Bernd Leitenbergers Blog

Die Versorgung der SpaceX-Marssiedler

So, heute versuche ich mich mal den ersten Marssiedlern zu nähern und was sie so brauchen, wie groß ihre Kolonie sein kann und was sonst noch so nötig ist. Ich gehe im folgenden von einer Marskolonie aus, die genauso von der Erde abhängig ist wie die ISS. Ich glaube selbst das ist eine enorme Herausforderung, aber sie ist wenigstens skizzierbar. Welchen Aufwand man betreiben muss, damit man auf dem Mars nur mal die Nahrungsmittel selbst erzeugt ist noch schwer abzuschätzen aber ist angesichts dessen das die Atmosphäre zu dünn ist, die Sonne nur 40 Prozent der Energie abgibt wie in Erdnähe, dafür aber gefährliche Röntgen- und UV-Strahlung den Boden erreicht, und der Boden versetzt ist mit oxidativ wirkenden Substanzen ist noch um ein vielfaches als bei einer „Kolonie an der Nabelschnur“ höher. Im folgenden gehe ich davon aus das alle Musk / SpaceX Angaben stimmen, sollten diese wie bisher nicht immer der Wahrheit entsprechen – eine Vorgehensweise, die wie ich erfahren habe auch die Rocket Factory Augsburg parktizierte – sind die Daten dann schlechter.

Fangen wir mal mit was einfachem an:

Wie viel kann das Starship zum Mars befördern?

Einfache Antwort: Nun ohne Auftanken gar nichts, mit Auftanken sehr viel. Die Startgeschwindigkeit zum Mars schwankt wegen seiner variablen Sonnenentfernung alle 15 / 17 Jahre wiederholen sich aber Fluggelegenheiten. Die schlechteste im Zeitraum 2024 bis 20240 hat nach NASA Trajectory Browser ein dV von 3,73 km/s relativ zu einem 200 km Orbit. Bei einem spezifischen Impuls von 380 = 3721 m/s kann man durch Umformen der Raketengrundgleichung und unter Kenntnis einer Trockenmasse des Starship von 120 t und 1.200 t Treibstoff errechnen , dass, wenn es im Orbit voll betankt wird es bei 3.900 m/s dV (für kleine Kursmanöver und als Absicherung das man das Startfenster nicht ganz genau trifft) etwa 530 t zum Mars transportieren kann. Sofern man das Starship aber im Orbit nicht nur auftanken sondern auch Nutzlast hinzufügen kann, bleibt dies hypothetisch, dann bleibt es bei den 250 t die im Nicht-Wiederverwendbaren Fall in den Orbit gelangen. Für den Transport dieser 250 t müsste man es etwa dreimal auftanken.

Wie viele Personen sind das?

Nun die schlechte Nachricht. Die 100 Siedler pro Flug nach SpaceX-Angaben sind das auch bei 250 t Fracht nicht drin. Es gibt eine Reihe von Einschränkungen. 250 t mit Menschen aufzufüllen geht gar nicht,außer man transportiert „besondere“ Menschen. Die Nutzlastverkleidung des Starships hat rund 600 m³ Volumen, mit einer Verlängerung auf 22 m sind es 840 m³. Auf 100 Personen umgerechnet sind das 6 bis 8 m³ Volumen, nicht viel. Also bei bemannten Raumstationen, also Missionen, die länger als einige Tage dauern, war bisher das kleinste Volumen bei den alten beengen Saljuts von etwa 50 m³ pro Person. Bei Skylab haben die Astronauten rund 110 m³ pro Person gehabt und bei der ISS sind es rund 130 m³ pro Person. Nehme ich nur den kleinsten Wert von 50 m³ so reduziert das die Passagierzahl pro Flug auf 12 bis 17. Wahrscheinlich brauchen die Passagiere aber mehr Volumen, weil bis sie auf dem Mars Quartiere haben wird einige Zeit vergehen. Die müssen sie ja erst errichten. 50 m³ Volumen sind in etwa das was ein Zimmer mit 20 m² Fläche und 2,5 m Höhe hat. In Deutschland hat man durchschnittlich 53 m² Fläche pro Person.

In „besonderer“ Verpackung wie dieser kommen Menschen aber auch mit 0,83 m³ aus und dann kann man tatsächlich bei einem Gewicht von 58 kg der „Verpackung“ und 82 kg für die Person im Volumen der Verkleidung 1000 Menschen mit einem Gewicht von 130 t transportieren.

Es ist sinnvoller das Pferd von hinten her aufzuzäumen:

Was kommt auf dem Mars an?

Bevor man landen kann, muss man erst einmal abbremsen. Ohne Fallschirme bremst die dünne Atmosphäre auf dem Mars ein Starship kaum ab, die Vikings hatten bei Auslösung der Fallschirme noch eine Geschwindigkeit von 1.400 m/s, das sind 389 m/s. Wird diese Geschwindigkeit mit 1 g Beschleunigung (9,81 m/s) vernichtet so braucht man dafür 40 Sekunden, in denen die Fallbeschleunigung von 3,69 m/s wirkt, zieht man die von den 9,81 m/s ab, so bremst man netto um 6,12 m/s ab und es dauert 64 Sekunden, in denen ein Geschwindigkeitsbedarf von 628 m/s entsteht. Bei dem obigen Impuls von 380 s entspricht der dafür nötige Treibstoff dies 16 % des Landegewichtes. Bei 250 t Nutzlast und 120 t Starship sind das rund 60 t die von den 250 t Fracht natürlich abgehen.

Die ISS benötigt rund 30 t Fracht pro Jahr bei 7 Personen und 365 Tagen also pro Person 11 bis 12 kg pro Person und Tag. Das sieht erst mal nach viel aus. Es fällt auch etwas weg. Da sind z.B. 4 Treibstoff mitdrin, die benötigt werden um die Bahn aufrecht zu erhalten. Daneben werden laufend Experimente zur ISS gebracht und wieder zurück. Aber vieles ist unvermeidbar. Die Kreisläufe für Wasser und Gase sind schon weitestgehend geschlossen. Das Abwasser wird destilliert und erneut eingesetzt, Wasser wird auch in Wasserstoff und Sauerstoff umgesetzt und mit dem Wasserstoff das Kohlendioxid zu Methan und weiterem Sauerstoff reduziert. Was aber immer benötigt wird, ist Nahrung – und wer mal seien Wocheneinkäufe auf die Waage legt, weiß das das eine Menge Gewicht ist, und es sind Verbrauchsmaterialien. Die Kleidung der Astronauten wird z.B. nicht gewaschen, wie sollte das auch gehen? Sie ist nach einigen Tagen Müll. Ähnlich wird es den Passagieren auf dem Flug zum Mars gehen, eine Reise dauert je nach Entfernung rund 200 bis 250 Tage, rechnen wir 300, weil auf dem Mars andere Lander mit Vorräten ja auch erst mal gefunden und geöffnet werden müssen, dann sind wir bei 8 Kg pro Person/Tag, also deutlich weniger als bei der ISS und 17 Personen (lange Nutzlastverkleidung) bei weiteren 41 t die von der Fracht abgehen.

So ist die Fracht schon von 250 t auf 149 t geschrumpft. Dann sind die Siedler selbst ja auch noch da, sie wiegen relativ wenig. Es kommt mehr drauf an was sie an Gepäck mitnehmen. Doch selbst bei 200 kg pro Siedler mit Gepäck bewegen wir uns bei 3,4 t.

Wofür wird die Restfracht verwendet?

Der Rest – rund 145 t, ist die Masse die bleibt, um das Starship wohnlich zu machen und Marsquartiere zu bauen. Man braucht Wände, Möbel, Treppen, Einrichtung. Die heutige ISS ist als Vergleich hier nicht sehr sinnvoll, weil sie ziemlich vollgestopft mit Ausrüstung ist. Mehr Platz hatte man in Skylab. Im Orbital Workshop, dem Hauptteil von Skylab hatten die Astronauten knapp 290 m³ Volumen bei 35,6 t Gewicht und die Struktur – der OWS entstand ja aus einer Saturn Drittstufe – wog nur 10,3 t. Auf ein ähnliches Verhältnis kommt man auch beim Columbus Labor – leer 9,9 t, voll ausgestattet 27,2 t, aber mit erheblich weniger Innenvolumen. Ähnlich ausgestattet und unter Berücksichtigung das die Nutzlastverkleidung als Außenstruktur schon bei der Masse des Starship dabei ist, benötigt man für die Ausrüstung von 840 m³ Volumen in der großen Nutzlastverkleidung rund 74 t. Das lässt nur 75 t übrig. Für die gäbe es zwei Optionen. Das eine ist das dies Ausrüstung ist, die die Siedler auf dem Mars sofort brauchen – wir reden hier ja nur von dem Personenraumschiff. Weitere Raumschiffe mit Lebensmitteln und Versorgungsgütern die mindestens 26 Monate bis zum ersten Versorgungsflug halten, eine Energieversorgung (Kernreaktor), Maschinen, Fahrzeuge, Rohmaterialien für den Bau und 3D-Drucker etc. werden benötigt. Das zweite ist die Treibstofftanks als Wohnung vorzubereiten. Außer dem beweglichen Dingen gibt es ja noch die „Immobilien“, sprich man kann in die Tanks schon mal Querwände, Gitterfußböden, Leitungen, Befestigungsmöglichkeiten einziehen, die nach der Landung dann mit Ausrüstung zu zusätzlichem Wohnraum werden. Auch das Konzept ist nicht neu, in einer frühen Phase von Skylab dachte man daran die Drittstufe der Saturn erst im Orbit zu einer Raumstation umzubauen „Wet Workshop“.

Die Tanks haben pro Starship viel mehr Volumen als die Nutzlastverkleidung – bei 1.200 t Treibstoff, einem Mischungsverhältnis von 3,6 zu 1 wie in der Wikipedia angegeben, sind das bei den bekannten Dichten von Methan (0,422 g/cm³) und Sauerstoff (1,14 g/cm³) Volumina von 618 (Methan) und 824 m³ beim Sauerstofftank, zusammen also über 1.400 m³ zudem größtenteils zylindrisch und damit für Wohnungen besser geeignet als die spitz zulaufende Verkleidung. Andere Transporter könnten dann die beglichen Teile, also Mobiliar, Ausrüstung, Kleidung etc. bringen. Alle Transporter umzurüsten wird wohl nicht geben, dazu ist einfach das Gesamtvolumen eines Transporters (Tanks und Nutzlastverkleidung haben zusammen mindestens 2.000 m³ Volumen) im Verhältnis zur Nutzlast zu groß, aber man kann sie ja mit einem Schweißbrenner zerlegen und so zumindest als Trennwand oder Sonnenschutz nutzen.

Energieversorgung

Nebenbei bemerkt: ist außer mir noch jemand aufgefallen das auf den hübschen Animationen von Flügen der Siedler zum Mars es keine Solarzellen gibt? Irgendwoher muss aber Energie kommen. Skylab hatte eine Stromversorgung über 23 kW, bei der ISS sind es schon 220 kW. Ohne Solarzellen, die ja auch das Problem haben, das sei schon während der Reise benötigt werden, sie aber sicher nicht den Eintritt in die Marsatmosphäre überleben gibt es ja nur noch Atomkraft. Wollen sie direkt neben einem Atomreaktor zum Mars reisen? Also ich nicht, aber ich würde auch so nicht zum Mars reisen wollen, zumal das ja ein Reise ohne Rückkehr ist. Korrigiert mich, aber ich glaube private Unternehmen dürfen auch in den USA nicht einfach unkontrolliert Atomreaktoren entwickeln und angereichertes Uran bekommt man als Firma auch nicht so einfach auf dem Weltmarkt. Also ich sehe da noch einige Fragezeichen.

Die Versorgungsflüge

Kleiner Sprung um genau 26 Monate – die ersten Siedler sind auf dem Mars, dazu gab es einige weitere Flüge mit Versorgungsgütern, Lebensmitteln, Werkzeug, 3D-Druckern, einem Atomreaktor und, und und …

Nach wie vor brauchen die Siedler aber Versorgungsgüter von der Erde. Gut, ihre T-Shirts können sie auch auf dem Mars waschen. Bei genügend Energie können sie auch Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff spalten und so Sauerstoff regenerieren und mit dem Wasserstoff mit Kohlendioxid zu Kohlenmonoxid und erneut Wasser umsetzen und benötigen so keine Gase und Wasser von der Erde. Aber: sie werden nach wie vor Nahrungsmittel benötigen, Ersatzteile, Material für den 3D-drucker mit dem auch repariert wird und vielleicht auch weitere Ausrüstung wenn sie noch mehr alte Starships zu Wohnquartieren umrüsten wollen. Daneben so der ganze Konsumquatsch wie das neueste iPhone oder die Mode nach dem neuesten Trend. Vorhin habe ich 8 kg pro Person und Tag für den Flug zum Mars angesetzt, gehen wir für die folgende Berechnung runter auf 5 kg, weniger als die Hälfte die heute die ISS Besatzung pro Tag braucht.

Startfenster zum Mars gibt es nur alle 26 Monate. Die Reisezeit zum Mars kann man außer Betracht lassen, weil die 26 Monate ja schon anfangen, wenn die erste Besatzung die Erde verlässt. In 26 Monaten braucht man pro Person so knapp 4 t Versorgungsgüter. Wenn man keine Umverpackung (Druckkabine) braucht, kann ein Starship pro Versorgungsflug das ja 250 t Brutto und 190 t nach Abzug des Landetreibstoffs transportieren kann maximal 48 Personen versorgen, das entspricht also wenn ich von 18 Personen pro Starship beim ersten Flug ausgehe maximal drei Transportern und noch weit unter den 100 Personen die nach Musks Ansicht pro Flug fliegen sollten (anders ausgedrückt – da das Volumen in etwa dem eines Jumbo Jets entspricht, erwartet Musk wohl offensichtlich das seine Maussiedler 200 Tage lang mit so viel Platz auskommen wie sie in der Businessclass einer B-747 haben.

Billig wird das nicht. Es gibt keine belastbaren Zahlen was ein Starship mal kosten wird. Aber wenn ich es mal mit Logik probiere: Die Falcon 9 ist zu 75 % der Masse wiederverwendbar, kostet 67 Millionen Dollar pro Start und wiegt 550 t. Die Falcon Heavy ist schon zu 90 % der Masse wiederverwendbar, kostet 97 Millionen Dollar und wiegt 1.429 t. Das Starship soll nun 5.000 t wiegen und zu 100 % wiederverwendbar sein. Viel mehr einsparen kann man vom Sprung von 90 auf 100 Prozent nicht mehr, aber es ist mehr als dreimal schwerer. Daher weiß ich zwar nicht den exakten Preis – mich würde wundern wenn den Elon Musk kennt – aber es wird sicher noch teurer als eine Falcon Heavy und dann reden wir pro Person für zwei Jahre Versorgungsgüter mit Kosten im einstelligen Millionenbereich. Pro Marsflug braucht man ja vier Starts, drei davon fürs Auftanken. Dabei ist nicht mal berücksichtigt, das das Starship das zum Mars fliegt, nicht wiederverwendbar ist, wovon ja die gesamte SapceX-Rechnung frü die Nutzung im Erdorbit ausgeht.

Fazit

Ich muss immer bei diesen Ankündigungen von Musk an das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ denken. Da gibt es ja auch etliche die gerne das glauben wollen und ihren Verstand abschalten. Wenn es so einfach und preiswert wäre, wie Musk sagt, dann hätte sicher die NASA ihn längst damit beauftragt die Marsexpedition durchzuführen, eine Expedition wäre ja noch einfacher als eine Siedlung, denn man kehrt nach eineinhalb Jahren ja wieder zurück. Aber mal Logik: Spacer führt routinemäßig Flüge zur ISS mit der Dragon 2 durch. Die ist weitestgehend wiederverwendbar (anders als die auf dem Mars verbleibenden Starships) und die Falcon 9 ist es zu 75 %. Das kostet, obwohl wie hier von etwa 12 bis 15 t Nutzlast im Erdorbit reden, 55 Millionen Dollar pro Sitzplatz, 220 Millionen Dollar pro Flug bei vier Personen – und das ist was die Masse in den LEO angeht etwa ein Fünfzigstel eines einzigen Starship Flugs zum Mars. Also ich glaube nicht das dies nun so schnell in bezahlbare Regionen senkbar ist. Dabei kostete die Entwicklung der Dragon 2 mehrere Milliarden Dollar und dauerte sieben Jahre. Sie muss nur wenige Tage lang arbeiten und im Falle eines Falles kann die Besatzung innerhalb von 90 Minuten auf der Erde landen. Die Marssiedler müssen in einem Starship leben, das hunderte von Tage zuverlässig arbeitet und es gibt keine Rückkehr. Dieses Ansteigen der Anforderungen verteuert ein von der NASA entwickeltes Raumfahrzeug so, das bisher sich kein Präsident fand der eine bemannte Marslandung finanzieren will.

Ob es dann bei SpaceX klappt, nur weil sie angeblich alles besser können? Also angesichts essen das sie meinen 100 Personen über viele Monate in einem Volumen unterzubringen, dass jedem so viel Platz zubilligt wie der Dreifachbelegung einer 8 qm Zelle einem Gefängnis entspricht und ihre ersten Tests des Starship nur am Boden spektakulär scheiterten, habe ich da so meine leisen Zweifel.

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