Die Mondlandung und der Haloorbit

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Da nun ja auch der Blue Origin Mondlander als zweites Landegerät auftaucht und ich zumindest dessen Nutzlastkapazitäten der „Mark II“ Version doch etwas anzweifele, denke ich wird es mal an der Zeit wieder mal die Manöver durchzukauen die nötig sind um von der Erde auf dem Mond zu landen. Anders als in früheren Aufsätzen mache ich keine Rechnung, das wäre doppelt gemoppelt, man kann eine Beispielberechnung beim Lunar Starship nachlesen. Es geht mehr um die Größen und die Auswirkung auf die Nutzlast. Als Beispiel werde ich das mal für Apollo durchrechnen und zwar nicht für die Missionen die erfolgten (wäre ziemlich witzlos) sondern was wäre wenn Apollo damals schon den Halo-Orbit genutzt hätte.

Bahnregimes

Allen Bahnen ist gemein, dass man rund 3.100 bis 3.200 m/s benötigt, um von einer niedrigen Erdbahn (LEO) zum Mond zu gelangen.

Es gibt prinzipiell, sowohl bei Landung wie Rückstart zwei mögliche Vorgehensweise:

  • Die direkte Landung
  • Das Einschwenken in einen Mondorbit und dann die Landung

Der Rückstart ist dann geschwindigkeitsmäßig vergleichbar der Landung.

Die Möglichkeit 1 wurde von Surveyor und den frühen Lunas (Luna 4 bis 9 und 13) durchgeführt. Die Sonde „fällt“ auf den Mond, zündet in niedriger Höhe ihr Triebwerk und bremst ab, den Rest des Weges wird der Schub soweit reguliert, dass die Sonde langsam fällt und mit niedriger Geschwindigkeit auftrifft. Bei Surveyor wurde dafür ein kurz brennender Feststoffantrieb für die Reduktion um den Hauptteil der Geschwindigkeit eingesetzt. Er führte zu geringen Gravitationsverlusten von nur 300 m/s, da die danach arbeitenden Triebwerke mit niedirgem Schub nur kurz arbeiten mussten.

Die Landung auf dem Orbit heraus ist energieaufwendiger. Das ist aus der Addition der Geschwindigkeiten nicht direkt sichtbar, denn da ist der Gesamtaufwand gleich hoch ist, egal ob man zuerst in eine Umlaufbahn einschwenkt oder nicht. Der Mehraufwind liegt daran, dass die Geschwindigkeit zuerst parallel zur Mondoberfläche abgebaut werden muss. Während der Betriebszeit des Triebwerks baut sich dann aber eine vertikale Beschleunigung auf, die am Schluss auch noch abgebaut werden muss. Trotzdem ging nicht nur Apollo so vor, sondern auch alle unbenannten Lander seitdem. Der Vorteil ist das man sich dem Landeplatz schräg nähert und so leichter einen Ausweichlandeplatz ansteuern kann.

Beim Aufstieg in den Orbit ist der Aufwand ebenfalls größer als für die den direkten Rückstart. Der Lander startet zuerst senkrecht und muss eine senkrechte Geschwindigkeit aufbringen, um sich von der Oberfläche zu entfernen, dann aber in die Horizontale schwenken um die Geschwindigkeit in einen Orbit parallel zur Mondoberfläche aufzubauen. Es wäre aber auch ein direkter Rückstart zur Erde möglich, wie bei den sowjetischen Luna 16 bis 24 durchgeführt.

Verluste

Es gibt bei der Mondlandung Verluste, bedingt dadurch dass die Mondgravitation den Lander beschleunigt, während dieser abbremst, aus dem Orbit heraus sind sie höher. Beim Apollo Mondlander ist die maximale Geschwindigkeitsänderung bekannt:

  • Einschwenken in einen Mondorbit und Verlassen dessen: Treibstoff für eine Geschwindigkeitsänderung von 2.200 m/s – reale Geschwindigkeitsänderung unter 2.000 m/s.
  • Mondlandung: 2.500 m/s – reale Geschwindigkeitsänderung 1.600 m/s
  • Rückkehr in den Orbit: 2.200 m/s – reale Geschwindigkeitsänderung 1.600 m/s

Die hohen Reserven sind der bemannten Mission geschuldet. So brauchte die Landung mehr Treibstoff, weil das Landen durch das schubschwache Triebwerk länger dauerte und eine 90 Sekunden lange Schwebephase mit einkalkuliert war. Daneben gibt es bei bemannten Missionen mehr Sicherheitsreserven. Die russischen Luna 16 bis 24 kamen mit unter 2.200 m/s für die Landung aus und auch beim direkten Rückstart zur Erde betrug der Mehraufwand nur 300 m/s.

Wo die heutigen Missionen einzuordnen sind ist unbekannt, doch ich denke man wird heute weitaus weniger großzügige Reserven als bei Apollo vorsehen und die schubstärkeren Triebwerke können auch die Gravitationsverluste reduzieren. Entsprechende Erfahrungen gab es ja schon bei Apollo so konnte man, nachdem man feststellte das es genügend Treibstoff bei der Landung gab, bei den J-Missionen mehr Experimente und den über 200 kg schweren Rover mitfuhren und auch die Zuladung an Mondgestein wurde von Mission zu Mission größer.

Die Geschwindigkeit für die Gesamtmission ergibt sich aus der Addition der Einzelgeschwindigkeiten.

Stufenzahl

Apollo setzte für jede Brennphase eine Stufe ein:

  • Verlasen des Erdorbits: S-IVB Stufe der Saturn V
  • Einschwenken in die Mondumlaufbahn und Verlassen derer: Antrieb des CSM
  • Landung auf dem Mond: Decent Stage
  • Rückstart vom Mond: Ascent Stage

Der Vorteil ist das man so jeweils das abwerfen kann, was man nicht benötigt: Von den maximal 49 t einer Mondmission kamen noch 2,3 t in einen Mondorbit und 5,6 t bei der Erde an.

Das Starship macht das alles in einer Stufe, hier kommen von 1.320 t Startmasse noch 120 t im Mondorbit an, zum Rückflug zur Erde reicht es trotzdem nicht mehr.

Beim Blue Origin Lander ist die Stufenzahl und die Vorgehensweise nicht genau bekannt. Soweit ich die Beschreibungen richtig verstehe, ist der Lander einstufig. Wie das Starship gelangt er nur in einen Mondorbit, nicht zurück zur Erde. Vom Erdorbit aus muss eine Rakete ihn zum Mond befördern, sodass er in der Summe zweistufig ist. Auch hier scheint Blue Origin am Auftanken zu arbeiten, (er soll wiederverwendbar sein) ob dies aber schon beim Start aus dem Erdorbit heraus oder erst im Haloorbit zum Einsatz kommt ist offen.

Nach den Prinzipen wie die Geschwindigkeit berechnet wird, ist es sinnvoll Masse abzuwerfen so oft es geht. Hier mal eine kleine Aufstellung:

Bei Apollo bestanden die Raumfahrzeuge aus der Kommandokapsel (etwa 5,6 t), dem Servicemodul (etwa 26,3 t), der Abstiegsstufe (etwa 10,8 t) und der Aufstiegsstufe (etwa 4,4 t). Es wurde nicht die 5,6 t schwere Kapsel auf dem Mond gelandet, sondern nur die leer 2,3 t schwere Aufstiegsstufe. Aber das Servicemodul musste Kapsel und den bis zu 16,4 t schweren Mondlander in eine Mondumlaufbahn bringen. Die Abstiegsstufe wog leer etwa 2,2 t, dieses Gewicht entfiel bei der Aufstiegsstufe und sie verblieb auf dem Mond.

Die Auswirkung zeigt sich bei einer Mission wie beim Starship. Von 1.320 t in der Erdumlaufbahn gelangen noch 120 t von der Mondoberfläche in den Haloorobit, also 1/11. Bei Apollo wären es bei gleicher Vorgehensweise 18 t von 120 t gewesen, also 1/6,6. Dabei hatten weder die Antriebe den hohen spezifischen Impuls der Raptors und das Voll-/Leermasseverhältnis der druckgeförderten Antriebe war auch schlecht. Von dem Blue Moon Lander gibt es so wenige Daten, dass ich von einem Vergleich absehe.

Der Haloorbit

Apollo schwenkte in einen niedrigen Mondorbit ein. Der heutige Haloorbit war damals noch nicht bekannt. Eine Bahn um den Mond ist zumeist nicht stabil. Der Körper ist zu klein und zu nahe der Erde. Dazu kommt die Gravitation der Sonne. Bahnen werden so gestört, dass sie exzentrischer werden bis das Perilunäum auf der Oberfläche liegt und ein Mondsatellit aufschlägt. Das wurde zuerst bei den Lunar Orbitern entdeckt. Mit Supercomputern kann man inzwischen Bahnen berechnen bei denen sich die Störeinflüsse von Sonne und Erde aufheben. Der Haloorbit ist eine solche Bahn. Es gibt aber auch mondnahe stabile Bahnen. Auf einer umkreist der LRO schon seit 2008 den Mond. Der Halo Orbit ist sehr exzentrisch und hat einen Vorteil – ein Satellit auf ihm kann als Kommunikationsrelais dienen. Der Hauptvorteil ist aber das man nur rund 420 m/s benötigt um in einen Orbit einzuschwenken. Bei Apollo wurden dafür je nach Ausgangsbahn zwischen 900 und 1.000 m/s benötigt.

Die Differenz ist allerdings nicht umsonst, bei der Landung werden knapp 800 m/s mehr benötigt. Doch da in den Orbit Kapsel- und Servicemodul einschwenken, die sowohl bei Apollo wie auch der Orion viel schwerer als der Mondlander sind spart man so Energie.

Apollo im Haloorbit

Ich habe für Apollo 17 mal die Vorgehensweise in den Halo Orbit ausgerechnet. Ich gehe von den NASA Angaben von 1.000 m/s Referenzabbremsung in den direkten Orbit und 420 m/s für den Halo-Orbit aus. Für die Mondlandung und Rückkehr habe ich 750 m/s hinzugerechnet. Das entspricht dem Geschwindigkeitsunterschied der Bahnen.

Bei den Auswirkungen muss man dann noch die Masse berücksichtigen. Die beiden Stufen bestanden ja nicht nur aus Antriebstechnik. Die Abstiegsstufe hatte noch den gesamten Rahmen mit Landebeinen, die Aufstiegsstufe war in die Kabine mit allen Systemen für die Besatzung und mission integriert. Da nun aber nur mehr Treibstoff zugeladen wird habe ich ein Ansteigen der Trockenmasse um 1/6 des Treibstoffs angenommen, das ist großzügig berechnet und beinhgaltet Tanks, Druckgas und mehr RCS-Treibstoff.

Ich habe rückwärts gerechnet vom Verlassen des Halo Orbits und den bekannten Trockenmassen vom SM und CM, inklusive den 200 m/s Reserve. Ich habe jeweils 100 m/s Reserve beim Einschwenken und Verlassen des Orbits eingerechnet. Nicht berücksichtigt ist die Zuladung Essen, Gase, Wasser, Besatzung, Mondgestein). Man benötigt zur Rückkehr zur Erde 2.218 kg Treibstoff. Um in den Halo Orbit einzuschwenken braucht man bei der Startmasse von 49.227 kg insgesamt 7.715 kg Treibstoff. Bei einer Trockenmasse von 11.941 kg von SM und CM ergibt sich so ein Gewicht von 27.352 kg für den Mondlander. Das reale wog 16.448 kg ohne Experimente und Lunar Rover. Basierend auf den daten der Decent Stage landen davon noch 9.426 kg auf der Mondoberfläche, abzüglich des Mehrgewichts für Tanks sind dies 7.729 kg für die Aufstiegsstufe / Fracht gegenüber 4.729 kg bei Apollo 17. Das erlaubt es 2.288kg in einen Mondorbit zu befördern, das sind nur 143 kg mehr als bei Apollo, aber immerhin. Zu berücksichtigen ist auch das die Leermasse von Tanks von einem Sechstel der Startmasse sehr pessimistisch geschätzt ist. Nimmt man existierende druckgeförderte Stufen wie die Delta oder EPS als Basis so sind auch 1/8 bis 1/10 denkbar und dann steigt die Nutzlast an.

Für die modernen Mondlander von Blue Origin und SpaceX ist auch zu bedenken, dass der Mehraufwand für die Landung von Triebwerken aufgebracht werden, die einen viel höheren spezifischen Impuls haben und so der Treibstoffverbrauch geringer ist also beim Orionmodul mit seinem lagerfähigen Treibstoff. Daneben können diese einstufigen Systeme (für die Landung und Rückkehr) die Reserven für Landung und Start zusammenlegen und so reduzieren. Der Haloorbit erhöht also die Nutzlast für eine Mondlandung.

 

One thought on “Die Mondlandung und der Haloorbit

  1. Hallo Bernd,

    vielen Dank für die Berechnungen, die Landung scheint also gar nicht so unwahrscheinlich zu sein.
    Ich persönlich freue mich, dass jetzt zwei verschiedene Konzepte für die Mondlandung konkurrieren. Ich glaube das erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit stark.
    Ich wäre trotzdem überrascht, wenn vor 2030 ein Mensch auf dem Mond landen würde. Ich würde mich natürlich sehr, sehr freuen, aber ich erwarte es nicht.
    Wenn ich sehe welche Probleme es beim viel einfacheren Ziel gab: Eine bemannte Kapsel zur ISS zu schicken, dann glaube ich nicht, dass die Landung auf dem Mond noch in diesem Jahrzehnt realistisch ist. Wenn aber zumindest die Nutzung des Haloorbits durchaus Sinn hat, dann werden wir vielleicht doch nicht so lange warten müssen. Ich würde mich sehr freuen, wenn es den Menschen gelingen sollte vor 2030 auf dem Mond zu landen.

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