Bernd Leitenbergers Blog

Starbase, die FAA und Artemis 3

Obwohl noch nicht Juli ist, denke ich kann ich mal eine kleine Nachlese zu SpaceX machen. Aufhänger sind ein Artikel in der aktuellen Sterne und Weltraum und eine Meldung zu Artemis 3. Der Artikel in der SuW hebt sich positiv von der Berichterstattung direkt nach dem Start ab, wo viele deutsche Medien den Start zumindest als Teilerfolg, wenn nicht Erfolg ansahen, eben weil Elon Musk vor dem Start die Erwartungen weit dämpfte. Nach den Dokumenten für die FAA Genehmigung, war ein suborbitaler Flug geplant mit einem Wiedereintritt nahe Hawaii, dann meinte Musk das es eine 50:50 Chance gäbe, dass der Orbit erreicht wird und kurz vor dem Start war es dann schon ein Erfolg wenn der Startturm passiert wurde. Mit so was kommt auch nur er durch. Man stelle sich mal vor ULA würde beim jetzt anstehenden Jungfernflug der Vulcan sagen, das es schon ein Erfolg wäre, wenn sie nur den Startturm passiert. Na ja wenn die Ansprüche an die eigene Arbeit nur niedrig sind, dann kommen eben solche Aussagen zustande.

Erstaunlicherweise kam er damit durch, was eher auf die fehlende journalistische Qualifikation vieler deutscher Medien hinweist. Der SuW Artkel konzentriert sich weniger auf das was beim Teststart schief ging, als vielmehr auf de Schäden bei der Starbase und titelt: „Der unverantwortliche Erststart des Starships“. Er beschreibt also vor allem welche Zerstörungen es gab und belegt das mit Bildern von Felsbrocken neben Kratern und verbeulten Tanks. Dann verweist er auf die Anlagen in anderen Weltraumbahnhäfen, wo es künstlich aufgeschüttete Hügel über Flammenablenkschächten gibt, die den Durchmesser einer Turnhalle haben. Der Autor wagt dann die Prognose das es nun Druck von der FAA geben wird und der nächste Teststart nicht so schnell stattfinden wird.

Ich teile die Einschätzung, auch wenn einige Folgerungen im Artikel zumindest nach Musk falsch sind – der Autor Tiltmann Althaus führt das Ausfallen der Triebwerke auf den beim Start pulverisierten Untergrund zurück. Kann sein, muss aber nicht. Dagegen spricht das bei dem viel kürzeren Test mit geringerem Schub im Februar auch schon zwei Triebwerke ausfielen. Damals wurde zwar auch viel Material abgetragen aber weitaus weniger als beim Teststart. Aber das Musk nicht immer die Wahrheit sagt ist ja auch hinlänglich bekannt und die Deutung von Althaus ist zumindest ebenfalls wahrscheinlich.

Eine Frage ist, wie es zu einer Genehmigung des Starts kommen konnte. Die Konstruktion der Starbase weicht ja in mehreren Aspekten von denen anderer Launch Complexes in den USA aber auch international ab. Es gibt keinen Flammenablenkschacht und die Tanks befinden sich in unmittelbarer Nähe der Startrampe. Ich habe nach Vergleichen der Distanz von Tanks gesucht und bin bei Ariane 1 fündig geworden. Bei ihr waren die Tanks 150 m von der Startrampe entfernt, geschützt durch eine Mauer, die Treibstoffleitungen zu ELA 1 verliefen zum Schutz unterirdisch. Die Super Heavy hat in etwa den 30-fachen Schub der Ariane 1, entsprechend größer müsste der Sicherheitsabstand sein.

Das es keinen Flammenablenkschacht gibt ist möglich. Feststofftriebwerke entwickeln ihren Schub so schnell, das sie praktisch sofort nach der Zündung abheben, während Flüssigkeitstriebwerke zum Schubaufbau einige Sekunden brauchen. Daher gibt es bei einigen reinen Feststoffraketen auch nur wie bei dem Starship einen kleinen Starttisch, z.b. bei der Taurus XL (ganz unten im Artikel sieht man eine Konstruktion deren Starttisch dem der Starbase ähnelt). Aber bei Raketen mit flüssigen Triebwerken kenne ich zumindest im CSG und in den USA kein Beispiel wo man ohne Flammenablenkschacht einen Launchkomplex gebaut hat. Dabei ist natürlich logisch, dass eine Rakete mit 33 Triebwerken der 2 MN Klasse viel mehr Schäden beim Start anrichten kann als eine Rakete mit geringerem Schub und das sind ja alle anderen Träger der Welt.

Ich vermute die FAA kann SpaceX nicht vorschreiben wie ihre Startanlagen aussehen. Das ist ja schließlich ihr Privatgrundstück. Sie ist aber zuständig für den Schutz von US-Bürgern und ihrem Eigentum durch jegliche Aktivität in der Luft, darunter auch Starts von Trägerraketen und Landungen von Raumschiffen oder Raketenstufen. Sie hat meiner Ansicht nach versagt, denn es wurden ja im 9 km entfenrten Port Isabel Schäden registriert und Trümmer regneten auch jenseits der Starbase ins Meer oder Gelände das anderen Personen gehört. Das man die Tanks so dicht an den Startturm gebaut hat, ist sogar grob fahrlässig. Schon beim Start neigte sich das Starship anstatt senkrecht aufzusteigen. Das lag an den ausgefallenen Triebwerken. Jeder Start findet senkrecht statt, weil so die Beschädigungen des Startturms und der Umgebung am geringsten sind und die Rakete am schnellsten sich von der Startzone entfernt. Wären andere Triebwerke auf der anderern Seite ausgefallen so hätte sich das Starship nicht vom Tower entfernt sondern auf ihn zubewegt und explodiert, ich habe schon mal berechnet wie viel Energie dabei frei wird. Sei entspricht dem Energiegehalt von 12 Kilotonnen TNT, das ist die Sprengkraft der Hiroshima Atombombe. Die Folgen dürften dann sicher auch außerhalb der Startzone zu bemerken sein. Wenn in den Tanks noch Treibstoff vorhanden ist kann der zusätzlich hochgehen oder auch wenn die Rakete zwar wie geschehen, doch noch abhebt aber Trümmer die Tanks beschädigen kann es zu einer Explosion kommen. Das heißt die FAA hätte sowohl das Konzept der nahen Tanks nicht genehmigen dürfen, wie auch den Start selbst, denn wenn der Firmenchef meint das es schon ein Erfolg ist wenn die Rakete nicht beim Start explodiert, dann wäre das doch für die FAA ein Kriterium den Start zu untersagen bis die Firma selbst Beweise vorlegen kann, dass dieses Worst-Case Szenario sehr unwahrscheinlich ist, z.b. umfangreiche Testprotokolle die belegen, das nicht 6 von 33 Raptors in zwei Minuten ausfallen. Dabei ist die FAA keine kleine Organisation. Nach der Wikipedia hat sie über 48.000 Beschäftigte und ein Budget von 16,5 Milliarden Dollar, also fast ein Budget so groß wie das der NASA. Sie hat also genügend Leute und Macht um dort jeden Stein umzudrehen.

Ich bin gespannt wie das weitergeht, die FAA wird nun ja von Umweltschutzgruppen selbst verklagt. Interessant wird auch sein, welche Auflagen es geben wird.

Die Frage die ich mir stelle ist, warum Musk den Spaceport gerade bei Brownsville gebaut hat. Gut, das die Starbase in den USA ist hat seine Gründe. SpaceX lebt wie andere US-Hersteller davon das die US-Regierung nur bei US-Firmen einkauft und die dürfen nur von den USA aus starten. Das garantiert ein festes Grundeinkommen, über das z.B. Arianespace nicht verfügen kann, weil in Europa die Solidarität nicht so hoch ist und zudem das Budget für Weltraumfahrt, selbst wenn man die nationalen Budgets zum ESA Budget hinzunimmt viel kleiner ist als das kombinierte Budget von NASA, DoD und NRO. Gerade bekamen ULA und SpaceX wieder 12 Starts des Dod und NRO zugesprochen (SpaceX übrigens nur vier, ULA dagegen acht) SpaceX hätte ins Ausland mit weniger Überwachung ausweichen können, wenn keine US-Aufträge für das Starship erstrebt werden. Eine durchaus denkbare Überlegung, die da das System primär nur zum Aufbau von Starlink gedacht ist – es gibt ja nur eine gebuchte kommerzielle Nutzlast und keine Satelliten der Regierung.. Da man aber auf die Milliarden des HLS Kontrakts angewiesen war, ging das nicht. Zuggeben, der Kontrakt kam lange nach Baubeginn der Starbase das kann also für die Entscheidung nicht wesentlich gewesen sein.

Das der Startort geographisch günstig liegt ist unbestritten. Er liegt am südlichsten Punkt der texanischen Küste, südlicher als Cape Canaveral (26 zu 28,8 Grad nördlicher Breite). Nur an der Spitze von Florida wäre ein Startort noch südlicher, doch das geht wegen der Nähe zu Kuba nicht.

Aber wenn das der Grund für die Wahl ist, dann hätte ich einen Startplatz bei Hawaii gewählt. Das liegt noch südlicher – 18 bis 26 Grad nördliche Breite und es gibt neben den gut erschlossenen Hauptinseln noch kleinere jüngere Inseln, weitab von der Zivilisation wo man eine Startbasis erreichten könnte. Dann gäbe es noch die Außengebiete der USA. Puerto Rico liegt bei 18 Grad Nord, relativ gut von den USA aus erreichbar. Noch etwas näher am Äquator liegt Guam aber weitab im Pazifik. Da aber das Starship vor allem das Starlink-Netz aufbauen soll, wäre für diesen Zweck kein äquatornaher Startplatz nötig und dann gäbe es in den USA wirklich viele Gegenden wo es weitestgehend menschenleer ist. Der Spaceport America, als weiterer kommerzieller Startort liegt in New Mexiko. Jeff Bezos Blue Origin-Startplatz liegt in Culberson County. Diese Region hat eine Bevölkerungsdichte von 0,262 Einwohnern pro Quadratkilometer und drei Viertel der Bewohner leben in der Stadt Van Horn, 15 km vom Startplatz entfernt, das heißt der Rest des Geländes ist nahezu menschenleer. Jeff Bezos hat auch jede umliegende Ranch aufgekauft. Ich denke ein Startplatz in einem Gebiet im mittleren Westen der USA wo es viel Landschaft aber wenige Menschen gibt wäre für Musks Pläne besser gewesen.

Dann gibt es noch neues Ungemach. NASA Administrator Bill Nelson hat sich ja direkt nach dem Teststart zu diesem geäußert, relativ höflich auf SpaceX Ansatz der inkrementellen Entwicklung hingewiesen. Inzwischen ist man bei der NASA auch schlauer. Dort nimmt man nicht an, dass der Start von Artemis 3 vor 2026 erfolgen kann, nur mal als Erinnerung: zwei Jahre vor dem Teststart am 16.4.2021 bekam SpaceX den HLS Kontrakt mit einem Ziel 2024 zu starten. In zwei Jahren ist also der Startzeitpunkt um zwei Jahre nach hinten gerutscht. Das sind schon 1 Musk. SpassX Fans können das ja dann in Elon-Time umrechnen.

Ich glaube nicht an 2026. Nur mal eine kleine Liste was SpaceX bis zur Landung zu tun hat:

Erst dann kann die Artemis 3 Mission erfolgen. Die Liste erhebt zudem keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die meisten Punkte haben mit dem Lunar Starship gar nichts zu tun. Der Blue Moon Mondlander ist nicht nur viel konventioneller, sondern er kann notfalls auch von einer SLS gestartet werden. Das Team um Blue Origin muss also nur den Lander selbst entwickeln und wahrscheinlich auch eine unbemannte Demomission durchführen nicht noch ein neues, riesiges und ambitioniertes Trägersystem parallel qualifizieren und neue Technologien wie das auftanken einführen und zudem schnell eine hohe Startfrequenz erreichen. SpaceX hat ein Jahrzehnt gebraucht um die aktuelle hohe Startfrequenz bei der Falcon 9 zu erreichen. Eine ähnliche Frequenz wird sie für die Auftankflüge beim Starship benötigen und das in schon zwei Jahren. Inzwischen dämmert es bei der NASA, dass sich SpaceX mit dem Starship vielleicht überhoben hat:

„He said he was confident that SpaceX would ultimately deliver the Starship lander, and noted that the fixed-price structure of the Human Landing System award shields NASA from additional costs. “But, the fact is, if they’re not flying on the time they’ve said, it does us no good to have a firm fixed price contract other than we’re not paying more.“ (Link). Na ja und da man inzwischen weiß, das die NASA ein Drittel der Gesamtaufwendungen für das Starship bezahlt hat, könnte das noch erheblich länger mit dem Flug dauern, wenn diese Geldquelle nicht mehr sprudelt.

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