Heute – wieder mal, so allmählich habe ich daran Gefallen – ein Retroblog. Dieser Blog behandelt in Kurzform die ersten Satelliten jeder Nation die mit einer eigenen Trägerrakete ins All gebracht wurden, Die Beschränkung auf eigene Trägerrakete muss sein, denn sonst wären es zu viele, selbst viele kleine Länder und Nicht-Raumfahrt-Nationen haben einen Satelliten gestartet und sei es nur ein 1 U Cubesat. Eine Ausnahme gibt es: Deutschland hat zwar das zweithöchste Raumfahrtbudget in der EU, das sechsthöchste Weltweit, aber nie eine eigene Trägerrakete entwickelt, als einziges Land der ersten 10 Nationen weltweit. Die Reihenfolge ist chronologisch.
Sputnik 1 (4.10.1957)
Sputnik 1 war zwar der erste Satellit, aber er war nicht der geplante Satellit. Die UdSSR wie die USA hatten vor während des internationalen geophysikalischen Jahres (IGY) Satelliten zu starten. Der sowjetische Messsatellit lag aber im Zeitplan zurück und wurde so erst im Mai 1958 als Sputnik 3 gestartet. Um den USA zuvorzukommen wurde Sputnik 1 als einfacher Satellit hergestellt. Er war eine einfache Kugel von 58 cm Durchmesser mit einer Masse von 83,6 kg. Heraus ragten zwei Antennenpaare von 2,4 und 2,9 m Länge. Diese lagen beim Start an der Rakete an und wuren später durch Federn in einen Winkel von 35 Grad zur Achse geschwenkt. Die Kugelform erlaubte eine einfache kegelförmige Abdeckung. Der Thermalschutz erfolgte durch Polieren der flächen, sodass die Kugel wenig Wärme aufnahm. Das erlaubte es auch den Satelliten durch optische teleskope einfacher zu verfolgen.
Einziges „Experiment“ waren zwei Sender die an eine Batterie angeschlossen waren. Ein Schalter schaletet mit einer Frequenz von 2 Hz zwischen beiden Sendern um, wodurch diese kurz volle Leistung hatten und dann wieder stumm waren, was das charakteristische Piep-Piep ergab wenn man eine Frequenz verfolgte. Der Sender erlaubte es den Satelliten leichter zu verfolgen und auch die Veränderung der Bahn zu bestimmen. Aufregung gab es damals weil die Frequenzen von 20 und 40 MHz ungewöhnlich waren. Für das IGY hatte man sich international auf Frequenzen im UKW-Band bei 137 bis 140 MHz geeignet. Immerhin lag das 20 MHz Signal nahe zweier Amateurfunkbänder bei 15 und 17 m (18 bzw. 21 MHz) damit Amateure es empfangen konnten. Mehr konnte Sputnik 1 nicht. Seine Batterie lies 60 Tage Betrieb zu. In seiner Umlaufbahn von 214 x 938 km x 65,10 Grad blieb er bis zum 4 Januar 1958.
Explorer 1 (1.2.1958)
Eigentlich sollte Vanguard 1 der erste US-Satellit werden. Ich habe als Abfallprodukt meines neuesten Buchs darüber heute einen neuen Artikel auf der Webseite veröffentlicht. Das Buch habe ich heute frei gegeben, es erscheint also bald, doch das erfahrt ihr noch.
Explorer 1 war ein viel kleinerer Satellit als Sputnik 1 und der erste einer Serie von Forschungssatelliten welche die erde erforschten. Der letzte, Explorer 46, startete am 13.8.1972. Die Serie war so erfolgreich das man auch seitdem „Explorer“ als Bestandteil anderer Satellitennamen findet wie bei FUSE (Far Ultraviolett Solar Explorer).
Explorer 1 hatte die Form eines Zylinders mit Spitzkegel und sieht eher aus wie eine Pfeilspitze als ein Satellit. Das war bedingt durch die Montage auf dem Juno I Oberstufenbündel bei dem es keine Nutzlastspitze gab, der Satellit also aerodynamisch sein musste.
Explorer 1 wog 13,97 kg, war aber fest mit der letzten Stufe verbunden, ohne diese waren es noch 8,3 kg. Trotz der zehnmal kleineren Masse hatte er drei Experimente. Zwei Experimente detektierten Mikrometeorite die auf der Oberfläche einschlugen. Auf der kleinen Oberfläche (Explorer 1 war 95 cm lang und hatte einen Durchmesser von 16,5 cm) lieferte es während der kurzen Betriebszeit keine Daten. Die wissenschaftliche Sensation kam vom dritten Experiment einem Geiger-Müller Zähler, der radioaktive Strahlung erfasste (die älteren von uns erinnern sich noch an diese Geräte die 1986 genutzt wurden um die Radioaktivität von Gemüse nach Tschernobyl nachzuweisen. Strahlung erzeugt ein charakteristisches Knacken).
Explorer 1 gelangte in einen elliptischen Erdorbit von maximal 2.260 km Erdentfernung in der er bis zum 31.3.1970 verblieb. Die Wahl eines elliptischen Orbits erfolgte wie bei Sputnik aus der Überlegung heraus, das die Performance unbekannt war und er so in jedem falle in einem Orbit gelangt, Überschussgeschwindigkeit hebt dann das Apogäum an.
Die Wichtigste wissenschaftliche Entdeckung von Explorer1 war das es um die Erde die Strahlenbelastung hoch ist und mit der Höhe zunimmt. Bei Explorer 1 gingen dann die übertragenen Signale auf Null zurück. James Van allen der das Experiment betreute interpretierte dies richtig als eine Übersättigung des Detektors. Ein weniger empfindlicher Detektor an Bord von Explorer 3 konnte dann den inneren Strahlungsgürtel der seitdem Van Allen Gürtel heißt nachweisen.
Bis zum Erschöpfen der Batterien am 23. Mai 1958 funkte Explorer 1 Daten zur Bodenstation.
Astérix (26.11.1965)
Während zwischen Sputnik 1 und Explorer 1 wenige Monate liegen, folgte der dritte nationale Satellit Astérix erst nach sieben Jahren. Der Grund ist relativ einfach: ein Land braucht ja auch eine Trägerrakete um einen Satelliten zu starten und große Raketen mit langer Reichweite die auch Satelliten starten können bauten eben die UdSSR und die USA. Selbst andere Atommächte, wie Frankreich und England bauten keine großen Raketen, da sie taktische Kernwaffen hatten, die auf dem Gefechtsfeld eingesetzt wurden.
Astérix wurde mit einer zivilen Rakete gestartet, das gilt für die meisten folgenden Satelliten. Frankreich ging dies konsequent an. Sie entwickelte die Trägerrakete Diamant und testete vorher über vier Jahre die drei Stufen separat oder zusammen, erst danach wurde die Diamant mit allen drei Stufen gestartet, was dann auch auf Anhieb funktionierte.
Die Diamant weihte auch das CSG an. Ihre Startrampe war die erste von der aus es Orbitaleinsätze gab. Die ersten Starts und auch der von Astérix fanden aber noch von Hammaguir in Algerien aus statt, das Frankreich nach dem verlorenen Algerienkrieg aber räumen musste.
Astérix 1, ursprünglich nur „A-1“, aber wegen der Popularität der gleichnamigen Comicserie benannt war primär ein Technologieexperiment. Er bestand aus zwei Kegelschnitten, wog 42 kg bei 52 cm Durchmesser und 55 cm Höhe. Die Ausrüstung bestand aus Beschleunigungsmessern, Radar-Peilsignal, Radartransponder, Thermometer und Telemetriesender. Er sollte primär die Belastungen beim Raketenstart und die Temperatur, der passiv durch Anstrich regulierten Hülle übermitteln und mit den Sendern verfolgbar sein. Beim Abtrennen der Nutzlastverkleidung, zehn Minuten nach dem Erreichen des Orbits, wurde die Sendeausrüstung beschädigt, so ist unklar ob Astérix Messungen übermittelte. Je nach Quelle soll er aber zwei oder 111 Tage gearbeitet lang haben. Da es primär darum ging einen Orbit zu erreichen wurde er als Erfolg verbucht. Dank des hohen Orbits (527 x 1.697 km x 34,3 Grad beim Start) ist er heute noch im Orbit (2023: 522 x 1.640 x 34,26 Grad).
Azur (8.11.1969)
Azur war Deutschlands erster Satellit. Nachdem 1962 die ersten Gelder für die Weltraumfahrt flossen, dauerte es noch weitere sieben Jahre bis zum Start des ersten nationalen Satelliten. Die Pläne für einen eigenen Satelliten gab es seit 1961, der Bau begann 1965. Das Projekt Azur kam erst nach dem Regierungswechsel 1966 zur großen Koalition richtig in Gang, erst dann begann man auch die Unterstützung der Raumfahrt mit nennenswerten Beträgen. Deutschlands Einstand kam relativ spät. Vorher hatten schon neben den Großmächten Sowjetunion und USA auch schon England, Frankreich, Italien, Japan, Australien und Kanada einen eigenen Satelliten gestartet, wenngleich nicht alle Länder mit eigenen Trägerrakete.
Azur war als erster Satellit nicht einfach, keine Firma hatte bisher Erfahrungen im Bau von Raumfahrzeugen. Die Kosten stiegen weit über den Plan an. Geplant war ein Kostenrahmen von 30 Millionen DM, doch es wurden über 70 Millionen DM. Aufgabe des zuerst nüchtern „625 A-1“ genannten Satelliten war die Erforschung des Sonnenwindes und die Wechselwirkung mit dem Erdmagnetfeld und elektrischen Teilchen. Sieben Experimente an Bord waren dafür ausgelegt. Sie wurden aus über 100 Vorschlägen ausgewählt. Federführend in der Entwicklung und dem Bau war MBB. Die Experimente wurden vorher schon getestet, indem sie mit Höhenforschungsraketen in 1000 km Höhe geschossen wurden. Gestartet wurde der Satellit mit einer Scout Trägerrakete von den USA. Er erreichte eine elliptische Umlaufbahn von 383 km Erdnähe und 3415 km Erdferne. Den Satellitenbetrieb übernahm am 15. November 1969 das eigens in Oberpfaffenhofen errichtete Deutsche Raumfahrt-Kontrollzentrum (GSOC) der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR), die Vorgängeragentur des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Der Satellit Azur wog 72 kg, (mit Adapter zur Rakete 87,7 kg) war 123 cm hoch, hatte einen maximalen Durchmesser von 76 cm. 5.300 Solarzellen an de Außenseite des zentralen Zylinders lieferten 39 Watt elektrische Leistung. Der nominelle Stromverbrauch betrug 33 Watt. Angeschlossen an die Solarzellen von je 2 x 2 cm Größe waren Silber-Cadmiumbatterien zum Abpuffern von Zeiten im Erdschatten. Die Stabilisierung im dreidimensionalen Raum erfolgte durch Momente von Permanentmagneten, welche die Bestrebung haben, sich parallel zum Erdmagnetfeld auszurichten. Die Genauigkeit der Ausrichtung betrug 5 bis 7 Grad. Die Wärmeregulation geschah durch passiv Wärmeabgabe außen und Wärmeleitung im inneren. Gesandt wurde mit einer Sendeleistung von 0.5 W bei 136.56 und 136.74 MHz. Kommandos wurden bei 148.25 MHz empfangen.
Daten konnten in Echtzeit gesandt oder auf ein Endlos-Analogtonband gespeichert und mit 50-facher Geschwindigkeit ausgelesen werden.
Die acht Experimente wogen insgesamt 16.88 kg und verbrauchten 8.4 Watt an Leistung. Sie untersuchten sieben verschiedene Phänomene die man folgenden drei Fragestellungen zuordnen konnte:
- Untersuchungen über die Natur des inneren Strahlungsgürtels
- Messungen von Vorgängen in der Polarlichtzone
- Messungen der Veränderungen von Ionen bei Strahlungsausbrüchen der Sonne
Die Experimente stammten von MPI für extraterrestrische Forschung in Garching, MPI für Aeronomie in Lindau, der Uni Kiel, der TH Darmstadt und der DFVLR. Sie erforschten kosmische Strahlen, Teilchen des Van Allen Strahlungsgürtels und Polarlichter.
Schon zehn Tage nach dem Start wurde der Kommandoempfänger störanfälliger. Dies konnte man durch das gleichzeitige Senden mit mehreren Bodenstationen kompensieren. Schon am 9.12.1969 nach 300 Umläufen fiel der Bandrekorder aus. Danach konnten die 70 Prozent der Daten empfangen werden, die in Echtzeit gesendet wurden. Am 29.6.1970 brach der Kontakt zum Satelliten nach 233 Tagen aus unbekannten Gründen ab, die geplante aktive Lebensdauer von einem Jahr wurde damit nicht erreicht. Ursache war vermutlich eine Strahlenschädigung des Datensenders. Zehn Jahre nach dem Start verglühte Azur am 10.12.1969 in der Atmosphäre. Trotz der Probleme und der nicht erreichten Solllebensdauer war Azur ein voller Erfolg. Er lieferte über 10 Gigabit an Daten über die Strahlungsgürtel der Erde. Mit Azur bekam die Bundesrepublik nicht nur einen Satelliten sondern auch Know-how im Management einer Weltraummission und der Koordinierung von vielen Partnern in Forschung und Industrie.
So, morgen geht es dann weiter mit Japan, China, England und Australien.