Mit Gemini zum Mond

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Auf mein heutiges Thema kam ich als weiter an der Neuauflage des Buchs über die Titan Familie recherchiere und schreibe (genauer Titel: US-Trägerraketen 4 – Die Titan Familie, wie man an der Nummer 4 erkennt wird es insgesamt 6 Bände geben, dazu kommt noch das Buch über die Saturn, ich sehe wenig Sinn nochmals eines über die Saturn zu schreiben das weniger Informationen enthält). Da habe ich mich daran erinnert, das eine Zeitlang tatsächlich mit dem Gedanken gespielt wurde eine Geminikapsel zum Mond zu starten.

Heute ist das undenkbar. Aber in der damaligen zeit sah man sich wirklich in einem Wettrennen mit Russland obwohl diese nach den anfänglichen Erfolgen – erster Satellit, erste Mondsonde, erste Bilder der Mondrückseite, erster Mensch im Weltraum, Rekorde für die Aufenthaltszeit von Menschen im Weltraum dann doch deutlich kürzer treten. Sehr bald hatten die USA schon Russland bei den Startzahlen überholt und ihre Satelliten waren nicht nur zahlreicher sondern auch diversitärer und die Raumsonden waren erfolgreicher.

Aber immer schwebte die Angst mit, Russland könnte heimlich an einem Programm arbeiten, das es ihm ermöglichte noch vor den Amis auf der Zielgerade den Sieg wegschnappen. Das reflektierte das im öffentlichen Bewusstsein nur die bemannte Raumfahrt zählte, wie ich bei den Medienberichten an den Kommentaren im Blog sehe, hat sich daran bis heute auch nicht viel geändert. Chris Kraft beschreibt in seinen Memoiren, wie bei der ersten Gemini-Mission die länger dauerte, als die längste russische Mission im Kontrollzentrum eine Uhr rückwärts lief bis dieser Zeitpunkt überschritten war.

Die NASA beschäftigte sich mit der Möglichkeit, eine Gemini Kapsel zum Mond zu befördern. Es gab dafür zwei Gründe. Zum einen war zu Beginn des Apolloprogramms durchaus nicht sicher, ob mit Apollo rechtzeitig zum Ende des Jahrzehnts eine Mondlandung möglich sein würde. Die Gemini Kapsel würde einige Teile von Apollo erproben, das sparte Qualifikationsflüge von Apollo und so Zeit ein. Eine Mondumrundung (aber kein Orbit) wäre mit der Titan 3C möglich und eine Mondumkreisung mit einer stärkeren Trägerrakete möglich.

Eine zweite Intention für das Programm war die Unkenntnis des sowjetischen Programms: Die Sowjets hatten nach den Wostok Flügen in schneller Folge erst eine Pause gemacht, dann folgten kurz hintereinander Woschod 1+2. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Sowjets führend bei der Flugdauer im Orbit und der Komplexität der Mission. Wären sie bei diesem Tempo nicht in der Lage, vor der NASA den Mond zu umrunden oder in eine Umlaufbahn einzuschwenken? Welche Folgen hätte dies für die öffentliche Unterstützung für die NASA und das Apollo-Programm bedeutet? Mit Gemini gab es die Gelegenheit, mit einem schon existierenden Raumschiff hier die Sowjets zu schlagen.

Die meisten Vorschläge für weitere Geminimissionen betrafen die Möglichkeit, Gemini in hohe Erdorbits oder auf einen Mondumflugkurs zu bringen, indem das Raumschiff an eine Oberstufe in der Umlaufbahn andockte oder gleich mit einer stärkeren Trägerrakete (so wurde ein Start mit der Saturn 1B vorgeschlagen) startete.

Den ersten Vorschlag gab es schon, als im August 1961 der erste Vorschlag für das Gemini Programm erfolgte damals noch unter der Bezeichnung Mercury Mark II. Die NASA entwickelte parallel die Centaur Oberstufe, und es schien möglich, das Mercury Mark II Raumschiff mit einer Centaur Oberstufe in eine hoch exzentrische Umlaufbahn zu befördern. Letztendlich erreichte man dasselbe indem Das Gemini-Raumschiff mit einer separat gestarteten Agena D Oberstufe koppelte. Bis heute hält Gemini 11 mit 1,390 km Erdferne den Rekord für die Erdferne eines bemannten Raumschiffs im Erdorbit. Elon Musk hat angekündigt, das eine kommerzielle Nicht-NASA Mission eine noch größere erdferne erreichen soll, bislang steht dieser aber noch aus.

Weitergehende Vorschläge sahen den Start eines 4.350 kg schweren Landers mit einer Atlas Centaur in den Erdorbit vor. Auch Kopplungstests mit Gemini, gefolgt von Ankopplungen an zwei Centaur Oberstufen für einen Mondumflug, wurden angedacht. Erst spät in dem Programm wäre eine Saturn C-3 (ein damals geplantes Mitglied der Saturn Familie mit nur zwei F-1 Triebwerken in der ersten Stufe und 36,3 t Nutzlast für einen Erdorbit) eingesetzt worden, um eine bemannte Mondlandung zu versuchen.

Diese Vorschläge für ein Gemini Programm, das Apollo praktisch ersetzt hätte, wurde bald wieder verworfen, denn die Kapsel wurde bald zu schwer für die Centaur, die mit einer Atlas gestartet werden sollte. Sie hat schon mehr als den halben Treibstoff verbraucht, wenn sie in der Erdumlaufbahn angekommen ist. Zudem verzögerte sich die Entwicklung der Centaur und die ersten operationellen Flüge fanden erst nach den ersten Gemini Flügen statt. Die NASA hatte sich auf das Apollo-Programm für die Mondlandung festgelegt. Gemini war unersetzlich um Apollo durchführen zu können, weil Apollo auf den Erfahrungen von Gemini aufbaute, aber Gemini sollte Apollo keine Konkurrenz machen. Aufgrund dessen hatten auch andere Vorschläge für Erweiterungen von Gemini nur Chancen, wenn sie in das Konzept von Apollo passten.

Von diesen Studien wurde nur ein Vorschlag ernsthaft verfolgt: die Mondumkreisung mit einer Gemini Kapsel. Eine Titan 3C hätte eine zusätzliche Transtage („Double Transtage“) in einen Erdorbit befördert. Diese Transtagestufe war mit einem Kopplungsadapter ausgestattet, der ein Nachbau des Agena Adapters war. Sie verfügte aber, um Gewicht zu sparen, über keinerlei Navigationseinrichtungen und keine Steuerung. Die „normale“ Transtage beförderte diese zweite Transtage in einen Erdorbit. Da die Nutzlast der Titan 3C bei 13.000 kg für einen niedrigen Erdorbit lag, eine Transtage etwa 12.300 kg wog, verblieb so noch Resttreibstoff. Mit diesem koppelt die erste Transtage an die separat mit einer Titan 2 gestartete Gemini Kapsel an und richtet diese aus für die Zündung. Danach wurde sie abgetrennt und die zweite Transtage vom Gemini Raumschiff aus gezündet. Sie hätte genug Leistung gehabt, um die Kapsel um 3.600 m/s zu beschleunigen und auf einen Kurs zum Mond zu bringen.

Das Gemini-Raumschiff hätte dazu erheblich leichter werden müssen und durfte nur noch etwa 3.000 kg wiegen. 521 kg Gewicht sollten eingespart werden. Die Hälfte durch das Weglassen der Feststoffraketen für den Wiedereintritt. Diese waren nicht nötig, da die Umrundung des Mondes so gelenkt werden kann, dass die Kapsel nach Passage des Mondes in die Erdatmosphäre eintritt. Weiterhin sollte Treibstoff eingespart werden, das Antriebssystem gleichzeitig zuverlässiger werden, da eine höhere Zuverlässigkeit erforderlich war, aufgrund der geringeren Reserven. Das Funksystem sollte nur noch das S-Band verwenden, da die Datenrate im UHF-Band sonst rapide gesunken wäre. Die Kapsel wäre um 50 cm verkürzt worden und die Ausrüstungseinheit hätte drei anstatt sechs Brennstoffzellen eingesetzt.

Eventuell gäbe es auch Synergien mit dem Blue Gemini Programm. Die Blue Gemini Raumschiffe für die MOL-Raumstation (MOL: Manned Orbital Laboratory) wollten keinerlei Manöver im Orbit durchführen. In ihnen sitzt nur die Besatzung beim Start und zu Missionsende steigt sie in das Blue Gemini Raumschiff um, das dann abkoppelt und sofort landet. Die Blue Gemini Raumschiffe wogen trocken unter 2.800 kg, während ein NASA Gemini-Raumschiff je nach Mission 3.200 bis 3.800 kg beim Start wog. Alle Systeme für Manövrieren im Orbit, ein Großteil der Ausrüstung der Missionen über einige Tage Dauer erlaubt.

Anders als die obigen weitergehenden Vorschläge erschien dieser Vorschlag in einem überschaubaren Zeitraum mit den verfügbaren Mitteln umsetzbar:

Die Titan 3C existierte, sie musste nicht für bemannte Einsätze qualifiziert sein, da sie nur die Transtage in den Orbit beförderte. Die Transtage war für bemannte Missionen entworfen worden und konnte mehrere Zündungen durchführen (eventuell auch die Kurskorrekturen).

Ebenso existierte der Adapter für eine Kopplung. Er wurde bei der Mission Gemini 9A als ATDA schon einmal gestartet, auch wenn die Kapsel wegen der nicht abgelösten Nutzlastverkleidung nicht andockte. Die Gewichtsreduktion bei dem Geminiraumschiff wäre machbar und die Dauer einer Mondumrundung von sechs bis sieben Tagen war kürzer als die längsten drei Geminimissionen.

Das Konzept soll vom Astronauten Pete Conrad mit ausgearbeitet und auch vorgestellt worden sein. Geplant war im Anschluss an das Gemini Programm zuerst der unbemannte Test einer Gemini Kapsel, die mit einer Titan 3C auf eine Geschwindigkeit von 11 km/s gebracht worden wäre. Da die Kapsel mit einer normalen Titan 3C (ohne zweite Transtage) gestartet werden sollte, dürfte sie nur 2.450 kg wiegen. Das sollte jedoch ausreichen den Hitzeschutzschild zu erproben, der doppelt so viel Energie abführen musste, wie bei der Rückkehr aus einem Erdorbit.

Dem sollte ein bemannter Erprobungsflug in einem hochelliptischen Erdorbit folgen. Der dritte Flug sollte dann zum Mond führen. Geplant waren diese drei Starts für Dezember 1966 sowie Februar und April 1967. Die drei Flüge hätten rund 350 Millionen Dollar zusätzlich gekostet. Das wäre zwar ein Viertel der Aufwendungen für Gemini gewesen, aber nur so viel wie ein einzelner Apollo Flug kostete. Pete Conrad konnte auch den Kongress für das Projekt interessieren. James Webb, NASA Administrator, wollte jedoch kein Mondumrundungsprogramm und informierte Conrad, dass alle vom Kongress bewilligten Mittel für dieses Projekt eingesetzt würden, um Apollo zu beschleunigen.

Pete Conrad bekam aber die Erlaubnis, bei seinem Gemini 11 Flug mit der angekoppelten Agena eine Rekordhöhe anzustreben. Eugene Cernan berichtet in seinen Memoiren von einem ähnlichen Programm einer Mondumrundung, das in der frühen Projektphase für Gemini 12 vorgesehen war, wenn alle Flüge vorher problemlos erfolgt waren. Wahrscheinlich handelt es sich um dasselbe Projekt, auch wenn Cernan von einer vergrößerten Agena spricht, die von der Titan 3C gestartet werden sollte. Auch hätte dieser Flug noch Bestandteil von Gemini sein sollen. (Eine Agena C mit doppelt so großen Tanks wie die Agena B war in der Tat geplant, sie hätte die gleichen oder noch bessere Leistungen wie die Transtage aufgewiesen). Cernan war froh, dass es nicht zu diesem Flug kam, den er wahrscheinlich zu Recht als sehr riskant ansah.

Eine weitere Studie schlug vor, die Gemini als Rettungsraumschiff und für eine Versorgung im Mondorbit einzusetzen. Diese Studie aus dem Jahr 1962 basierte noch auf der Vorstellung, dass im Mondorbit (genauso wie im Erdorbit) ein Reserve./Rettungssystem benötigt würde, wenn es irgendwelche Probleme mit dem Apollo-Raumschiff gäbe. McDonnell untersuchte, was an der Kapsel geändert werden müsste, und das Ergebnis war, dass die dafür notwendigen Aufwendungen den Nutzen weit überschreiten würden.

4 thoughts on “Mit Gemini zum Mond

  1. Ein ähnliches Konzept gibt es auch in Russland. Da will man mit der Angara eine Sojus-Kapsel zum Mond schicken. Eine Hydrolox-Oberstufe soll dazu mit einem Kopplungsadapter versehen an ein Sojus-Raumschiff koppeln und die Geschwindigkeit für den Mondflug bringen. Das Problem dabei: Diese Oberstufe existiert nur auf dem Papier. Durch Putins Nichtkrieg in der Ukraine fehlt aber das Geld für eine Realisierung. So bombt Putin seine eigene Raumfahrt zurück in die Steinzeit.

    1. Der Niedergang Russlands begann eigentlich mit dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion, davon hat sich die Raumfahrt bis heute nicht erholt. Was noch gestartet wird sind militärische Satelliten und Anwendungssatelliten und eben Progress und Sojus.

      Die Angara ist schon seit über einem Jahrzehnt in der Erprobung und die neuen Oberstufen gehen letztendlich auf russische Mondprojekte zurück (bei genügend Geld sind sie schnell entwickelt, so ist die Oberstufe der GSLV ja eine russische Auftragsentwicklung).

      Mondumrundungspläne gab es öfters. Anfang des Jahrtausends schon mit Proton/Sojus. Sind eben Potemkinsche raumfahrtprojekte.

  2. Ich glaube das Buch der von Russland angekündigten Weltraumprojekte die noch nicht durchgeführt wurden/werden ist länger als das Buch der von SpaceX erfolgreich gestarteten Satelliten.

  3. Du und deine Webseite wurden übrigens in der aktuellen Ausgabe von Weltraum-Wagner, dem hörenswerten Raumfahrt-Podcast vom Hessischen Rundfunk, sehr lobend erwähnt. Konkret ging es um deinen Artikel zu Weltraumaufzügen.

    Vielleicht stoßen so ja ein paar Interessierte auf deine Webseite oder die Bücher.

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