiter auf Basis von E-2 (Luna 3)). Es entwickelte sich zum russischen Gegenstück des Ranger-Programms: nur zwei von 14 gestarteten Sonden waren erfolgreich.
Die Raumsonde des E-6 Programms bestand aus zwei Teilen. Zum einen aus dem Bus, der wiederum aus zwei Teilen bestand: der unteren Antriebssektion mit einem schubstarken Triebwerk und zwei Tanks und dem oberen Ausrüstungsmodul. Das Ausrüstungsmodul wurde mit Stickstoff unter Druck gesetzt. Er beinhaltete das Kontrollsystem. Sender, Empfänger, Batterien und das Steuerungssystem. An ihm angebracht waren bis zu 300 kg an Ausrüstung, wie Sensoren und die Steuerung für den Flug zum Mond, eine Lageregelung auf Basis von Stickstoff-Druckgas und eigene Batterien. Sobald das Haupttriebwerk für den Endabstieg zündete, wurden diese Teile abgeworfen, um Gewicht zu sparen.
Das KTDU-5A Triebwerk war das erste wiederzündbare Triebwerk Russlands. Es führte die Mittkurskorrektur und die Abbremsung beim Abstieg durch. Anders als Surveyor (S. Fehler: Verweis nicht gefunden) verwendete Russland lagerfähige flüssige Treibstoffe. Drei Steuertriebwerke waren für die Lagekontrolle zuständig.
Der Lander war oben auf dem Bus angebracht. Der Landeapparat steckte in einer eiförmigen Hülle mit 58 cm Durchmesser. Er wog je nach Mission nur 82 bis 113 kg.
Die nominelle Mission lief bei Luna 9 so ab: Die neu eingeführte Molnija Rakete (eine Sojus-Trägerrakete mit zusätzlicher vierter Stufe) brachte die letzte Stufe und die Luna-Sonde in eine Parkbahn um die Erde. Bei Erreichen des idealen Punkts wurde durch einen Zeitgeber die vierte Stufe gezündet. Sie sandte die Sonde zum Mond. Nach Funkvermessung der Bahn konnte ein Mittkursmanöver durchgeführt werden. In 8.300 km Entfernung zum Mond richtete sich die Sonde mit dem Triebwerk senkrecht zur Mondoberfläche aus. In 75 km Höhe startete der Radarhöhenmesser das Triebwerk. In 25 km Höhe wurden die Airbags des Landers aufgeblasen. In 250 m Höhe wurde das Haupttriebwerk bei Erreichen einer Sollgeschwindigkeit abgeschaltet und die Steuertriebwerke übernahmen das weitere Abbremsen. Ein Bodensensor an einem Ausleger löste in 5 m Höhe die Abtrennung der Landekapsel aus. Die restlichen 22 km/h Fallgeschwindigkeit wurden durch Airbags abgebaut. Das Herumhüpfen mit den Airbags diente auch dazu, auf Distanz zu dem Bus, der daneben aufschlug, zu kommen.
Nach Einziehen der Airbags öffneten sich vier Paneele, die vorher die Oberseite des kugelförmigen Landers bedeckten. Nun waren Instrumente und Antennen freigelegt. Der Lander war batteriebetrieben. Die Lebensdauer betrug daher nur wenige Tage. Die instrumentelle Ausrüstung bestand aus einem Strahlendetektor und einer einfachen Kamera. Diese bestand aus einem Telefotometer. Diese arbeitete nach dem Faksimile-Prinzip. Luna 13 erhielt noch weitere Experimente.
Der Weg bis zur ersten erfolgreichen Landung war steinig. Ein Großteil der Fehlstarts entfiel auf das I-100 Kontrollsystem, dass nicht nur die Lunasonde steuerte, sondern auch die vierte Stufe der Molnija. Am 4.1.1963 fand der erste Start statt. Oberstufe Block-L und Luna gelangten in einen Erdorbit. Dann unterblieb das Zündkommando von Block-L. Schon am 11.1.1963 trat das Gespann wieder in die Erdatmosphäre ein und verglühte. Die USA tauften die Sonde Sputnik 25. Eine offizielle russische Bezeichnung gibt es nicht.
Am 3.2.1963 fand der nächste Start statt. Doch nach dem Brennschluss der zweiten Stufe war der Lageregelungstreibstoff verbraucht und das Gespann trat über dem Pazifischen Ozean wieder in die Atmosphäre ein. Eine Untersuchung zeigte, das das Steuersystem I‑100 der Rakete falsche Informationen über die Bahn geliefert hatte.
Der Start von Luna 4 am 2.4.1963 klappte. Kurz nach dem Start gab es eine kurze Meldung von TASS, dass man an einer automatischen Mondlandung arbeiten würde. Nach der Bahnvermessung am nächsten Tag war klar, das die Sonde am Mond vorbeifliegen würde und TASS gab nun einen Vorbeiflug als Ziel an. Am 4.4.1963 passierte Luna 4 den Mond in 8.336 km Entfernung. Die Funkverbindung konnte noch bis zum 6.4.1963 aufrechterhalten werden. Später brachten Störungen durch den Mond Luna 4 in eine Sonnenumlaufbahn. Auch wenn man den Fehler des Navigationssystems nicht genau bestimmen konnte, war nach den bisherigen Fehlschlägen klar, dass es gravierende Qualitätsprobleme gab. Es gab eine Pause von einem Jahr, in der man Rakete und Sonden verbesserte. Die folgenden Sonden erhielten ein zweites Steuerungssystem. Nun war eine Mittkurskorrektur Teil der Mission. Eine Kurskorrektur war bisher nicht vorgesehen.
Am 21.3.1964 startete die nächste Sonde. Nach 290 s sank zuerst der Druck in den Leitungen des Verniertriebwerks der dritten Stufe ab. Schließlich schaltete nach 486 s das Triebwerk ab und die Parkbahn wurde nicht erreicht. Einen Monat später ging am 20.4.1964 die nächste Sonde verloren, als erneut die vierte Stufe nicht zündete. Die im Erdorbit gestrandete Sonde wurde als Kosmos 60 ausgegeben. Erneut gab es ein Jahr Pause, in dem man das I-100 Steuersystem und den Spannungswandler, der die Zündung initiierte, überarbeitete. Als Folge trennte man die Steuerung der Oberstufe und der Sonde: Beide erhielten nun ihr eigenes Steuersystem.
Beim nächsten Startversuch am 12.3.1965 musste sich das verbesserte I-100 nicht beweisen. Nach 340 s schaltete die dritte Stufe durch einen Defekt der Steuerelektronik vorzeitig ab. Nicht viel besser erging es der Sonde, die einen Monat später am 10.4.1965 startete. Ein Druckverlust führte dazu, dass die dritte Stufe gar nicht erst zündete. Dagegen klappte der Start von Luna 5 am 9.5.1965. Am nächsten Tag gab es das erste Mittkursmanöver einer russischen Mondsonde. Doch danach fing die Sonde durch einen Fehler der Gyroskope im I-100 Kontrollsystem an zu rotieren und bei der Landung konnte das Haupttriebwerk nicht gezündet werden. Luna 5 schlug ungebremst auf dem Mond auf.
Immerhin gab es nun keine Fehlstarts mehr. Luna 6 startete am 8.6.1965, erneut einen Monat später. Alles verlief gut, bis am folgenden Tag das Mittkursmanöver anstand. Das Triebwerk schaltete sich nicht ab und verbrauchte den ganzen Treibstoff. So vergrößerte der Antrieb die Distanz zum Mond und Luna 6 passierte den Mond in 159.613 km Entfernung. Man nutzte die Sonde, um die Landung durchzuspielen, auch wenn sie nicht mehr möglich war.
Nach vier Monaten, am siebten Jahrestag des Starts von Sputnik 1, startete Luna 7. Alles verlief problemlos, bis kurz vor der Landung. Da verlor das Kontrollsystem die Orientierung und auch Kommandos, die von der Bodenstation übermittelt wurden, konnten Luna 7 nicht mehr stabilisieren. Wie Luna 5 schlug Luna 7 hart auf. Eine spätere Untersuchung zeigte, dass ein optischer Sensor, der die Erde als Fixpunkt nutzte, falsch orientiert war und während des kritischen Abstiegsmanövers die Erde aus dem Gesichtsfeld des Sensors wanderte.
Bei Luna 8 die am 3.12.1965 startete, schien alles nach Plan zu verlaufen. Doch als man die Airbags vor der Landung aufblies, beschädigte eine Befestigungsklammer einen Airbag. Das austretende Gas brachte Luna 8 in eine Rotation mit 12 Grad/s um die eigene Achse. Kurzzeitig konnte das Steuersystem die Kontrolle wiedererlangen und das Triebwerk zünden. Doch nach 9 s begann Luna 8 erneut zu rotieren und das Triebwerk wurde automatisch abgeschaltet. Erneut crashte eine Luna auf den Mond.
Der Erfolg kam erst mit Luna 9, die am 31.1.1966 startete. Inzwischen hatte man den Bau der Sonden dem OKB-1 von Koroljow entzogen und NPO Lawotschkin übertragen, das rigide Qualitätskontrollen einführte. Es gab ein zweites Steuersystem und man entfaltete die Airbags nun nach Zündung des Haupttriebwerks. Seine Steuertriebwerke hatten einen höheren Schub als die Gasjets des Lageregelungssystems für die erste Phase. Dazu kamen Schockabsorber im Lander. Luna 9, das erste Exemplar, der nun E-6M getauften, modifizierten Serie absolvierte in 233.000 km Entfernung am 1.1.1966 das Mittkursmanöver. Auch alle folgenden Schritte klappten. 5 Minuten nach der Landung begann Luna 9, sich bei der Erde zu melden.
Die russischen Missionen wurden von Jordell Bank verfolgt, dem größten englischen Radioteleskop. Dort hatte man aufgrund der empfangenen Telemetrie schon einige Fehlstarts richtig eingeordnet. Jordell Bank lauschte auch nach Signalen von Luna 9. Diese sandte programmgemäß vorgegeben ihr erstes Panorama 7 Stunden nach der Landung, als die Sonne 7 Grad über dem Horizont war und so die Schatten nicht zu lang waren. Bis dahin waren schon Journalisten bei Jordell Bank, die das Ereignis life verfolgten und darüber berichteten.
Die Überraschung war groß, als die Übertragung begann – es stellte sich heraus das die Sonde ihre Bilder im APT-Verfahren übertrug, demselben Verfahren, das beim Bildfunk verwandt wurde. Reporter schafften schnell ein Faksimilegerät heran und schlossen es an das Radioteleskop an. Die Bilder kamen um 2 Uhr nachts Londoner Zeit an. Genügend Zeit für die Daily Express, ihre Titelseite umzugestalten und als Erste die Aufnahmen zu veröffentlichen. Russland lag drei Zeitzonen weiter östlich und die Prawda hatte schon Redaktionsschluss. Die Bilder erschienen daher erst am nächsten Tag in der Prawda, wenn auch in besserer Qualität und nicht verzerrt. Die vorzeitige Veröffentlichung führte zur Beschuldigung, der Daily Express habe die Bilder gestohlen. Luna 9 machte noch weitere Panoramen bei höherem Sonnenstand, bis am 6.2.1966 die Batterien erschöpft waren.
Nachdem die UdSSR nach drei Jahren und zwölf Versuchen den ersten Erfolg verbuchen konnte, erwartet man, dass weitere Sonden folgten. Doch dem war nicht so. Die Erstleistung war erbracht, nun ging Russland an die nächste Erstleistung – einen Mondorbiter vor Lunar Orbiter 1 (S. Fehler: Verweis nicht gefunden) zu starten. Erst als diese Leistung erbracht war, startete man die letzte Sonde, die schon in der Fertigung war. Neue Sonden wurden nach der erfolgreichen Landung nicht mehr gebaut.
Die letzte Landesonde Luna 13 startete am 21.12.1966 und landete an Weihnachten. Man hatte die instrumentelle Ausrüstung verbessert. So bestimmte ein Infrarotradiometer die Bodentemperaturen, ein Penetrometer die Festigkeit des Mondbodens. Ein Beschleunigungsmesser ermittelte beim Auftreffen, dass der Boden aus lockerem Material besteht, dass in 20 bis 30 cm Tiefe in eine Felsschicht übergeht. Ein Dosimeter befand, dass die Strahlung für einen ungeschützten Menschen tödlich wäre und ein Gammastrahlenspektrometer bestimmte den Gehalt der radiogenen Elemente Kalium, Uran und Thorium. Luna 13 übermittelte fünf Panoramen, bis nach 80 Stunden am 28.12.1966 die Batterien erschöpft waren.
Russland gelang schließlich die Landung auf dem Mond vor den USA. Man hatte aber viel Lehrgeld gezahlt – von 14 Missionen gelangen nur zwei. Diese Quote war noch schlechter als bei Ranger. Mehr noch: Man hatte drei Jahre Zeit verloren, den die erste Sonde sollte ja schon im Februar 1963 landen. Es gab unterschiedliche Fehlerursachen. Zum einen das Steuersystem I-100, das auch an anderen Fehlstarts von Block L mit Venus- und Marssonden schuldig war. Aber auch die gesamte Konzeption der Sonde. Russlands Sonden hießen offiziell „automatische interplanetarische Station“. Das beschreibt ihre Funktion treffend. Sie wurden automatisch gesteuert, und wenn es eine Fehlfunktion gab, so wurde eben automatisch das Haupttriebwerk abgeschaltet. Auch Kommandos von der Erde konnten es dann nicht mehr einschalten. Diese starre Vorgehensweise gab es bei allen russischen Sonden und sie rächte sich mehr als einmal.
Datenblatt Luna 4 bis 9 |
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Start: |
4.1.1963: Sputnik 25 (erreicht nur 178 × 194 × 64,75 Grad Erdumlaufbahn) 3.2.1963: Fehlstart 2.4.1963: Luna 4 21.3.1964: Fehlstart 20.4.1964: Kosmos 60 (erreicht nur 201 × 287 × 64,8 Grad Erdumlaufbahn) 12.3.1965: Fehlstart 10.4.1965: Fehlstart 9.5.1965: Luna 5 8.6.1965: Luna 6 4.10.1965: Luna 7 3.12.1965: Luna 8 31.1.1966: Luna 9 21.12.1966: Luna 13 |
Erfolgreiche Landung: |
3.2.1966: Luna 9 bei 7,8 Grad Nord und 64,22 Grad West 24.12.1966: Luna 13 bei 18,52 Grad Nord und 62,3 Grad West |
Missionsende: |
Sputnik 25: 11.1.1963 Luna 4: 6.4.1963 Luna 5: 12.5.1965: Aufschlag bei 8 Grad West, 31 Grad Süd Luna 8: 6.12.1965: Aufschlag bei 63,18 Grad West, 9,8 Grad Nord Luna 9: 6.2.1966 Luna 13: 28.12.1966 |
Mission: |
Mondlandung |
Gewicht: |
Luna 4: 1.442 kg, davon 82 kg Landeapparat. Trockenmasse: 642 kg Luna 5: 1.476 kg Luna 6: 1.442 kg Luna 7: 1.506 kg Luna 8: 1.552 kg Luna 9: 1.538 kg, davon 99 kg Landeapparat Luna 13: 1.620 kg, davon 113 kg Landeapparat |
Abmessungen: |
2,70 m Höhe, 1,00 m Durchmesser. |
Instrumente: |
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Ergebnisse: |
Von Luna 9 und 13 insgesamt 8 Panoramen der Mondoberfläche. Die Dichte des Mondbodens beträgt 0,8 g/cm³. Oberflächentemperatur beträgt 117± 3 °C. Die gemessene Strahlung ist für einen Menschen tödlich (30 mrad/Tag) |