Wie man am Titel unschwer bemerkt, arbeite ich gerade das Manuskript für die „kleinen Träger“. So wies aussieht bin ich damit nächste Woche fertig und wie immer bei mir, ist es dann doch noch umfangreicher geworden, etwa ein Drittel mehr als in den US-Trägerraketen, ich kann eben nicht widerstehen, noch etwas zu recherchieren und dabei komme ich eben auf meine Blogthemen, die sonst deutlich rarer wären. Das liegt nicht nur an der Tatsache, das das Jahr 365 Tage hat und ich schon seit fast 17 Jahren blogge, also nach WordPress schon 3.951 Beiträge veröffentlicht habe. So viel Themen gibts nun mal nicht. Es liegt auch daran das es immer schwerer wird, über das was mich interessiert, bei aktuellen Themen zu berichten.
In einem der Blogkommentare wurde ich aufgefordert etwas zu Artemis 2 zu schreiben. Nur bitte was? Astronautenbiographien wiedergeben, die man auch bei der NASA nachlesen kann? Genaue Missionsbeschreibungen und etwas über die Technik erfährt man ja nicht mehr von der NASA. Also wieder ein Ausflug in die Vergangenheit, weit zurück bis Ende der fünfziger Jahre, Anfang der Sechziger Jahre ins Mercuryprogramm. Wenn ihr Mondlandungen sehen wollt, dann schaut auch mal diese beiden Dokus über Apollo 17 an, so viel Originalmaterial einer Mission habe ich zumindest noch nie in einer Doku gesehen. Nachdem Alex aber noch aufdringlicher wurde (den Blogbeitrag habe ich schon vor Tagen angefangen) hat er nun seinen speziellen Artikel zu Artemis 2 bekommen.
Die Redstone war für dass Mercuryprogramm wichtig, weil sie es erlaubte alle wichtigen Ereignisse der Mission durchzuspielen. Das war der Start der Rakete. Die Belastungen die dabei auf die Kapsel einwirkten konnten so schon gemessen werden. Danach absolvierte die Kapsel ein Programm, bei dem sie sich von der Redstone löste und der Fluchtturm abgetrennt wurde. Die eigentliche Orbitalphase war für die technische Komplexität dagegen weitestgehend bedeutungslos. Die Kapsel würde sich mit IR-Sensoren auf den Horizont ausrichten, doch das konnte auch abgeschaltet werden um Treibstoff zu sparen. Walter Schirra tat das bei Mercury Atlas 8 um zu demonstrieren, dass er mit viel weniger Treibstoff als sein Vorgänger Scott Carpenter bei Mercury Atlas 7 auskommen konnte, bei dem der zu hohe Treibstoffverbrauch fast zum Scheitern der Mission führte. Vor dem Wiedereintritt absolvierte die Kapsel ein erneutes Programm, sie drehte sich gegen die Bahnrichtung, zündete die Bremsraketen und stabilisierte dann de Lage während des Wiedereintritts. Auch das konnte mit der Mercury Redstone erprobt werden, nur erfolgte das Programm eben nur wenige Minuten nach der Abtrennung.
Dabei muss man bedenken, das Mercury keinen Bordcomputer einsetzte. Sie basiere auf normaler Elektrotechnik. Trigger konnten Ereignisse auslösen, die dann automatisch ohne Einfluss oder Anpassung an die Situation stattfanden. Das erklärt dann auch einige der Pannen die stattfanden. Immerhin dürfte der Astronaut selbst etwas tun, anders als bei Wostok wo die Kapsel ganz autonom war bzw. von der Missionskontrolle gesteuert wurde.
Die beiden Raketen die eingesetzt wurden konnten unterschiedlicher nicht sein. Die Redstone war eine schon entwickelte, bei Projektbeginn schon veraltete Rakete. Sie war eine Mittelstreckenrakete, die gerade den ersten US-Satelliten ins All gebracht hatte. Die Redstone war ein direkter Nachfolger der A-4: Sie verwandte dieselbe Treibstoffmischung, Strahlruder und hatte kein schwenkbares Triebwerk. Der Gasgenerator hatte noch ein eigenes Arbeitsmedium, katalytisch zersetztes Wasserstoffperoxid.
Die Atlas, die Mercury in den Orbit bringen sollte durchlief bei Projektbeginn noch ihre Entwicklung. Der erste Flug der Atlas D, die später die Kapsel transportieren sollte, hatte wenige Wochen vor Programmbeginn stattgefunden. Die Atlas wurde als erste ICBM stufenweise weiterentwickelt. Als Mercury genehmigt wurde, war die Version C aktuell. Die erste stationierte ICBM würde die D-Version werden. Ihr folgten die E und F-Versionen, die zahlreiche Detailverbesserungen, vor allem für den militärischen Einsatz hatten. Die Atlas war nicht nur noch nicht einsatzbereit. Sie war auch zwei Generationen weiter. Die Jupiter und Thor als nächste Generation hatten schon schwenkbare Triebwerke, verzichteten auf Strahlruder und eigenen Treibstoffvorrat für den Gasgenerator und setzten das energiereichere Kerosin ein. Die Atlas war fast dreimal so schwer wie diese Raketen und setzte erstmals mehrere Triebwerke ein, die noch dazu teilweise Flug abgeworfen wurden und damit die Nutzlast nennenswert war, setzte sie extrem dünne, nur unter Druck stabile Tanks ein.
Mit der Redstone hatte die STG (Space Task Group, so hieß der Teilbereich der NASA der das Mercuryprogramm durchführte) die Gelegenheit, die Zeit zu nutzen, bis die Atlas verfügbar war. Das würde noch Jahre dauern, da sie nach den militärischen Tests auch für bemannte Einsätze qualifiziert sein musste. Ursprünglich wollte die NASA als Trägerrakete für die suborbitalen Tests die größere Jupiter selektieren. Gespräche mit der Abteilung der Army für die Raketenentwicklung, die von Braun leitete, führten zum Schwenk auf die Redstone. Der Vorteil der Redstone war, dass sie älter war, damit war sie ausgereifter. Trotzdem reichte ihre Leistung aus, die Kapsel auf eine ballistische Bahn zu transportieren. Sicherheit war für von Braun wichtiger als Leistung. So griff die STG auch auf die ursprüngliche Mittelstreckenrakete zurück, während die ersten Satelliten mit einer leistungsfähigeren Version mit schubkräftigerem Triebwerk, verlängerten Tanks und anderer Treibstoffmischung starteten.
Der zweite Vorteil war, dass die STG mit der Redstone missionskritisches erproben konnte. Das war der Ablauf bei Start und Landung, aber auch das Sicherheitssystem mit dem Fluchtturm. Im Orbit rechnete man mit weniger Problemen. Denn dann war das Raumschiff in einer stabilen Umlaufbahn und Pilot / Missionsleitung hatten Zeit, auf Probleme zu reagieren. Bei Start (Abweichungen vom Kurs, Versagen der Trägerrakete) oder Landung (zu steiler / zu flacher Eintrittswinkel, falsche Ausrichtung, Abweichung vom Zielgebiet) dagegen musste man schnell reagieren, sonst war das Leben des Piloten in Gefahr.
Die Redstone brachte die Mercury-Kapsel auf eine suborbitale Bahn mit einer Scheitelhöhe von 190 km. Nach der Abtrennung führte das Raumschiff das komplette Wiedereintrittsprogramm durch, drehte die Kapsel und zündete die Bremsraketen. Sie wasserte im Ozean. So konnte die Navy die Bergungsmannschaften schulen. Es war eine kleine Flotte am Zielgebiet, Hubschrauber bargen Astronauten und Kapsel. Flugzeuge waren in der Luft, um Funksignale zu empfangen oder das Gebiet abzusuchen, wenn die Kapsel vom Kurs abgekommen war. Die Bergung war missionskritisch. Es gab das Risiko, dass das Raumschiff bei hohem Wellengang unterging.
Man blieb, obwohl die Kapseln an der Nutzlastgrenze waren, bei der Atlas D, da sie einen wertvollen Vorteil hatte: Alle Triebwerke wurden vor dem Abheben gezündet. Damals gab es oft schon bei der Zündung Probleme, vor allem die Verbrennungsinstabilitäten waren ein Problem. Bei einer Verbrennungsinstabilität verbrennt der Treibstoff nicht sauber, meist ist daran der Injektor schuld, der Oxydator und Treibstoff vermischt.
Die Atlas waren mehr oder weniger Standard-Atlas D, die von der Air Force bestellt wurden. Es gab Änderungen an der Elektronik, die darauf beruhten, dass die Rakete nicht wie eine ICBM nach dem Start autonom sein musste. Nach dem Versagen der Atlas bei der MA-1 Mission wurde die Hülle im oberen Bereich verstärkt und nach dem Fehlschlag von MA-3 die gesamte Elektronik inklusive Stromversorgung redundant ausgelegt.
Die wichtigste Änderung war das Abbruchsystem ASIS. Damals scheiterten noch viele Flüge, sowohl militärische Starts der Atlas (Teststarts und Starts um die Mannschaften mit der Durchführung eines Angriffs vertraut zu machen) wie auch zivile Starts. Es war klar, dass man die Zuverlässigkeit der Atlas nicht entscheidend bis zum ersten Einsatz beim Mercuryprogramm erhöhen konnte. Die Arbeiter bei Convair, Hersteller der Atlas, sagten zwar zu, „die beste Atlas“ zu bauen die es gäbe, doch auch von den im Mercury Programm eingesetzten Atlas erfüllten drei nicht ihre Sollmission, lediglich bei den bemannten Flügen gab es keine Probleme.
Bei Convair gab es Widerstand gegen das ASIS, was die Projektverantwortlichen der STG nicht verstanden. ASIS bestand nicht nur aus dem Fluchtturm, es gab auch eine Elektronik, die in die Rakete integriert wurde. Chris Kraft sprach mit Ingenieuren nach Feierabend und bekam folgende inoffizielle Antworten:
„Ihr erwartet, dass wir Schwächen im Design identifizieren. Wenn wir nur zugeben, dass es welche gibt, glaubt ihr, die Air Force macht das glücklich?“
„Wenn wir herausfinden, wie wir die Rakete überwachen und ein Versagen vorhersagen können. Bedeutet das, das wir verantwortlich für das Leben des Astronauten sind? Ich glaube nicht, dass das einer von uns sein will.“
„Ihr wollt, das wir eine Rakete abschalten, die eventuell noch weiter arbeiten würde. Und ihr wollt, das wir eine Elektronik dafür entwickeln, die es in keiner Rakete bisher gibt. Das System muss, obwohl es nicht existiert, viel zuverlässiger als die Rakete sein, bevor wir eine Atlas abschalten, die noch arbeitet.“.
Soviel in Teil 1, damit ich weder eure Zeit noch Gedächtnisleistung überbeanspruche, geht es morgen mit Teil 2 weiter, in dem es um die Fehlschläge der beiden Träger im Mercuryprogramm geht und wie sie verhindert werden konnten.