Die Hitler Tagebücher Teil 9: Nachwehen
Dies ist ein Artikel aus einer kleinen Serie zu dem Skandal um die gefälschten Hitler Tagebücher:
Teil 1: Die Vorgeschichte
Teil 2: Der Handel
Teil 3: Warum flog die Fälschung nicht vorher auf?
Teil 4: Der Vertrag
Teil 5: Bände, Prüfungen und Rechte
Teil 6: Die Veröffentlichung
Teil 7: Der Scoop
Teil 8: Die Bombe platzt
Teil 9: Nachwehen
Teil 10: Epilog
Die Teile behandeln den Skandal relativ umfassend und weitestgehend chronologisch.
Nachdem die Tagebücher sich als falsch erwiesen haben stellt Gruner und Jahr Strafantrag gegen Kujau und Heidemann. Kujau ist zu dem Zeitpunkt in Österreich und stellt sich bei Überschreiten der Grenze. Es kommt zu einem Prozess.
Der Prozess gegen Kujau/Heidemann
Die Staatsanwaltschaft, vertreten durch Dietrich Klein und Wolfgang Siegmund, warf den Beschuldigten Betrug vor. Der Betrogene: Der Verlag Gruner & Jahr. Insgesamt habe, so die Anklage, der Verlag für die Tagebücher eine Summe von 9.34 Millionen DM ausgegeben, davon habe Heidemann mindestens 1.7 Millionen DM (im Schlussplädoyer der Staatsanwaltschaft war nach neuerlichen Recherchen dann von mindestens 2.1 Millionen die Rede) für sich behalten. Konrad Kujau, so die Staatsanwaltschaft, habe mindestens 1.5 Millionen Mark erhalten, die nachgewiesen werden könnten. Insgesamt sei es, so die Staatsanwaltschaft, zur Veruntreuung von Verlagsgeldern gekommen. Die Staatsanwaltschaft plädierte zum Abschluss des Verfahrens auf langjährige Freiheitsstrafen: Sieben Jahre für Gerd Heidemann und sechs Jahre für Konrad Kujau wegen schweren Betrugs.
Während die Verteidigung von Gerd Heidemann vor allem darauf setzte, ihren Mandanten selbst als Betrugsopfer darzustellen, zielte die Verteidigung von Konrad Kujau darauf, die Verantwortung des Verlages Gruner & Jahr und dessen grobe Fahrlässigkeit in den Mittelpunkt zu stellen — eine Fahrlässigkeit, die darauf hindeutete, dass der Verlag keineswegs Opfer eines Betruges sei, sondern aus ökonomischen Gründen betrogen werden wollte.
Die Prozessstrategie Kujaus Verteidiger versuchte mit einigem Erfolg, das verantwortungslose Gebaren der Redakteure und der Verlagsspitze zu skandalisieren. Seine Urheberschaft für die Hitler-Tagebücher hatte Kujau eingeräumt, seine beiden Verteidiger wollten insbesondere versuchen, den erinnerungskulturellen Kontext auszuleuchten, innerhalb dessen eine solche Veröffentlichung überhaupt möglich war. Das war der Grund, warum Kurt Groenewold zum Abschuss des Verfahrens weit ausholte und in seinem Plädoyer darauf verwies, wie oft der Verlag hätte einschreiten können und wie zahlreich die Chancen der Chefredaktion gewesen seien, dem Betrug auf die Spur zu kommen. Niemand jedoch habe dies getan. Zu groß schien die Verführungskraft des erwartbaren Erfolges, zu spannend der Blick in Hitlers Hirn.
Das Gericht verurteilte den Angeklagten Gerd Heidemann wegen schweren Betrugs zu vier Jahren und acht Monaten Freiheitsstrafe; Konrad Kujau erhielt wegen schweren Betrugs und Urkundenfälschung eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Die Mitangeklagte (Lebensgefährtin Kujaus) Edith Lieblang wurde zu acht Monaten Freiheitsstrafe mit einer Bewährungsfrist von zwei Jahren verurteilt. Das Gericht verfügte für beide Hauptangeklagte eine Haftverschonung. Als Grund nannte das Gericht das Alter der Angeklagten, die bereits zwei Jahre währende Untersuchungshaft sowie die Strapazen beider Angeklagten durch die Hauptverhandlung. Kujau und Heidemann wurden noch am Tag des Urteilsspruches aus der Haft entlassen, die Haftbefehle wurden außer Vollzug gesetzt und keiner durfte die Bundesrepublik vorerst verlassen. Ausdrücklich verwies das Gericht in seinem Urteil auch auf die schuldhafte Rolle des Verlages und machte diese strafmildernd geltend. Beide Angeklagte kamen, weil sie zwei Jahre in Untersuchungshaft verbrachten nach dem Urteil frei in den offenen Vollzug.
Während für Kujau der Prozess die Möglichkeit bot, sich selbst als öffentliche Figur und „sympathischen Betrüger“ zu inszenieren, war der Prozess für Heidemann nicht nur finanziell ruinös, sondern auch beruflich eine Katastrophe. Für ihn bedeutete der Prozess das Ende seiner journalistischen Laufbahn. Für den Verlag Gruner & Jahr mit seinem Flaggschiff „ Stern“ hatten die Veröffentlichung der gefälschten Tagebücher und auch der Prozess weitreichende Folgen: Der „Stern“ sollte sich nie wieder von diesem publizistischen Fiasko erholen, die Auflagen brachen ein und der Verlust an Glaubwürdigkeit war immens. Auch die Chefredaktion wurde ausgetauscht.
Die Folgen
Für den Stern waren die Kosten für die Tagebücher übrigens nur ein Teil des Schadens. Denn natürlich räumte die Chefredaktion nicht einfach so ihre Posten. Peter Koch hatte sich mit seiner Behauptung, das „die Geschichte des dritten Reichs in weiten Teilen neu geschrieben werden müsste“ besonderen in die Nesseln gesetzt, daneben hatte er auf erste Kritik an der Echtheit in öffentlichen Plädoyers sehr barsch reagiert. Er sagte, das er nie mehr einen Posten als Journalist bekommen würde und weigerte sich den Posten abzugeben ohne eine Abfindung in Höhe von 3 Millionen DM zu erhalten. Bei den beiden anderen Chefredakteuren dürfte es nicht anders gewesen sein, dazu kamen die 1,5 Millionen die Gruner & Jahr Heidemann als Honorar bezahlt hatten und man musste Hefte einstampfen die schon gedruckt waren. Insgesamt kostete der Skandal den Verlag 18,6 Millionen DM. Er dürfte es verkraftet haben, im selben Jahr meldete G & J einen Gewinn von 190 Millionen DM vor Steuern.
Es gab soweit ich weiß nie einen zivilrechtlichen Prozess gegen Heidemann/Kujau. Dieser folgt normalerweise einem Strafprozess, ist dann mehr ein pro Forma Prozess, denn der Tatbestand ist ja durch den Strafprozess juristisch gewürdigt. Im zivilrechtlichen Prozess wird dann versucht von dem veruntreuten Geld möglichst viel wieder zurückzubekommen. Das der Verlag dies nicht tat mag zwei Gründe haben – zum einen weil er vielleicht meinte von der summe eh nicht mehr viel zurückzubekommen, zum anderen weil dann der Skandal nochmals in den Medien gewesen wäre, was sicher ein viel größerer wirtschaftlicher Schaden gewesen wäre als durch den Prozess an Gewinn zu erzielen wäre.
Es gab eine interne Untersuchung, aus der einer der Beteiligten das lesenswerte Buch „Der Skandal um die Hitler Tagebücher“ veröffentlichte. Die Chefredaktion übernahm zuerst Henri Nannen, später gegen den Widerstand der Redaktion Peter Scholl Latour.
Am besten kam von Gruner und Jahr Thomas Walde davon, er wurde einfach nur versetzt zu Stern-TV und machte dort weiter Karriere. Peter Koch dessen Leistung als Chefredakteur unterirdisch war – er versäumte nicht nur das Treiben von Heidemann/Walde zu kontrollieren und die Redaktion einzubinden, er versteigerte sich sogar in Äußerungen gegen kritische Gutachter und dem berühmten Satz, das die Geschichte weitestgehend neu geschrieben werden müsse wurde der Abschied mit 3 Millionen DM versüßt. Hätte das Heidemann gewusst, das Unfähigkeit beim Stern so honoriert wird, er hätte den Betrug nicht nötig gehabt. Kujau investierte sein Geld in zwei Galerien und ein Restaurant. Er war danach als Meisterfälscher ein gern gesehener Gast in den Medien und konnte nun seinen Lebensunterhalt mit echten Kujuas (Fälschungen von Meisterwerken, aber signiert von Kujau) verdienen. Heidemann stürzte dagegen sozial und finanziell ab. Von dem veruntreuten Geld scheint er keinerlei Reserven angelegt zu haben. 25 Jahre später berichtet der Spiegel Heidemann habe er 700.000 DM Steuerschulden und lebe von Sozialhilfe, das war auch beim 30.sten Jubiläum so. Beim 35 Jubiläum lebte er im Keller des (ehemaligen?) Finanzamtes (sic!). Er ist aber der einzige Überlebende, inzwischen 92. Kujau starb 2000 an Krebs, er wurde wegen Krebs auch vorzeitig aus der Haft entlassen. Walde starb 2022.
40 Jahre nach dem Skandal – gibt es etwas neues?
Damit könnte die Geschichte beendet sein. Das ganze ist nun fast vierzig Jahre her. Gäbe es da noch was neues zu berichten? Ist es nach vierzig Jahren noch ein Skandal?
Ja und zwar weil der Stern damals nicht richtig reinen Tisch gemacht hat und seitdem einen Aspekt immer noch geheim hält. Der liegt nicht in der Geschichte des Deals, die vielen erfundenen Geschichten, die Bezahlungen ohne Nachprüfung. Das alles ist ja gründlich durchgekaut worden. Doch was der Skandal verhinderte und was früher oder später dem Stern zu einem noch viel größeren Verhängnis geworden wäre, ist der Inhalt der Tagebücher. Der Stern hat mehrfach angekündigt die Kladden dem Bundesarchiv zur Verfügung zu stellen und hat dies trotzdem niemals getan. Das hat einen guten Grund. Gegenüber dem NDR schreibt der Stern „Hintergrund ist das wir grundsätzlich nicht möchten das die Dokumente frei im öffentlichen Raum zur Verfügung stehen, auch um Missbrauch zu verhindern“. Nun hat sich der NDR die Aufgabe gemacht die Textbestandteile die es zu verschiedenen Historikern geschafft haben zu sammeln, hat sie mit einer KI ins deutsche übersetzt und in einer Datenbank abgelegt. Der NDR sagt das wären die kompletten Tagebücher, ich halte das angesichts von 62 Bänden, jeder mit 50 bis 100 beschriebenen Seiten nicht für möglich. Es ist nur ein Bruchteil, die gesamten Tagebücher vergammeln (angeblich waren sie vor 10 Jahren schon verschimmelt) im Safe. Der längste Eintrag vom Juni 1940 hat eine Länge von 33.180 Zeichen, durchschnittlich sind es aber eher 5.000 bis 7.000 Zeichen pro Monat. Für viele Monate und fast das ganze Jahr 1944 gibt es gar keine Einträge.
Historiker haben das Material ausgewertet und man kann auch selbst danach suchen. Einiges findet man in der wirklich sehenswerten (und wenn ich schreibe sehenswert, dann heißt das auch das ihr die Folge anschauen sollt) Folge auch schon erwähnt. Der Hitler in den Tagebüchern ist ein Hypochonder, der nicht weniger als 77-mal über Magenschmerzen klagt aber ernsthafte Beschwerden wie Parkinson oder die Abhängigkeit von Morphium nicht erwähnt. Er hat selbst in seinen Tagen einen Kommandoton der sehr unglaubwürdig bei einem privaten Tagebuch wirkt. Der Großteil besteht aus der Wiedergabe von abgeschriebenen Fakten au Chroniken, warum sollte das Hitler tun, was die Wehrmacht oder er offiziell macht das wird doch millionenfach von Zeitungen verbreitet oder zumindest in Archiven verwahrt.
Der eigentliche Knackpunkt entging schon Henri Nannen bei einem kurzen Querlesen von Textproben die er von Heidemann bekam. Es ist eine Geschichtsklitterung. Der Hitler in den Tagebüchern ist nicht der gehässige Diktator der schon am 30.1.1939 die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa angedroht hat. Er ist im Gegenteil in Sorge um die Juden, will diesen Siedlungsgebiete in den eroberten Gebieten im Osten zuweisen. Er schimpft über andere Nazigrößen, die offensichtlich nicht das tun was er will, obwohl er sie ja problemlos ihrer Ämter entheben könnte. Man kann es in einem populären Satz zusammenfassen, denn ich in meiner Jugend noch von alten Leuten die dem dritten Reich nachtrauerten, hörte: „Wenn das der Führer gewusst hätte“. Ja der arme Hitler ist nach seinen Tagebüchern ahnunglos. Von den ganzen Verbrechen des dritten Reichs weiß er nichts. Er wirkt manchmal kleinlich, wenn er bei Dingen den wirtschaftlichen Schaden anführt. Als hätte Hitler die Kosten jemals gekümmert. Hitler hat die Steuer beschissen, Millionen verdient und akquirieren lassen und bei seinem Berghof spielten Kosten keine Rolle. Es ist Holocaust-Leugnerei in Reinform! Reschke Fernsehen meint das dies die eigentliche Absicht der Tagebücher wäre und sich Kujau in Nazikreisen bewegte die dies wollten. Ich denke eher Kujau schrieb das was er meinte was Heidemann/Stern hören wollte. Zudem kann man annehmen das jemand der Dinge von Hitler und anderen Nazigrößen sammelt und Geld dafür ausgibt jetzt nicht gerade Hitler als das darstellt was er ist, ein Psychopath der die Welt in einen Krieg stürzte der 27 Millionen Menschen das Leben kostete, der Gegner internierte oder umbringen lies.
Diese Hitler Tagebücher wären, wenn sie veröffentlicht wurden sehr bald zum Skandal geworden. Denn die unreflektierte Wiedergabe der Bücher, ihr Inhalt, hätten den Ruf des Sterns viel nachhaltiger ruiniert als ihre Beschaffungsgeschichte, denn dann geht es nicht um das Versagen des Verlags und des internen Kontrollsystems sondern um die journalistische Glaubwürdigkeit des Stern. Eine Historikerin meinte, wenn die Tagebücher, die keinen Diktator sondern einen „positiven Menschen“ zeigen veröffentlicht worden wären, der Stern hätte sich davon nicht erholt. Die Recherche findet man auch als separates, noch ausführlicheres Video unter STRG-F.
Das ist der Grund warum sie heute noch unter Verschluss sind. Es ist aber so ein schwebendes Damoklesschwert über dem Stern und Gruner & Jahr Verlag und für mich ist es unverständlich, warum man nicht damals sie komplett veröffentlicht, also nicht im Stern sondern ans Bundesarchiv abgibt. Der Skandal war ja schon da, er wäre etwas größer gewesen, aber dann eben auch vergessen worden und es wäre ein echter Neuanfang möglich gewesen. Diese Chance hat der Stern vergeben.
Faking Hitler – verpasste Chance zur Aufarbeitung
Mehr noch, er hat in 35 Jahren nichts dazu gelernt. Ich habe nach einem Hinweis mir den zehnteiligen Podcast des Stern „Faking Hitler“ von 2019 angehört in dem es heißt: „35 Jahre später wird der Skandal nun erneut aufgerollt – mit noch nie zuvor gehörten Originaltonbandaufnahmen aus den 80er Jahren zwischen dem Journalisten Gerd Heidemann und dem Fälscher Konrad Kujau. … Wir haben die Tagebücher aus dem Safe geholt und erneut gelesen“.
Meiner Ansicht nach hat der Stern die Chance einer echten Aufarbeitung vergeben. Es sind zehn Folgen in dem Audio Podcast jede eine halbe Stunde lang, insgesamt also 5 Stunden, sicher mehr als ihr für das Lesen der Blogfolgen braucht. Trotzdem findet man viel weniger Informationen. Und ich habe schon sehr viel weggelassen was in den Büchern steht, sehr viel gerafft was die Ungereimtheiten in den Tagebüchern mit den realen Ereignissen angeht. Während der Podcast ankündigt man hätte die Tagebücher aus dem Safe geholt und gelesen findet man über die oben erwähnten Inhalte nichts im Podcast, nichts von Holocaust Lügen. Mehr noch er ist parteiisch. Zwei Folgen – Folge 1 und 2 beschäftigen sich mit den Hauptakteuren Heidemann und Kujau. Heidemann wird als vorbildlicher Redakteur bis zu dem Skandal dargestellt, während Kujau als chronischer Lügner schon in der Jugend porträtiert wird. Logisch, denn wie man dann später erfährt duzt Malte Herwig Heidemann, zwar kennen sich beide nicht vorher persönlich, aber haben beide beim Stern gearbeitet. Duzen senkt schon die journalistische Distanz. Über große Teile des Skandals, wie die Veruntreuung von Geld, der Vertrag den Heidemann abschließt und der ihn reich macht, sein Lebensstil der sich enorm ausweitete und die Rolle Waldes und anderer Beteiligten von Gruner und Jahr erfährt man nichts in dem Podcast. Er dreht sich nur um Kujau und Heidemann und relativ unkommentiert bleibt Heidemanns Verstrickung die von anderen Beteiligten dann im Interview wiedergegeben wird, während sich Malte Herwig süffisant herablassend über die Lügen und Fabeln von Kujau auslässt. Also nach diesem Podcast ist Heidemann immer noch – 35 Jahre nach dem Skandal – Opfer und nicht der Heidemann der nach dem Urteil den Verlag um die größere Summe betrogen hat.
Also Qualitätsjornalismus ist dieser Podcast nicht und damit reiht er sich in die Reihe des Versagens des Sterns bei den Hitler Tagebüchern ein.
Der gefälschte Kujau
Kleines Detail am Rande: Inzwischen wird Kujau selbst gefälscht. 2006 tauchten bei eBay eine Flut von gefälschten Kujau-Fälschungen auf. Laut Staatsanwaltschaft wurde ein Gesamtschaden von mehr als 550.000 Euro verursacht. 2010 wurden die verantwortliche Verkäuferin, nach eigenen Angaben eine weitläufige Verwandte Kujaus, und ihr Lebensgefährte vom Landgericht Dresden wegen Betrugs in 40 nachgewiesenen (von zunächst 301 angeklagten) Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und gemeinnütziger Arbeit verurteilt.
Wenn Du gefälscht wirst, obwohl Du selbst nur ein Fälscher bist, dann hast Du wohl alles richtig gemacht!
Links / Referenzen zur Serie
Auf die Beschäftigung mit dem Thema kam ich durch die ZDF Dokumentation „Die Jahrhundertfälschung Hitlers Tagebücher“ von ZDFZeit aus dem Jahr 2013. Daraufhin kaufte ich mir drei Bücher, eines von Erich Kuby schmiss ich nach dem Lesen weniger Seiten mit grundlegender Imperialismuskritik im DDR Jargon wieder weg. Es fand sich dann auch nur ein DDR-Verlag für die Publikation. Dabei galt der Autor als kompetent und arbeitete für Spiegel und Stern. Die beiden anderen Bücher kann ich empfehlen. Zeitnah, etwas kürzer ist von Manfred Bissinger: Hitlers Sternstunde. Kujau, Heidemann und die Millionen. Es ist etwas detailverliebter, geht weiter in der Biographie von Kujau und man findet mehr Zahlen und Daten in dem Buch. Seine Schwäche ist die Gliederung nach Themenschwerpunkten, nicht der Chronologie. Zudem ist es ein typischer Schnellschuss, will den Hype um den Skandal ausnutzen. Es endet noch vor dem Urteil. Das zweite Buch Der Skandal um die Hitler-Tagebücher stammt von Michael Seufert, Ressortleiter beim Stern und von Henri Nannen beauftragt mit der internen Aufklärung des Skandals. Es ist umfangreicher, chronologisch gegliedert und mehr auf den Stern zentriert. Beide enden aber ziemlich genau nach dem Skandal und behandeln den Prozess eher stiefmütterlich. Ich kann beide empfehlen und würde auch heute wieder beide kaufen und sie erneut lesen. Warum? Ingrid Kolb, damals Stern Redeakteurin, gibt in der obigen ZDF Doku die Antwort. Sie wird von Bekannten nach dem Spielfilm „Schtonk!“ angesprochen und sagt dann immer „Es war noch irrealer“ und die Bücher sind wirklich Infotainment. Die Details sind so bizarr das das Lesen wirklich amüsant ist, sofern man nicht gerade Heidemann heißt. Über den Prozess informiert dieses PDF. Genaueres über die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung liefert das Bundesarchiv.
Es gibt zwei neuere Aufarbeitungen des Stern-Skandals. Der Stern selbst hat den 10-teilligen Audio Podcast „Faking Hitler“ herausgebracht, mit vielen Tonbandmitschnitten von Heidemann/Kujau sowie Interviews mit Heidemann, Walde und Sorge. Man erfährt aber sehr wenig über die Details, die Fehler in den Büchern und Kujau kommt in dem Podcast erheblich schlechter weg als Heidemann. Er gilt als der wahre Schuldige, von der Unterschlagung von Heidemann ist fast nicht im Podcast die Rede. Der Stern hält wohl noch immer zu ihm.
Reschke Fernsehen (ich kann auch die Sendung von Anja Reschke über die CSU empfehlen) hat sich nun erstmals mit dem Inhalt der Bücher befasst. Den kennt man, weil ja nach zwei Ausgaben die Stern-Reportage eingestellt wurde, bis heute nicht. Hinzugezogene Historiker beurteilen die Bücher heute als eine groß angelegte Holocaust Leugnung. Nun ist auch klar, warum die Tagebücher bis heute nicht öffentlich gemacht wurden, obwohl der Stern dies für 1993 ankündigte und seitdem mehrmals, aber nie ans Bundesarchiv abgaben. Das ist ein Skandal von Heute: Der Stern als Helfer von Holocaustleugner und Nazis, weil eben die Bücher niemals Historikern zugänglich gemacht wurden, weil man befürchtete der Inhalt wurde sonst publik werden. Die Bücher kann heute jeder einsehen und über Volltext-Recherche durchsuchen. Die Doku über die Holocaust-Lügen findet man genauer bei STRG-F.
Nicht zuletzt gibt es noch die Sicht von Gerd Heidemann selbst. Er hat mittlerweile eine eigene Website, aber die ist extrem umfangreich und leider voller Papierscans, ohne das eine OCR darüber ging.
„Ich denke eher Kujau schrieb das was er meinte was Heidemann/Stern hören wollte.“
Das wohl auch. Aber man darf nicht vergessen, für den das allererste Tagebuch (geschrieben laut Wikipedia 1975) gehen sollte. Dem Unternehmer und Alt Nazi Fritz Stiefel. Und wie der und sein Kreis getickt haben, hat ja schon Schtonk herrlich persifliert. (Anders war es auch nicht zu ertragen.) Die wollten von einem Führer in dem ein „Menschenherz geschlagen hat“ lesen. (Ja, ich zititiere hier wieder den Dietl Film.)
Und Heidemann, welcher mit diesen Kreisen gefreundelt hat, war gewiss nicht unbefangen.
Oh, und danke für den Link zum STRG-F Video. Über das Massaker von Babij Jar habe ich erst durch die exzellente US Miniserie „Feuersturm und Asche“ (nach dem Roman von Herman Wouk) erfahren. Hier wurde der Holocaust absolut schonungslos gezeigt. Bei einer der Folgen, welche ich erstmals in den 90ern gesehen habe, war mir eine halbe Nacht lang kotzübel.
Entsprechend war dieser Band ja auch viel persönlicher geschrieben. Da Kujau – meiner ansicht nach – sich überhaupt keine Mühe mit den Bänden gemacht hat, also offensichtliche Fehler zu vermeiden, schrieb er den Zeitraum den dieser Band abgedeckte später sogar nochmals. Einmal als „Vorlage für ein Parteijahrbuch“ (1975 geschrieben) und dann die Fassung für den Stern eines Tagebuchs (1981), das komischerweise viel unpersönlicher war, ist niemanden aufgefallen, wahrscheinlich weil außer Heidemann niemand die Bände las.