Das N-Wort und political Correctness

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Auf meinen heutigen Blog kam ich durch zahlreiche Meldungen, vor allem im Radio, wo auch Themen aufkommen, die jetzt für Tagesschau und „Heute“ zunwichtig sind, aber immerhin für die Radiomacher noch bedeutend genug.
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Der Titelaufmacher war eine Diskussion, die losgetreten wurde über die Abilektüre für das schriftliche Abitur un Baden-Württemberg und das war der Roman „Tauben im Gras“ von Wolfgang-Koeppen. Der Roman erschien 1951. In ihm kommt über 100-Mal das „N-Wort“ vor. Eine Deutsch- und Englsichlehrerin, Jasmin Blunt hatte eine Petition angestoßen mit dem Ziel, den Roman deswegen nicht als Abi-Pflichtlektüre zuzulassen und nach einigen Diskussionen auch Erfolg. Es ist nun die Entscheidung des Lehrers für das nächste Schuljahr ob er ihn behandelt oder nicht. Was ich daran interessant finde, war ein Interview mit ihr im Radio, in der sie beschriebt das der Roman lange Zeit zu ihren Lieblingsbüchern gehörte, bis ein Kollege sie auf die Verwendung des N-Worts hinwies und sie es erst dann entdeckte und nun auf keinen Fall diesen Roman unterrichten will. Jasmin Blunt sieht sich nun selbst beleidigt, denn sie hat eine dunkle Hautfarbe.

Das erste was mir auffällt ist, das in der ganzen Berichterstattung und das kam mehrmals, in den Medien, immer wurde nur vom „N-Wort“ gesprochen. Niemals, welches Wort mit N denn nun so schlimm sein. Gut, ich denke es ist „Neger“ gemeint, aber das muss man wissen, die Radiomacher setzen also dieses Vorwissen voraus. Ist nicht selbstverständlich, wenn meine Eltern noch leben würden, die würden unter „N-Wort“ wohl „Nazi“ verstehen. Aber während der „Neger“ eine rassistische Bemerkung ist darf man „Nazi“ problemlos sagen und Björn Höcke sogar einen Nazi nennen.

Das zweite was ich denke ist eben, dass wir Literatur aus der Zeit heraus interpretieren müssen in der sie entstand. Marcel Reich-Ranicki, als Jude sicherlich sensibilisiert gegenüber Rassismus, hat den Roman zu den 20 bedeutenden deutschen Literaturwerken gezählt. Auch in Astrid Lindgrens Kinderbüchern kommt der „Neger“ vor und sie soll testamentarisch verfügt haben das ihre Bücher dahingehend nicht verändert werden.

Ein Problem ist das „Neger“ heute eine andere Bedeutung hat als 1951. Wer mal eine Berichterstattung über den Kampf der Schwarzen für Gleichberechtigung angesehen hat und dort auf die Originalaufnahmen mit Statements von Mohammed Ali oder Martin Luther King hört, wird feststellen, dass sie sich damals selbst als „Nigger“ bezeichneten. Heute ist „Nigger“ als Ausdruck, rassistisch und herabwürdigend gemeint. Interessanterweise ist in den USA von wo die Welle des „N-Wortes“ zu uns rüberschwappte die Betrachtung differenzierter. Dort ist „Negro“ durchaus noch erlaubt, „Nigger“ dagegen das „N-word“. Nun kann man überlegen, ob der „Neger“ nun eher gemeint ist im Sinne von Negro oder Nigger. Man kann sich auch den Kontext eines Textes ansehen um festzustellen ob der „Neger“ gleichbedeutend mit einer Hautfarbe ist also synonym mit „Schwarz“ (darf man das noch sagen?, ich glaube, weil „weiß“ ist ja auch nicht verboten) oder ob es rassistisch gemeint ist. Aber das würde ja wirklich eine Auseinandersetzung und genauere Betrachtung erfordern. Das ist Arbeit. Aber wenn man pauschal das Wort verbietet dann ist man eben immer auf der sicheren Seite. Und wenn man es konsequent mit dem „N-Wort“ ersetzt, zeigt man sogar das man sensible ist und politisch korrekt handelt.

Auch bei uns hat sich die Bedeutung geändert, so war es als ich jung war ein Synonym für jemanden der rechtlos ist, so in die Richtung „Sklave“ wie Wolle Kriwanek in seinem Lied „Bin für die bloss der Neger“ zeigt. Der Song stammt von 1980. Da Kriwanek schon 2003 verstarb musste er ihn wenigstens nicht mehr umschreiben.

Wir neigen inzwischen dazu die Vergangenheit unter den heutigen Maßstäben zu beurteilen und es gibt nur noch zwei Extreme. Wenn heute ein Wort diskriminierend ist, dann darf eben dieser Roman nicht mehr gelesen werden. Es ist etwas weit hergeholt, aber die Erbauer der A-4 waren nach dem Krieg auch bei uns angesehen. Wernher von braun wurde bei seinen Deutschlandreisen bejubelt, ein Film über ihn mit Curd Jürgens in der Hauptrolle als Wernher von Braun sogar gedreht. In den USA zählte auch nicht so sehr seine Vergangenheit, sondern was er in der Gegenwart für die USA leistete. Während das in den USA bis heute noch so ist, hat sich die Stimmung bei uns grundlegend gewandelt und er gilt als Jemand der zumindest sich mit dem Regime eingelassen hat, was er nach den heutigen Moralmaßstäben nicht hätte tun dürfen. Die Moralmaßstäbe haben sich verschoben und das zeigt auch die Diskussion ob man Schulen oder Straßen nach ihm benennen soll.

Das ganze zieht ja Kreise, nun werden ja auch Dinge umbenannt bei denen eines dieser verbotenen Worte schon enthalten ist. Also Schokoküsse hießen als ich jung war noch „Mohrenköpfe“ und auch „Negerküsse“ war als Bezeichnung üblich. Ebenso darf es heute nicht mehr „Zigeunerschnitzel“ heißen. Den Sinn dahinter sehe ich nicht. Also wenn ich die beiden Worte höre, denke ich an eine fast schon ekelig süße Eiweiß-Zuckermischung mit Schokoladenglasur und an ein Schnitzel mit Paprikasoße. Das ist einfach der Name, genauso wie ich bei Jägerschnitzel ja auch nicht an Jäger denke. Gut Gerichte umzubenennen ist kein großer Akt, als der Jugoslawienkrieg losging, verschwanden bei dem kroatischen Restaurant auch Bezüge auf Serbien von der Speisekarte und Gerichte wurde umbenannt.

Es geht noch weiter. Als Karneval war, fragte in einer Sendung die Moderatorin ernsthaft, ob man seinen Kindern noch gestatten sollte, als Indianer kostümiert auf den Fasching zu gehen und fragte eine Expertin dazu, die auch Kontakte zu indigenen Völkern hat. Die hat die Frage anscheinend schon mal diesen gestellt und gab folgende Antwort. Es wäre okay, man sollte seine Kinder aber darüber aufklären das dies ein Klischee wäre und potenziell beleidigend. Also dann kann ich es gleich lassen. Das nimmt dann dem Kind doch jeden Spaß an der Verkleidung. Wer will schon in einem Kostüm gehen wo andere damit beleidigt. Meiner Ansicht nach ist es auch nicht relevant. Mich juckt es ja auch nicht wenn Touristen in Bayern in Phantasie-Lederhosen und Dirndl herumlaufen weil sie meinen das wäre hier die normale Kleidung. Wo wird das enden? Werden nicht auch Cowboys und Hexen im Fasching klischeehaft dargestellt? Ja mit so was beschäftigen sich Leute. Oder durchaus ernster: Eine Seniorentanzgruppe (Alter zwischen 60 und 82) dürfte nicht auf der BUGA 2023 auftreten weil einige der Kostüme rassistisch seine, wie dieses hier das sie selbst genäht haben.

Analog entzünden sich nun schon Diskussionen darüber ob die Romane von Karl May als Kinderbücher noch zumutbar sind. Die sind noch älter als der Roman Tauben im Grass oder Astrid Lindgrens Kinderbücher, das Klischee noch größer und May war nicht mal in Amerika sondern hat sich alles ausgedacht.

Es gibt nur wenige kritische Gegenstimmen. Eine brachte es auf den Punkt. Ein Sprachwissenschaftler sprach sich dagegen aus Dinge umzubenennen in denen nur Wortbestandteile diesen rassistischen Ursprung haben, wie eben die Schokoküsse und er meinte auch das man Literatur als das Spiegelbild der Gesellschaft wahrnehmen soll, in der sie entstanden und da war um 1900 Karl Mays fiktiver Winnetou durchaus ein positives Bild der Indianer, die man ja auch nicht mehr Indianer sondern „indigene Bevölkerung“ nennen darf. Damals wurden durchaus noch Eingeborene „ausgestellt“ wie Menschen mit zu vielen Fingern oder Tiere. Seine Argumentation ist, das dies alle die diese Worte bisher benutzten verunsichert, so in der Art, nun haben sie jahrzehntelang das Falsche gesagt. Oder wenn man Karl May gelesen hat, wie man schon als Kind mit rassistischen Stereotypen konfrontiert wurde.

Ich habe das Gefühl bei uns übertreibt man es wie üblich. So bin ich mir nicht mehr sicher ob es „politisch korrekt“ ist noch von „Schwarzen“ zu reden und darf man im Zusammenhang mit China noch von der „gelben Gefahr“ sprechen? In den USA ist „Black“ noch kein Schimpfwort wie auch die Kampagne „Black live matters“ zeigt. Wo beginnt dann die Abgrenzung, wo ein Wort noch „erlaubt“ ist. Also es neben der Herabwürdigung einer Person auch eine rassistische Komponente hinzukommt. Denn meist werden solche Wörter ja als Beleidigungen verwendet. Wo darf man sie noch zitieren, denn ist es ist ja klar, egal ob ein Begriff rassistisch gemeint ist oder nicht, dass man nicht beleidigen soll. Ab wann darf ich nicht mehr zitieren sondern muss Begriffe wie das „N-Wort“ benutzen? Ich denke „Kanake“ wäre politisch unkorrekt, während die Bezeichnung einer Frau als „Nutte“ sicher auch eine Beleidigung ist aber (noch) nicht rassistisch angesehen wird, anders als wenn ich jemand als „Transe“ bezeichne. Zumindest würde keiner auf die Idee kommen, Nutte als das N-Wort anzusehen.

Viele der Wellen von verbotenen Begriffen, Änderungen der Sprache etc. habe ich nur durch die Politik mitzubekommen. Das Wort „Gender“ kannte ich bisher nur aus einer Zeile des Songs „Murder on the Dancefloor“ von Sophie elis Baxter. Bis die AfD das Thema aufgriff und nun regt sich Söder über „woke“ auf, auch damit konnte ich zuerst nichts anfangen, weil es für mich wie „vogue“ klang. Okay, inzwischen weiß ich warum es geht, aber ich habe inzwischen die Einstellung, dass wenn ich erst nachschlagen muss, worüber sich jemand aufregt, weil mir das Schlagwort nichts sagt, ich es genauso gut ignorieren kann. Das ist dann ein typischer Fall von PAL: Problem anderer Leute.

Ich fange auch nicht an, nun alle möglichen Begriffe zu verändern, die ich bisher als Plural ansah und zwar geschäftsunabhängig. Also die Mehrzahl von Arzt ist bei mir Ärzte, auch wenn in der Gruppe auch Frauen sind, außer die Gruppe besteht nur aus Frauen. Gerade in den Medien wo man ja in jedem Falle politisch korrekt sein muss ist das anders. Ad wird dann pauschal überall das „innen“, wahlweise mit Pause angehängt. Ich wage zu prophezeien, in einigen Jahren haben wir die Diskussion nochmal. Nämlich dann wenn die Mitglieder der LBGT Community drauf kommen, das sie bei dieser Unterscheidung zwischen „männlichen“ und „weiblichen“ Bezeichnungen nicht vertreten sind. Ansonsten kann jeder von „Gästin“ reden, für mich ist ein „Gast“ immer noch geschlechtslos. Und ich schreibe an meine Blogleser, nicht Blogleserinnen, zumindest bei den Kommentaren gibt es mit Anja ja nur eine Kommentatorin. (Kommentareuse?, man beachte ja den Unterschied zwischen Masseurin und Masseuse…, so was artet ganz schnell in ein Minenfeld aus wenn man den falschen Begriff verwendet).

Ich denke bald haben wir auch das Alphabet durch, denn es wird bald das „K-Wort“ („Kanake“) und das Z-Wort („Zigeuner“) kommen und man glaubt nicht wie viele rassistische Begriffe es gibt. Nach dem Artikel wird es dann bald auch noch die „B-, E- und U-Worte geben (Buschmann, Eskimo, Ureinwohner). Dann wird man die Diskriminierung von Frauen angehen und es kommt das NU- und SL-Wort …

8 thoughts on “Das N-Wort und political Correctness

  1. In den dreißiger Jahren haben die damalig aktuellen „Sprachwächter“ folgende „nicht arischen“ Worte verboten:
    Nase sollte zu Gesichtserker werden,
    Lokomotive zu -Zieh z.b. Bernzieh statt Elektrolokomotive etc. etc.
    Genauso wie wir das heute lächerlich empfinden, wird in hundert Jahren darüber gelacht!
    Es ist halt auch eine Form von Wichtigmachen und in der Öffentlichkeit auftauchen….

    Meint Ralf mit Z

    1. Das hat mit den 30er Jahren und den Nazis nichts zu tun, „Gesichtserker“ ist definitiv älter und vermutlich auch eher eine Verballhornung, um sich über die Sprachpuristen aus dem 17.-19. Jahrhundert lustig zu machen. Und teilweise waren die Sprachpuristen wie Philipp von Zesen, Joachim Heinrich Campe oder Otto von Sarrazin erfolgreich: Wir sagen heute „Leidenschaft“ statt „Passion“, „Erdgeschoss“ statt „Parterre“ oder „Bahnsteig“ statt „Perron“. Und „Schwerkraft“ ist bei uns ebenso akzeptiert wie „Gravitation“.
      In der Nazizeit wurde der Sprachpurismus eher kritisiert (auch von Hitler selbst).

      1. Trotzdem haben irgendwelche „Sprachreiniger“ das während der Nazi-Zeit
        durchsetzen wollen.
        Und in 100 Jahren werden wir über die Sprachänderungen von heute genauso
        den Kopfschütteln und uns der dann aktuellen Sprachänderungen widmen.
        Sprache ist lebendig, und sollte nicht von den Menschen „bewußt“ geändert werden, sondern sich einfach frei entwickeln können. Schließlich reden wir heute auch nicht so wie vor 100 Jahren.

        Meint Ralf mit Z

  2. Chapeau! Herr Leitenberger, Sie sind mit diesem Artikel auf dem richtigen Pfad der Erkenntnis. Die Sache mit dem Arzt/Ärzten, Gast/Gästen für beide Geschlechter nennt man übrigens das generische Maskulinum und das ist seit Urzeiten fester Bestandteil der deutschen Grammatik.

    Bleiben Sie mit Ihrem Blog und Ihrer Webseite auf Kurs, und lassen Sie sich nicht von der heutigen woken linken Kultur des Cancelns, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, und Kulturkämpfens einschüchtern.

  3. Finde die Debatte auch komplett übertrieben.
    Bis das Thema damals losging wusste ich gar nicht das der Begriff Mohrenkopf etwas mit Rassismus zu zun hat bzw. überhaupt eine Bezeichnung für Schwarze ist.
    Ein Mohrenkopf war die Süßigkeit und ich habe bei dem Begriff an gar nichts anderes gedacht.

    Und bei den Karl May Büchern finde ich ist die Ironie an der Debatte ja das in den Büchern in den meisten Fällen der Indianer der gute ist und der Weiße der Böse.
    In der Hinsicht sind die Bücher ja eigentlich total fortschrittlich: Es geht nicht darum ob man Indianer oder Bleichgesicht (ist das eigentlich auch rassistisch oder gibt es keinen Rassismus gegen weiße?) sondern nur darum ob man gutes oder Schlechtes tut. Es gibt gute und böse Indianer und gute und böse Bleichgesicht wobei bei den Bösen die Weißen ja sogar tendenziell stärker vertreten sind.

  4. Diese Überkorrektheit hängt mit auch zum Hals raus. Man muss es allen recht machen und zeigen was für ein toller Mensch man ist. Naja, es liegt halt gerade im Trend und vielleicht kommen die Leute auch bald mal wieder klar und konzentrieren sich auf das Wesentliche.

    In gods own country ist das N-Wort übrigens so ziemlich das schlimmste was man sagen kann. Weit schlimmer als fuck oder shit. Es gibt z.B. den „Scherz“ bei ungeliebten Livestreams im Sprachchat das Wort rauszuschreien, wodurch der Streamer selbst häufig direkt von der Plattform verwiesen wird.

    1. Das „Nigger“ ist den USA so ziemlich das schlimmste ist was man sagen kann, wundert mich eigentlich. Die beiden anderen Worte sind ja eher welche die einem auch so rausrutschen können, also „Shit“ zumindest im Deutschen. Es gibt sogar einen Song mit dem Wort im Refrain („Ich find dich scheisse“)., Ich hätte bei schlimmen Ausdrücken eher auf so was wie „Motherfucker“ getippt.

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